S 20 R 24/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 20 R 24/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 29.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2009 wird aufgehoben, soweit noch Beiträge für die Studierenden G C und T G nachgefordert werden.

Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Nachforderung von Beiträgen für von ihr übernommene Studiengebühren.

Die Klägerin schloss in den Jahren 2005 und 2006 mit 8 Personen sogenannte Studien- und Ausbildungsverträge ab, von denen 3 Personen an der Fachhochschule für Wirtschaft und Technik W/E/P (FHXU) mit dem Studienziel Elektrotechnik und 5 Personen bei der seinerzeitigen Berufsakademie X (BAX – heute Hochschule X) mit dem Studienziel Betriebswirtschaftslehre eingeschrieben waren. Beide Bildungseinrichtungen wurden aus dem Unternehmerbereich heraus gegründet mit dem Ziel, qualifizierten Nachwuchs für die Unternehmen der Region heranzuziehen. Dabei war das Studium aufgeteilt in Theorie- und Praxisphasen. Für letztere hatte der Student ein vertragliches Verhältnis mit einem bestimmten Unternehmen abzuschließen, in dem er die Praxisphasen absolvierte. Die Klägerin zahlte den Studierenden durchgehend, unabhängig davon, ob es sich um eine Theorie oder Praxisphase handelte, eine monatliche Ausbildungsvergütung, für die sie Sozialversicherungsbeiträge abführte. Außerdem zahlte sie die monatlich anfallenden Studiengebühren. Streitig ist, ob es sich bei diesen Studiengebühren um beitragspflichtiges Arbeitsentgelt handelt. Für einen der Studenten der FHXU, der über eine abgeschlossene Ausbildung verfügte und daher keinen Ausbildungsvertrag abschloss, sowie für die 5 Studierenden der BAX, bei denen sich im Laufe des Verfahrens herausstellte, dass der Abschluss eines Ausbildungsvertrages für das Studium der BAX keine Voraussetzung war und unabhängig allein zwischen Unternehmen und den Studierenden gestaltet wurde, es sich aus der Sicht der Akademie daher nur um ein praxisorientiertes duales Studium handelte, gab die Beklagte ein Anerkenntnis ab.
Streitig ist daher nur noch die Übernahme der Studiengebühren für die Studierenden G C und T G. Mit diesen und der FHXU schloss die Klägerin einen Studien- und Ausbildungsvertrag folgenden Inhalts:

1. Gegenstand des Vertrages:

Im Rahmen des Studiengangs wird an der in Trägerschaft der FHXUgGmbH stehenden staatlich anerkannten privaten Hochschule für Wirtschaft und Technik W/E/P (FHXU) in Verbindung mit dem Betrieb ein wissenschaftsbezogenes und praxisorientiertes duales Fachhochschulstudium gemäß Hochschulrahmengesetz (HRG) und niedersächsisches Hochschulgesetz (NHG) vermittelt mit dem Studienziel: Bachelor-Abschluss des oben genannten Studiengangs.
Der Studierende wird mit Beginn dieses Vertrages an der FHXU immatrikuliert.
Gleichzeitig wird ein Ausbildungsverhältnis mit dem Betrieb begründet, in welchem sich dieser verpflichtet, den Studierenden gemäß Berufsbildungsgesetz (BBiG i. V. m. der Ausbildungsordnung) binnen der ersten 2 ½ Jahre des dualen Studiums an den Berufsabschluss in folgendem Ausbildungsberuf heranzuführen:
2.
3. Verhältnis von Betrieb zum Studierenden (Vertrag G; ähnlich Vertrag C)
Der Betrieb legt die Arbeits- und/oder Ausbildungsstätte für den Studierenden fest und achtet darauf, dass dieser für die Erreichung der Studien- und ggf. Ausbildungsziels geeignet ist. Der Betrieb verpflichtet sich, dafür zu sorgen, dass die Praxisphasen entsprechend und ergänzend zum Studienplan der FHXU durchgeführt und Tätigkeiten übertragen werden, die dem dualen Studienziel und dem Ausbildungszweck dienen. Hierfür beauftragt der Betrieb eine persönlich und fachlich geeignete Kraft mit der Ausbildung der Studierenden.
 

Der Studierende wird für die Zeit zum Besuch der Veranstaltung der FHXU und für die Prüfung freigestellt. Der Studierende wird gegebenenfalls zudem für die Berufsabschlussprüfung sowie für Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte freigestellt.
Auf Wunsch des Studierenden kann der Betrieb der FHXU für die Bachelor-Abschlussprüfung der Studierenden das Thema für eine betriebsbezogene achtwöchige Thesis vorschlagen. Über den Ort und die Bedingungen zur Erstellung der Thesis entscheidet der Betrieb.


5. Vergütung und Kosten für das duale Studium (C/G):

5.1: Die Vergütung der Studierenden beträgt

im ersten Studienjahr 730,90 / 694,40 Euro

im zweiten Studienjahr 767,30/ 728,98 Euro

im dritten Studienjahr 1.170,00/ 1.068,00 Euro
im vierten Studienjahr/nach dem dritten Studienjahr bis zum Vertragsende 1.170,00/ 1.068,00 Euro.

5.2: Dem Studierenden wird vom Betrieb die Vergütung auch gezahlt für die Zeit des Besuchs der Lehrveranstaltung an der FHXU .



5.3.Kosten für Maßnahmen außerhalb des Betriebes
5.3.1 Studien- und Prüfungsgebühren

Der duale 7 semestrige Bachelorstudiengang kostet insgesamt 350,00 EUR monatlich/17.220,00 Euro
Der Betrieb und der Studierende tragen die Studiengebühren gesamtschuldnerisch. Die Rechnung geht grundsätzlich an den Betrieb. Zahlt der Betrieb nicht, ist der Studierende zur Zahlung verpflichtet.

