Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 3 U 33/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 47/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob bei der Klägerin eine Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1302 (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe – BK 1302) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) anzuerkennen ist und ihr deshalb Leistungen zu gewähren sind.
Die 1953 geborene Klägerin war von Januar 1969 bis Januar 1970 als Reinigungskraft, von April 1970 bis April 1972 als Küchenhilfe, von Anfang Mai 1972 bis Ende April 1989 als Beschickerin und Schabloniererin im Landmaschinenbau, anschließend als Expedientin und danach von April 1990 bis Ende September 1991 als Stationsgehilfin beschäftigt. Seither ist sie keiner beruflichen Tätigkeit mehr nachgegangen.
Mit Schreiben vom 12. Januar 2005 wandte sich die Klägerin an die Rechtsvorgängerin der Beklagten (nachfolgend einheitlich: die Beklagte) und beantragte die Feststellung einer BK. Sie trug hierzu vor, dass sie während ihrer Beschäftigung von Mai 1972 bis April 1989 Arbeitsschutzkleidung und eine Atemmaske habe tragen müssen, weshalb nach ärztlicher Feststellung auch eine Arbeitsplatzumsetzung erforderlich gewesen sei. Tatsächlich habe eine solche aber nicht stattgefunden. Erste Krankheitsbilder seien bereits im Juli 1978 aufgetreten. Aus einer von der Klägerin übersandten Mitteilung des Facharztes für Allgemeinmedizin und Betriebsarztes Dr. K. vom 5. Februar 1987 ging hervor, dass sich aus einem Ultraschallbefund die dringende Notwendigkeit einer Arbeitsplatzumsetzung aus der Farbgebung ergeben habe. In seinem Attest vom 17. Januar 1989 hatte er eingeschätzt, die Klägerin könne zwar im Tauchraum, nicht jedoch in der Farbgebung arbeiten.
Die Beklagte zog den Sozialversicherungsausweis (SV-Ausweis) der Klägerin bei, aus dem sich für den Zeitraum April 1973 bis Dezember 1990 Einträge über Arbeitsunfähigkeiten wegen Gastritis (Diagnose-Nr. 535 ICD-8 bzw. 9) im Juni 1977, Februar und Dezember 1981 sowie April und Oktober 1984, Nierenerkrankungen (Diagnose-Nr. 590 ICD-9) im August, Oktober und November 1982 sowie chronischer Lebererkrankungen (Diagnose-Nr. 571 ICD-9) von Ende Januar bis Anfang März 1987 ergeben.
Aus von der Beklagten ermittelten medizinischen Befunden ergibt sich Folgendes: Nach seinem Befundbericht vom 27. Juli 2005 stellte der Internist und Kardiologe Dr. R. bei seiner Ultraschalluntersuchung am 27. August 2001 eine Steatosis hepatis (Leberzellverfettung) fest. Im Bericht der Klinik für Innere Medizin des E.-Krankenhauses E. vom 2. April 2002 sind u.a. eine Hypercholesterinämie (Fettstoffwechselstörung) sowie eine C-Gastritis der Antrumschleimhaut verzeichnet. Aus dem Arztbrief der Orthopädischen Klinik der P. S. M. vom 24. Januar 2003 gingen als Diagnosen u.a. ein Fibromyalgieleiden sowie eine Hyperurikämie (Harnsäureerhöhung) hervor; außerdem wurde der Verdacht auf das Vorliegen einer medikamenteninduzierten Transaminasenerhöhung geäußert. Nach dem Arztbrief der Klinik für Rheumatologie des Fachkrankenhauses für Rheumatologie und Orthopädie V.-G. vom 17. März 2003 bestanden bei der Klägerin u.a. eine Hyperurikämie, eine Hypercholesterinämie sowie ein Pseudoradikulärsyndrom. Der Chefarzt der Inneren Klinik des Klinikums B. Dr. O. teilte unter dem 5. Juli 2006 u.a. mit, dass eine Fettstoffwechselstörung unterschiedlicher Ausprägung bei der Klägerin mehrmals reproduzierbar gewesen sei.
In der unter Mitwirkung der Klägerin in einem parallelen Feststellungsverfahren gefertigten Stellungnahme der Präventionsabteilung der Beklagten vom 3. November 2005 ist festgehalten, dass die Klägerin im VEB L. B. von Mai 1972 bis Ende Dezember 1982 als Beschickerin mit der Untergrundbehandlung und dem Lackieren unterschiedlicher Kleinteile für verschiedene Sämaschinen befasst gewesen sei. Von Januar 1983 bis April 1989 habe sie als Anstreicherin bzw. Schabloniererin Sämaschinen auf Farbfehler zu kontrollieren und diese mittels Handpinsel auszubessern gehabt. Als Schabloniererin habe die Klägerin im Siebdruckverfahren Typenbezeichnungen und Firmennamen auf die Sämaschinen aufgetragen.
