Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 4103/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 1177/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 17.12.2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtlichen Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Klägers auf Weitergewährung von Krankengeld in Höhe von 36,06 EUR kalendertäglich über den 24.09.2007 hinaus bis zum 21.09.2008.
Der 1962 geborene Kläger war zuletzt als Kraftfahrer vom 01.06.2006 bis 15.08.2007 bei Firma N. Transporte beschäftigt und bei der Beklagten krankenversichert. Der Arbeitgeber kündigte das Beschäftigungsverhältnis am 18.07.2007 zum 15.08.2007. Unter den Diagnosen "Neurasthenie, Herzkrankheit, nicht näher bezeichnet, Aortenklappeninsuffizienz, Schwindel" war der Kläger ab 17.07.2007 zunächst von Hausarzt Dr. P. und dann vom Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. arbeitsunfähig krankgeschrieben worden. Er bezog bis 15.08.2007 Lohnfortzahlung und ab 16.08.2007 Krankengeld von der Beklagten. Der Kläger ist nach Kündigung der Mitgliedschaft bei der Beklagten seit 01.11.2008 Mitglied der "N. B.".
Auf Befragen durch die Beklagte teilte der behandelnde Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. in der Arztanfrage vom 19.09.2007 mit, dass mit Ablauf der Kündigungsfrist der Wiedereintritt von Arbeitsfähigkeit anzunehmen sei. Die zuletzt verrichtete Arbeit als LKW-Fahrer sei aber nicht mehr möglich. Der Kläger wurde daraufhin mit Schreiben der Beklagten vom 21.09.2007 aufgefordert, am 24.09.2007 mit einem endbestätigten Auszahlschein vorzusprechen. Ihm wurde mitgeteilt, dass es nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit auf die Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ankomme. Nach Mitteilung des behandelnden Facharztes könne die Arbeitsunfähigkeit daher beendet werden.
Die Beklagte wandte sich ferner mit Schreiben vom 21.09.2007 an Dr. R. und teilte ihm mit, dass nach der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses des Klägers für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit die Leistungsfähigkeit bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt maßgebend sei. Da nach der erteilten Auskunft Arbeitsfähigkeit seit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses bestehe, werde gebeten, das Ende der Arbeitsunfähigkeit zu bestätigen. Dr. R. bestätigte am 25.09.2007 mit einem förmlichen Auszahlschein für Krankengeld das Ende der Arbeitsunfähigkeit zum 24.09.2007.
Der Sozialmedizinische Dienst der Krankenkassen gab einen von der Beklagten erteilten Auftrag zur Frage der Dauer der Arbeitsunfähigkeit des Klägers am 25.09.2007 zurück, da der Kläger nach Mitteilung der Beklagten wieder arbeitsfähig sei.
Ab dem 25.09.2007 bezog der Kläger daraufhin Arbeitslosengeld in Höhe von 30,61 EUR kalendertäglich.
In der Zeit vom 08.05.2008 bis zum 29.05.2008 nahm der Kläger an einer stationären Heilmaßnahme in B. K. teil. Im Entlassungsbericht vom 11.06.2008 wurde eine chronische Lumbalgie bei Wirbelsäulenfehlstatik sowie eine eingeschränkte Funktion der linken Hand nach Amputation MCP II und Beugekontraktur P III-V diagnostiziert. Der Kläger wurde als vollschichtig leistungsfähig für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts mit qualitativen Einschränkungen entlassen; für eine Tätigkeit als LKW-Fahrer wurde ein Leistungsvermögen für unter drei Stunden angenommen.
Der Kläger war desweiteren in der Zeit vom 09.06.2008 bis zum 21.09.2008 arbeitsunfähig. Die Leistungsfortzahlung der Bundesagentur für Arbeit endete am 15.06.2008, dem Kläger wurde vom 16.06 bis zum 21.09.2008 Krankengeld von der Beklagten gewährt.
Der Kläger legte mit Schreiben vom 10.06.2008 gegen den Bescheid der Beklagten vom 21.09.2007 Widerspruch ein und machte geltend, seine Arbeitsunfähigkeit sei während des bestehenden Arbeitsverhältnisses eingetreten. Das Arbeitsverhältnis sei während der Arbeitsunfähigkeit beendet worden. Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die zuletzt ausgeübte Tätigkeit, nicht dagegen die Arbeitsfähigkeit für andere zumutbare Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Er habe zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf Krankengeld gehabt. Deshalb sei ihm bei unveränderten Verhältnissen bis zur Ausschöpfung des Anspruchs Krankengeld zu gewähren. Für eine über den Kündigungszeitpunkt hinaus unverändert weiter bestehende Arbeitsunfähigkeit spreche zum einen das beigefügte Attest des Dr. R. vom 05.10.2007 (der Kläger leide unter schweren Panikattacken während beruflicher Fahrten mit dem LKW, die nicht ohne weiteres zu bessern seien) sowie die Durchführung der medizinischen Reha-Maßnahme durch die DRV.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2008 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück: Eine Weiterzahlung von Krankengeld über das ärztlich bestätigte Ende der Arbeitsunfähigkeit zum 24.09.2007 hinaus sei nicht möglich. Dr. R. habe den 24.09.2007 als letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit bestätigt. Es sei davon auszugehen, dass er sich bei dieser Feststellung auf den zutreffenden Beurteilungsmaßstab bezogen habe. In der Folgezeit habe der Kläger nahtlos Arbeitslosengeld bezogen und auch keine weiteren Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen mehr vorgelegt; gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ruhe der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet werde.
Der Kläger erhob am 19.11.2008 Klage beim Sozialgericht Reutlingen. Er machte geltend, er sei noch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig geworden aufgrund von schweren Panikattacken, die ihm das Fahren eines LKW unmöglich gemacht hätten. Er habe sich damals im Vertrauen auf die rechtlich richtige Entscheidung des Dr. R. und der Beklagten bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld bezogen; trotz weiter bestehender Arbeitsunfähigkeit sei keine weitere Krankschreibung erfolgt, da Dr. R. von Vermittelbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgegangen sei. Dr. R. habe seine Auffassung, dass er, der Kläger, als LKW-Fahrer nicht mehr einsetzbar gewesen sei, mit Attest für die Agentur für Arbeit vom 05.10.2007 bestätigt. Zwischenzeitlich sei zu den Panikattacken auch eine Lumbalgie hinzugetreten. Erst als er sich mit der Frage eines Krankenkassenwechsels befasst habe, sei er durch einen Bekannten darauf aufmerksam geworden, dass die Entscheidung der AOK, das Krankengeld zu beenden, unrichtig gewesen sei. Die Arbeitsunfähigkeit sei auch nach dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses an der zuletzt verrichteten Tätigkeit oder an einer vergleichbaren Tätigkeit zu beurteilen, wobei er aufgrund der Panikattacken etwa auch eine der Tätigkeit als LKW-Fahrer vergleichbare Beschäftigung als Busfahrer nicht mehr habe verrichten können. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 08.11.2005 - B 1 KR 30/04 R -) müsse sich die Beklagte entgegen halten lassen, dass sie aufgrund der Arztanfrage vom 19.09.2007 hätte erkennen müssen, dass er die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr habe ausführen können.