7. Kündigung

7.3 Schadenersatz bei vorzeitiger Kündigung (G)
Bei vorzeitiger Beendigung des Vertragsverhältnisses nach Ablauf der Probezeit können der Betrieb oder der Studierende voneinander Schadensersatz verlangen, wenn der andere Teil den Grund für die Beendigung zu vertreten hat. Insbesondere ist der gemäß § 5.3.1. Zahlungsverpflichtige (C) / der Ausbildungsbetrieb (G) berechtigt, ganz oder teilweise Erstattung an die FHXU entrichteten Studiengebühren zu verlangen.

Der Vertrag wurde von dem bei der Klägerin für die Ausbildung zuständigen Mitarbeiter, dem Zeugen C1, dem Studierenden sowie einem Vertreter der FHXU unterzeichnet.

Außerdem schloss die Klägerin mit den Studierenden eine "Vereinbarung" für ein Studium Elektrotechnik an der FHXU. Dort ist in Punkt 5 Vergütungsregelung dargelegt, dass die Tätigkeit im Unternehmen während der Vorlesungszeit entsprechend der Vergütung eines Auszubildenden während des 1. und 2. Jahres und entsprechend der Lohngruppe 7 im 3. Jahr erhält.
In Punkt 6 Studiengebühren/Aufwendungen für Lehr- und Studienmaterial/Fahrt- und Mietkosten/Lebensunterhalt heißt es:
Die monatlichen Studiengebühren in Höhe von 498,00 Euro/382,67 Euro werden von X1 übernommen. Aufwendungen für Lehr- und Studienmaterial, Fahrt- und Mietkosten, sowie Kosten für den allgemeinen Lebensunterhalt werden von Herrn C/Herrn G getragen.

Die Vereinbarung enthält in Punkt 7 die Verpflichtungserklärung wie folgt:
Herr C/Herr G verpflichtet sich unwiderruflich, nach erfolgreichem Abschluss des Studium an der FHXU für mindestens 36 Monate bei X1 tätig zu sein, falls entsprechender Bedarf im Unternehmen besteht. Für den Fall, dass Herr C/Herr G ein angebotenes Beschäftigungsverhältnis nicht annimmt, oder vor Ablauf von 36 Monaten auf eigenen Wunsch aus einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis ausscheidet, gilt eine Rückzahlung von monatlich 1/36 pro rata temporis, der während des Studiums gezahlten Studiengebühren in Höhe von 23.904 Euro – 17.220,00 Euro als vereinbart.

In einer am 23.05.2007 durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung mit Nachforderungsbescheides des Finanzamtes N vom 20.06.2007 war die Nichtabführung der Lohnsteuer von den Studiengebühren nicht beanstandet worden.
In einer Sitzung vom 24.-26.09.2007 hatten die Abteilungsleiter der obersten Finanzbehörden entschieden, dass in Fällen, in denen ein Arbeitgeber im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses die vom studierenden Arbeitnehmer geschuldeten Studiengebühren übernehme, aufgrund des ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesses des Arbeitgebers dann kein Vorteil mit Arbeitslohncharakter anzunehmen sei, wenn sich der Arbeitgeber arbeitsrechtsvertraglich zur Übernahme der Studiengebühren verpflichte; das ganz überwiegende eigenbetriebliche Interesse müsse dokumentiert sein durch eine Rückzahlungsverpflichtung des Studierenden, wenn er das ausbildende Unternehmen auf eigenen Wunsch innerhalb von 2 Jahren nach Studienabschluss verlasse. Eine entsprechende Verfügung wurde mit Datum vom 10.10.2007 an die Finanzämter übersandt.

Mit Bescheid vom 29.11.2007 stellte die Beklagte fest, die übernommen Studiengebühren unterlägen der Beitragspflicht. Insgesamt betrage die sich aus der Prüfung ergebenden Nachforderung 15.029,71 Euro, wovon sich 14.104,91 Euro auf die übernommenen Studiengebühren bezogen. Zur Begründung führte sie aus, bei den Aufwendungen für die Studiengebühren handele es sich im steuerrechtlichen Sinne um Werbungskosten, die nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 17.12.2002 beim Lohnsteuerjahresausgleich Berücksichtigung finden könnten. Leistungen des Arbeitgebers, mit denen er Werbungskosten des Arbeitnehmers ersetze, seien gem. R70 Lohnsteuerrichtlinie (LStR) 2005 jedoch nur dann steuerfrei, soweit dies gesetzlich bestimmt sei. Eine gesetzlich bestimmte Steuerfreiheit für Ausbildungskosten bestehe nicht. Die übernommenen Studiengebühren unterlägen daher der Beitragspflicht in der Sozialversicherung.
Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch verwies die Klägerin auf die steuerrechtliche Beurteilung und legte den Beschluss der Abteilungsleiter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder vom 24.-26.09.2007 und die Verfügung der Oberfinanzdirektion Karlsruhe vom 10.10.2007 bei. Unter anderem mit den Studierenden G C und T G sei eine entsprechende Rückzahlungsklausel in Ziffer 7 der geschlossenen Studienvereinbarungen vereinbart worden. Sie entspreche daher der Vorgabe der obersten Finanzbehörde und belege das ganz überwiegende eigenbetriebliche Interesse der Klägerin. Die Rückzahlungsklauseln würden seitens der Klägerin zielgerichtet eingesetzt, um die Studierenden nachhaltig zu einem erfolgreichen Studienabschluss zu motivieren, damit sie anschließend im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses bei der Firma eingesetzt werden könnten. Die verwendeten Rückzahlungsklauseln dienten daher der Nachwuchsgewinnung und belegten das überwiegend eigenbetriebliche Interesse nach Maßgabe der Weisungslage der obersten Finanzbehörden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.01.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach §§ 14 und 17 SGB IV (Viertes Buch Sozialgesetzbuch) i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SvEV (Sozialversicherungsentgeltverordnung - bis 31.12.2006 § 1 ArEV –Arbeitsentgeltverordnung) richte sich die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Arbeitsentgelt grundsätzlich nach dem Steuerrecht. Die steuerrechtliche Beurteilung von übernommenen Studiengebühren bleibe aber für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung unbeachtet. In einem Besprechungsergebnis der Sozialverbände der Sozialversicherung im Mai 2008 sei deshalb nochmals festgestellt worden, dass die Übernahme von Studiengebühren jeglicher Art einen geldwerten Vorteil darstelle und beitragspflichtiges Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV sei. Eine Koppelung an den § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV i. V. m. der Sozialversicherungsentgeltverordnung sei nicht zwingend notwendig. Die sozialversicherungsrechtliche Behandlung von Studiengebühren erfolge daher nach dem eigenständigen Arbeitsentgeltbegriff der Sozialversicherung entsprechend § 14 SGB IV.

