Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 3 U 87/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 122/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Klägerin eine Parkinsonerkrankung wegen beruflicher Methanoleinwirkung als Berufskrankheit anzuerkennen ist.
Die 1939 geborene Klägerin zeigte Ende November 2004 bei der Beklagten an, sie leide seit 1998 an einer Parkinson-Erkrankung und führe dies auf täglichen Umgang mit Methanol im Rahmen einer 34-jährigen Tätigkeit in der chemischen Industrie zurück.
Die Beklagte zog Unterlagen aus einem früheren Berufskrankheitenverfahren wegen Verlustes des Geruchs- und Geschmackssinns durch Lösungsmittelverwendung bei. Darin enthalten war eine Auskunft der B. C. GmbH vom 6. Oktober 1994, wonach die Klägerin vom 1. September 1959 bis 31. August 1993 als gelernte Laborantin in der Funktion einer Prüfingenieurin für Dünnschicht- und Papierchromatographie in der technischen Kontrollorganisation des Chemiekombinates B.-W. gearbeitet hatte. Nach einem Bericht des technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten vom 23. Juni 1995 war die Klägerin seit 1967 in der Qualitätskontrolle tätig. Unter anderem sei sie dabei Methanoleinfluss ausgesetzt gewesen, wovon täglich 10 Liter verbraucht worden seien. Eine Gesundheitsgefährdung durch organische Lösungsmittel dauerhaft oberhalb der Auslöseschwelle und täglich stundenweise über dem Grenzwert müsse angenommen werden. Im Rahmen beigezogener ärztlicher Unterlagen ergab sich, dass die Diagnose eines Morbus Parkinson nach einem stationären Aufenthalt im März/April 1999 von den Ärzten der Neurologischen Klinik des Städtischen Klinikums D. auf der Grundlage von Beschwerden gestellt worden war, die die Klägerin seit Juli 1998 geäußert hatte.
Die Beklagte zog weiterhin eine beratungsärztliche Stellungnahme des Facharztes für Innere und für Arbeitsmedizin Dr. habil. D. vom 28. Januar 2005 bei, der darauf verwies, in der arbeitsmedizinischen Literatur gebe es derzeit keine gesicherten Hinweise, dass Lösungsmittel, insbesondere vom Typ des Methanols einen Morbus Parkinson bedingten. Methanol sei für andere Schädigungen bei hoher Intoxikation bekannt, die hier nicht vorgelegen habe. Dieser Auffassung trat die Gewerbeärztin Schneider in ihrer Stellungnahme vom 4. Februar 2005 bei.
Mit Bescheid vom 10. März 2005 lehnte die Beklagte die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 1306 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung, ebenso eine Anerkennung wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII, ab. Sie gab sinngemäß den Inhalt der beratungsärztlichen Stellungnahme wieder.
Gegen den Bescheid erhob die Klägerin am 9. April 2005 Widerspruch und verwies auf internationale Veröffentlichungen, aus denen sich ein Zusammenhang ergebe. Auch gebe es bereits zusprechende Gerichtsentscheidungen.
Die Beklagte zog eine weitere beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. habil. D. vom 5. August 2005 bei. Dieser stellte dar, eine Parkinson-Symptomatik in Verbindung mit Methanol werde nur bei Intoxikationen in sehr hohen Dosen bei oraler Aufnahme beschrieben. Die dazu erforderliche massive Belastung könne durch berufliche Exposition nicht erreicht werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. September 2005 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Er führte aus, die Parkinson-Erkrankung sei keiner Nummer in der Liste der Berufskrankheiten zuzuordnen. Es existierten auch keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse über einen Zusammenhang dieser Erkrankung mit dem beruflichen Kontakt zu chemischen Stoffen.
Mit der am 7. Oktober 2005 beim Sozialgericht Dessau eingegangenen Klage hat die Klägerin auf eine Liste von Chemikalien verwiesen, mit denen sie beruflich Umgang hatte. Auch sei eine Risikoerhöhung der Erkrankung an Parkinson beim Umgang mit Pflanzengiften wissenschaftlich beschrieben und habe bereits zu Anerkenntnissen geführt.
Das Gericht hat auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG ein Gutachten von Prof. Dr. K. vom 28. September 2007 mit einem neuropsychologischem Zusatzgutachten der Dipl.-Psychologin Vogt vom 27. Juni 2007 und einem nervenfachärztlichen Zusatzgutachten von Dr. M. vom 10. September 2007 eingeholt. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 53 - 153 der Gerichtsakte verwiesen. Im Wesentlichen hat der Sachverständige ausgeführt, der bei der Klägerin nachweisbare Morbus Parkinson sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit durch die Hauptarbeitsstoffe Methanol, Pestizide und Quecksilber verursacht worden. Entsprechendes gelte für eine nachweisbare Polyneuropathie. Die Gesundheitsstörungen könnten sowohl der Berufskrankheit nach Nr. 1306 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BK 1306), einer BK 1102, einer BK 1307 und einer BK 1310 zugeordnet werden, weiterhin bezüglich der Polyneuropathie und einer fraglichen Enzephalopathie der BK 1317. Auch die Voraussetzungen für eine Anerkennung der Parkinson-Erkrankung als Quasi-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII lägen vor. Bezüglich einer BK 1306 hat der Sachverständige auf verschiedene Studien verwiesen, in denen eine Parkinson-Erkrankung durch eine orale Aufnahme von Methanol verursacht worden sei. Weiterhin liege ein Fallbericht aus dem Jahre 2002 vor, in dem bei einem Laborassistenten nach jahrelanger Einwirkung von Methanoldämpfen eine Parkinson-Erkrankung aufgetreten und genetische Faktoren oder andere toxische Einwirkungen ausgeschlossen worden seien. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit schätze er mit 50 vom Hundert ein.
