L 12 AS 1352/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AS 2103/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 1352/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. März 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 21. bis 29. Dezember 2009 und eine damit verbundene Erstattungsforderung in Höhe von 138,38 EUR sowie gegen die Ersetzung einer Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt.

Der 1973 geborene Kläger bezieht laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 3. September 2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 31. März 2010 die Regelleistung in Höhe von monatlich 359 EUR - für die Gewährung von Kosten der Unterkunft und Heizung war damals bei getrennter Trägerschaft die Stadt H. zuständig.

Die Beteiligten schlossen am 8. Juli 2009 eine bis 2. Januar 2010 gültige Eingliederungsvereinbarung. Diese enthielt u.a. den Hinweis: "Bei einer unangemeldeten oder unerlaubten Ortsabwesenheit entfällt der Anspruch auf Arbeitslosengeld II, auch bei nachträglichem Bekanntwerden." Nachdem sich der Kläger geweigert hatte, am 30. Dezember 2010 eine neue Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben, erließ der Beklagte mit Bescheid vom 24. Februar 2010 eine für die Zeit vom 24. Februar bis 31. Juli 2010 geltende Eingliederungsvereinbarung. In dieser waren als Pflichten des Klägers festgelegt: Zeitnahe Bewerbung, das heißt spätestens am dritten Tag nach Erhalt des Stellenangebots auf Vermittlungsvorschläge, die von der Agentur für Arbeit versandt wurden und zeitnahe Mitteilung bei Veränderungen. Als Leistung des Beklagten war vorgesehen: Unterbreitung von Vermittlungsvorschlägen, soweit geeignete Stellenangebote vorliegen, Aufnahme des Bewerberprofils in www.arbeitsagentur.de und beratende Unterstützung. Der Kläger erhob Widerspruch und machte geltend, durch den Kontrahierungszwang bei der Eingliederungsvereinbarung werde er in seinen Rechten aus Art. 2, 11, 12 und 14 Grundgesetz (GG) verletzt. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen richtet sich die am 10. Juni 2010 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobene Klage (S 11 AS 2103/10).

Anlässlich der Erinnerung durch den Beklagten an einen vorgesehenen Termin am 21. Dezember 2009 teilte der Kläger in einem Telefonat am 18. Dezember 2009 dem Beklagten mit, er werde den Termin nicht wahrnehmen, da er beabsichtige, über Weihnachten zu seiner 160 Kilometer entfernt lebenden Familie zu fahren. Auf den Hinweis, dass eine Zustimmung zur Ortsabwesenheit nicht vorliege, entgegnete der Kläger laut Aktenvermerk, dass er eine solche nicht für erforderlich halte und sich nicht unter Druck setzen lasse. Nachdem der Kläger sodann für die Zeit vom 21. bis 29. Dezember 2009 ohne Zustimmung des Beklagten ortsabwesend war, hob der Beklagte nach schriftlicher Anhörung mit Bescheid vom 11. Februar 2010 die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 21. bis 29. Dezember 2009 wegen ungenehmigter Ortsabwesenheit vollständig auf und verlangte die Erstattung von 138,38 EUR (Regelleistung zuzüglich Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung). Der Kläger erhob Widerspruch und berief sich auf sein Grundrecht auf Freizügigkeit. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen richtet sich die am 11. August 2010 zum SG erhobene Klage (S 11 AS 2893/10). Mit Beschluss vom 28. Februar 2011 hat das SG die Rechtsstreitigkeiten unter dem Aktenzeichen S 11 AS 2103/10 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Zur Begründung der Klagen bezieht sich der Kläger auf seine Ausführungen in den Widerspruchsverfahren.

Mit Gerichtsbescheid vom 22. März 2011 hat das SG die Klagen abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die Ausführungen des Beklagten in den angefochtenen Widerspruchsbescheiden Bezug genommen. Ergänzend hat es ausgeführt, dass Rechtsgrundlage des Bescheids vom 24. Februar 2010 § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II sei. Der Beklagte habe in dem angefochtenen Bescheid, wie es § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II bestimme, Regelungen nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II getroffen. Soweit der Kläger rüge, der Beklagte verstoße gegen seine Grundrechte, sei darauf hinzuweisen, dass es sich bei § 15 Abs. 1 SGB II um eine reine Verfahrensvorschrift handele, die das Verhalten und Vorgehen der Grundsicherungsträger steuern solle. Der Grundsicherungsträger treffe eine nicht justitiable Opportunitätsentscheidung darüber, welchen Verfahrensweg er zur Erfüllung des Ziels der Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen wähle, ohne dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige hierdurch einen Rechtsverlust erleide (unter Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG), SozR 4-4200 § 15 Nr. 1 = BSGE 104, 185).