Die Beklagte trat dem entgegen und führte aus, dass Dr. R. als qualifizierter Facharzt bei seiner Bestimmung der Dauer der Arbeitsunfähigkeit die maßgeblichen Regelungen der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien (hier: kein anerkannter Ausbildungsberuf) durchaus beachtet habe.
Das Sozialgericht Reutlingen wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17.12.2009 ab.
In seiner Begründung nahm es zunächst auf die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid Bezug. Ergänzend wurde zur Begründung ausgeführt, der Anspruch auf Krankengeld bestehe nach § 44 Abs. 1 S. 1 SGB V, wenn der Versicherte wegen Krankheit arbeitsunfähig sei, und zwar gemäß § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folge. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, der das Sozialgericht folge, sei Arbeitsunfähigkeit gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls konkret ausgeübte Arbeit wegen Krankheit nicht weiter verrichten könne. Werde nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit die zuletzt innegehabte Arbeitsstelle aufgegeben oder der Arbeitsvertrag gekündigt, ändere sich der rechtliche Maßstab insofern, als für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr die konkreten Verhältnisse an diesem Arbeitsplatz maßgebend seien, sondern nunmehr abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen sei und der Versicherte dann auf gleiche oder ähnlich geartete Tätigkeiten "verwiesen" werden dürfe.
Handele es sich bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit um einen anerkannten Ausbildungsberuf, scheide eine Verweisung auf eine außerhalb dieses Berufs liegende Beschäftigung aus. Auch eine Verweisungstätigkeit innerhalb des Ausbildungsberufes müsse, was die Art der Verrichtung, die körperlichen und geistigen Anforderungen, die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie die Höhe der Entlohnung angehe, mit der bisher verrichteten Arbeit im Wesentlichen übereinstimmen, so dass der Versicherte sie ohne größere Umstellung und Einarbeitung ausführen könne. Diese Bedingungen würden auch bei ungelernten Arbeiten gelten, nur dass hier das Spektrum der zumutbaren Tätigkeiten deshalb größer sei, weil die Verweisung nicht durch die engen Grenzen eines Ausbildungsberufs eingeschränkt sei (vgl. BSGE 85, 271 mit Hinweis auf BSGE 61, 66). Der Bezugspunkt gleich oder ähnlich gearteter Tätigkeiten werde auch durch eine Arbeitslosmeldung nicht sofort durch andere Maßstäbe ersetzt (vgl. LSG Baden- Württemberg, Beschluss vom 14.04.2008 - L 5 KR 1241/08 ER-B - mit Hinweis auf BSGE 94, 19). Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Vorgaben erweise sich die Beurteilung des behandelnden Vertragsarztes, die Arbeitsunfähigkeit des Klägers könne mit dem 24.09.2007 beendet werden, und die dementsprechende Entscheidung der Beklagten keinesfalls als eindeutig fehlerhaft und rechtswidrig. Auch könne die Auffassung des Klägers nicht geteilt werden, dass die unterbliebene Ausstellung weiterer Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen durch den ärztlichen Behandler für den Zeitraum ab 25.09.2007 Resultat einer offensichtlichen Fehlbeurteilung und im Ergebnis der Beklagten anzulasten sei, weshalb diese sich nicht auf die über eine Zeitdauer von annähernd neun Monaten hinweg unterbliebene vertragsärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit gemäß § 46 S. 1 SGB V und die ebenso lange unterbliebene Meldung dieser Arbeitsunfähigkeit (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) berufen dürfe. Dr. R. habe den Kläger aufgrund der geschilderten, während beruflicher Fahrten mit dem LKW aufgetretenen Panikattacken bezüglich seiner zuletzt verrichteten Arbeit als LKW-Fahrer für nicht mehr ausreichend belastbar erachtet. Seine Einschätzung, der Kläger werde nach Beendigung seines belasteten und besonders belastenden Arbeitsverhältnisses für eine ähnlich geartete Tätigkeit etwa als Kurier-Fahrer einsetzbar sein, sei nachvollziehbar. Eine solche Tätigkeit könne ohne den anhaltenden besonderen Termindruck (wie ganz besonders für ein Sub-Unternehmen kennzeichnend) und mit nur geringerer körperlicher Belastung (durch schwere Be- und Entladetätigkeiten) ausgeübt werden, und komme auch deshalb als Verweisungstätigkeit in Betracht, weil von einer in etwa vergleichbaren Bezahlung (von brutto wenigstens 2.000 EUR monatlich) ausgegangen werden könne.
Auch wenn die im Bescheid vom 21.09.2007 von der Beklagten für die Beendigung der Arbeitsunfähigkeit angegebene Begründung (Verweisbarkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses) so nicht zutreffend gewesen sei, könne sich der Kläger hier nicht mit Erfolg auf die von ihm angeführte BSG-Rechtsprechung berufen. Maßgeblich sei, dass es für den geltend gemachten weiteren Krankengeld-Anspruch ab 25.09.2007 an der nach § 46 SGB V für den Krankengeld-Anspruch konstituierenden Arbeitsunfähigkeits-Feststellung durch einen Vertragsarzt fehle, ein etwaiger Krankengeld-Anspruch auch wegen des Arbeitslosengeldbezuges ab 25.09.2007 gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3 a SGB V (in voller Höhe) geruht habe und sich die Beklagte schließlich auch gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V darauf berufen dürfe, dass ihr über mehr als acht Monate hinweg keine Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen mehr vorgelegt worden seien.