Die Beklagte hat ein weiteres Gutachten der Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. B., Oberärztin an der Sektion Arbeitsmedizin des Universitätsklinikums H., vom 18. August 2008 eingeholt, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 172 - 192 d. A. verwiesen wird. Die Sachverständige ist im Wesentlichen zu der Einschätzung gelangt, entsprechend dem aktuellen Merkblatt und der wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit sei ein Morbus Parkinson bisher kein gesichertes Krankheitsbild im Sinne einer BK 1306. Bekannt seien lediglich Vergiftungserscheinungen mit anderer Symptomatik. Hinweise darüber, dass eine chronische Exposition gegenüber Methanol eine Parkinson-Erkrankung verursache, fänden sich in der Literatur nicht. Insoweit komme auch eine Quasi-Berufskrankheit nicht in Betracht. Auch für eine Quecksilberexposition könne die generelle Geeignetheit zur Verursachung der Parkinson-Erkrankung nicht als ausreichend wahrscheinlich angesehen werden. Gleiches gelte für Pestizide in Form von Phosphorsäureester und anderen Organophosphaten. Hierzu habe eine Analyse verschiedener Studien im Auftrag des Bundesinstituts für Risikobewertung schwache bis mäßige Verbindungen zwischen Einwirkung und Erkrankung ergeben. Die Datenlage reiche zum Beleg einer Ursachenbeziehung aber nicht aus. Selbst für den dort gesehenen Zusammenhang sei die Exposition der Klägerin vergleichsweise aber auch noch zu gering. Im konkreten Fall der Klägerin sprächen auch im Übrigen überwiegende Gesichtspunkte gegen die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs. Die diagnostizierte Polyneuropathie sei nicht wahrscheinlich mit der beruflichen Exposition in Verbindung zu bringen, weil der Abstand zwischen dem Ende der Einwirkung und der Diagnosestellung zu lang sei. Soweit Prof. Dr. K. einen hinreichenden Zusammenhang zwischen Methanoleinwirkung und Parkinson-Erkrankung gesehen habe, argumentiere er bezüglich chronischer inhalativer Expositionen mit Einzelfallberichten. Dieser Auffassung könne sie sich nicht anschließen. Sie stelle auch nicht die Meinung der überwiegenden Mehrheit medizinischer Sachverständiger dar.
Mit Urteil vom 5. November 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, bei der Klägerin könne weder eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII in Verbindung mit Nr. 1306 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (Erkrankung durch Methylalkohol – Methanol) noch eine Quasi-Berufskrankheit im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB VII festgestellt werden. Ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Belastung der Klägerin und der Parkinson-Erkrankung sei nicht wahrscheinlich. Das Gericht folge insoweit der Einschätzung der Sachverständigen Dr. B., während Prof. Dr. K. lediglich eine Möglichkeit aufzeige, die aber keine hinreichende Wahrscheinlichkeit begründe. Es gebe derzeit keine gesicherten epidemiologischen Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen chronischen Einwirkungen der fraglichen Stoffe und der Parkinson-Erkrankung. Der Feststellungsanspruch ergebe sich auch nicht aus § 9 Abs. 2 SGB VII. Die Vorschrift enthalte keinen allgemeinen Auffangtatbestand für Fälle der Nichterfüllung konkreter Berufskrankheitentatbestände.
Gegen das ihr am 17. November 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17. Dezember 2008 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, ein Zusammenhang zwischen Parkinson-Erkrankungen und beruflichen Einwirkungen werde – insbesondere bei Landwirten – zunehmend angenommen und führe zu Anerkennungen als Berufskrankheit. Insgesamt sei das angefochtene Urteil hinsichtlich der Terminologie und der Gedankenführung kaum nachvollziehbar. Die Klägerin benennt mögliche Sachverständige für eine weitere Begutachtung. Bezüglich neuer Erkenntnisse zum geltend gemachten Zusammenhang verweise sie auf einen Gutachtenauszug des Arbeitsmediziners Prof. Dr. M. (Bl. 280 f. d. A.).
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 5. November 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 10. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2005 aufzuheben und
ihre Parkinson-Erkrankung mit Wirkung von August 1998 als Berufskrankheit nach Nr. 1306 der Anl. 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung festzustellen, hilfsweise sie wegen der Verursachung durch berufliche Einwirkung von Methanol wie eine Berufskrankheit festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Gutachten der Sachverständigen Dr. B. für überzeugend. Von Seiten der Klägerin erwähnte Fälle einer Anerkennung von Parkinson-Erkrankungen wiesen keinen Bezug zum Fall der Klägerin auf. Auch ersetzten sie nicht das Fehlen einer wissenschaftlichen Erkenntnislage zu einer generellen Geeignetheit von Methanol zur Verursachung der Krankheit. Nachforschungen der Beklagten in einem ähnlichen Fall hätten neue arbeitsmedizinischwissenschaftliche Erkenntnisse ausgeschlossen. Von einer sehr hohen Methanolbelastung der Klägerin könne nicht die Rede sein.