Hiergegen richtet sich die am 04.02.2009 erhobene Klage.

Die Klägerin verweist auf die Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 15.07.2009. Mit dieser wurde die Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) die zum 01.01.2007 die Arbeitsentgeltverordnung (ArEV) von 1977 abgelöst hatte, geändert und dem § 1 Abs. 1 Satz 1 eine Nr. 15 hinzugefügt, nach der dem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen seien vom Arbeitgeber getragene oder übernommene Studiengebühren für ein Studium des Beschäftigten, soweit sie steuerrechtlich kein Arbeitslohn seien. Sie vertritt die Auffassung, es habe sich um eine Klarstellung der Rechtslage gehandelt.
Zur Frage der unmittelbaren Schuldnerschaft der Studiengebühren vertritt die Klägerin die Auffassung, die Klägerin und die Studierenden hafteten nicht als Gesamtschuldner. Der Wille der vertragsschließenden Parteien sei nicht auf die Begründung einer Gesamtschuld im Rechtssinne ausgerichtet gewesen. Eine Gesamtschuld setze gemäß § 421 BGB nämlich voraus, dass der Gläubiger die Leistungen nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zum Teil fordern könne. Es sei jedoch ausdrücklich vereinbart, dass ein Rückgriff auf die Studierenden zwecks Forderungstilgung erst dann erfolgen könne, wenn die Arbeitgeberin, also die Klägerin, ihrer Zahlungsverpflichtung nicht nachkomme. Die Zahlungsverpflichtung der Studierenden sei also nicht gleichrangig, sondern nachrangig ausgestaltet.

Mit Bescheid vom 10.03.2009 forderte die Klägerin für den Zeitraum 01.01.2007 bis 31.12.2008 weiterhin Beiträge für Studiengebühren nach. Die Beteiligten einigten sich im Widerspruchsverfahren über eine Aussetzung bis zur Entscheidung des Klageverfahrens.

Nach Bekanntwerden der Entscheidung des Bundessozialgerichtes vom 01.12.2009 – B 12 R 4/08 R – zum praxisintegrierten dualen Studiengang gab die Beklagte für den Studierenden der FHXU, der als einziger einen Ausbildungsvertrag nicht abgeschlossen hatte, da er bereits über eine einschlägige Berufsausbildung verfüge, ein Anerkenntnis ab mit der Begründung, allein bei ihm liege ein praxisintegrierter Studiengang vor. Bei allen anderen liege ein ausbildungsintegrierter dualer Studiengang vor, weil gleichzeitig ein Ausbildungsvertrag abgeschlossen war.

Nach Beweiserhebung im Termin gab die Beklagte auch hinsichtlich aller bei der BAX eingeschriebenen Studierenden ein Anerkenntnis ab. Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 29.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2009 aufzuheben, soweit noch Beiträge für die Studierenden G C und T G nachgefordert werden.

Die Beklagte beantragt,
die Klage, soweit sie über das Teilanerkenntnis hinausgeht, abzuweisen.

Sie vertritt weiterhin die Auffassung, in den Fällen, in denen ein ausbildungsintegrierter dualer Studiengang mit gleichzeitigem Ausbildungsvertrag vorliege, handele es sich auch bei der Übernahme der Studiengebühren um versicherungspflichtiges Arbeitsentgelt. Sie verwies auf eine Besprechung des GKV-Spitzenverbandes der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzuges vom 30/31.03.2009, wonach eine beitragspflichtige Übernahme der Studiengebühren nicht anzunehmen sei, wenn die Ausbildungsstätte bzw. der Arbeitgeber unmittelbarer Schuldner der Studiengebühren sei. Dies setze allerdings voraus, dass die Bestimmung des Arbeitgebers als Zahlung der Studiengebühren Verpflichteten auf der Grundlage einer Studienordnung oder einer vergleichbaren Regelung oder darauf basierenden Vereinbarungen beruhe und es sich somit nicht lediglich um eine Verkürzung des Zahlungsweges handele. Seien diese Voraussetzungen erfüllt, handele es sich für den studierenden Arbeitnehmer nicht um einen geldwerten Vorteil, der dem Begriff des Arbeitsentgeltes im Sinne der Sozialversicherung zuzurechnen sei. Die Änderung der Sozialversicherungsentgeltverordnung sei am 22.07.2009 in Kraft getreten und entfalte keine Rückwirkung für Prüfungszeiträume bis zum 30.06.2009.
Für den vorliegenden Fall vertritt sie die Auffassung, die Klägerin sei nicht unmittelbarer Schuldner der Studiengebühren, da eine gesamtschuldnerische Haftung vereinbart gewesen sei.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung der Studienordnung der FHXU für die Bachelor-Studiengang Elektrotechnik mit Wirkung zum Studienjahr 2006/2007. Danach ist in § 3 festgelegt, dass Voraussetzung für die Aufnahme des Studiums der Nachweis der Hochschulzugangsberechtigung, außerdem ein Ausbildungsvertrag mit einem der Mitgliedsunternehmen der Fachhochschule oder – für eine Aufnahme des Studiums als berufsintegrierende Studienform – eine abgeschlossene einschlägige Berufsausbildung erforderlich sei. In § 7 zur Betreuten Praxisphase heißt es, die Aufgabenstellung und Betreuung erfolge in Absprache und Zusammenarbeit mit dem ausbildenden bzw. dem Praxisplatz stellenden Unternehmen und dem Studierenden durch eine fachlich qualifizierte Lehrperson der Hochschule. Außerdem liegt ein Ausbildungsrahmenplan für die Praxisphasen im Bachelor-Studiengang Elektrotechnik vom 13.02.2006 vor, in dem die in den Praxisphasen des dualen Studiums im Unternehmen zu vermittelnden Inhalte gezielt seien. Diese seien als Empfehlung zu verstehen, sie sollten, firmen- und schwerpunktspezifisch interpretiert werden.