Gegen den ihm am 17.02.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 09.03.2010 Berufung eingelegt. Er macht geltend, es sei zwar richtig, dass nach der Beendigung der Arbeitsunfähigkeit durch Dr. R. keine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt worden sei. Er habe sich aber auf die Beurteilung seines Arztes sowie der AOK verlassen. Ausgehend von der Einschätzung des Dr. R., es bestehe eine vollschichtige Einsetzbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, habe eine weitere Arbeitsunfähigkeitsmeldung nicht erfolgen können, da eine Arbeitsunfähigkeit ja angeblich nicht bestanden habe. Da er durch seinen Arbeitgeber gekündigt worden sei und die A. eine Verweisbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt angenommen habe, habe scheinbar auch keine Arbeitsunfähigkeit mehr für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit entstehen können, da er keinen Arbeitsplatz mehr gehabt habe. Der Kläger hat erneut auf das BSG Urteil vom 08.11.2005 - B 1 KR 30/04 R verwiesen und daraus Folgendes zitiert: "Unterbleibe die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit allein aus Gründen, die dem Verantwortungsbereich des Vertragsarztes ( ...) zuzuordnen seien, so dürfe sich das nicht zum Nachteil des Versicherten auswirken." Dies sei bei ihm jedoch der Fall. Die Verweisbarkeit auf eine gleiche oder ähnlich geartete Tätigkeit, z.B. als Kurierfahrer, die das Sozialgericht genannt habe, halte er für weltfremd. Die Tätigkeit als Kurierfahrer umfasse ebenfalls einen hohen Termindruck sowie Be- und Entladetätigkeiten, wobei hier Gewichte von durchaus bis zu 31,5 Kilo (Höchstgewicht bei Paketen DPD&DHL bzw. 40kg bei GLS & Hermes) bewegt werden müssten. Auch der angegebene Verdienst von brutto wenigstens 2.000 EUR erscheine ohne "Hetzerei" und Stress unrealistisch. Eine Verweisbarkeit auf eine ähnlich geartete Tätigkeit ohne Termindruck und Be- und Entladetätigkeiten nach Vorgabe des BSG erscheine somit nicht möglich. Auch im Hinblick auf die mehrfach erwähnte Amputationsverletzung seiner Hand, die sich sowohl beim Fahren als auch beim Be- und Entladen negativ auswirke, würden die Möglichkeiten auf eine ähnlich geartete Tätigkeit gegen null tendieren.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid vom 17.12.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2008 zu verpflichten, ihm vom 24.09.2007 bis 21.09.2008 - unter Anrechnung anderweitig bezogener Lohnersatzleistungen - Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für zutreffend und nimmt auf die Entscheidungsgründe Bezug.
Der Senat hat den behandelnden Psychiater des Klägers Dr. R. als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat am 06.12.2011 mitgeteilt, er habe den Kläger zuletzt am 24.09.2007 in seiner Praxis gesehen. Der Kläger habe damals Angstattacken beklagt. Da er ihn danach nicht mehr gesehen habe, könne er nicht beurteilen, wie lange die Agoraphobie angehalten habe. Er habe den Kläger nur arbeitsunfähig für seine Arbeit als LKW-Fahrer geschrieben, eine weitere Behandlung habe nicht stattgefunden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gerichtsakten des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist gem. § 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft. Der Kläger begehrt Krankengeld für die Zeit vom 25.09.2007 bis einschließlich 21.09.2008 in Höhe von 36,06 EUR kalendertäglich, so dass der Beschwerdewert für die zulassungsfreie Berufung (750 EUR) überschritten ist. Die Berufung ist auch sonst zulässig.
Die Berufung ist aber nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 21.09.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.10.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Weitergewährung von Krankengeld über den 24.09.2007 hinaus.
Rechtsgrundlage für die Gewährung von Krankengeld ist § 44 Abs. 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist Arbeitsunfähigkeit gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls konkret ausgeübte Arbeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten kann. Dass er möglicherweise eine andere Tätigkeit trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch ausüben könnte, ist unerheblich. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ändert sich allerdings der rechtliche Maßstab insofern, als für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht mehr die konkreten Verhältnisse an diesem Arbeitsplatz maßgebend sind, sondern nunmehr abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen ist. Der Versicherte darf dann auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten "verwiesen" werden, wobei aber der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten entsprechend der Funktion des Krankengeldes eng zu ziehen ist. Hatte der Versicherte bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf Krankengeld, ist ihm dieses bei unveränderten Verhältnissen bis zur Erschöpfung der Anspruchsdauer bzw. bis zu dem Zeitpunkt zu gewähren, zu dem er von sich aus eine ihm gesundheitlich zumutbare Beschäftigung aufnimmt. Handelt es sich bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit um einen anerkannten Ausbildungsberuf, so scheidet eine Verweisung auf eine außerhalb dieses Berufs liegende Beschäftigung aus. Auch eine Verweisungstätigkeit innerhalb des Ausbildungsberufes muss, was die Art der Verrichtung, die körperlichen und geistigen Anforderungen, die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie die Höhe der Entlohnung angeht, mit der bisher verrichteten Arbeit im Wesentlichen übereinstimmen, sodass der Versicherte sie ohne größere Umstellung und Einarbeitung ausführen kann. Dieselben Bedingungen gelten bei ungelernten Arbeiten, nur dass hier das Spektrum der zumutbaren Tätigkeiten deshalb größer ist, weil die Verweisung nicht durch die engen Grenzen eines Ausbildungsberufs eingeschränkt ist (BSG, Urteil vom 07.12.2004 - B 1 KR 5/03 R - m.w.N., in Juris).
Der Bezugspunkt gleich oder ähnlich gearteter Tätigkeiten wird auch durch eine Arbeitslosmeldung nicht sofort durch andere Maßstäbe ersetzt. Die Arbeitsunfähigkeit eines Versicherten entfällt nicht allein dadurch, dass er sich nach Beendigung seines bisherigen Arbeitsverhältnisses arbeitslos meldet und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellt. Das Krankengeld ist dazu bestimmt, den krankheitsbedingten Ausfall des bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bezogenen und damit versicherten Arbeitsentgelts oder sonstigen Erwerbseinkommens auszugleichen. Es behält diese Funktion, solange die Unfähigkeit zur Verrichtung der ausgeübten oder einer vergleichbaren Erwerbstätigkeit andauert und dieser Bezug nicht durch die tatsächliche Aufnahme einer neuen beruflichen Tätigkeit endet. Die Arbeitsunfähigkeit richtet sich erst dann nicht mehr nach den besonderen Anforderungen der zuletzt ausgeübten Beschäftigung, wenn der Versicherte seit dem Verlust seines Arbeitsplatzes mehr als sechs Monate als Arbeitsloser krankenversichert war (BSG, Urteil vom 07.12.2004, a.a.O. mit Hinweis auf BSGE 85, 271, 273 = SozR 3-2500 § 49 Nr. 4 S 13).