Das Gericht hat eine ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen Dr. B. vom 12. Mai 2011, Bl. 296 - 301 d. A., eingeholt. Im Wesentlichen hat sie darin ausgeführt, ein Zusammenhang zwischen Pestizideinwirkungen und Parkinson-Erkrankungen sei weiterhin nicht hinreichend belegt.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Bei der Beratung hat die Verwaltungsakte der Beklagten – Az.: – vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.
Das Gericht hält die Klage auch insoweit für im Sinne von § 87 Abs. 1 S. 1 SGG fristgerecht erhoben, als es die Ablehnung der Feststellung einer Wie-Berufskrankheit betrifft. Mit ihrer Formulierung des angekündigten Klageantrags in der Klageschrift, wonach die "Berufskrankheit" anerkannt werden solle, hat die Klägerin den Bescheid der Beklagten nicht nur teilweise angefochten, wie bereits aus dem damit verbundenen Antrag auf Aufhebung des Bescheides folgt. Auch war im Zusammenhang mit dem Anliegen des Widerspruchsverfahrens, die Krankheitsentstehung im Hinblick auf eine Vielzahl beruflicher Einwirkungen zu prüfen, kein Anhaltspunkt aus der Interessenlage der Klägerin zu entnehmen, die Klage durch die genannte Formulierung auf die Anerkennung der Listenberufskrankheit zu beschränken.
Der Bescheid der Beklagten vom 10. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2005 beschwert die Klägerin nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil die Beklagte darin ihre Parkinson-Erkrankung als Listenberufskrankheit nach Nr. 1306 der Anl. 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV – i.d.F. der Änderung durch VO v. 11.6.09, BGBl. I S. 1273) und die Feststellung der Erkrankung als anderweitige Folge einer besonderen beruflichen Einwirkung von Methanol im Sinne einer Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII – v. 7.8.1996, BGBl. I S. 1254) zu Recht abgelehnt hat.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung einer Berufskrankheit bzw. ihrer nachgewiesenen Erkrankung wie einer Berufskrankheit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, weil die Voraussetzungen für einen solchen Versicherungsfall nicht vorliegen.
Die Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 1306 der Anl. 1 BKV sind nicht erfüllt, weil schon die Eignung einer chronisch ablaufenden Einwirkung von Methanol zur Verursachung einer Parkinson-Erkrankung nicht überwiegend wahrscheinlich ist. Denn es gibt keine in der Wissenschaft überwiegend bestätigten Erkenntnisse über einen solchen Zusammenhang außerhalb einer Exposition, die in den einzelnen Einwirkungsdosen deutlich höher als im Falle der Klägerin liegt und schon mit den einzelnen Dosen zu akuten Vergiftungserscheinungen führt. Diese Auffassung, die bereits Dr. habil. Damrau in seinen Stellungnahmen für die Beklagte schlüssig dargestellt hat, hat die Sachverständige Dr. B. mit ihren ausführlicheren Überlegungen bestätigt und die Entstehung einer Parkinson-Erkrankung durch chronische Methanol-Einwirkung als wissenschaftlich nicht hinreichend belegt bezeichnet. Der Senat schließt sich insbesondere auch ihrer Meinung an, ein einzelner Fallbericht reiche für einen hinreichenden Beleg eines allgemeinen Zusammenhangs nicht aus. Damit ist zugleich die Auffassung von Prof. Dr. K. nicht haltbar, der für die hier betroffene Problematik einer chronischen Einwirkung von Methanol allein einen Fallbericht anführt. Im Übrigen befasst er sich hinsichtlich des Methanols mit Schlussfolgerungen aus der Lage bei schweren und akuten Einwirkungen, die für den vorliegenden Fall, wie die Meinung Dr. B.s zeigt, keine wissenschaftlich zwingenden Erkenntnisse liefern. Auch neue Erkenntnisse im Sinne der Klägerin sind nicht ersichtlich. Dies geht nicht nur aus der ergänzenden Stellungnahme von Dr. B. hervor, die bei ihrem Ergebnis bleibt, sondern auch aus den von der Klägerin vorgelegten Gutachtenauszügen. Dort zitiert – so die Auskunft der Klägerin – der Sachverständige Prof. Dr. M. in einem ausweislich des Aktenzeichens aktuellen Sozialgerichtsverfahren eine Studie aus dem Jahr 2005, die ebenfalls keinen hinreichenden Beleg für einen Zusammenhang einer chronischen Methanoleinwirkung und einer Parkinson-Erkrankung ergibt. Thematisch ging es dort nach Prof. Dr. M. um "Vergiftungen" mit verschiedenen Lösungsmitteln, von denen Methanol nur als eins aufgezählt ist. Prof. Dr. M. stellt das wissenschaftliche Ergebnis selbst schlüssig dahingehend dar, die Autoren "vermuteten" einen Zusammenhang, sähen ihn aber nicht als gesichert an. Dies entspricht dem wiedergegebenen Ergebnissatz der Studie, zusammenfassend erscheine es, dass berufliche Einwirkung zumindest einiger der Lösungsmittel zu einem gesteigerten Risiko einer Parkinson-Erkrankung in höherem Alter führe. Dies lässt weder zu, die wiedergegebene Vermutung zu einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu verdichten, noch die Aussage gerade auf Methanol-Einwirkung zu beziehen.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung einer Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII. Auch insoweit ist die – unterdessen auch entsprechend beschränkte – Klage nur zulässig, soweit die Anerkennung der Parkinson-Erkrankung als Folge einer Einwirkung von Methanol abgelehnt worden ist. Nur dagegen ist die Klägerin im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 1 S. 2 SGG klagebefugt, weil der Bescheid sich nur damit befasst. Denn nur dieses Ergebnis ist Bestandteil der Prüfung, die die Beklagte in ihrem angefochtenen Ausgangsbescheid vorgenommen hat.
