L 7 R 4950/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 1021/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 4950/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 13. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die am 1966 in Bautzen geborene Klägerin erlernte in Ostdeutschland von 1982 bis 1985 den Beruf der Medizinisch-technischen Assistentin; anschließend war sie in diesem Beruf sowie später als Pflegemitarbeiterin in einem Kurbetrieb und, nach ihrem Umzug nach Süddeutschland, u.a. als Pflegehelferin in einem Altenpflegeheim beschäftigt. Von April 1993 bis März 1996 durchlief die Klägerin auf Kosten der Arbeitsverwaltung eine Umschulung zur Krankenschwester in der Klinik T.; ab 1. Mai 1996 war sie als Krankenschwester im Zentrum für Psychiatrie W. tätig, und zwar zunächst in Vollzeit, ab 1 November 1996 - ihren Angaben zufolge aus gesundheitlichen Gründen - in Teilzeit, und zwar anfänglich mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 34,65 Stunden (90 %), ab April 1997 von 32,725 Stunden (85 %) sowie zuletzt ab 1. September 2005 von 9,65 Stunden (25 %) und ab 1. September 2006 von 11,55 Stunden (30 %). Ab 28. April 2008 bestand Arbeitsunfähigkeit; ab 9. Juni 2008 bezog sie Krankengeld.

Am 7. Juli 2008 stellte die Klägerin bei der Beklagten den hier streitgegenständlichen Rentenantrag, den sie mit depressiven Episoden, ferner einer somatoformen Störung, Dysthymia und Persönlichkeitsveränderung begründete; hierzu reichte sie die Stellungnahme des Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Psychotherapeutische Medizin Dr. von Pf. vom 17. Juli 2008 ein, welcher die Klägerin seit August 1996 ambulant psychotherapeutisch behandelt hatte. Die Beklagte veranlasste eine Untersuchung durch Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H.; dieser gelangte im Gutachten vom 29. September 2008 bei der Diagnose eines chronischen Erschöpfungssyndroms zum Ergebnis, dass die Klägerin körperlich leichte Arbeiten ohne Zeitdruck, ohne Einzel- und Gruppenakkord sowie Fließband- und Taktmodellarbeiten, ohne Nachtarbeiten sowie ohne Arbeiten, die besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit stellten, noch vollschichtig verrichten könne. Die Beklagte lehnte darauf mit Bescheid vom 7. Oktober 2008 den Rentenantrag ab, weil die Klägerin mindestens sechs Stunden je Arbeitstag unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch erwerbstätig sein könne. Mit ihrem Widerspruch verwies die Klägerin auf die vorgenannte Stellungnahme des Dr. von Pf ... Einer vom Rentengutachter angeregten stationären psychosomatischen Rehabilitationsmaßnahme wollte die Klägerin ebenfalls unter Verweis auf die Stellungnahme des behandelnden Psychotherapeuten nicht näher treten. Sie machte außerdem unter Vorlage einer neuerlichen Stellungnahme des Dr. von Pf. vom 10. Dezember 2008 geltend, dass es für Dr. H. in der kurzen Zeit seines Gesprächs mit ihr nicht möglich gewesen sei, sich ein Bild von ihrer Person und ihren Beschwerden zu machen. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2009 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen.

Deswegen hat die Klägerin am 3. April 2009 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte, Allgemeinmediziner Dr. Kl. und Dr. von Pf., als sachverständige Zeugen schriftlich gehört; während Dr. Kl. (Schreiben vom 5. Juni 2009) eine "Arbeitsfähigkeit" der Klägerin jedenfalls für eine Ganztagesstelle nicht mehr für denkbar gehalten hat, hat Dr. von Pf. (Schreiben vom 23. Juni 2009) die Auffassung vertreten, dass jene nicht mehr in der Lage sei, eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Das SG hat darauf Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Hau. zum Sachverständigen bestellt. Im Gutachten vom 5. August 2009 ist der Sachverständige bei den Diagnosen einer Dysthymia, einer Neurasthenie sowie einer undifferenzierten Somatisierungsstörung zum Ergebnis gelangt, dass die Klägerin leichte und auch mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr als sechs Stunden täglich verrichten könne. Mit Gerichtsbescheid vom 13. Oktober 2009 hat das SG die Klage abgewiesen; wegen der Einzelheiten der Gründe wird auf den dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 16. Oktober 2009 zugestellten Gerichtsbescheid verwiesen.