In der Grundordnung für die private Fachhochschule für Wirtschaft und Technik vom 3. November 2003 ist in § 5 Abs. 2 die Aufgabe des Studienbereichsleiters unter anderem mit der Betreuung der Mitgliedsbetriebe und der Akquisition von Betrieben und Werbung um Studierende beschrieben.

Außerdem hat das Gericht Beweis erhoben durch Vernehmung des Personalleiters und ehemaligen Ausbildungsleiters der Klägerin N1 C1 sowie des ehemaligen Studienbereichsleiters und Prof. an der FHXU B C2 und des Dekans des Fachbereichs Wirtschaft und Professor an der Hochschule X I N2 als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 19.05.2011 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen. Der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist – auch soweit sie über das angenommene Teilanerkenntnis hinausgeht – zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 29.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2009 ist rechtswidrig, soweit nach Abgabe des Teilanerkenntnisses noch Beiträge für die übernommenen Studiengebühren für die an der FHXU studierenden G C und T G nachgefordert werden. Auch insoweit verletzt der angefochtene Bescheid die Klägerin gemäß § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in ihren Rechten.

Gegenstand des Rechtsstreites ist – anders als in der Mehrzahl der vom Bundessozialgericht bisher entschiedenen Fällen – nicht die sozialversicherungsrechtliche Stellung der Studierenden und die Frage der Beitragspflicht der gewährten Vergütung (hier der regelmäßigen Ausbildungsvergütung), also die Frage der Versicherungsfreiheit als Student auch während der Praxisphasen, sondern die Bewertung der Beitragspflicht vom Arbeitgeber übernommener Studiengebühren. Anders als in den bisher entschiedenen Fällen handelt es sich im noch streitigen Fall weder um einen berufsintegrierten Studiengang (in dem über den Fortbestand der vor Beginn bestehenden Beschäftigung während des Studium und der Versicherungspflicht insgesamt zu entscheiden ist), einem klassischen Studiengang mit Praxisphasen (in dem es lediglich um die Bewertung der Versicherungspflicht der im Betrieb abgeleisteten Praktika ging, die ausnahmsweise dann keine Beschäftigung darstellt, wenn sie aufgrund landesrechtlicher Vorschriften in die Hochschul- oder Fachhochschulausbildung eingegliedert und deshalb als Teil des Studiums anzusehen ist) noch um den zuletzt vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall eines sogenannten praxisintegrierten dualen Studienganges, bei dem - anders als in den oben genannten Fällen - ausdrücklich eine Vergütung auch für die Zeiten des Lernens an der Hochschule, in der Regel zumindest in Höhe der Studiengebühren, oder aber eine Übernahme der Studiengebühren typisch ist. Hier hatte das BSG sich der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) angeschlossen, wonach war die bisherige Rechtsprechung auch auf sogenannte praxisintegrierte duale Studiengänge zu übertragen und Praxisphasen, die innerhalb eines solchen Studiums und als dessen Bestandteil absolviert werden, als nicht versicherungspflichtig wegen einer Beschäftigung zur Berufsausbildung anzusehen sein sollten. Trotz vorliegend zweier eigenständiger Verträge (Studienvertrag und Praktikantenvertrag) könnten solche berufspraktischen Phasen sozialversicherungsrechtlich nicht als abtrennbar und gesondert zu betrachtendes Rechtsverhältnis verstanden werden, wenn die Auslegung des für die berufspraktischen Phasen mit dem Praktikumsbetrieb geschlossenen Vertrages und seine tatsächliche Durchführung ergebe, dass die Praktika in diesem Sinne in das Studium eingegliedert seien. Dann sei grundsätzlich auch ohne Bedeutung, dass die Praxisphasen zeitlich einen nennenswerten Teil der Studiendauer ausmachten (BSG, Urteil vom 01.12.2009 – B 12 R 4/08 R).
Vielmehr handelt es sich im hier zu entscheidenden Fall um einen sogenannten ausbildungsintegrierten dualen Studiengang, für den das BSG in der oben genannten Entscheidung offen gelassen hat, ob der berufsausbildungsgeprägte Teil (also die Zeiten im Betrieb) als abtrennbar und gesondert zu betrachtendes Rechtsverhältnis anders verstanden werden könnten.
Die Übernahme der Studiengebühren ist mangels Versicherungsfreiheit für den gesamten Zeitraum des dualen Studiums einschließlich der betrieblichen Phasen - möglicherweise mit Ausnahme der Zeit der Abfassung der Bachelorarbeit - nicht bereits aus diesem Grund als beitragsfrei anzusehen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme dürfte feststehen, dass Versicherungsfreiheit als Student nicht bestand. Jedenfalls in dem noch zu entscheidenden Fall der Studien- und Ausbildungsvertrages mit der FHXU liegen trotz einheitlichem Vertrag inhaltlich 2 verschiedene, rechtlich gesondert zu bewertende Rechtsverhältnisse vor, nämlich ein Studium einerseits und eine Berufsausbildung bzw. anschließend Beschäftigung andererseits. Der Zeuge C2 hat dazu ausgesagt, in der Zeit der Praxisphasen im Betrieb überließe man den Unternehmen, was sie mit den Studierenden machten, die Voraussetzung sei lediglich, dass sie dafür sorgen müssten, dass die praktische Ausbildung für den Gesellenbrief reiche. Man greife da nicht ein. In den späteren Praxisphasen solle der Student im Unternehmen annähernd bereits mit Ingenieurtätigkeiten betraut werden. Auch hier greife man nicht ein, man lege den Firmen nur nahe, die Leute bereits entsprechend einzusetzen. Lediglich die Zeit der Bachelorarbeit nannte er ein Gemeinschaftsprojekt.
Offensichtlich handelte es sich also in den Praxisphasen der ersten 2 ½ Jahre bis zur dann zu absolvierenden Prüfung bei der IHK um eine im Wesentlichen von Einflussnahmen der Hochschule frei vom Unternehmen zu gestaltende Ausbildung, während in den Praxisphasen anschließend ausdrücklich Praxiserfahrung durch Verrichtung einer dem gewonnenen Facharbeiterstatus entsprechende Tätigkeiten mit einem entsprechend hohem Leistungswert geprägt sein sollte. Abgesehen von einem Ausbildungsrahmenplan, bei dem offen bleiben kann, inwieweit er sich an den IHK Rahmenplan anlehnt, von wem er entwickelt wird und inwieweit – vermutlich – gewisse Änderungen aufgrund der Verkürzung vorgenommen wurden – hat die Hochschule in diesem Bereich nach der schlüssigen Aussage des Zeugen C2 nicht eingegriffen. Die Aussage des Zeugen C1, des Personalleiters der Klägerin, über eine Abstimmung mit der Hochschule wurde vom Zeugen C2 demnach so nicht bestätigt. Dies erklärt sich allerdings möglicherweise daher, dass der Zeche C1 für die hier noch im Streit stehende gewerblich-technische Ausbildung nach eigenem Bekunden nur hinsichtlich der Auswahl zuständig war, so dass seine Schilderung sich schwerpunktmäßig auf die Zusammenarbeit mit der BAX bezogen haben dürfte. Die vom Zeugen C1 beschriebenen, sich von den normalen Auszubildenden unterscheidenden Abweichungen in der Ausbildung lassen sich auch nach seiner Aussage mit der notwendigen Verkürzung begründen. Seiner Aussage nach ging es bei den hier streitigen Ausbildungsverhältnissen nur darum, dass die Prüfung vor der IHK abgelegt werden konnte, ohne dass ein Ausbildungsrahmenplan, wie der der IHK Schritt für Schritt vermittelt wurde. Es wurde danach eher ein Überblick gegeben, der wesentlich wissenschaftlicher war als die normale Facharbeiterausbildung. Andernfalls sei die Ausbildung innerhalb dieses Zeitraumes gar nicht möglich gewesen. Dies spricht aber nicht gegen die Annahme einer von der Hochschule einflussfreien, im wesentlichen betriebsbestimmten Ausbildung. Insbesondere aber die Darstellung der Art der Entlohnung im 3. Jahr nach Ablegung der Facharbeiterprüfung mit dem Ecklohn für Facharbeiter, der so umgelegt wurde, dass sich ein solcher für die Phasen im Betrieb ergibt, mit der Begründung, dass diese Arbeiten dann ja schon einen entsprechenden hohen Leistungswert hatten, spricht für die Bewertung, dass anschließend eine auf den Betrieb ausgerichtete Tätigkeit ohne enge Verzahnung und damit keine Versicherungsfreiheit während der Praxisphasen vorlag.