Gegenstand einer Prüfung nach § 9 Abs. 2 SGB VII ist eine Krankheit, für die die allgemeine "Bezeichnung" als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 S. 2 SGB VII möglich ist. Für das Anliegen einer Feststellung nach § 9 Abs. 2 SGB VII bedeutet dies, dass ein Prüfungsrahmen vorgegeben ist, der durch die allgemeinen Voraussetzungen der Bezeichnung einer Berufskrankheit durch den Verordnungsgeber in § 9 Abs. 1 S. 2 SGB VII bestimmt ist. Es bedarf der Abgrenzung eines berufsbedingten Risikos nach betroffenen Berufsgruppen, den besonderen Einwirkungen und der betreffenden Krankheit. In ihrem Bescheid hat die Beklagte sich insoweit an das von der Klägerin vorgegebene Thema der Prüfung gehalten, das in der Parkinson-Erkrankung und ihrem Zusammenhang mit Methanoleinwirkung im Laborbetrieb bestand. Die Beklagte ist im Rahmen ihrer Prüfung im angefochtenen Ausgangsbescheid immer wieder auf das Thema der Methanoleinwirkung zurückgekommen und hat nur dazu konkret einen medizinischen Zusammenhang dargelegt, zu welchen bekannten (Akut-)Schäden Methanol führen könne. Ihr ablehnendes Ergebnis hat sie damit begründet, dass diese Krankheitsbilder bei der Klägerin nicht vorlägen. Demgegenüber kann es nur als Begründungsteil, nicht aber als eigenständiger Prüfgegenstand angesehen werden, wenn die Beklagte an anderen Stellen allgemeiner von organischen Lösungsmitteln bzw. chemischen Stoffen spricht. Diese Ausführungen sind ebenso als bloße Begründung für die zu prüfende Methanoleinwirkung erkennbar, weil die Beklagte in dem jeweiligen Zusammenhang durch die spezielle Rückbeziehung auf Methanol – "wie mit Methanol" bzw. "insbesondere auch nicht Methanol" – den unmittelbaren Themenbezug dazu herstellt.
Für die Klägerin ist es nicht weiterführend, dass der Widerspruchsausschuss im Hinblick auf das Widerspruchsvorbringen den Prüfungsrahmen wohl auf verschiedene Stoffeinwirkungen ausgedehnt hat. Damit konnte er den der Bestandskraft fähigen Gegenstand der Erstprüfung nicht ausdehnen, weil er kraft Gesetzes nur zur Prüfung des Rechtsbehelfes befugt ist und er auch nicht über diese Befugnis hinaus den ablehnenden Entscheidungssatz des Erstbescheides verändert hat. Anderenfalls wäre auch zu unterstellen, dass der Widerspruchsausschuss seine fehlende Befugnis zur Erstentscheidung umginge, indem er unter Hinweis auf § 9 Abs. 2 SGB VII tatsächlich weitere Listenberufskrankheiten prüfte. Wie sich insbesondere aus dem Gutachten von Prof. Dr. K. klar ergibt, sind nämlich thematisch verschiedene andere Listenberufskrankheiten betroffen, wenn man die Verursachung einer Parkinsonerkrankung durch andere Stoffe prüfen will.
Mit dem verbleibenden Gegenstand – der Auswirkung von Methanol – kann die Klage schon deshalb keinen Erfolg haben, weil es an der Voraussetzung des § 9 Abs. 2 SGB VII fehlt, wonach die Krankheit nicht schon durch Rechtsverordnung tatbestandlich erfasst sein darf. Denn auch eine Parkinson-Erkrankung fiele, wenn ihre Verursachung durch Methanol gesichert wäre, unter den Tatbestand der Nr. 1306 der Anl. 1 zur BKV. Dem steht nicht etwa die Formulierung in § 9 Abs. 2 SGB VII, die Krankheit dürfe nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet sein, dadurch entgegen, dass Nr. 1306 der Anl. 1 BKV kein Krankheitsbild benennt. Vielmehr kommen bei einer solch offenen Gestaltung des Berufskrankheitentatbestandes durch die Verordnung grundsätzlich alle Krankheiten als Listenkrankheit in Betracht, soweit sie nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 S. 2 SGB VII erfüllen. Der wissenschaftliche Kenntnisstand zur Zeit der Einführung der Berufskrankheit wird nicht etwa selbsttätig Bestandteil des Berufskrankheitentatbestandes. Vielmehr ist es zur Wahrung des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatzes Aufgabe des Verordnungsgebers, einen Berufskrankheitentatbestand ggf. selbst durch genaue Formulierungen zu beschränken, wenn er den Tatbestand gegenüber künftigen wissenschaftlichen Erkenntniszuwächsen nicht offen halten will, wofür hier aber kein Anhaltspunkt besteht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG liegen nicht vor.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Klägerin eine Parkinsonerkrankung wegen beruflicher Methanoleinwirkung als Berufskrankheit anzuerkennen ist.