Hiergegen richtet sich die am 27. Oktober 2009 beim Landessozialgericht eingelegte Berufung der Klägerin. Sie hat geltend gemacht, sie leide an einem chronischen Erschöpfungssyndrom. Die Tatsache, dass sie sich bisher einer Rehabilitationsmaßnahme verweigert habe, zeige den Schweregrad der Erkrankung auf.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 13. Oktober 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 7. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. März 2009 zu verurteilen, ihr ab 1. Juli 2008 eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Die Beklagte hat eine sozialmedizinische Stellungnahme der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. El-De. vom 12. April 2011 zu den Akten gereicht.

Der Senat hat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Prof. Dr. Hu., Internist-Nephrologie-Umweltmedizin, zum Sachverständigen bestellt und Neurologe Dr. Di. mit der Erstattung eines Zusatzgutachtens beauftragt. Dr. Di. hat im Gutachten vom 27. September 2010 ein chronisches Müdigkeits- und Erschöpfungssyndrom mit multiplen Körperbeschwerden sowie eine chronische Schmerzerkrankung im Stadium III nach Gerbershagen mit multilokulären Schmerzen diagnostiziert sowie den Verdacht auf eine mittelschwere depressive Störung geäußert und die Auffassung vertreten, dass die "Arbeitsbelastung" der Klägerin unter zwei Stunden täglich liege; es gebe keine Mindestbedingungen, die eine Arbeit von täglich mindestens sechs Stunden möglich machten. Prof. Dr. Hu., dem auch das vorgenannte Gutachten vorgelegen hat, hat die Klägerin im Gutachten vom 23. März 2011 - bei den Diagnosen eines Chronic Fatigue Syndrome (wahrscheinlich postviral bei Zustand nach Cytomegalie-Virusinfektion, Zustand nach Epstein-Barr-Virusinfektion, Zustand nach Varicella-Zoster-Infektion), einer mitochondrialen Dysfunktion, einer chronischen Dysthymie, einer zellulären Hypoxie sowie einem Fibromyalgiesyndrom mit persistierender Schmerzsymptomatik - für leichte Arbeiten lediglich unter drei Stunden täglich leistungsfähig gehalten; die Klägerin sei "berufs- und erwerbsunfähig".

Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil die Berufung wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die von ihr im Haupt- und Hilfsantrag begehrten Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Maßgeblich für die beanspruchten Renten ist das ab 1. Januar 2001 für die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltende Recht (eingeführt durch Gesetz vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827)), denn im Streit steht ein Anspruch der Klägerin ab Juli 2008 (vgl. § 300 Abs. 1 und 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI)). Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie (1.) voll erwerbsgemindert sind, (2.) in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (besondere versicherungsrechtliche Voraussetzungen) und (3.) vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2 a.a.O.). Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGB VI haben Versicherte - bei Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des Satzes 1 Nrn. 2 und 3 a.a.O. - Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl. hierzu allgemein Bundessozialgericht (BSG) BSGE 80, 24 ff. = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).