Angesichts des Umstandes, dass Versicherungspflicht der Studierenden in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung in den im Betrieb absolvierten Phasen demnach bestanden haben dürfte und die Klägerin von der gezahlten Ausbildungsvergütung jedenfalls für diese Zeiträume zu Recht Sozialversicherungsbeiträge geleistet hat, kann (anders als in den Entscheidungen des BSG im Urteil vom 01.12.2009 und des Landessozialgerichtes für das Land Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 22.01.2009 - L 5 KR 153/07) nicht dahinstehen, ob die von der Klägerin gezahlte Studienbeihilfe überhaupt als Arbeitseinkommen i.S.d. §§ 7, 14 SGB IV gilt, so dass Beitragspflicht von vornherein - unabhängig vom sozialversicherungsrechtlichen Status der Studierenden - bereits aus diesem Grunde ausscheidet. Das ist hier nach Überzeugung der Kammer der Fall.
Zum Arbeitsentgelt gehören nach § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. In § 17 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB IV wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung, insbesondere zur Vereinfachung des Beitragseinzugs, zu bestimmen, dass einmalige Einnahmen oder laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, und steuerfreie Einnahmen ganz oder teilweise nicht als Arbeitsentgelt gelten. Nach § 17 Abs 1 Satz 2 SGB IV ist dabei eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen. Von der Ermächtigung des § 17 Abs 1 SGB IV hat die Bundesregierung durch Erlass der ArEV Gebrauch gemacht. Nach § 1 ArEV (in der bis zum 31.12.2006 geltenden Fassung) waren einmalige Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, soweit sie lohnsteuerfrei waren, mit bestimmten, hier nicht einschlägigen Ausnahmen.
Ob eine Qualifizierung als Arbeitsentgelt hier bereits deshalb ausscheidet, weil entgegen der Formulierung im Vertrag keine gesamtschuldnerische Verpflichtung zur Zahlung der Studiengebühren, sondern eine alleinige Verpflichtung der Klägerin mit lediglich bürgschaftsartiger nachrangiger Einstandsverpflichtung des Studierenden vereinbart war, wie die Klägerin behauptet und auch vom Zeugen N2 für das hier nicht streitige BAX-Studium verstanden, kann offen bleiben. Nach im Besprechungsergebnis der Sozialversicherungträger geäußerter Auffassung der Beklagten entfiele in diesem Fall - richtigerweise mangels Arbeitsentgeltcharakters - die Beitragspflicht. Die tatsächliche Handhabung - der Zeuge C2 hat einen Fall der Zahlung durch den Studenten für seinen Fachbereich nie erlebt - mag hierfür sprechen, auch könnte die Motivationslage der den Vertrag entwickelnden Beteiligten dafür sprechen. Der Auslegung der Klägerin steht allerdings der eindeutigen Wortlaut entgegen; anzunehmen, dass die bei Abfassung eines solchen Vertragswerkes mit erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung Beteiligten die Bedeutung des juristisch eindeutigen Begriffes der Gesamtschuld nicht kannten, ist eher unwahrscheinlich.
Maßgeblich ist aber letztendlich - wie in § 1 ArEV vorgesehen - die steuerrechtliche Bewertung. Die Auffassung der Beklagten, hier gelte ein eigenständiger, vom Steuerrecht unabhängiger Arbeitsentgeltbegriff, reicht als bloße Behauptung nicht aus, die vom Gesetzgeber angestrebte weitgehende Übereinstimmung mit den Regeln des Steuerrechts außer Acht zu lassen; hier mangelt es an einer nachvollziehbaren, sich mit der Rechtsprechung auseinandersetzenden Begründung, zumal in der ablehnenden Entscheidung zunächst eine wenn auch fehlerhafte steuerrechtliche Begründung herangezogen wurde: Im dort zitierten Urteil des BFH vom 17.12.2002 - VI R 42/00 ging es um die Kosten einer Umschulung im Gegensatz zur Ausbildung, deren Kosten nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG dann Sonderausgaben des Auszubildenden darstellen, wenn sie weder Betriebskosten noch Werbungskosten sind oder als solche behandelt werden; hier handelt es sich gerade um die Frage, ob diese Erstausbildungskosten als Betriebsausgaben abgezogen werden durften. Im Widerspruchsbescheid hat sich die Beklagte dann, wie dargestellt, ohne die Ausnahme erläuternde, nachvollziehbare Erklärung auf den vom Steuerrecht losgelösten eigenständigen Arbeitsentgeltbegriff zurück gezogen; Hintergrund dieser Auffassung dürfte daher eher die abweichende Rechtsauffassung hinsichtlich der steuerrechtlichen Bewertung durch die Abteilungsleiter der obersten Finanzbehörden sein. Und in der Tat ergibt sich aus dem Gesetz jedenfalls bis zum 31.12.2006 keine ausdrückliche Bindung der Beklagten an die Bewertung der Finanzbehörden, und auch die mit dem 3. Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 15.07.2009 eingefügte Nr. 15 des § 1 SvEV sieht eine solche - entgegen der dem Gesetzesentwurf zugrundeliegenden Motiven, die sich ja gerade auf den hier streitigen Fall beziehen - nicht ausdrücklich vor. Gleichwohl kommt der Wille des Gesetzgebers, an der sich bereits aus § 17 Abs 1 Satz 2 SGB IV ergebenden Anlehnung an das Steuerrecht auch in diesem Fall festhalten zu wollen.
Die Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV), die zum 01.01.2007 die Arbeitsentgeltverordnung (ArEV) von 1977 abgelöst hatte, wurde mit dem Gesetz vom 15.07.2009 geändert: dem § 1 Abs. 1 Satz 1 wurde eine Nr. 15 hinzugefügt. Dort heißt es, dem Arbeitsentgelt sind nicht zuzurechnen vom Arbeitgeber getragene oder übernommene Studiengebühren für ein Studium des Beschäftigten, soweit sie steuerrechtlich kein Arbeitslohn seien. In der amtlichen Begründung (BT-Drs. 16/13424 zu Art. 9 i) heißt es, mit der Regelung würde Studiengebühren, die der Arbeitgeber im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt aus eigener Verpflichtung gegenüber einer Bildungseinrichtung trage oder für den Beschäftigten übernehme, beitragsfrei gestellt. Zweck der Regelung sei eine Anpassung des Sozialversicherungsrechts an die Praxis des Steuerrechts. Im Steuerrecht seien aufgrund einer Entscheidung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder Studiengebühren, die der Arbeitgeber bei einer im dualen System durchgeführten Ausbildung aufgrund einer Vereinbarung mit der Bildungseinrichtung als unmittelbarer Schuldner trage, kein Arbeitslohn. Auch Studiengebühren, die der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer übernehme, seien unter 3 Voraussetzungen kein Vorteil mit Arbeitslohncharakter: Erstens müsse zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein Ausbildungsdienstverhältnis bestehen. Zweitens müsse sich der Arbeitgeber arbeitsvertraglich zur Übernahme der Studiengebühren verpflichten. Drittens müsse er die übernommenen Studiengebühren vom Studierenden zurückfordern können, wenn der Studierende das ausbildende Unternehmen auf eigenen Wunsch innerhalb von 2 Jahren nach dem Studienabschluss verlasse. In diesen und in den Fällen, in denen der Arbeitgeber selbst vertraglich Schuldner der Studiengebühren sei, werde aufgrund des ganz überwiegenden Interesses des Arbeitgebers steuerrechtlich kein Vorteil mit Arbeitslohncharakter angenommen. Die Regelung in Nr. 15 benenne diese Fälle und vollziehe sozialversicherungsrechtlich die Entscheidungen des Steuerrechts nach.