Die 1939 geborene Klägerin zeigte Ende November 2004 bei der Beklagten an, sie leide seit 1998 an einer Parkinson-Erkrankung und führe dies auf täglichen Umgang mit Methanol im Rahmen einer 34-jährigen Tätigkeit in der chemischen Industrie zurück.
Die Beklagte zog Unterlagen aus einem früheren Berufskrankheitenverfahren wegen Verlustes des Geruchs- und Geschmackssinns durch Lösungsmittelverwendung bei. Darin enthalten war eine Auskunft der B. C. GmbH vom 6. Oktober 1994, wonach die Klägerin vom 1. September 1959 bis 31. August 1993 als gelernte Laborantin in der Funktion einer Prüfingenieurin für Dünnschicht- und Papierchromatographie in der technischen Kontrollorganisation des Chemiekombinates B.-W. gearbeitet hatte. Nach einem Bericht des technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten vom 23. Juni 1995 war die Klägerin seit 1967 in der Qualitätskontrolle tätig. Unter anderem sei sie dabei Methanoleinfluss ausgesetzt gewesen, wovon täglich 10 Liter verbraucht worden seien. Eine Gesundheitsgefährdung durch organische Lösungsmittel dauerhaft oberhalb der Auslöseschwelle und täglich stundenweise über dem Grenzwert müsse angenommen werden. Im Rahmen beigezogener ärztlicher Unterlagen ergab sich, dass die Diagnose eines Morbus Parkinson nach einem stationären Aufenthalt im März/April 1999 von den Ärzten der Neurologischen Klinik des Städtischen Klinikums D. auf der Grundlage von Beschwerden gestellt worden war, die die Klägerin seit Juli 1998 geäußert hatte.
Die Beklagte zog weiterhin eine beratungsärztliche Stellungnahme des Facharztes für Innere und für Arbeitsmedizin Dr. habil. D. vom 28. Januar 2005 bei, der darauf verwies, in der arbeitsmedizinischen Literatur gebe es derzeit keine gesicherten Hinweise, dass Lösungsmittel, insbesondere vom Typ des Methanols einen Morbus Parkinson bedingten. Methanol sei für andere Schädigungen bei hoher Intoxikation bekannt, die hier nicht vorgelegen habe. Dieser Auffassung trat die Gewerbeärztin Schneider in ihrer Stellungnahme vom 4. Februar 2005 bei.
Mit Bescheid vom 10. März 2005 lehnte die Beklagte die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 1306 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung, ebenso eine Anerkennung wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII, ab. Sie gab sinngemäß den Inhalt der beratungsärztlichen Stellungnahme wieder.
Gegen den Bescheid erhob die Klägerin am 9. April 2005 Widerspruch und verwies auf internationale Veröffentlichungen, aus denen sich ein Zusammenhang ergebe. Auch gebe es bereits zusprechende Gerichtsentscheidungen.
Die Beklagte zog eine weitere beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. habil. D. vom 5. August 2005 bei. Dieser stellte dar, eine Parkinson-Symptomatik in Verbindung mit Methanol werde nur bei Intoxikationen in sehr hohen Dosen bei oraler Aufnahme beschrieben. Die dazu erforderliche massive Belastung könne durch berufliche Exposition nicht erreicht werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. September 2005 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Er führte aus, die Parkinson-Erkrankung sei keiner Nummer in der Liste der Berufskrankheiten zuzuordnen. Es existierten auch keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse über einen Zusammenhang dieser Erkrankung mit dem beruflichen Kontakt zu chemischen Stoffen.
Mit der am 7. Oktober 2005 beim Sozialgericht Dessau eingegangenen Klage hat die Klägerin auf eine Liste von Chemikalien verwiesen, mit denen sie beruflich Umgang hatte. Auch sei eine Risikoerhöhung der Erkrankung an Parkinson beim Umgang mit Pflanzengiften wissenschaftlich beschrieben und habe bereits zu Anerkenntnissen geführt.
Das Gericht hat auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG ein Gutachten von Prof. Dr. K. vom 28. September 2007 mit einem neuropsychologischem Zusatzgutachten der Dipl.-Psychologin Vogt vom 27. Juni 2007 und einem nervenfachärztlichen Zusatzgutachten von Dr. M. vom 10. September 2007 eingeholt. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 53 - 153 der Gerichtsakte verwiesen. Im Wesentlichen hat der Sachverständige ausgeführt, der bei der Klägerin nachweisbare Morbus Parkinson sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit durch die Hauptarbeitsstoffe Methanol, Pestizide und Quecksilber verursacht worden. Entsprechendes gelte für eine nachweisbare Polyneuropathie. Die Gesundheitsstörungen könnten sowohl der Berufskrankheit nach Nr. 1306 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BK 1306), einer BK 1102, einer BK 1307 und einer BK 1310 zugeordnet werden, weiterhin bezüglich der Polyneuropathie und einer fraglichen Enzephalopathie der BK 1317. Auch die Voraussetzungen für eine Anerkennung der Parkinson-Erkrankung als Quasi-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII lägen vor. Bezüglich einer BK 1306 hat der Sachverständige auf verschiedene Studien verwiesen, in denen eine Parkinson-Erkrankung durch eine orale Aufnahme von Methanol verursacht worden sei. Weiterhin liege ein Fallbericht aus dem Jahre 2002 vor, in dem bei einem Laborassistenten nach jahrelanger Einwirkung von Methanoldämpfen eine Parkinson-Erkrankung aufgetreten und genetische Faktoren oder andere toxische Einwirkungen ausgeschlossen worden seien. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit schätze er mit 50 vom Hundert ein.