Die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 51 Abs. 1 SGB VI) hat die Klägerin erfüllt. Ferner wären die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Renten wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 SGB VI) ausweislich des in der Verwaltungsakte befindlichen Versicherungsverlaufs vom 7. Oktober 2008 gegeben, wenn die volle oder teilweise Erwerbsminderung - wie von der Klägerin mit dem Rentenantrag geltend gemacht - im Jahr 2003 oder aber auch erst mit der Rentenantragstellung eingetreten wäre. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens hat die Klägerin indes keinen Anspruch auf die begehrten Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, weil sie in der streitbefangenen Zeit nicht erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI gewesen ist. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) hat die Klägerin zu Recht nicht begehrt; denn sie ist erst nach dem 1. Januar 1961 geboren, sodass sie schon aufgrund ihres Geburtsdatums eine derartige Rente nicht zu erlangen vermag (vgl. Abs. 1 Nr. 1 a.a.O.).

Die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin berühren vorwiegend das psychiatrische Gebiet; sie führen jedoch zu keinen einen Rentenanspruch auslösenden Leistungseinschränkungen. Für die von der Klägerin angegebenen Befindlichkeitsstörungen - ständige Erschöpfung, Schweregefühl in den Armen und im Rücken, Abgeschlagenheitsgefühl ("wie bei Grippe"), Kopfschmerzen, Migräne, Rückenschmerzen, Übelkeit, Ein- und Durchschlafstörungen, Magenbeschwerden, Darmprobleme - hat sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kein wirklich fassbares organisches Korrelat finden lassen. Prof. Dr. Hu. hat zwar auf der Grundlage einer labordiagnostisch erhobenen ATP-(Adenosintriphosphat-)Minderung auf eine Mitochondrio-pathie und eine zelluläre Hypoxie geschlossen, die von der Klägerin beklagte Infektanfälligkeit bei teils positiven Laborwerten mit früher durchgemachten Cytomegalie-, Epstein-Barr- und Varicella-Zoster-Virusinfektionen in Zusammenhang gebracht sowie den erniedrigten Neurotransmitter Serotonin als Indikator einer Antriebsminderung gesehen. Ernsthafte krankhafte Organveränderungen hat aber auch er nicht festgestellt; solche hatte schon der sachverständige Zeuge Dr. Kl. verneint. Dr. Di., dessen Gutachten vom 27. September 2010 dem vorgenannten Sachverständigen vorgelegen hat, hat ebenfalls keine pathologischen Organbefunde hinsichtlich der von der Klägerin beschriebenen vielfältigen internistischen Störungen zu erkennen vermocht. Auf die krasse Diskrepanz zwischen der von der Klägerin angegebenen körperlichen Schwäche und dem objektivierbaren körperlichen Befund hat ferner der Sachverständige Dr. Hau. hingewiesen. Darüber hinaus haben alle vom Gericht und der Beklagten gehörten Gutachter - Dr. Hau., Dr. Di., Prof. Dr. Hu., Dr. H. - den neurologischen Befund als unauffällig beschrieben.