Diesen Maßstab hat die Beklagte allerdings verkannt, als sie in ihren Schreiben vom 21.09.2007 sowohl gegenüber dem Kläger als auch gegenüber Dr. R. darauf abgestellt hat, dass für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Leistungsfähigkeit bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt maßgebend sei. Aus der Auskunft von Dr. R. vom 19.09.2007 ergibt sich insoweit, dass er zwar von einer Arbeitsfähigkeit des Klägers für den allgemeinen Arbeitsmarkt nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ausgegangen ist, durch seine Zusatzbemerkung "Pat. muss andere Tätigkeit durchführen/kein LKW-Fahrer mehr" war aber eindeutig erkennbar, dass er Arbeitsunfähigkeit für den zuletzt ausgeübten Beruf festgestellt hat. Nichts anderes ergibt sich aus dem von Dr. R. ausgestellten Auszahlschein vom 25.09.2007, wonach der 24.09.2007 der letzte Tag der Arbeitsunfähigkeit gewesen sei. Diese Feststellung erfolgte ganz offensichtlich aufgrund des Hinweises der Beklagten vom 21.09.2007 an den Nervenarzt Dr. R ... Seine Feststellung vom 25.09.2007 bezieht sich daher erkennbar auf die Beendigung der Arbeitsunfähigkeit am Maßstab der Leistungsfähigkeit für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, nicht aber auf die Beendigung der Arbeitsfähigkeit für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als LKW-Fahrer.
Gemessen an der zuletzt konkret verrichteten Tätigkeit des Klägers als LKW-Fahrer in einem Transportunternehmen als Ausgangspunkt war deshalb von einer Arbeitsunfähigkeit auszugehen, da der Kläger auch nicht auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten verwiesen werden konnte. Nach der bereits dargestellten Rechtsprechung des BSG ist der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten entsprechend der Funktion des Krankengeldes eng zu ziehen. Zwar ist etwa für einen Kraftfahrer, der die mit seiner konkreten Beschäftigung verbundene Be- und Entladetätigkeit aufgrund von Wirbelsäulenbeschwerden nicht mehr ausüben kann, eine Verweisung auf eine Fahrertätigkeit ohne derartige Belastungen (z.B. Fahren eines Kipplasters) denkbar (vgl. Beschluss des Senats vom 18.04.2008 - L 5 KR 1241/08 ER-B -). Beim Kläger stand der Ausübung seiner Tätigkeit als Berufskraftfahrer aber eine psychische Erkrankung in Form einer Agoraphobie mit Panikstörung (F40.01 ICD 10) entgegen. Bei dieser Diagnose kam eine Verweisung auf anderweitige Fahrertätigkeiten - auch nicht auf die vom Sozialgericht angeführte Tätigkeit als Kurierfahrer - unabhängig von der Frage der physischen Belastbarkeit generell nicht in Betracht.
Allerdings hat der Kläger nicht nachgewiesen, dass die psychische Erkrankung, durch die eine Verweisung auf gleich oder ähnlich gelagerte Tätigkeiten ausgeschlossen war, über den 24.09.2007 hinaus bis zum 21.09.2008 fortbestand.
Zwar kann dem Kläger nicht entgegen gehalten werden, dass er die Arbeitsunfähigkeit für seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit über den 24.09.2007 hinaus nicht bereits nahtlos durch Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nachgewiesen hat. Nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V setzt der Anspruch auf Krankengeld die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit voraus. Das BSG schließt daraus die Verpflichtung des in seiner Arbeitsfähigkeit beeinträchtigten Versicherten, selbst die notwendigen Schritte zu unternehmen, um die mögliche Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen und seine Ansprüche zu wahren. Deshalb kann grundsätzlich ein Versicherter, der das Ende der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit akzeptiert und über Monate hinweg Leistungen wegen Arbeitslosigkeit bezieht, die er bei Arbeitsunfähigkeit nicht hätte erhalten dürfen, nicht mehr mit der nachträglichen Behauptung gehört werden, er sei in der gesamten Zeit zu Unrecht als arbeitslos statt - richtigerweise - als arbeitsunfähig behandelt worden (BSG, Urteil vom 08.11.2005 - B 1 KR 30/04 R - in Juris). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sieht das BSG allerdings in den Fällen, in denen die ärztliche Feststellung oder die Meldung der Arbeitsunfähigkeit durch Umstände verhindert oder verzögert worden sind, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkassen und nicht dem des Versicherten zuzurechnen sind. Einen solchen Ausnahmefall hat das BSG etwa dann angenommen, wenn - wie hier - das Fehlen der Arbeitsunfähigkeitsmeldung auf der unzutreffenden rechtlichen Bewertung der Krankenkasse beruht, die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit habe sich wegen der Aufgabe des Arbeitsplatzes nicht mehr an der zuletzt ausgeübten Tätigkeit auszurichten (BSGE 85, 271, 277 f = SozR 3-2500 § 49 Nr 4 ). Er hat ausgeführt, dass die fehlende Feststellung oder Meldung der Arbeitsunfähigkeit dem Versicherten ausnahmsweise nicht entgegengehalten werden darf, wenn er seinerseits alles in seiner Macht Stehende getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert worden ist (vgl. Senat, BSGE 85, 271, 276 f = SozR 3-2500 § 49 Nr. 4 ).
Ungeachtet dessen scheitert der Anspruch auf nachträgliche Bewilligung von Krankengeld hier aber daran, dass die Leistungsvoraussetzung fortbestehender Arbeitsunfähigkeit wegen der psychischen Erkrankung in dem vom Kläger geltend gemachten Zeitraum vom 25.09.2007 bis zum 21.09.2008 nicht nachgewiesen ist und - weil der Kläger diesbezüglich nicht in ärztlicher Behandlung stand - durch Ermittlungen des Senats auch nicht nachweisbar ist. Auf die Frage, ob der Kläger alles in seiner Macht stehende getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, kommt es deshalb nicht an.