Hiergegen richtet sich die am 31. März 2011 eingelegte Berufung des Klägers. Die Klage habe sich auf Menschenrechtsverletzungen gestützt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 20. Januar 2012 hat der Kläger sein Vorbringen insoweit vertieft.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. März 2011 sowie den Be- scheid der Beklagten vom 24. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Juni 2010 und den Bescheid vom 11. Februar 2010 in der Gestalt des Wider- spruchsbescheids vom 12. Juli 2010 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er nimmt Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Auf Beklagtenseite ist das Jobcenter gemäß § 70 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beteiligtenfähig. Bei dem Jobcenter (§ 6d SGB II i.d.F. des Gesetzes vom 3. August 2010, BGBl. I S. 1112) handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs. 1 Satz 1 SGB II i.d.F. des Gesetzes vom 3. August 2010), die mit Wirkung vom 1. Januar 2011 entstanden ist. Die gemeinsame Einrichtung tritt im laufenden gerichtlichen Verfahren als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisher beklagten Bundesagentur für Arbeit (§ 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II). Das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen (vgl. BSG SozR 4-4200 § 37 Nr. 5).

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und damit zulässig, denn Berufungsausschließungsgründe (§ 144 Abs. 1 SGG) liegen nicht vor. Die Berufung ist jedoch in der Sache nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Bescheid vom 24. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Juni 2010 findet seine Grundlage in § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II. Weder von der Verfahrensweise noch von seinem Inhalt her ist der eine Eingliederungsvereinbarung ersetzende Bescheid zu beanstanden. Insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug und weist die Berufung aus diesen Gründen zurück (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist auszuführen, dass sich entgegen der Auffassung des Klägers bei der Ersetzung der Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt die Problematik eines gegen die durch Art. 2 GG geschützte Vertragsfreiheit verstoßenden Kontrahierungszwangs nicht stellt. Die Diskussion um einen unzulässigen Kontrahierungszwang in Rechtsprechung und Literatur betraf im Wesentlichen die Frage, ob der Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung durch die - inzwischen seit 1. Januar 2011 aufgehobene - Sanktion in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a SGB II erzwungen werden durfte (vgl. Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl., § 31 Rdnr. 14 m.w.N.). Durch die einseitige Ersetzung einer Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt wird gerade kein gegenseitiger Vertrag erzwungen. Durch die Eingliederungsvereinbarung bzw. den ersetzenden Verwaltungsakt wird auch in keiner Weise eine Pflicht zu "Zwangsarbeit" begründet.

Auch der Bescheid vom 11. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juli 2010 über die Aufhebung der Bewilligung der Leistungen vom 21. bis 29. Dezember 2009 und die damit verbundene Erstattungsforderung von 138,38 EUR ist nicht zu bestanden. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Entscheidung über die Bewilligung des Alg II ist § 48 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SBG X). Danach verlangt die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung eine Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Rückwirkend ist eine Aufhebung bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X möglich. Eine Änderung der Verhältnisse besteht dann, wenn nach Ergehen des Bewilligungsbescheids der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Arbeitslosengeld II entfallen ist. Dies ist bei dem Kläger der Fall, denn in der Zeit vom 21. bis 29. Dezember 2009 war er ohne vorherige Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners ortsabwesend, sodass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 4a SGB II (vgl. dazu BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 42) greift.

Nach § 7 Abs. 4a erster Halbsatz SGB II in der ab 1. August 2006 geltenden Fassung (BGBl. I 2006, 1706) erhält Leistungen nach diesem Buch nicht, wer sich ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) vom 23. Oktober 1997, geändert durch die Anordnung vom 10. November 2001, definierten zeit- und ortsnahen Bereichs aufhält. Der durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende im Jahr 2006 eingeführte neue Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 4a SGB II sollte die Sanktion bezüglich der bis dahin lediglich über § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b SGB II sanktionierten Ortsabwesenheit (zunächst Absenkung der Regelleistung um 30 %) verschärfen. Ortsabwesende Hilfebedürftige sollten mit dieser Verschärfung zu einer Rückkehr und zur aktiven Mitwirkung an der Eingliederung in den Arbeitsmarkt bewegt werden (vgl. BT-Drs. 16/1696 S. 26). Zum Nahbereich gehören nach der EAO alle Orte in der Umgebung der Agentur für Arbeit, von denen aus der Arbeitslose erforderlichenfalls in der Lage wäre, die Agentur für Arbeit täglich ohne unzumutbaren Aufwand zu erreichen (§ 2 Nr. 3 Satz 2 EAO). Dies ist der Fall, wenn für Hin- und Rückfahrt zum Leistungsträger höchstens 2,5 Stunden benötigt werden (analog § 121 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) - vgl. Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 7 Rdnr. 79; Thie/Schoch in LPK - SGB II, 4. Auflage, § 7 Rdnr. 112). Dies war angesichts der Entfernung von 160 Kilometern vorliegend offensichtlich nicht der Fall.