Diese Neuregelung lässt unabhängig von der Frage der Bindung an die Entscheidung der Finanzbehörde im Einzelfall und auch ohne ausdrückliche Rückwirkungserklärung insbesondere unter Hinzuziehung der Gesetzesbegründung nach Auffassung der Kammer nur den Schluss zu, dass der Gesetzgeber hier die von der Beklagten vorgenommene Auslegung des Gesetzes hatte klarstellen wollen, der es allerdings auch unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung des BSG nicht bedurft hätte (dazu und zum folgenden vgl. Werner in: jurisPK-SGB IV, Rdnr.191 und 195). Denn das BSG hat im Anschluss an die Rechtsprechung des BFH in inzwischen gefestigter Rechtsprechung mehrfach entschieden, dass der Begriff der lohnsteuerfreien Einnahmen in § 1 ArEV, der insoweit dem § 1 Abs. 1 Nr. 1 SvEV entspricht, den steuerrechtlichen Bestimmungen des Arbeitslohns unterliegt, so dass Vorteile, die der Beschäftigte in ganz überwiegendem betrieblichen Eigeninteresse erhält, vom Arbeitsentgelt ausgenommen sind. Maßgeblich bleibt nach alledem die steuerrechtliche Bewertung. Die Beklagte hat also nach steuerrechtlichen Grundsätzen zu prüfen.