Zunächst ist für die Zeit ab Beginn der Reha-Maßnahme im Mai 2008 festzustellen, dass zu diesem Zeitpunkt eine psychische Erkrankung beim Kläger nicht mehr vorlag. In dem Entlassbericht der D.klinik in B. K. vom 11.06.2008 wurde die Diagnose einer psychischen Erkrankung auch als Nebendiagnose nicht aufgeführt. In dem Bericht wurde vielmehr ausgeführt, dass eine gezielte Abklärung der psychischen Situation nicht erforderlich gewesen sei. Somit liegen keine Anhaltpunkte dafür vor, dass der Kläger bei Antritt der Maßnahme am 08.05.2008 noch an der von Dr. R. festgestellten Agoraphobie litt.
Nach den vom Senat durchgeführten Ermittlungen ist auch nicht festzustellen, dass die Agoraphobie überhaupt noch über den 24.09.2007 hinaus fortbestanden hat. Zwar hat Dr. R. noch im Attest vom 05.10.2007 ausgeführt, dass der Kläger an Panikattacken leide, die auch längerfristig Arbeitsunfähigkeit für eine Tätigkeit als LKW-Fahrer begründen würden. Auf Anfrage des Senats hat Dr. R. aber in seiner Stellungnahme vom 06.12.2011 angegeben, den Kläger nach dem 24.09.2007 nicht mehr in seiner Praxis gesehen oder behandelt zu haben. Die im Attest vom 05.10.2007 zum Ausdruck gekommene Einschätzung beruht daher nicht auf einem aktuell erhobenen Befund. Eine Behandlung dieser Erkrankung hat bei Dr. R. zu keiner Zeit stattgefunden. Befunde oder Behandlungsberichte anderer Ärzte oder Therapeuten für die Zeit nach dem 24.09.2007 hat der Kläger nicht beigebracht. Der Senat vermag daher nicht festzustellen, dass die Agoraphobie noch nach dem 24.09.2007 die Arbeitsfähigkeit des Klägers gemessen am Maßstab seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit beeinträchtigt hat.
Sofern im Entlassbericht der D.klinik erneut ein aufgehobenes Leistungsvermögen für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als LKW-Fahrer angenommen wurde, kann der Kläger daraus einen Anspruch auf Krankengeld auch nicht für die Zeit ab dem 08.05.2008 herleiten. Denn er war zu diesem Zeitpunkt bereits seit mehr als sechs Monaten als Arbeitsloser krankenversichert mit der Folge, dass sich die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr nach den besonderen Anforderungen der zuletzt ausgeübten Beschäftigung richtet, sondern nach den Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes (BSG, Urteil vom 07.12.2004, a.a.O. mit Hinweis auf BSGE 85, 271, 273 = SozR 3-2500 § 49 Nr. 4 S 13). Im Entlassbericht war dem Kläger aber Arbeitsfähigkeit für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bescheinigt worden.
Arbeitsunfähigkeit für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als LKW-Fahrer oder eine gleichartige Tätigkeit lag daher über den 24.09.2007 hinaus nicht vor, so dass dem Kläger ein Anspruch auf Weitergewährung von Krankengeld nicht mehr zustand.
Das Sozialgericht hat die Klage daher im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtlichen Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Klägers auf Weitergewährung von Krankengeld in Höhe von 36,06 EUR kalendertäglich über den 24.09.2007 hinaus bis zum 21.09.2008.
Der 1962 geborene Kläger war zuletzt als Kraftfahrer vom 01.06.2006 bis 15.08.2007 bei Firma N. Transporte beschäftigt und bei der Beklagten krankenversichert. Der Arbeitgeber kündigte das Beschäftigungsverhältnis am 18.07.2007 zum 15.08.2007. Unter den Diagnosen "Neurasthenie, Herzkrankheit, nicht näher bezeichnet, Aortenklappeninsuffizienz, Schwindel" war der Kläger ab 17.07.2007 zunächst von Hausarzt Dr. P. und dann vom Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. arbeitsunfähig krankgeschrieben worden. Er bezog bis 15.08.2007 Lohnfortzahlung und ab 16.08.2007 Krankengeld von der Beklagten. Der Kläger ist nach Kündigung der Mitgliedschaft bei der Beklagten seit 01.11.2008 Mitglied der "N. B.".
Auf Befragen durch die Beklagte teilte der behandelnde Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. in der Arztanfrage vom 19.09.2007 mit, dass mit Ablauf der Kündigungsfrist der Wiedereintritt von Arbeitsfähigkeit anzunehmen sei. Die zuletzt verrichtete Arbeit als LKW-Fahrer sei aber nicht mehr möglich. Der Kläger wurde daraufhin mit Schreiben der Beklagten vom 21.09.2007 aufgefordert, am 24.09.2007 mit einem endbestätigten Auszahlschein vorzusprechen. Ihm wurde mitgeteilt, dass es nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit auf die Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ankomme. Nach Mitteilung des behandelnden Facharztes könne die Arbeitsunfähigkeit daher beendet werden.
Die Beklagte wandte sich ferner mit Schreiben vom 21.09.2007 an Dr. R. und teilte ihm mit, dass nach der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses des Klägers für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit die Leistungsfähigkeit bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt maßgebend sei. Da nach der erteilten Auskunft Arbeitsfähigkeit seit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses bestehe, werde gebeten, das Ende der Arbeitsunfähigkeit zu bestätigen. Dr. R. bestätigte am 25.09.2007 mit einem förmlichen Auszahlschein für Krankengeld das Ende der Arbeitsunfähigkeit zum 24.09.2007.
Der Sozialmedizinische Dienst der Krankenkassen gab einen von der Beklagten erteilten Auftrag zur Frage der Dauer der Arbeitsunfähigkeit des Klägers am 25.09.2007 zurück, da der Kläger nach Mitteilung der Beklagten wieder arbeitsfähig sei.
Ab dem 25.09.2007 bezog der Kläger daraufhin Arbeitslosengeld in Höhe von 30,61 EUR kalendertäglich.