Das psychiatrische Zustandsbild mit anhaltend geklagter Erschöpfung hat der Sachverständige Dr. Hau. - bei nur leicht depressiver Herabgestimmtheit - einer Dysthymia (ICD 10 F 34.1) zugeordnet; hierbei handelt es sich um eine chronische depressive Verstimmung, die nach Schweregrad und Dauer der einzelnen Episoden nicht die Kriterien einer leichten oder gar mittelgradigen rezidivierenden depressiven Störung erfüllt; mit dieser Diagnose übereingestimmt haben auch der sachverständige Zeuge Dr. von Pf. und Prof. Dr. Hu., der die Klägerin im Übrigen als sehr gepflegte Erscheinung beschrieben hat. Psychisch war die Klägerin nach den Darlegungen des Sachverständigen Dr. Hau. nur leicht depressiv herabgestimmt und durchaus affektiv schwingungsfähig, ferner bewusstseinsklar, örtlich, zeitlich, zur Person und situativ voll orientiert; sie zeigte keinerlei Hinweise auf Interessenverlust oder Freudlosigkeit und konnte, wie der Sachverständige weiter ausgeführt hat, sehr sthenisch ihre Vorstellungen hinsichtlich ihres Leistungsvermögens vorbringen, sehr detailliert ihre gesamte Vorgeschichte schildern, zeigte hierbei keinerlei Ermüdungszeichen, betonte aber nachdrücklich, dass sie sich in keiner Weise arbeitsfähig fühle. Dr. Di., der die Klägerin ebenfalls als bewusstseinsklar und orientiert sowie im Gespräch kooperativ beschrieben hat, hat sie zwar als erschöpft wirkend, jedoch als nicht depressiv im eigentlichen Sinne bezeichnet; Gedankenkreisen und Grübeln, eine Suizidalitätsneigung sowie inhaltliche und formale Denkstörungen fanden sich bei ihm nicht, sodass der von ihm geäußerte Verdacht auf eine mittelschwere depressive Störung nicht nachvollziehbar ist. Gegen eine ernstere psychische Erkrankung spricht auch die niedrigschwellige medikamentöse Therapie der psychischen Befindlichkeitsstörungen; Antidepressiva oder sonstige Psychopharmaka nimmt die Klägerin nicht ein, vielmehr lediglich ein Johanniskrautpräparat und zur Nacht Melatonin und gelegentlich Zolpidem. Nach den Darlegungen des Sachverständigen Dr. Hau. kann bei der Klägerin zusätzlich noch von einer Neurasthenie (ICD 10 F 48.0) ausgegangen werden; unter denselben ICD-Code hat der Rentengutachter Dr. H. das von ihm diagnostizierte chronische Erschöpfungssyndrom gefasst. Im Wesentlichen nichts anderes ist gemeint, soweit Prof. Dr. Hu., Dr. von Pf. und Dr. Kl. sowie Dr. Di. von einem Chronic Fatigue Syndrome (CFS) bzw. einem chronischen Müdigkeits- und Erschöpfungssyndrom gesprochen haben (ICD 10 G 93.3); so wird das bei der Klägerin vorgefundene Zustandsbild - wie der Senat den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. Hau. entnimmt - nach einer eher somatisch orientierten Auffassung definiert. Die Befindlichkeitsstörungen der Klägerin ohne organisches Korrelat hat Dr. Hau. außerdem einer undifferenzierten Somatisierungsstörung (ICD 10 F 45.1) zugeordnet; auch der sachverständige Zeuge Dr. von Pf. hat das CFS im Übrigen im Wesentlichen synonym mit einer sonstigen somatoformen Störung genannt. Unter diese Störungen kann ferner die von Prof. Dr. Hu. diagnostizierte Fibromyalgie gefasst werden; ob von einem Fibromyalgie-Syndrom oder einer somatoformen Schmerzstörung ausgegangen wird, hat nach den Darlegungen der Dr. El-De., deren sozialmedizinische Stellungnahme vom 12. April 2011 vom Senat als qualifiziertes Beteiligtenvorbringen zu verwerten ist, lediglich nomenklatorischen Charakter. Die Diagnose einer chronischen Schmerzerkrankung im Stadium III nach Gerbershagen mit multilokulären Schmerzen, wie sie Dr. Di. bei fehlender neuropathischer Schmerzsymptomatik gesehen hat, dürfte im Übrigen nichts anderes beschreiben; auf diese Diagnose ist Prof. Dr. Hu., der das Gutachten des vorgenannten Sachverständigen in seinem Gutachten vom 23. März 2011 mit verwerten sollte, denn auch nicht zurückgekommen. Schmerzmittel nimmt die Klägerin, wie Dr. Di. selbst dargestellt hat, nicht ein. Die von Dr. von Pf. diskutierte "andauernde Persönlichkeitsänderung nach Traumatisierung (ICD 10 F 62.0)" hat der Sachverständige Dr. Hau. mit überzeugenden Gründen verneint; die Klägerin war trotz ihrer schweren Erkrankung im Alter von 13 Jahren (Ovarialkarzinom) in der Folgezeit in der Lage, ihr Leben selbst zu gestalten, war sogar in der selben Klinik, in der sie operiert worden war, als Medizinisch-technische Assistentin mehrjährig beschäftigt, zeigte genügend Aktivität und Dynamik, um nach Süddeutschland zu ziehen, war dort zunächst als Pflegehelferin tätig, bevor sie erfolgreich eine Umschulung zur Krankenschwester absolvierte, und konnte sich nach dem Scheitern einer ersten Beziehung 2003 sehr rasch partnerschaftlich neu orientieren, wobei sie den neuen Partner, den sie 2004 kennengelernt hatte, schließlich im Jahr 2007 geheiratet hat und sich mit dessen in die Ehe eingebrachten Tochter positiv arrangieren konnte. Bezeichnenswerterweise sind auch die nach § 109 SGG beauftragten Sachverständigen Dr. Di. und Prof. Dr. Hu. auf die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung nicht mehr zurückgekommen.