Die hier in Rede stehenden Studiengebühren sind aber zu Recht von der zuständigen Finanzbehörde als lohnsteuerfrei bewertet und deshalb in der Lohnsteueprüfung nicht beanstandet worden.
Zum Begriff des Arbeitslohns gehört nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) jedweder geldwerte Vorteil, der durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist. Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn der Vorteil nur deshalb gewährt wird, weil der Zurechnungsempfänger Arbeitnehmer des Arbeitgebers ist, der Vorteil also mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird, und wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist. Dagegen sind solche Vorteile nicht als Arbeitslohn anzusehen, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen. Vorteile besitzen danach keinen Arbeitslohncharakter, wenn sie im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt werden. Das ist der Fall, wenn sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck ergibt, dass diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden kann (ständige Rechtsprechung: z.B. BFH-Urteil vom 30.5.2001 - VI R 177/99, BFHE 195,373,375, BStBl II 2001, 671, m.w.N.). Dabei besteht zwischen dem Ausmaß der Bereicherung des Arbeitnehmers und der Intensität des eigenbetrieblichen Interesses eine Wechselwirkung mit der Folge, dass das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers umso geringer erscheint, je höher die Bereicherung des Arbeitnehmers ist. In Grenzfällen ist eine wertende Gesamtbeurteilung unter Berücksichtigung aller den jeweiligen Einzelfall prägenden Umstände vorzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 26.5.2004 – B 12 KR 5/04 R -in Anlehnung an die Rechtsprechung des BFH; vgl. auch ausführlich dazu Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.01.2010 - L 6 R 381/08- jeweils m.w.Nw.)
In Anwendung dieser Grundsätze hat der BFH in einem Verfahren sogar ersparte Aufwendungen für einen Führerschein der Klasse 3 nicht als Arbeitslohn angesehen, weil sich dieser unter den dort gegebenen Verhältnissen im Kern nur als bloße Dreingabe darstellte und das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers ganz erheblich überwog (BFHE 203, 53, 58 = BStBl II 2003, 886, 888). Im Zusammenhang mit Rechtsstreitigkeiten um die Abzugsfähigkeit als Werbungskosten haben die Finanzgerichte in der Vergangenheit für den Erwerb des Führerscheins der Klasse 2 zur Aufnahme einer Berufstätigkeit entschieden, dass dessen private Nutzung nach der Lebenserfahrung von untergeordneter Bedeutung ist (BFHE 95, 433, 435 = BStBl II 1969, 433, 434; FG Münster EFG 1998, 941; FG Baden-Württemberg EFG 1991, 661). Die Kostenerstattung für den LKW-Führerschein gehören nach Auffassung des BSG (Urteil vom 26.5.2004 – B 12 KR 5/04 R) demnach zu den einmaligen Einnahmen iS der § 17 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB IV, § 1 ArEV, die zusätzlich zu Löhnen und Gehältern gewährt werden; inwieweit diese als Werbungskosten des Arbeitnehmers absetzbar gewesen wären, ist danach unerheblich, ebenso die offensichtliche Tatsache eines unbestreitbaren Vorteils des Besitzes eines Führerscheines der Klasse 2 für eine alternative Berufstätigkeit bei anderen Arbeitgebern.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass die Übernahme der Studiengebühren ganz überwiegend im eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt wurden. Dies ergibt sich zum einen aus der Entstehungsgeschichte der FHXU (wie auch der Berufsakademien) aus dem dringenden Bedürfnis der Unternehmer heraus, mangels ausreichend qualifizierter Nachwuchskräfte in einer zudem eher ländlichen und daher oftmals für Studenten weniger attraktiven Region selbst für einen solchen und seine Bindung an den Betrieb zu sorgen. Der Zeuge C2 wies zur Erläuterung der Ausbildung auf die Entstehungsgeschichte hin: Bei der FHXU handelt es sich um eine private Hochschule, die aus Unternehmerkreisen gegründet wurde, weil man der Meinung war, dass der Staat den Anforderungen an eine Ausbildung, wie sie in den Betrieben benötigt wird, nicht gerecht wird. Man brauchte Leute, die im Unternehmen dann auch eingesetzt werden konnten. Gefragt, ob die Übernahme der Studiengebühren wirklich eine Voraussetzung sei, konnte er nur sagen, dass es bis jetzt immer so gewesen sei. Sie hätten keine Selbstzahler. Die Firmen hätten auch immer gezahlt, soweit er informiert sei. dabei ist insbesondere die Aussage des Zeugen, sie seien ein privates Unternehmen sind, Kunden seien (nicht nur) ihre Studenten, (sondern auch) die Unternehmen. Aus alledem, auch aus der Gründungsgeschichte, den Mitwirkungs- und Zusammenarbeitsmöglichkeiten der Unternehmen ergibt sich ein im Vergleich zu anderen Bildungseinrichtungen ungewöhnlich hoher Einfluss der Unternehmen und andererseits die besondere, vom unternehmerischen Interesse geleitete vorrangige Zielrichtung der Ausbildung: den beteiligten Unternehmen qualifizierten Nachwuchs zu verschaffen. Diese Darstellung wird unterstützt durch die Aussagen des zur hier nicht mehr zu beurteilenden Beziehung zur BAX befragten Zeuge N2, denn auch die seinerzeitige BAX ist danach als Initiative der heimischen Wirtschaft entstanden, indem zunächst ein Verein gegründet wurde mit der Grundidee junge Studierende in der Region zu halten und ein praxisnahes Angebot vorzuhalten. Der Zeuge C1 hat überzeugend dargelegt, dass auch für die Klägerin der drohende Nachwuchsmangel sehr groß war, die Motivation daher entsprechend hoch war und sich hieraus die hier die Kosten einer normalen Facharbeiterausbildung erheblich übersteigenden Investition rechtfertigte.
Neben der Entstehungsgeschichte spricht auch die praktische Handhabung für das besondere Interesse der Unternehmen im Allgemeinen und der Klägerin im Besonderen: Die Tatsache, dass im Regelfall das Unternehmen die Studiengebühren tatsächlich zahlt, spricht für ein allgemeines und nicht auf die hier konkret geförderten Studierenden bezogenes Interesse der Unternehmen. Die Erfahrung des Unternehmens, das für einen Jahrgang entschieden hatte, Studiengebühren nicht mehr zu zahlen (und zwar von Anfang an, d. h. die Studenten haben einen ganz anderen Vertrag bekommen - nicht, weil das Unternehmen nunmehr die Auffassung vertreten hätte, es sei nicht verpflichtet), dies aber wieder aufnahm, weil die Ausbildung für die Studenten nicht attraktiv genug war, spricht dafür, dass die Unternehmen (und auch die Klägerin) die Studiengebühren nicht wegen ihrer großen Liquidität und Großzügigkeit als verdecktes sozialversicherungsfreies höheres Arbeitsentgelt, sondern aus dem existenziellen Bedarf an qualifiziertem Nachwuchs heraus übernehmen. Dass gilt in den noch zu beurteilenden Fällen insbesondere, denn die beiden Studierenden wurden mit Bestehen der Facharbeiterprüfung auch adäquat höher entlohnt, so dass eine zusätzliche verdeckte Entlohnung für die getätigte Arbeit als Gegenleistung weder erforderlich noch angemessen - im Vergleich zu anderen Facharbeitern - gewesen wäre. Dass die Übernahme der Studiengebühren gleichzeitig nicht unerhebliche Vorteile für den Studierenden und sein zukünftiges Berufsleben mit sich brachte, hindert die Annahme eines überwiegenden Interesses der Klägerin nicht, wie der Vergleich mit der durchaus ebenfalls nicht unerheblich eigennützigen Übernahme der Kosten für den Erwerb eines LKW- oder sogar PKW-Führerscheins, die ebenfalls steuer- und sozialversicherungsfrei angesehen wurde, zeigt. Es kommt danach nur auf die Bedeutung für die private Nutzung, nicht die alternative oder zukünftige berufliche Nutzung an. Privat - unabhängig von der Berufstätigkeit - waren die Studiengebühren aber für die Studierenden nicht verwertbar. Dass die durchgeführte Bildungsmaßnahme – wie jede andere Art der beruflichen und außerberuflichen Bildung – naturgemäß auch im Interesse des an der Bildungsmaßnahme Teilnehmenden liegt, steht dieser Zurechenbarkeit nicht entgegen. Denn jedenfalls rechtlich stellt diese Bildungsmaßnahme eine berufliche Fort- und Weiterbildungsleistung des Arbeitgebers von T. dar, die als in dessen überwiegendem betrieblichen Interesse liegend anzusehen ist, und die deshalb auch steuerrechtlich kein Bestandteil des Arbeitslohns ist (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 25.05.1994 - L 6 Kg 800/93).