Die Beklagte hat ein weiteres Gutachten der Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. B., Oberärztin an der Sektion Arbeitsmedizin des Universitätsklinikums H., vom 18. August 2008 eingeholt, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 172 - 192 d. A. verwiesen wird. Die Sachverständige ist im Wesentlichen zu der Einschätzung gelangt, entsprechend dem aktuellen Merkblatt und der wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit sei ein Morbus Parkinson bisher kein gesichertes Krankheitsbild im Sinne einer BK 1306. Bekannt seien lediglich Vergiftungserscheinungen mit anderer Symptomatik. Hinweise darüber, dass eine chronische Exposition gegenüber Methanol eine Parkinson-Erkrankung verursache, fänden sich in der Literatur nicht. Insoweit komme auch eine Quasi-Berufskrankheit nicht in Betracht. Auch für eine Quecksilberexposition könne die generelle Geeignetheit zur Verursachung der Parkinson-Erkrankung nicht als ausreichend wahrscheinlich angesehen werden. Gleiches gelte für Pestizide in Form von Phosphorsäureester und anderen Organophosphaten. Hierzu habe eine Analyse verschiedener Studien im Auftrag des Bundesinstituts für Risikobewertung schwache bis mäßige Verbindungen zwischen Einwirkung und Erkrankung ergeben. Die Datenlage reiche zum Beleg einer Ursachenbeziehung aber nicht aus. Selbst für den dort gesehenen Zusammenhang sei die Exposition der Klägerin vergleichsweise aber auch noch zu gering. Im konkreten Fall der Klägerin sprächen auch im Übrigen überwiegende Gesichtspunkte gegen die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs. Die diagnostizierte Polyneuropathie sei nicht wahrscheinlich mit der beruflichen Exposition in Verbindung zu bringen, weil der Abstand zwischen dem Ende der Einwirkung und der Diagnosestellung zu lang sei. Soweit Prof. Dr. K. einen hinreichenden Zusammenhang zwischen Methanoleinwirkung und Parkinson-Erkrankung gesehen habe, argumentiere er bezüglich chronischer inhalativer Expositionen mit Einzelfallberichten. Dieser Auffassung könne sie sich nicht anschließen. Sie stelle auch nicht die Meinung der überwiegenden Mehrheit medizinischer Sachverständiger dar.
Mit Urteil vom 5. November 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, bei der Klägerin könne weder eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII in Verbindung mit Nr. 1306 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (Erkrankung durch Methylalkohol – Methanol) noch eine Quasi-Berufskrankheit im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB VII festgestellt werden. Ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Belastung der Klägerin und der Parkinson-Erkrankung sei nicht wahrscheinlich. Das Gericht folge insoweit der Einschätzung der Sachverständigen Dr. B., während Prof. Dr. K. lediglich eine Möglichkeit aufzeige, die aber keine hinreichende Wahrscheinlichkeit begründe. Es gebe derzeit keine gesicherten epidemiologischen Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen chronischen Einwirkungen der fraglichen Stoffe und der Parkinson-Erkrankung. Der Feststellungsanspruch ergebe sich auch nicht aus § 9 Abs. 2 SGB VII. Die Vorschrift enthalte keinen allgemeinen Auffangtatbestand für Fälle der Nichterfüllung konkreter Berufskrankheitentatbestände.
Gegen das ihr am 17. November 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17. Dezember 2008 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, ein Zusammenhang zwischen Parkinson-Erkrankungen und beruflichen Einwirkungen werde – insbesondere bei Landwirten – zunehmend angenommen und führe zu Anerkennungen als Berufskrankheit. Insgesamt sei das angefochtene Urteil hinsichtlich der Terminologie und der Gedankenführung kaum nachvollziehbar. Die Klägerin benennt mögliche Sachverständige für eine weitere Begutachtung. Bezüglich neuer Erkenntnisse zum geltend gemachten Zusammenhang verweise sie auf einen Gutachtenauszug des Arbeitsmediziners Prof. Dr. M. (Bl. 280 f. d. A.).
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 5. November 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 10. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2005 aufzuheben und
ihre Parkinson-Erkrankung mit Wirkung von August 1998 als Berufskrankheit nach Nr. 1306 der Anl. 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung festzustellen, hilfsweise sie wegen der Verursachung durch berufliche Einwirkung von Methanol wie eine Berufskrankheit festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Gutachten der Sachverständigen Dr. B. für überzeugend. Von Seiten der Klägerin erwähnte Fälle einer Anerkennung von Parkinson-Erkrankungen wiesen keinen Bezug zum Fall der Klägerin auf. Auch ersetzten sie nicht das Fehlen einer wissenschaftlichen Erkenntnislage zu einer generellen Geeignetheit von Methanol zur Verursachung der Krankheit. Nachforschungen der Beklagten in einem ähnlichen Fall hätten neue arbeitsmedizinischwissenschaftliche Erkenntnisse ausgeschlossen. Von einer sehr hohen Methanolbelastung der Klägerin könne nicht die Rede sein.