In ihrer nach Einsichtnahme in die Betriebsakte des VEB L. B., Aufsuchen des von der Klägerin bezeichneten Nachfolgebetriebes und Befragung betrieblicher Zeitzeugen erstellten Arbeitsplatzanalyse vom 17. November 2006 schätzte die Präventionsabteilung der Beklagten ein, die Klägerin sei nicht im Sinne der BK 1302 exponiert gewesen. Im Rahmen ihrer Tätigkeit als Beschickerin und Schabloniererin, als sie nach ihren Angaben Kontakt mit vom VEB F. und Lacke L. hergestellten "Algit"-Einbrennfarben und zugehörigen Verdünnungen gehabt habe, sei eine Gefährdung durch halogenierte Kohlenwasserstoffe auszuschließen. Diese seien in den verwendeten Alkydharzlackfarben und den entsprechenden Verdünnungen nicht enthalten gewesen.
Mit beratender Stellungnahme vom 24. November 2006 empfahl die Arbeitsmedizinerin Dr. M., keine BK 1302 anzuerkennen. Mit großer Wahrscheinlichkeit sei bei der Klägerin von einer fettstoffwechselbedingten Leberzellschädigung auszugehen.
Dieser Einschätzung schloss sich die Beklagte mit Bescheid vom 11. Januar 2007 an und lehnte die Anerkennung einer BK 1302 sowie die Erbringung von Leistungen ab.
Den hiergegen von der Klägerin am 19. Januar 2007 erhobenen Widerspruch, mit dem sie u.a. vortrug, Dr. B. habe im März 1990 eine bei ihr bestehende Neuropathie mit den beruflichen Einwirkungen in Zusammenhang gebracht, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. März 2007 als unbegründet zurück.
Am 26. April 2007 hat die Klägerin zur Weiterverfolgung ihres Anliegens beim Sozialgericht (SG) Dessau Klage erhoben und geltend gemacht, dass sie wegen ihres Leberleidens seit 1990 in ärztlicher Behandlung sei. Bei diesem handele es sich anstatt um eine fettstoffwechselbedingte Störung um eine durch schädigende berufliche Substanzen hervorgerufene Erkrankung. Während ihrer Tätigkeit im VEB L. B. sei sie mit vom VEB F. und Lacke L. hergestellten "Algid" Einbrennfarben sowie den Verdünnungsmitteln 65 und 59 in Berührung gekommen. Es könne nicht definitiv ausgeschlossen werden, dass diese Arbeiten ursächlich für die Erkrankung seien. Magen- und Darmbeschwerden seien bereits während ihrer beruflichen Tätigkeit aufgetreten. Dr. K. habe deshalb auch die Umsetzung empfohlen.
Das SG hat von der Oberärztin des Instituts für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik des Universitätsklinikums H. Dr. B. nach ambulanter Untersuchung am 28. August 2007 das Gutachten vom 13. September 2007 eingeholt. Diese hat auf ihrem Fachgebiet eine ausgeprägte Fettleber sowie eine Fettstoffwechselstörung diagnostiziert und im Ergebnis eingeschätzt, die berufliche Tätigkeit der Klägerin zwischen Mai 1972 und April 1989 sei nicht als wesentliche (Teil-)Ursache des Fettleberleidens anzusehen. Hiergegen spreche schon, dass die Einwirkung halogenierter Kohlenwasserstoffe nicht nachgewiesen sei. Nach den Ermittlungen der Präventionsabteilung, denen sie sich nach durchgeführter eigener Recherche anschließe, seien vorwiegend Alkydharzfarben verwendet worden, die keine halogenierten Kohlenwasserstoffe im Sinne einer BK 1302 enthielten. Auch die von der Klägerin bezeichneten Einbrennfarben seien als Alkydharzlacke einzuordnen bzw. beruhten auf einer – ebenfalls keine halogenierten Kohlenwasserstoffe beinhaltenden – Phenolharzbasis. Die eingesetzten Lacke hätten nur aliphatische und aromatische Kohlenwasserstoffe enthalten. Zugehörige Krankheitsbilder seien insoweit eine Hirnleistungsstörung oder periphere Nervenstörungen. Entsprechende Gesundheitsstörungen lägen bei der Klägerin nicht vor. Halogenierte Kohlenwasserstoffe wirkten toxisch auf das Nervensystem. Akut träten bei den Exponierten Schwindel- bzw. Rauschsymptome auf. Bei langzeitiger Einwirkung könne es zu Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen kommen. Auch eine Schädigung peripherer Nerven im Sinne einer Polyneuropathie könne auftreten. Entsprechende Akut- oder Langzeitsymptome habe die Klägerin nicht beschrieben. Zwar leide sie an Taubheitsgefühlen im Bereich des linken Unterschenkels. Der betroffene Bereich könne jedoch klar dem Bandscheibenschaden im Bereich L5/S1 zugeordnet werden. Das Vorliegen einer toxischen Leberschädigung ohne begleitende toxische Nervenbetroffenheit sei sehr unwahrscheinlich. Gegen eine berufliche Verursachung des Fettleberleidens spreche auch, dass dieses 15 Jahre nach dem Ende der Exposition unverändert fortbestehe. Als Ursache der Fettleber sei die Fettstoffwechselstörung anzusehen.