Da sich der Kläger aus dem Nahbereich entfernt hat, bliebe der Leistungsanspruch nur dann erhalten, wenn die - hier nicht vorliegende - Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners gegeben wäre. Es liegt auch kein Fall vor, bei dem der Beklagte der Ortsabwesenheit hätte zustimmen müssen. Auf die telefonische Anzeige der Ortsabwesenheit am 18. Dezember 2009 durfte der Beklagte seine Zustimmung von der Auflage abhängig machen, dass der Kläger die Zustimmung zur Ortsabwesenheit persönlich beantragt, denn der vom Kläger geplante Weihnachtsbesuch bei seiner Familie wäre ohne weiteres auch nach Wahrnehmung des vorgesehenen Termins am 21. Dezember 2009 möglich gewesen. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder ärztliche Bescheinigung, die eine der Terminswahrnehmung am 21. Dezember 2009 entgegenstehende Erkrankung belegt, wurde nicht vorgelegt. Insoweit ist nicht entscheidungserheblich, wie zu verfahren wäre, wenn bei ungenehmigter Ortsabwesenheit eigentlich eine Zustimmung durch den Leistungsträger hätte erteilt werden müssen (vgl. dazu Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. April 2011 - L 19 AS 2044/10 NZB -(juris)). Damit lagen die Leistungsvoraussetzungen für den Zeitraum 21. bis 29. Dezember 2009 nicht mehr vor.

Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers gegen § 7 Abs. 4a SGB II teilt der Senat nicht. Das BSG hat im Bereich des Arbeitsförderungsrechts bereits entschieden, dass das Erfordernis der Erreichbarkeit nicht gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbots verstößt, die sich als übergreifende Leitregeln allen staatlichen Handelns aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ableiten und Verfassungsrang haben (vgl. BSG SozR 3-4100 § 103 Nr. 16). Auch das Grundrecht auf Freizügigkeit, d.h. das Recht, unbehindert durch die deutsche Staatsgewalt an jedem Ort innerhalb des Bundesgebiets Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), BVerfGE 2, 266, 273; 8, 95, 97) wird durch die Anforderungen zur Erreichbarkeit nicht in seinem Schutzbereich berührt. Entsprechend ist bereits höchstrichterlich entschieden zu den Regelungen zur Erreichbarkeit in der vor 1998 geltenden Aufenthaltsanordnung (vgl. BSGE 58, 104, 108 = SozR 4100 § 103 Nr. 36), wobei diese zum Teil sogar strengere Anforderungen als die Erreichbarkeitsanordnung stellt. Nichts anderes kann im Bereich des SGB II gelten, wo die Erreichbarkeit - anders als beim Arbeitslosengeld - nicht Anspruchsvoraussetzung ist, sondern ein Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs lediglich einen Leistungsausschluss begründet (vgl. Thie-Schoch in LPK-SGB II, 4. Aufl., § 7 Rdnr. 109).

Auch die Voraussetzungen für eine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X sind erfüllt. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger nur deshalb nicht wusste, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes ganz weggefallen war, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt hat. Verlangt wird eine Sorgfaltspflichtverletzung mit einem außergewöhnlich hohen Ausmaß, d. h. es müssen schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt, also nicht beachtet worden sein, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. BSGE 42, 184, 187 = SozR 4100 § 152 Nr. 3; BSG SozR a.a.O. Nr. 10 S. 33). Insoweit ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere an der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen der Betroffenen sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; vgl. BSGE 44, 264, 273 = SozR 5870 § 13 Nr. 2). Missachtet der Begünstigte die klaren und eindeutigen Hinweise im Bescheid oder in einem Merkblatt, so begründet dies im Regelfall, wenn nicht gar Kenntnis, so zumindest grobe Fahrlässigkeit (vgl. BSGE 44, 264, 273; BSG, Urteil vom 24. April 1997 - 11 RAr 89/96 - (juris)).

Der Kläger ist in der Eingliederungsvereinbarung vom 8. Juli 2009 ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass eine unerlaubte Ortsabwesenheit zum Wegfall und zur Rückforderung des Arbeitslosengeldes II führen kann. Auch vom Beklagten ist er im Telefonat am 18. Dezember 2009 nochmals darauf hingewiesen worden, dass eine Zustimmung zur Ortsabwesenheit nicht vorliegt. Beharrt er gleichwohl auf seiner unzutreffenden Rechtsauffassung, eine Zustimmung sei in seinem Fall nicht erforderlich, so kann dies den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht entkräften.

Da die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X erfüllt sind, kommt Vertrauensschutz nicht in Betracht. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III ordnet insoweit zwingend die Aufhebung der Bewilligung rückwirkend ab Änderung der Verhältnisse an, ohne dass Ermessen auszuüben wäre oder Härtegesichtspunkte berücksichtigt werden könnten. Daher kann auch der Verbrauch der Leistungen für den Lebensunterhalt zu keiner anderen Beurteilung führen.

Rechtsgrundlage für die Erstattung des überzahlten Arbeitslosengeldes II ist § 50 Abs. 1 SGB X. Die Rückforderung der von der Beklagten getragenen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung beruht auf § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 335 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 SGB III. Die Rückforderungsbeträge wurden vom Beklagten mit 95,74 EUR für Arbeitslosengeld II, 37,30 EUR für Krankenversicherungsbeiträge und 5,34 EUR für Pflegeversicherungsbeiträge auch der Höhe nach zutreffend festgesetzt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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