Das Gericht hat eine ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen Dr. B. vom 12. Mai 2011, Bl. 296 - 301 d. A., eingeholt. Im Wesentlichen hat sie darin ausgeführt, ein Zusammenhang zwischen Pestizideinwirkungen und Parkinson-Erkrankungen sei weiterhin nicht hinreichend belegt.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Bei der Beratung hat die Verwaltungsakte der Beklagten – Az.: – vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.
Das Gericht hält die Klage auch insoweit für im Sinne von § 87 Abs. 1 S. 1 SGG fristgerecht erhoben, als es die Ablehnung der Feststellung einer Wie-Berufskrankheit betrifft. Mit ihrer Formulierung des angekündigten Klageantrags in der Klageschrift, wonach die "Berufskrankheit" anerkannt werden solle, hat die Klägerin den Bescheid der Beklagten nicht nur teilweise angefochten, wie bereits aus dem damit verbundenen Antrag auf Aufhebung des Bescheides folgt. Auch war im Zusammenhang mit dem Anliegen des Widerspruchsverfahrens, die Krankheitsentstehung im Hinblick auf eine Vielzahl beruflicher Einwirkungen zu prüfen, kein Anhaltspunkt aus der Interessenlage der Klägerin zu entnehmen, die Klage durch die genannte Formulierung auf die Anerkennung der Listenberufskrankheit zu beschränken.
Der Bescheid der Beklagten vom 10. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2005 beschwert die Klägerin nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil die Beklagte darin ihre Parkinson-Erkrankung als Listenberufskrankheit nach Nr. 1306 der Anl. 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV – i.d.F. der Änderung durch VO v. 11.6.09, BGBl. I S. 1273) und die Feststellung der Erkrankung als anderweitige Folge einer besonderen beruflichen Einwirkung von Methanol im Sinne einer Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII – v. 7.8.1996, BGBl. I S. 1254) zu Recht abgelehnt hat.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung einer Berufskrankheit bzw. ihrer nachgewiesenen Erkrankung wie einer Berufskrankheit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, weil die Voraussetzungen für einen solchen Versicherungsfall nicht vorliegen.
Die Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 1306 der Anl. 1 BKV sind nicht erfüllt, weil schon die Eignung einer chronisch ablaufenden Einwirkung von Methanol zur Verursachung einer Parkinson-Erkrankung nicht überwiegend wahrscheinlich ist. Denn es gibt keine in der Wissenschaft überwiegend bestätigten Erkenntnisse über einen solchen Zusammenhang außerhalb einer Exposition, die in den einzelnen Einwirkungsdosen deutlich höher als im Falle der Klägerin liegt und schon mit den einzelnen Dosen zu akuten Vergiftungserscheinungen führt. Diese Auffassung, die bereits Dr. habil. Damrau in seinen Stellungnahmen für die Beklagte schlüssig dargestellt hat, hat die Sachverständige Dr. B. mit ihren ausführlicheren Überlegungen bestätigt und die Entstehung einer Parkinson-Erkrankung durch chronische Methanol-Einwirkung als wissenschaftlich nicht hinreichend belegt bezeichnet. Der Senat schließt sich insbesondere auch ihrer Meinung an, ein einzelner Fallbericht reiche für einen hinreichenden Beleg eines allgemeinen Zusammenhangs nicht aus. Damit ist zugleich die Auffassung von Prof. Dr. K. nicht haltbar, der für die hier betroffene Problematik einer chronischen Einwirkung von Methanol allein einen Fallbericht anführt. Im Übrigen befasst er sich hinsichtlich des Methanols mit Schlussfolgerungen aus der Lage bei schweren und akuten Einwirkungen, die für den vorliegenden Fall, wie die Meinung Dr. B.s zeigt, keine wissenschaftlich zwingenden Erkenntnisse liefern. Auch neue Erkenntnisse im Sinne der Klägerin sind nicht ersichtlich. Dies geht nicht nur aus der ergänzenden Stellungnahme von Dr. B. hervor, die bei ihrem Ergebnis bleibt, sondern auch aus den von der Klägerin vorgelegten Gutachtenauszügen. Dort zitiert – so die Auskunft der Klägerin – der Sachverständige Prof. Dr. M. in einem ausweislich des Aktenzeichens aktuellen Sozialgerichtsverfahren eine Studie aus dem Jahr 2005, die ebenfalls keinen hinreichenden Beleg für einen Zusammenhang einer chronischen Methanoleinwirkung und einer Parkinson-Erkrankung ergibt. Thematisch ging es dort nach Prof. Dr. M. um "Vergiftungen" mit verschiedenen Lösungsmitteln, von denen Methanol nur als eins aufgezählt ist. Prof. Dr. M. stellt das wissenschaftliche Ergebnis selbst schlüssig dahingehend dar, die Autoren "vermuteten" einen Zusammenhang, sähen ihn aber nicht als gesichert an. Dies entspricht dem wiedergegebenen Ergebnissatz der Studie, zusammenfassend erscheine es, dass berufliche Einwirkung zumindest einiger der Lösungsmittel zu einem gesteigerten Risiko einer Parkinson-Erkrankung in höherem Alter führe. Dies lässt weder zu, die wiedergegebene Vermutung zu einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu verdichten, noch die Aussage gerade auf Methanol-Einwirkung zu beziehen.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung einer Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII. Auch insoweit ist die – unterdessen auch entsprechend beschränkte – Klage nur zulässig, soweit die Anerkennung der Parkinson-Erkrankung als Folge einer Einwirkung von Methanol abgelehnt worden ist. Nur dagegen ist die Klägerin im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 1 S. 2 SGG klagebefugt, weil der Bescheid sich nur damit befasst. Denn nur dieses Ergebnis ist Bestandteil der Prüfung, die die Beklagte in ihrem angefochtenen Ausgangsbescheid vorgenommen hat.