Die bei der Klägerin vorhandenen Gesundheitsstörungen schränken ihre Leistungsfähigkeit in quantitativer Hinsicht nicht ein. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat unter Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens einschließlich aller Beweismittel, zu deren Verwertung er im Rahmen der in freier richterlicher Beweiswürdigung zu treffenden Entscheidung verpflichtet ist (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG). Die Klägerin ist nach der schlüssig begründeten Beurteilung des Sachverständigen Dr. Hau., der dem Senat als erfahrener, sorgfältig arbeitender Gutachter bekannt ist, noch in der Lage, mehr als sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Zur selben Einschätzung ist bereits Dr. H. gelangt, dessen Rentengutachten vom 29. September 2008 vom Senat urkundenbeweislich zu verwerten ist. Soweit der nach § 109 SGG bestellte Sachverständige Prof. Dr. Hu. das Leistungsvermögen der Klägerin - unter zusätzlicher Verwendung der allein rechtlicher Wertung unterliegenden Begriffe der Berufs- und Erwerbsfähigkeit - auf unter drei Stunden täglich, Dr. Di. gar auf unter zwei Stunden täglich eingeschätzt hat und der sachverständige Zeuge Dr. von Pf. sogar von einem vollständig aufgehobenen Leistungsvermögen ausgegangen ist, vermag sich dem der Senat - ebenso wie der Auffassung des Dr. Kl., der der Klägerin jedenfalls eine Ganztagesbeschäftigung nicht mehr hat zumuten wollen -, angesichts von Art und Ausmaß der bei der Klägerin vorhandenen Gesundheitsstörungen nicht anzuschließen. Keiner dieser Ärzte hat sich ernsthaft mit den überzeugenden Ausführungen im Gutachten des Sachverständigen Dr. Hau. sowie denjenigen des Rentengutachters Dr. H. auseinandergesetzt, obwohl all die erstgenannten Ärzte im Wesentlichen keine anderen Befunde als Dr. Hau. und Dr. H. erhoben haben und Dr. von Pf. bezüglich der diagnostizierten Persönlichkeitsänderung vom Sachverständigen Dr. Hau. mit überzeugenden Gründen widerlegt worden ist. Allein eine zum Teil unterschiedliche Diagnosestellung vermag diese - bei abweichender Meinung - notwendige Diskussion der unterschiedlichen Leistungseinschätzungen nicht zu ersetzen; stattdessen erschöpft sich etwa das 31seitige Gutachten von Prof. Dr. Hu. über rund zwanzig Seiten hinweg in der bloß wörtlichen Zitierung anderer ärztlicher Äußerungen.