In der Zeit vom 08.05.2008 bis zum 29.05.2008 nahm der Kläger an einer stationären Heilmaßnahme in B. K. teil. Im Entlassungsbericht vom 11.06.2008 wurde eine chronische Lumbalgie bei Wirbelsäulenfehlstatik sowie eine eingeschränkte Funktion der linken Hand nach Amputation MCP II und Beugekontraktur P III-V diagnostiziert. Der Kläger wurde als vollschichtig leistungsfähig für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts mit qualitativen Einschränkungen entlassen; für eine Tätigkeit als LKW-Fahrer wurde ein Leistungsvermögen für unter drei Stunden angenommen.
Der Kläger war desweiteren in der Zeit vom 09.06.2008 bis zum 21.09.2008 arbeitsunfähig. Die Leistungsfortzahlung der Bundesagentur für Arbeit endete am 15.06.2008, dem Kläger wurde vom 16.06 bis zum 21.09.2008 Krankengeld von der Beklagten gewährt.
Der Kläger legte mit Schreiben vom 10.06.2008 gegen den Bescheid der Beklagten vom 21.09.2007 Widerspruch ein und machte geltend, seine Arbeitsunfähigkeit sei während des bestehenden Arbeitsverhältnisses eingetreten. Das Arbeitsverhältnis sei während der Arbeitsunfähigkeit beendet worden. Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die zuletzt ausgeübte Tätigkeit, nicht dagegen die Arbeitsfähigkeit für andere zumutbare Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Er habe zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf Krankengeld gehabt. Deshalb sei ihm bei unveränderten Verhältnissen bis zur Ausschöpfung des Anspruchs Krankengeld zu gewähren. Für eine über den Kündigungszeitpunkt hinaus unverändert weiter bestehende Arbeitsunfähigkeit spreche zum einen das beigefügte Attest des Dr. R. vom 05.10.2007 (der Kläger leide unter schweren Panikattacken während beruflicher Fahrten mit dem LKW, die nicht ohne weiteres zu bessern seien) sowie die Durchführung der medizinischen Reha-Maßnahme durch die DRV.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2008 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück: Eine Weiterzahlung von Krankengeld über das ärztlich bestätigte Ende der Arbeitsunfähigkeit zum 24.09.2007 hinaus sei nicht möglich. Dr. R. habe den 24.09.2007 als letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit bestätigt. Es sei davon auszugehen, dass er sich bei dieser Feststellung auf den zutreffenden Beurteilungsmaßstab bezogen habe. In der Folgezeit habe der Kläger nahtlos Arbeitslosengeld bezogen und auch keine weiteren Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen mehr vorgelegt; gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ruhe der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet werde.
Der Kläger erhob am 19.11.2008 Klage beim Sozialgericht Reutlingen. Er machte geltend, er sei noch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig geworden aufgrund von schweren Panikattacken, die ihm das Fahren eines LKW unmöglich gemacht hätten. Er habe sich damals im Vertrauen auf die rechtlich richtige Entscheidung des Dr. R. und der Beklagten bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld bezogen; trotz weiter bestehender Arbeitsunfähigkeit sei keine weitere Krankschreibung erfolgt, da Dr. R. von Vermittelbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgegangen sei. Dr. R. habe seine Auffassung, dass er, der Kläger, als LKW-Fahrer nicht mehr einsetzbar gewesen sei, mit Attest für die Agentur für Arbeit vom 05.10.2007 bestätigt. Zwischenzeitlich sei zu den Panikattacken auch eine Lumbalgie hinzugetreten. Erst als er sich mit der Frage eines Krankenkassenwechsels befasst habe, sei er durch einen Bekannten darauf aufmerksam geworden, dass die Entscheidung der AOK, das Krankengeld zu beenden, unrichtig gewesen sei. Die Arbeitsunfähigkeit sei auch nach dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses an der zuletzt verrichteten Tätigkeit oder an einer vergleichbaren Tätigkeit zu beurteilen, wobei er aufgrund der Panikattacken etwa auch eine der Tätigkeit als LKW-Fahrer vergleichbare Beschäftigung als Busfahrer nicht mehr habe verrichten können. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 08.11.2005 - B 1 KR 30/04 R -) müsse sich die Beklagte entgegen halten lassen, dass sie aufgrund der Arztanfrage vom 19.09.2007 hätte erkennen müssen, dass er die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr habe ausführen können.
Die Beklagte trat dem entgegen und führte aus, dass Dr. R. als qualifizierter Facharzt bei seiner Bestimmung der Dauer der Arbeitsunfähigkeit die maßgeblichen Regelungen der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien (hier: kein anerkannter Ausbildungsberuf) durchaus beachtet habe.
Das Sozialgericht Reutlingen wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17.12.2009 ab.
In seiner Begründung nahm es zunächst auf die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid Bezug. Ergänzend wurde zur Begründung ausgeführt, der Anspruch auf Krankengeld bestehe nach § 44 Abs. 1 S. 1 SGB V, wenn der Versicherte wegen Krankheit arbeitsunfähig sei, und zwar gemäß § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folge. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, der das Sozialgericht folge, sei Arbeitsunfähigkeit gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls konkret ausgeübte Arbeit wegen Krankheit nicht weiter verrichten könne. Werde nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit die zuletzt innegehabte Arbeitsstelle aufgegeben oder der Arbeitsvertrag gekündigt, ändere sich der rechtliche Maßstab insofern, als für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr die konkreten Verhältnisse an diesem Arbeitsplatz maßgebend seien, sondern nunmehr abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen sei und der Versicherte dann auf gleiche oder ähnlich geartete Tätigkeiten "verwiesen" werden dürfe.