Gegenstand einer Prüfung nach § 9 Abs. 2 SGB VII ist eine Krankheit, für die die allgemeine "Bezeichnung" als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 S. 2 SGB VII möglich ist. Für das Anliegen einer Feststellung nach § 9 Abs. 2 SGB VII bedeutet dies, dass ein Prüfungsrahmen vorgegeben ist, der durch die allgemeinen Voraussetzungen der Bezeichnung einer Berufskrankheit durch den Verordnungsgeber in § 9 Abs. 1 S. 2 SGB VII bestimmt ist. Es bedarf der Abgrenzung eines berufsbedingten Risikos nach betroffenen Berufsgruppen, den besonderen Einwirkungen und der betreffenden Krankheit. In ihrem Bescheid hat die Beklagte sich insoweit an das von der Klägerin vorgegebene Thema der Prüfung gehalten, das in der Parkinson-Erkrankung und ihrem Zusammenhang mit Methanoleinwirkung im Laborbetrieb bestand. Die Beklagte ist im Rahmen ihrer Prüfung im angefochtenen Ausgangsbescheid immer wieder auf das Thema der Methanoleinwirkung zurückgekommen und hat nur dazu konkret einen medizinischen Zusammenhang dargelegt, zu welchen bekannten (Akut-)Schäden Methanol führen könne. Ihr ablehnendes Ergebnis hat sie damit begründet, dass diese Krankheitsbilder bei der Klägerin nicht vorlägen. Demgegenüber kann es nur als Begründungsteil, nicht aber als eigenständiger Prüfgegenstand angesehen werden, wenn die Beklagte an anderen Stellen allgemeiner von organischen Lösungsmitteln bzw. chemischen Stoffen spricht. Diese Ausführungen sind ebenso als bloße Begründung für die zu prüfende Methanoleinwirkung erkennbar, weil die Beklagte in dem jeweiligen Zusammenhang durch die spezielle Rückbeziehung auf Methanol – "wie mit Methanol" bzw. "insbesondere auch nicht Methanol" – den unmittelbaren Themenbezug dazu herstellt.
Für die Klägerin ist es nicht weiterführend, dass der Widerspruchsausschuss im Hinblick auf das Widerspruchsvorbringen den Prüfungsrahmen wohl auf verschiedene Stoffeinwirkungen ausgedehnt hat. Damit konnte er den der Bestandskraft fähigen Gegenstand der Erstprüfung nicht ausdehnen, weil er kraft Gesetzes nur zur Prüfung des Rechtsbehelfes befugt ist und er auch nicht über diese Befugnis hinaus den ablehnenden Entscheidungssatz des Erstbescheides verändert hat. Anderenfalls wäre auch zu unterstellen, dass der Widerspruchsausschuss seine fehlende Befugnis zur Erstentscheidung umginge, indem er unter Hinweis auf § 9 Abs. 2 SGB VII tatsächlich weitere Listenberufskrankheiten prüfte. Wie sich insbesondere aus dem Gutachten von Prof. Dr. K. klar ergibt, sind nämlich thematisch verschiedene andere Listenberufskrankheiten betroffen, wenn man die Verursachung einer Parkinsonerkrankung durch andere Stoffe prüfen will.
Mit dem verbleibenden Gegenstand – der Auswirkung von Methanol – kann die Klage schon deshalb keinen Erfolg haben, weil es an der Voraussetzung des § 9 Abs. 2 SGB VII fehlt, wonach die Krankheit nicht schon durch Rechtsverordnung tatbestandlich erfasst sein darf. Denn auch eine Parkinson-Erkrankung fiele, wenn ihre Verursachung durch Methanol gesichert wäre, unter den Tatbestand der Nr. 1306 der Anl. 1 zur BKV. Dem steht nicht etwa die Formulierung in § 9 Abs. 2 SGB VII, die Krankheit dürfe nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet sein, dadurch entgegen, dass Nr. 1306 der Anl. 1 BKV kein Krankheitsbild benennt. Vielmehr kommen bei einer solch offenen Gestaltung des Berufskrankheitentatbestandes durch die Verordnung grundsätzlich alle Krankheiten als Listenkrankheit in Betracht, soweit sie nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 S. 2 SGB VII erfüllen. Der wissenschaftliche Kenntnisstand zur Zeit der Einführung der Berufskrankheit wird nicht etwa selbsttätig Bestandteil des Berufskrankheitentatbestandes. Vielmehr ist es zur Wahrung des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatzes Aufgabe des Verordnungsgebers, einen Berufskrankheitentatbestand ggf. selbst durch genaue Formulierungen zu beschränken, wenn er den Tatbestand gegenüber künftigen wissenschaftlichen Erkenntniszuwächsen nicht offen halten will, wofür hier aber kein Anhaltspunkt besteht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG liegen nicht vor.
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