Hinsichtlich des zu beachtenden positiven und negativen Leistungsbildes würdigt der Senat die schlüssigen ärztlichen Äußerungen dahingehend, dass die Klägerin jedenfalls körperlich leichte Arbeiten ohne Zeitdruck, ohne Einzel- und Gruppenakkord sowie Fließband- und Taktmodellarbeiten, ohne Nachtarbeiten sowie ohne Arbeiten, die besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit stellen, noch mehr als sechs Stunden täglich verrichten kann. Die Notwendigkeit zu Arbeitsunterbrechungen in einem das betriebsübliche Maß übersteigenden Rahmen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19. August 1997 - 13 RJ 11/96 - (juris)) besteht unter Würdigung der nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. Hau. nicht. Ferner ergibt sich aus den Darlegungen des Dr. Hau. und selbst des Prof. Dr. Hu., dass eine rentenrechtlich relevante Einschränkung der Gehfähigkeit (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10) nicht vorliegt; diese Beurteilung ist auch nicht durch Dr. Di. widerlegt, der lediglich darauf abgehoben hat, dass die Klägerin ihrer Schilderung zufolge nach einem Arbeitsweg bei einer Gehstrecke von 500 m, viermal täglich zurückgelegt, so erschöpft sei, dass sie eine Erholungspause benötige und keine Energie für eine Arbeitstätigkeit mehr habe.

Mit dem vorhandenen Leistungsvermögen ist die Klägerin nicht erwerbsgemindert. Eine - trotz mindestens sechsstündiger Leistungsfähigkeit - eine Rente wegen voller Erwerbsminderung rechtfertigende Ausnahme ist allerdings dann gegeben, wenn qualitative Leistungsbeschränkungen vorliegen, die eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung darstellen (vgl. etwa BSG SozR 3-2600 § 43 Nrn. 17 und 21; SozR a.a.O. § 44 Nr. 12), oder der Arbeitsmarkt sonst praktisch verschlossen ist, etwa weil die Versicherte nicht in der Lage ist, noch unter betriebsüblichen Bedingungen Tätigkeiten zu verrichten oder ihre Fähigkeit, einen Arbeitsplatz zu erreichen, aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 137 und 139). Derartige letztgenannte beiden Gründe für eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes liegen nach dem Beweisergebnis - wie oben ausgeführt - nicht vor. Ebenso wenig stellt das bei der Klägerin zu beachtende positive und negative Leistungsbild eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung dar. Hinsichtlich der vorhandenen qualitativen Beschränkungen hängt das Bestehen einer Benennungspflicht im Übrigen entscheidend von deren Anzahl, Art und Schwere ab, wobei die Frage der Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zweckmäßigerweise in zwei Schritten zu klären ist. Zunächst ist in einem ersten Prüfungsschritt festzustellen, ob das Restleistungsvermögen dem Versicherten körperliche Verrichtungen erlaubt, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden (wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw.; vgl. BSGE 80, 42, 32); erst wenn insoweit Zweifel an der betrieblichen Einsetzbarkeit bestehen, folgt eine weitere Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, die alsdann zur Pflicht zur Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit führt (vgl. BSG SozR 3-2600 § 43 Nrn. 17 und 21; SozR a.a.O. § 44 Nr. 12; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R - (juris)). Letzteres ist hier nicht der Fall. Die Klägerin kann zumindest noch körperlich leichte Arbeiten verrichten; dies führt für sich allein noch nicht zu einer Verengung ihr noch möglicher Arbeitsfelder (vgl. hierzu BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117; SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10), wie sie oben umschrieben sind. Auch die verbleibenden Einschränkungen (kein Zeitdruck, kein Einzel- und Gruppenakkord, keine Fließband- und Taktmodellarbeiten, keine Nachtarbeiten sowie keine Arbeiten mit besonderen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit) haben dies hier nicht zur Folge (vgl. hierzu BSGE 80, 24, 32 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8; BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117). Körperlich leichte Arbeiten werden im Übrigen nicht typischerweise unter diesen Bedingungen ausgeübt. Etwaige häufigere Zeiten der Arbeitsunfähigkeit bewirken für sich allein im Übrigen noch keine verminderte Erwerbsfähigkeit (vgl. BSGE 9, 192, 194; BSG SozR 2200 § 1247 Nr. 12 S. 23).

Ist die Klägerin sonach nicht voll erwerbsgemindert, fehlen erst recht die Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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