Handele es sich bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit um einen anerkannten Ausbildungsberuf, scheide eine Verweisung auf eine außerhalb dieses Berufs liegende Beschäftigung aus. Auch eine Verweisungstätigkeit innerhalb des Ausbildungsberufes müsse, was die Art der Verrichtung, die körperlichen und geistigen Anforderungen, die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie die Höhe der Entlohnung angehe, mit der bisher verrichteten Arbeit im Wesentlichen übereinstimmen, so dass der Versicherte sie ohne größere Umstellung und Einarbeitung ausführen könne. Diese Bedingungen würden auch bei ungelernten Arbeiten gelten, nur dass hier das Spektrum der zumutbaren Tätigkeiten deshalb größer sei, weil die Verweisung nicht durch die engen Grenzen eines Ausbildungsberufs eingeschränkt sei (vgl. BSGE 85, 271 mit Hinweis auf BSGE 61, 66). Der Bezugspunkt gleich oder ähnlich gearteter Tätigkeiten werde auch durch eine Arbeitslosmeldung nicht sofort durch andere Maßstäbe ersetzt (vgl. LSG Baden- Württemberg, Beschluss vom 14.04.2008 - L 5 KR 1241/08 ER-B - mit Hinweis auf BSGE 94, 19). Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Vorgaben erweise sich die Beurteilung des behandelnden Vertragsarztes, die Arbeitsunfähigkeit des Klägers könne mit dem 24.09.2007 beendet werden, und die dementsprechende Entscheidung der Beklagten keinesfalls als eindeutig fehlerhaft und rechtswidrig. Auch könne die Auffassung des Klägers nicht geteilt werden, dass die unterbliebene Ausstellung weiterer Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen durch den ärztlichen Behandler für den Zeitraum ab 25.09.2007 Resultat einer offensichtlichen Fehlbeurteilung und im Ergebnis der Beklagten anzulasten sei, weshalb diese sich nicht auf die über eine Zeitdauer von annähernd neun Monaten hinweg unterbliebene vertragsärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit gemäß § 46 S. 1 SGB V und die ebenso lange unterbliebene Meldung dieser Arbeitsunfähigkeit (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) berufen dürfe. Dr. R. habe den Kläger aufgrund der geschilderten, während beruflicher Fahrten mit dem LKW aufgetretenen Panikattacken bezüglich seiner zuletzt verrichteten Arbeit als LKW-Fahrer für nicht mehr ausreichend belastbar erachtet. Seine Einschätzung, der Kläger werde nach Beendigung seines belasteten und besonders belastenden Arbeitsverhältnisses für eine ähnlich geartete Tätigkeit etwa als Kurier-Fahrer einsetzbar sein, sei nachvollziehbar. Eine solche Tätigkeit könne ohne den anhaltenden besonderen Termindruck (wie ganz besonders für ein Sub-Unternehmen kennzeichnend) und mit nur geringerer körperlicher Belastung (durch schwere Be- und Entladetätigkeiten) ausgeübt werden, und komme auch deshalb als Verweisungstätigkeit in Betracht, weil von einer in etwa vergleichbaren Bezahlung (von brutto wenigstens 2.000 EUR monatlich) ausgegangen werden könne.
Auch wenn die im Bescheid vom 21.09.2007 von der Beklagten für die Beendigung der Arbeitsunfähigkeit angegebene Begründung (Verweisbarkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses) so nicht zutreffend gewesen sei, könne sich der Kläger hier nicht mit Erfolg auf die von ihm angeführte BSG-Rechtsprechung berufen. Maßgeblich sei, dass es für den geltend gemachten weiteren Krankengeld-Anspruch ab 25.09.2007 an der nach § 46 SGB V für den Krankengeld-Anspruch konstituierenden Arbeitsunfähigkeits-Feststellung durch einen Vertragsarzt fehle, ein etwaiger Krankengeld-Anspruch auch wegen des Arbeitslosengeldbezuges ab 25.09.2007 gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3 a SGB V (in voller Höhe) geruht habe und sich die Beklagte schließlich auch gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V darauf berufen dürfe, dass ihr über mehr als acht Monate hinweg keine Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen mehr vorgelegt worden seien.
Gegen den ihm am 17.02.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 09.03.2010 Berufung eingelegt. Er macht geltend, es sei zwar richtig, dass nach der Beendigung der Arbeitsunfähigkeit durch Dr. R. keine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt worden sei. Er habe sich aber auf die Beurteilung seines Arztes sowie der AOK verlassen. Ausgehend von der Einschätzung des Dr. R., es bestehe eine vollschichtige Einsetzbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, habe eine weitere Arbeitsunfähigkeitsmeldung nicht erfolgen können, da eine Arbeitsunfähigkeit ja angeblich nicht bestanden habe. Da er durch seinen Arbeitgeber gekündigt worden sei und die A. eine Verweisbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt angenommen habe, habe scheinbar auch keine Arbeitsunfähigkeit mehr für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit entstehen können, da er keinen Arbeitsplatz mehr gehabt habe. Der Kläger hat erneut auf das BSG Urteil vom 08.11.2005 - B 1 KR 30/04 R verwiesen und daraus Folgendes zitiert: "Unterbleibe die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit allein aus Gründen, die dem Verantwortungsbereich des Vertragsarztes ( ...) zuzuordnen seien, so dürfe sich das nicht zum Nachteil des Versicherten auswirken." Dies sei bei ihm jedoch der Fall. Die Verweisbarkeit auf eine gleiche oder ähnlich geartete Tätigkeit, z.B. als Kurierfahrer, die das Sozialgericht genannt habe, halte er für weltfremd. Die Tätigkeit als Kurierfahrer umfasse ebenfalls einen hohen Termindruck sowie Be- und Entladetätigkeiten, wobei hier Gewichte von durchaus bis zu 31,5 Kilo (Höchstgewicht bei Paketen DPD&DHL bzw. 40kg bei GLS & Hermes) bewegt werden müssten. Auch der angegebene Verdienst von brutto wenigstens 2.000 EUR erscheine ohne "Hetzerei" und Stress unrealistisch. Eine Verweisbarkeit auf eine ähnlich geartete Tätigkeit ohne Termindruck und Be- und Entladetätigkeiten nach Vorgabe des BSG erscheine somit nicht möglich. Auch im Hinblick auf die mehrfach erwähnte Amputationsverletzung seiner Hand, die sich sowohl beim Fahren als auch beim Be- und Entladen negativ auswirke, würden die Möglichkeiten auf eine ähnlich geartete Tätigkeit gegen null tendieren.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid vom 17.12.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2008 zu verpflichten, ihm vom 24.09.2007 bis 21.09.2008 - unter Anrechnung anderweitig bezogener Lohnersatzleistungen - Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für zutreffend und nimmt auf die Entscheidungsgründe Bezug.
Der Senat hat den behandelnden Psychiater des Klägers Dr. R. als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat am 06.12.2011 mitgeteilt, er habe den Kläger zuletzt am 24.09.2007 in seiner Praxis gesehen. Der Kläger habe damals Angstattacken beklagt. Da er ihn danach nicht mehr gesehen habe, könne er nicht beurteilen, wie lange die Agoraphobie angehalten habe. Er habe den Kläger nur arbeitsunfähig für seine Arbeit als LKW-Fahrer geschrieben, eine weitere Behandlung habe nicht stattgefunden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gerichtsakten des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist gem. § 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft. Der Kläger begehrt Krankengeld für die Zeit vom 25.09.2007 bis einschließlich 21.09.2008 in Höhe von 36,06 EUR kalendertäglich, so dass der Beschwerdewert für die zulassungsfreie Berufung (750 EUR) überschritten ist. Die Berufung ist auch sonst zulässig.