Die Klägerin hat den Entlassungsbericht des E.-Krankenhauses E. über ihren stationären Aufenthalt vom 19. bis 21. Februar 2008 vorgelegt, in dem u.a. die Diagnosen eines Reizdarmsyndroms, einer chronischen Gastritis, einer Hyperurikämie sowie einer chronischen Polyarthritis gestellt sind.
Mit Urteil vom 9. April 2008 hat das SG die Klage abgewiesen und sich zur Begründung auf die Darlegungen von Dr. B. gestützt.
Gegen das ihr am 16. April 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15. Mai 2008 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt und ihr Vorbringen wiederholt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 9. April 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2007 aufzuheben, mit Wirkung vom 1. Januar 1992 an festzustellen, dass ihre Lebererkrankung eine Berufskrankheit nach Nr. 1302 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung ist, und die Beklagte zu verurteilen, ihr vom 1. Januar 2001 an Verletztenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer Ansicht und verteidigt das diese bestätigende Urteil des SG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2007 beschwert die Klägerin nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG in ihren Rechten, weil die Beklagte darin die Anerkennung einer BK 1302 zutreffend abgelehnt hat. Fehlt es damit bereits an einem Versicherungsfall, kommt es auf die Frage eines Anspruchs auf Verletztenrente (vgl. hierzu die §§ 214 Abs. 3, 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – SGB VII) nicht mehr an.
Die von der Klägerin verfolgten Ansprüche richten sich noch nach den bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO). Denn der als entschädigungspflichtig geltend gemachte Versicherungsfall soll vor dem In-Kraft-Treten des SGB VII am 1. Januar 1997 eingetreten sein (vgl. Art. 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I, 1254 ff.; §§ 212 ff. SGB VII).
Gemäß § 551 Abs. 1 Satz 2 RVO sind BKen Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung (BKV) mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit (§§ 539, 540, 543 bis 545 RVO) erleidet. Die näheren Einzelheiten zum Erlass der BKV regelt § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO. Voraussetzung für die Anerkennung der hier strittigen BK 1302 ist nach deren Tatbestand das Vorliegen einer Erkrankung durch Halogenkohlenwasserstoffe. Ein Betroffener muss also aufgrund seiner versicherten Tätigkeit Einwirkungen durch Halogenkohlenwasserstoffe ausgesetzt gewesen sein, die bei ihm eine Erkrankung verursacht haben. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten Einwirkungen einschließlich ihrer Art und ihres Ausmaßes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (so genannter Vollbeweis) belegt sein. Der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Einwirkung sowie zwischen der Einwirkung und der Erkrankung beurteilt sich dagegen nach dem Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 5/05 R – SozR 4-5671 § 6 Nr. 2).
Ausgehend hiervon fiel die Klägerin während ihrer Arbeit als Beschickerin bzw. Schabloniererin, die einer nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO versicherten Tätigkeit als Beschäftigte entspricht, zwar unter den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung. Ob sie hierbei entgegen dem von Dr. B. bestätigten Ermittlungsergebnis der Präventionsabteilung einer Gefährdung durch Halogenkohlenwasserstoffe unterlag, kann aber dahin stehen. Denn ein wesentlicher Ursachenzusammenhang zwischen den angeschuldigten beruflichen Einwirkungen und der von der Klägerin als BK geltend gemachten Erkrankung lässt sich auf Grundlage der vorliegenden Tatsachen nicht hinreichend wahrscheinlich machen. Einer Anhörung des von ihr im erstinstanzlichen Verfahren benannten Meisters Armelang bedurfte es damit nicht mehr.
Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände mehr für als gegen den geltend gemachten Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann. Die bloße Möglichkeit einer Verursachung genügt dagegen nicht. Dabei muss die versicherte Einwirkung nach der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden "Theorie der wesentlichen Bedingung" an der Verursachung der Erkrankung wesentlich mitgewirkt haben. Gesichtspunkte zur Beurteilung der Wesentlichkeit sind neben möglichen konkurrierenden Ursachen und der Krankheitsgeschichte unter Berücksichtigung der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse insbesondere die Art und das Ausmaß der versicherten Einwirkung sowie ergänzend auch der Schutzzweck der Norm (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 27/04 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 15; Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Danach liegt keine ernste Zweifel ausschließende Wahrscheinlichkeit dafür vor, dass zwischen der Tätigkeit der Klägerin als Beschickerin bzw. Schabloniererin und ihrem Leberleiden ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang besteht. Ein solcher ist nur möglich bzw. nicht definitiv ausgeschlossen, wie die Klägerin selbst vorträgt. Für ihn lassen sich für sich betrachtet zwar die Mitteilung des Dr. K. vom 5. Februar 1987 sowie der im SV-Ausweis enthaltene einmalige Eintrag der Diagnose-Nr. 571 der seinerzeit gültigen ICD 9 (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, gegenwärtig in der Fassung der ICD 10 German Modifikation 2011; abrufbar unter www.dimdi.de) im Quartal I/1987 anführen. Erschüttert wird die Annahme einer berufsbedingten Verursachung aber schon durch die sonstige medizinische Befundlage. Wie Dr. B. im Einklang mit den aktuellen medizinischen Erkenntnissen ausgeführt hat, wirken halogenierte Kohlenwasserstoffe toxisch auf das Nervensystem. Als Akuterscheinungen treten Schwindel- bzw. Rauschsymptome auf. Langzeiteinwirkungen hinterlassen regelmäßig Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen; auch eine Schädigung peripherer Nerven im Sinne einer Polyneuropathie kann auftreten (Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Stand August 2011, M 1302, S. 5 ff.; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Abs. 21.5, S. 1236). Entsprechende Akut- oder Langzeitsymptome sind bei der Klägerin nicht befundet und werden von ihr auch nicht beschrieben. Die im Bereich des linken Unterschenkels bestehenden Taubheitsgefühle hat Dr. B. einem Bandscheibenschaden im Bereich L5/S1 zugeordnet. Gerade auch das Fehlen einer begleitenden toxischen Nervenbetroffenheit spricht gegen das Vorliegen einer auf der Einwirkung von Halogenkohlenwasserstoffen beruhenden Leberschädigung.
Auch ansonsten finden sich keine einschlägigen Brückenbefunde. Insbesondere ist eine vom Internisten Dr. B. laut der Klägerin im März 1990 angenommene Neuropathie nirgends authentisch belegt. Abgesehen davon, dass Dr. R. als Praxisnachfolger in seinem Befundbericht vom 27. Juli 2005 mitgeteilt hat, Dr. B. habe die Klägern nur in der Zeit vom 23. November 1998 bis zum 30. März 2000 betreut, ist eine solche Diagnose vor allem auch nicht bei den nachfolgenden fachärztlichen Befunderhebungen bestätigt worden. Denn Hinweise in diese Richtung sind den Befundberichten der Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie Dres. M. und D. vom 9. Januar, 10. Juni und 28. Juli 2003 ebenso wenig zu entnehmen wie den Krankenhausberichten aus E., M., V.-G. und K ...
Gewichtige Zweifel an einer beruflichen Verursachung des Fettleberleidens werden nach den plausiblen Darlegungen der Sachverständigen zudem durch den Krankheitsverlauf geweckt. Denn die Erkrankung besteht trotz langjähriger Beendigung der Exposition unverändert fort. Bei lösungsmittelinduzierter Entwicklung und Entfallen der Gefährdung wäre angesichts des Regenerationsvermögens des Organs stattdessen ein Abklingen des Krankheitsbildes zu erwarten, was bei der Klägerin aber nicht der Fall ist. Zu einer Beiziehung der Unterlagen über die im VEB L. B. durchgeführten arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen, die Dr. K. nach den telefonischen Angaben seiner Ehefrau vom 10. Juli 2006 an den Nachfolgebetrieb geschickt hat, sah sich der Senat vor dem Hintergrund der im SV-Ausweis enthaltenen Einträge nicht gedrängt. Diese decken den Zeitraum von April 1973 bis Dezember 1990 und damit die maßgebliche Beschäftigungszeit der Klägerin im VEB L. B. (und darüber hinaus) ab. Soweit arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen Krankheitsbilder ergeben hätten, wäre von einer einschlägigen Behandlung und Eintragung im SV-Ausweis auszugehen. Außer im ersten Quartal 1987 ist im SV-Ausweis aber keine weitere auf eine Lebererkrankung bezogene Diagnosenummer verzeichnet.
Zweifel an dem von der Klägerin geltend gemachten Kausalzusammenhang verbleiben beim Senat schließlich deshalb, weil eine von der angeschuldigten Ursache unabhängige naturwissenschaftliche Erklärung des Krankheitsbildes nahe liegt. Auch hierauf hat Dr. B. – wie zuvor bereits Dr. M. – hingewiesen, indem sie als Ursache der Fettleber die bei der Klägerin bestehende Fettstoffwechselstörung angesehen hat. Eine Fettstoffwechselstörung hat nicht nur Dr. B. diagnostiziert. Vielmehr ist eine solche Gesundheitsstörung vor allem auch durch die Befunde vom 2. April 2002, 17. März 2003 sowie das Schreiben Dr. O.s vom 5. Juli 2006 gesichert. Das Vorliegen einer Fettstoffwechselstörung macht das Fortbestehen des Leberleidens trotz langjährigem Ausscheiden aus der angeschuldigten Exposition plausibel.
Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob bei der Klägerin eine Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1302 (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe – BK 1302) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) anzuerkennen ist und ihr deshalb Leistungen zu gewähren sind.
Die 1953 geborene Klägerin war von Januar 1969 bis Januar 1970 als Reinigungskraft, von April 1970 bis April 1972 als Küchenhilfe, von Anfang Mai 1972 bis Ende April 1989 als Beschickerin und Schabloniererin im Landmaschinenbau, anschließend als Expedientin und danach von April 1990 bis Ende September 1991 als Stationsgehilfin beschäftigt. Seither ist sie keiner beruflichen Tätigkeit mehr nachgegangen.
Mit Schreiben vom 12. Januar 2005 wandte sich die Klägerin an die Rechtsvorgängerin der Beklagten (nachfolgend einheitlich: die Beklagte) und beantragte die Feststellung einer BK. Sie trug hierzu vor, dass sie während ihrer Beschäftigung von Mai 1972 bis April 1989 Arbeitsschutzkleidung und eine Atemmaske habe tragen müssen, weshalb nach ärztlicher Feststellung auch eine Arbeitsplatzumsetzung erforderlich gewesen sei. Tatsächlich habe eine solche aber nicht stattgefunden. Erste Krankheitsbilder seien bereits im Juli 1978 aufgetreten. Aus einer von der Klägerin übersandten Mitteilung des Facharztes für Allgemeinmedizin und Betriebsarztes Dr. K. vom 5. Februar 1987 ging hervor, dass sich aus einem Ultraschallbefund die dringende Notwendigkeit einer Arbeitsplatzumsetzung aus der Farbgebung ergeben habe. In seinem Attest vom 17. Januar 1989 hatte er eingeschätzt, die Klägerin könne zwar im Tauchraum, nicht jedoch in der Farbgebung arbeiten.
Die Beklagte zog den Sozialversicherungsausweis (SV-Ausweis) der Klägerin bei, aus dem sich für den Zeitraum April 1973 bis Dezember 1990 Einträge über Arbeitsunfähigkeiten wegen Gastritis (Diagnose-Nr. 535 ICD-8 bzw. 9) im Juni 1977, Februar und Dezember 1981 sowie April und Oktober 1984, Nierenerkrankungen (Diagnose-Nr. 590 ICD-9) im August, Oktober und November 1982 sowie chronischer Lebererkrankungen (Diagnose-Nr. 571 ICD-9) von Ende Januar bis Anfang März 1987 ergeben.
Aus von der Beklagten ermittelten medizinischen Befunden ergibt sich Folgendes: Nach seinem Befundbericht vom 27. Juli 2005 stellte der Internist und Kardiologe Dr. R. bei seiner Ultraschalluntersuchung am 27. August 2001 eine Steatosis hepatis (Leberzellverfettung) fest. Im Bericht der Klinik für Innere Medizin des E.-Krankenhauses E. vom 2. April 2002 sind u.a. eine Hypercholesterinämie (Fettstoffwechselstörung) sowie eine C-Gastritis der Antrumschleimhaut verzeichnet. Aus dem Arztbrief der Orthopädischen Klinik der P. S. M. vom 24. Januar 2003 gingen als Diagnosen u.a. ein Fibromyalgieleiden sowie eine Hyperurikämie (Harnsäureerhöhung) hervor; außerdem wurde der Verdacht auf das Vorliegen einer medikamenteninduzierten Transaminasenerhöhung geäußert. Nach dem Arztbrief der Klinik für Rheumatologie des Fachkrankenhauses für Rheumatologie und Orthopädie V.-G. vom 17. März 2003 bestanden bei der Klägerin u.a. eine Hyperurikämie, eine Hypercholesterinämie sowie ein Pseudoradikulärsyndrom. Der Chefarzt der Inneren Klinik des Klinikums B. Dr. O. teilte unter dem 5. Juli 2006 u.a. mit, dass eine Fettstoffwechselstörung unterschiedlicher Ausprägung bei der Klägerin mehrmals reproduzierbar gewesen sei.
In der unter Mitwirkung der Klägerin in einem parallelen Feststellungsverfahren gefertigten Stellungnahme der Präventionsabteilung der Beklagten vom 3. November 2005 ist festgehalten, dass die Klägerin im VEB L. B. von Mai 1972 bis Ende Dezember 1982 als Beschickerin mit der Untergrundbehandlung und dem Lackieren unterschiedlicher Kleinteile für verschiedene Sämaschinen befasst gewesen sei. Von Januar 1983 bis April 1989 habe sie als Anstreicherin bzw. Schabloniererin Sämaschinen auf Farbfehler zu kontrollieren und diese mittels Handpinsel auszubessern gehabt. Als Schabloniererin habe die Klägerin im Siebdruckverfahren Typenbezeichnungen und Firmennamen auf die Sämaschinen aufgetragen.