Schließlich handelte es sich bei der Übernahme der Studiengebühren auch um eine vertragliche Verpflichtung der Klägerin. Erstattet der Ausbildungsbetrieb entstehende Studiengebühren einer Studieneinrichtung, die neben dem nach dem Berufsbildungsgesetz bestehenden Ausbildungsverhältnis die Ausbildung zum Betriebswirt (BA) ermöglicht, dann ist dieser Erstattungsbetrag jedenfalls dann nicht den Bruttobezügen iS von § 2 Abs 2 S 2 BKGG zuzurechnen, wenn die Verpflichtung zu dieser zusätzlichen Ausbildung auf einer vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Auszubildenden beruht (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 25.05.1994 - L 6 Kg 800/93). Die abweichende Auffassung, wonach auch dann, wenn es grundsätzlich im Interesse des Ausbildungsbetriebs liegt, dass eine nach dem dualen Ausbildungssystem absolvierte Ausbildung insgesamt erfolgreich abgeschlossen wird, doch das erfolgreiche Absolvieren des vom Ausbildungsbetrieb unabhängigen Studiums an der BA zumindest gleichermaßen im Interesse des Studenten, welcher die Studiengebühren auch selbst schulde, liege; denn mit diesem Ausbildungsabschluss bestehe die Möglichkeit, sich auf dem Arbeitsmarkt auf qualifizierte Stellen zu bewerben (SG Reutlingen, Urteil vom 10.08.2009 - S 3 R 3382/08; dort iü ohne Diskussion der bei Bejahung der Arbeitsentgelteigenschaft dann zu prüfende Frage möglicher Versicherungsfreiheit als Student, die dort wohl wegen untergeordneten Fernstudiums allerdings iE wohl zu verneinen gewesen wäre), kann nicht überzeugen. Sie lässt die oben zitierte Rechtsprechung außer Acht und die Tatsache, dass jede Form der vom Betrieb geförderten Aus- oder Weiterbildung, mag das betriebliche Interesse noch so groß sein, dem Geförderten Vorteile für eine alternative Berufstätigkeit bringt; Steuerfreiheit einer Förderung durch den Arbeitgeber wäre danach nur in absoluten Ausnahmefällen ausschließlich im konkreten Betrieb verwertbaren Kenntniserwerbs denkbar. Richtig ist zwar, dass es grundsätzlich sachgerecht erscheint, für die Heranziehung zu Sozialversicherungsbeiträgen nicht danach zu unterscheiden, ob eine hohe Ausbildungsvergütung gewährt wird (beispielsweise bei nicht gesonderter Übernahme der Studiengebühren durch den Ausbildungsbetrieb) oder ob eine vergleichsweise niedrigere Ausbildungsvergütung gewährt wird (jedoch eine Übernahme der Studiengebühren erfolgt). In letzterem Fall nur die niedrige Ausbildungsvergütung als sozialversicherungspflichtig zu beurteilen, wäre in der Tat nicht durch sachliche Umstände gerechtfertigt und würde zudem den Arbeitgebern/Ausbildenden die Möglichkeit einräumen, teilweise selbst zu bestimmen, in welcher Höhe eine Heranziehung der Ausbildungsvergütung zur Sozialversicherungs- und Beitragspflicht zu erfolgen hat (so SG Reutlingen a.a.O.). Jedoch liegen hier Anhaltspunkte für eine solche Manipulation des versicherungspflichtigen Ausbildungsvergütung gerade nicht vor; die Studierenden wurden für ihre Leistung im jeweiligen Stadium adäquat nach Leistungsstand gesondert mit Beitragsabzug entlohnt.

Nach alledem war die Beklagte antragsgemäß über das Teilanerkenntnis hinaus zu verurteilen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Rechtskraft
Aus
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