In ihrer nach Einsichtnahme in die Betriebsakte des VEB L. B., Aufsuchen des von der Klägerin bezeichneten Nachfolgebetriebes und Befragung betrieblicher Zeitzeugen erstellten Arbeitsplatzanalyse vom 17. November 2006 schätzte die Präventionsabteilung der Beklagten ein, die Klägerin sei nicht im Sinne der BK 1302 exponiert gewesen. Im Rahmen ihrer Tätigkeit als Beschickerin und Schabloniererin, als sie nach ihren Angaben Kontakt mit vom VEB F. und Lacke L. hergestellten "Algit"-Einbrennfarben und zugehörigen Verdünnungen gehabt habe, sei eine Gefährdung durch halogenierte Kohlenwasserstoffe auszuschließen. Diese seien in den verwendeten Alkydharzlackfarben und den entsprechenden Verdünnungen nicht enthalten gewesen.
Mit beratender Stellungnahme vom 24. November 2006 empfahl die Arbeitsmedizinerin Dr. M., keine BK 1302 anzuerkennen. Mit großer Wahrscheinlichkeit sei bei der Klägerin von einer fettstoffwechselbedingten Leberzellschädigung auszugehen.
Dieser Einschätzung schloss sich die Beklagte mit Bescheid vom 11. Januar 2007 an und lehnte die Anerkennung einer BK 1302 sowie die Erbringung von Leistungen ab.
Den hiergegen von der Klägerin am 19. Januar 2007 erhobenen Widerspruch, mit dem sie u.a. vortrug, Dr. B. habe im März 1990 eine bei ihr bestehende Neuropathie mit den beruflichen Einwirkungen in Zusammenhang gebracht, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. März 2007 als unbegründet zurück.
Am 26. April 2007 hat die Klägerin zur Weiterverfolgung ihres Anliegens beim Sozialgericht (SG) Dessau Klage erhoben und geltend gemacht, dass sie wegen ihres Leberleidens seit 1990 in ärztlicher Behandlung sei. Bei diesem handele es sich anstatt um eine fettstoffwechselbedingte Störung um eine durch schädigende berufliche Substanzen hervorgerufene Erkrankung. Während ihrer Tätigkeit im VEB L. B. sei sie mit vom VEB F. und Lacke L. hergestellten "Algid" Einbrennfarben sowie den Verdünnungsmitteln 65 und 59 in Berührung gekommen. Es könne nicht definitiv ausgeschlossen werden, dass diese Arbeiten ursächlich für die Erkrankung seien. Magen- und Darmbeschwerden seien bereits während ihrer beruflichen Tätigkeit aufgetreten. Dr. K. habe deshalb auch die Umsetzung empfohlen.
Das SG hat von der Oberärztin des Instituts für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik des Universitätsklinikums H. Dr. B. nach ambulanter Untersuchung am 28. August 2007 das Gutachten vom 13. September 2007 eingeholt. Diese hat auf ihrem Fachgebiet eine ausgeprägte Fettleber sowie eine Fettstoffwechselstörung diagnostiziert und im Ergebnis eingeschätzt, die berufliche Tätigkeit der Klägerin zwischen Mai 1972 und April 1989 sei nicht als wesentliche (Teil-)Ursache des Fettleberleidens anzusehen. Hiergegen spreche schon, dass die Einwirkung halogenierter Kohlenwasserstoffe nicht nachgewiesen sei. Nach den Ermittlungen der Präventionsabteilung, denen sie sich nach durchgeführter eigener Recherche anschließe, seien vorwiegend Alkydharzfarben verwendet worden, die keine halogenierten Kohlenwasserstoffe im Sinne einer BK 1302 enthielten. Auch die von der Klägerin bezeichneten Einbrennfarben seien als Alkydharzlacke einzuordnen bzw. beruhten auf einer – ebenfalls keine halogenierten Kohlenwasserstoffe beinhaltenden – Phenolharzbasis. Die eingesetzten Lacke hätten nur aliphatische und aromatische Kohlenwasserstoffe enthalten. Zugehörige Krankheitsbilder seien insoweit eine Hirnleistungsstörung oder periphere Nervenstörungen. Entsprechende Gesundheitsstörungen lägen bei der Klägerin nicht vor. Halogenierte Kohlenwasserstoffe wirkten toxisch auf das Nervensystem. Akut träten bei den Exponierten Schwindel- bzw. Rauschsymptome auf. Bei langzeitiger Einwirkung könne es zu Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen kommen. Auch eine Schädigung peripherer Nerven im Sinne einer Polyneuropathie könne auftreten. Entsprechende Akut- oder Langzeitsymptome habe die Klägerin nicht beschrieben. Zwar leide sie an Taubheitsgefühlen im Bereich des linken Unterschenkels. Der betroffene Bereich könne jedoch klar dem Bandscheibenschaden im Bereich L5/S1 zugeordnet werden. Das Vorliegen einer toxischen Leberschädigung ohne begleitende toxische Nervenbetroffenheit sei sehr unwahrscheinlich. Gegen eine berufliche Verursachung des Fettleberleidens spreche auch, dass dieses 15 Jahre nach dem Ende der Exposition unverändert fortbestehe. Als Ursache der Fettleber sei die Fettstoffwechselstörung anzusehen.
Die Klägerin hat den Entlassungsbericht des E.-Krankenhauses E. über ihren stationären Aufenthalt vom 19. bis 21. Februar 2008 vorgelegt, in dem u.a. die Diagnosen eines Reizdarmsyndroms, einer chronischen Gastritis, einer Hyperurikämie sowie einer chronischen Polyarthritis gestellt sind.
Mit Urteil vom 9. April 2008 hat das SG die Klage abgewiesen und sich zur Begründung auf die Darlegungen von Dr. B. gestützt.
Gegen das ihr am 16. April 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15. Mai 2008 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt und ihr Vorbringen wiederholt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 9. April 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2007 aufzuheben, mit Wirkung vom 1. Januar 1992 an festzustellen, dass ihre Lebererkrankung eine Berufskrankheit nach Nr. 1302 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung ist, und die Beklagte zu verurteilen, ihr vom 1. Januar 2001 an Verletztenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer Ansicht und verteidigt das diese bestätigende Urteil des SG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2007 beschwert die Klägerin nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG in ihren Rechten, weil die Beklagte darin die Anerkennung einer BK 1302 zutreffend abgelehnt hat. Fehlt es damit bereits an einem Versicherungsfall, kommt es auf die Frage eines Anspruchs auf Verletztenrente (vgl. hierzu die §§ 214 Abs. 3, 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – SGB VII) nicht mehr an.
Die von der Klägerin verfolgten Ansprüche richten sich noch nach den bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO). Denn der als entschädigungspflichtig geltend gemachte Versicherungsfall soll vor dem In-Kraft-Treten des SGB VII am 1. Januar 1997 eingetreten sein (vgl. Art. 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I, 1254 ff.; §§ 212 ff. SGB VII).
Gemäß § 551 Abs. 1 Satz 2 RVO sind BKen Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung (BKV) mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit (§§ 539, 540, 543 bis 545 RVO) erleidet. Die näheren Einzelheiten zum Erlass der BKV regelt § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO. Voraussetzung für die Anerkennung der hier strittigen BK 1302 ist nach deren Tatbestand das Vorliegen einer Erkrankung durch Halogenkohlenwasserstoffe. Ein Betroffener muss also aufgrund seiner versicherten Tätigkeit Einwirkungen durch Halogenkohlenwasserstoffe ausgesetzt gewesen sein, die bei ihm eine Erkrankung verursacht haben. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten Einwirkungen einschließlich ihrer Art und ihres Ausmaßes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (so genannter Vollbeweis) belegt sein. Der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Einwirkung sowie zwischen der Einwirkung und der Erkrankung beurteilt sich dagegen nach dem Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 5/05 R – SozR 4-5671 § 6 Nr. 2).
Ausgehend hiervon fiel die Klägerin während ihrer Arbeit als Beschickerin bzw. Schabloniererin, die einer nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO versicherten Tätigkeit als Beschäftigte entspricht, zwar unter den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung. Ob sie hierbei entgegen dem von Dr. B. bestätigten Ermittlungsergebnis der Präventionsabteilung einer Gefährdung durch Halogenkohlenwasserstoffe unterlag, kann aber dahin stehen. Denn ein wesentlicher Ursachenzusammenhang zwischen den angeschuldigten beruflichen Einwirkungen und der von der Klägerin als BK geltend gemachten Erkrankung lässt sich auf Grundlage der vorliegenden Tatsachen nicht hinreichend wahrscheinlich machen. Einer Anhörung des von ihr im erstinstanzlichen Verfahren benannten Meisters Armelang bedurfte es damit nicht mehr.
Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände mehr für als gegen den geltend gemachten Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann. Die bloße Möglichkeit einer Verursachung genügt dagegen nicht. Dabei muss die versicherte Einwirkung nach der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden "Theorie der wesentlichen Bedingung" an der Verursachung der Erkrankung wesentlich mitgewirkt haben. Gesichtspunkte zur Beurteilung der Wesentlichkeit sind neben möglichen konkurrierenden Ursachen und der Krankheitsgeschichte unter Berücksichtigung der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse insbesondere die Art und das Ausmaß der versicherten Einwirkung sowie ergänzend auch der Schutzzweck der Norm (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 27/04 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 15; Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Danach liegt keine ernste Zweifel ausschließende Wahrscheinlichkeit dafür vor, dass zwischen der Tätigkeit der Klägerin als Beschickerin bzw. Schabloniererin und ihrem Leberleiden ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang besteht. Ein solcher ist nur möglich bzw. nicht definitiv ausgeschlossen, wie die Klägerin selbst vorträgt. Für ihn lassen sich für sich betrachtet zwar die Mitteilung des Dr. K. vom 5. Februar 1987 sowie der im SV-Ausweis enthaltene einmalige Eintrag der Diagnose-Nr. 571 der seinerzeit gültigen ICD 9 (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, gegenwärtig in der Fassung der ICD 10 German Modifikation 2011; abrufbar unter www.dimdi.de) im Quartal I/1987 anführen. Erschüttert wird die Annahme einer berufsbedingten Verursachung aber schon durch die sonstige medizinische Befundlage. Wie Dr. B. im Einklang mit den aktuellen medizinischen Erkenntnissen ausgeführt hat, wirken halogenierte Kohlenwasserstoffe toxisch auf das Nervensystem. Als Akuterscheinungen treten Schwindel- bzw. Rauschsymptome auf. Langzeiteinwirkungen hinterlassen regelmäßig Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen; auch eine Schädigung peripherer Nerven im Sinne einer Polyneuropathie kann auftreten (Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Stand August 2011, M 1302, S. 5 ff.; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Abs. 21.5, S. 1236). Entsprechende Akut- oder Langzeitsymptome sind bei der Klägerin nicht befundet und werden von ihr auch nicht beschrieben. Die im Bereich des linken Unterschenkels bestehenden Taubheitsgefühle hat Dr. B. einem Bandscheibenschaden im Bereich L5/S1 zugeordnet. Gerade auch das Fehlen einer begleitenden toxischen Nervenbetroffenheit spricht gegen das Vorliegen einer auf der Einwirkung von Halogenkohlenwasserstoffen beruhenden Leberschädigung.
Auch ansonsten finden sich keine einschlägigen Brückenbefunde. Insbesondere ist eine vom Internisten Dr. B. laut der Klägerin im März 1990 angenommene Neuropathie nirgends authentisch belegt. Abgesehen davon, dass Dr. R. als Praxisnachfolger in seinem Befundbericht vom 27. Juli 2005 mitgeteilt hat, Dr. B. habe die Klägern nur in der Zeit vom 23. November 1998 bis zum 30. März 2000 betreut, ist eine solche Diagnose vor allem auch nicht bei den nachfolgenden fachärztlichen Befunderhebungen bestätigt worden. Denn Hinweise in diese Richtung sind den Befundberichten der Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie Dres. M. und D. vom 9. Januar, 10. Juni und 28. Juli 2003 ebenso wenig zu entnehmen wie den Krankenhausberichten aus E., M., V.-G. und K ...
Gewichtige Zweifel an einer beruflichen Verursachung des Fettleberleidens werden nach den plausiblen Darlegungen der Sachverständigen zudem durch den Krankheitsverlauf geweckt. Denn die Erkrankung besteht trotz langjähriger Beendigung der Exposition unverändert fort. Bei lösungsmittelinduzierter Entwicklung und Entfallen der Gefährdung wäre angesichts des Regenerationsvermögens des Organs stattdessen ein Abklingen des Krankheitsbildes zu erwarten, was bei der Klägerin aber nicht der Fall ist. Zu einer Beiziehung der Unterlagen über die im VEB L. B. durchgeführten arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen, die Dr. K. nach den telefonischen Angaben seiner Ehefrau vom 10. Juli 2006 an den Nachfolgebetrieb geschickt hat, sah sich der Senat vor dem Hintergrund der im SV-Ausweis enthaltenen Einträge nicht gedrängt. Diese decken den Zeitraum von April 1973 bis Dezember 1990 und damit die maßgebliche Beschäftigungszeit der Klägerin im VEB L. B. (und darüber hinaus) ab. Soweit arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen Krankheitsbilder ergeben hätten, wäre von einer einschlägigen Behandlung und Eintragung im SV-Ausweis auszugehen. Außer im ersten Quartal 1987 ist im SV-Ausweis aber keine weitere auf eine Lebererkrankung bezogene Diagnosenummer verzeichnet.
Zweifel an dem von der Klägerin geltend gemachten Kausalzusammenhang verbleiben beim Senat schließlich deshalb, weil eine von der angeschuldigten Ursache unabhängige naturwissenschaftliche Erklärung des Krankheitsbildes nahe liegt. Auch hierauf hat Dr. B. – wie zuvor bereits Dr. M. – hingewiesen, indem sie als Ursache der Fettleber die bei der Klägerin bestehende Fettstoffwechselstörung angesehen hat. Eine Fettstoffwechselstörung hat nicht nur Dr. B. diagnostiziert. Vielmehr ist eine solche Gesundheitsstörung vor allem auch durch die Befunde vom 2. April 2002, 17. März 2003 sowie das Schreiben Dr. O.s vom 5. Juli 2006 gesichert. Das Vorliegen einer Fettstoffwechselstörung macht das Fortbestehen des Leberleidens trotz langjährigem Ausscheiden aus der angeschuldigten Exposition plausibel.
Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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