Die Berufung ist aber nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 21.09.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.10.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Weitergewährung von Krankengeld über den 24.09.2007 hinaus.
Rechtsgrundlage für die Gewährung von Krankengeld ist § 44 Abs. 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist Arbeitsunfähigkeit gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls konkret ausgeübte Arbeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten kann. Dass er möglicherweise eine andere Tätigkeit trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch ausüben könnte, ist unerheblich. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ändert sich allerdings der rechtliche Maßstab insofern, als für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht mehr die konkreten Verhältnisse an diesem Arbeitsplatz maßgebend sind, sondern nunmehr abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen ist. Der Versicherte darf dann auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten "verwiesen" werden, wobei aber der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten entsprechend der Funktion des Krankengeldes eng zu ziehen ist. Hatte der Versicherte bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf Krankengeld, ist ihm dieses bei unveränderten Verhältnissen bis zur Erschöpfung der Anspruchsdauer bzw. bis zu dem Zeitpunkt zu gewähren, zu dem er von sich aus eine ihm gesundheitlich zumutbare Beschäftigung aufnimmt. Handelt es sich bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit um einen anerkannten Ausbildungsberuf, so scheidet eine Verweisung auf eine außerhalb dieses Berufs liegende Beschäftigung aus. Auch eine Verweisungstätigkeit innerhalb des Ausbildungsberufes muss, was die Art der Verrichtung, die körperlichen und geistigen Anforderungen, die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie die Höhe der Entlohnung angeht, mit der bisher verrichteten Arbeit im Wesentlichen übereinstimmen, sodass der Versicherte sie ohne größere Umstellung und Einarbeitung ausführen kann. Dieselben Bedingungen gelten bei ungelernten Arbeiten, nur dass hier das Spektrum der zumutbaren Tätigkeiten deshalb größer ist, weil die Verweisung nicht durch die engen Grenzen eines Ausbildungsberufs eingeschränkt ist (BSG, Urteil vom 07.12.2004 - B 1 KR 5/03 R - m.w.N., in Juris).
Der Bezugspunkt gleich oder ähnlich gearteter Tätigkeiten wird auch durch eine Arbeitslosmeldung nicht sofort durch andere Maßstäbe ersetzt. Die Arbeitsunfähigkeit eines Versicherten entfällt nicht allein dadurch, dass er sich nach Beendigung seines bisherigen Arbeitsverhältnisses arbeitslos meldet und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellt. Das Krankengeld ist dazu bestimmt, den krankheitsbedingten Ausfall des bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bezogenen und damit versicherten Arbeitsentgelts oder sonstigen Erwerbseinkommens auszugleichen. Es behält diese Funktion, solange die Unfähigkeit zur Verrichtung der ausgeübten oder einer vergleichbaren Erwerbstätigkeit andauert und dieser Bezug nicht durch die tatsächliche Aufnahme einer neuen beruflichen Tätigkeit endet. Die Arbeitsunfähigkeit richtet sich erst dann nicht mehr nach den besonderen Anforderungen der zuletzt ausgeübten Beschäftigung, wenn der Versicherte seit dem Verlust seines Arbeitsplatzes mehr als sechs Monate als Arbeitsloser krankenversichert war (BSG, Urteil vom 07.12.2004, a.a.O. mit Hinweis auf BSGE 85, 271, 273 = SozR 3-2500 § 49 Nr. 4 S 13).
Diesen Maßstab hat die Beklagte allerdings verkannt, als sie in ihren Schreiben vom 21.09.2007 sowohl gegenüber dem Kläger als auch gegenüber Dr. R. darauf abgestellt hat, dass für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Leistungsfähigkeit bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt maßgebend sei. Aus der Auskunft von Dr. R. vom 19.09.2007 ergibt sich insoweit, dass er zwar von einer Arbeitsfähigkeit des Klägers für den allgemeinen Arbeitsmarkt nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ausgegangen ist, durch seine Zusatzbemerkung "Pat. muss andere Tätigkeit durchführen/kein LKW-Fahrer mehr" war aber eindeutig erkennbar, dass er Arbeitsunfähigkeit für den zuletzt ausgeübten Beruf festgestellt hat. Nichts anderes ergibt sich aus dem von Dr. R. ausgestellten Auszahlschein vom 25.09.2007, wonach der 24.09.2007 der letzte Tag der Arbeitsunfähigkeit gewesen sei. Diese Feststellung erfolgte ganz offensichtlich aufgrund des Hinweises der Beklagten vom 21.09.2007 an den Nervenarzt Dr. R ... Seine Feststellung vom 25.09.2007 bezieht sich daher erkennbar auf die Beendigung der Arbeitsunfähigkeit am Maßstab der Leistungsfähigkeit für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, nicht aber auf die Beendigung der Arbeitsfähigkeit für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als LKW-Fahrer.
Gemessen an der zuletzt konkret verrichteten Tätigkeit des Klägers als LKW-Fahrer in einem Transportunternehmen als Ausgangspunkt war deshalb von einer Arbeitsunfähigkeit auszugehen, da der Kläger auch nicht auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten verwiesen werden konnte. Nach der bereits dargestellten Rechtsprechung des BSG ist der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten entsprechend der Funktion des Krankengeldes eng zu ziehen. Zwar ist etwa für einen Kraftfahrer, der die mit seiner konkreten Beschäftigung verbundene Be- und Entladetätigkeit aufgrund von Wirbelsäulenbeschwerden nicht mehr ausüben kann, eine Verweisung auf eine Fahrertätigkeit ohne derartige Belastungen (z.B. Fahren eines Kipplasters) denkbar (vgl. Beschluss des Senats vom 18.04.2008 - L 5 KR 1241/08 ER-B -). Beim Kläger stand der Ausübung seiner Tätigkeit als Berufskraftfahrer aber eine psychische Erkrankung in Form einer Agoraphobie mit Panikstörung (F40.01 ICD 10) entgegen. Bei dieser Diagnose kam eine Verweisung auf anderweitige Fahrertätigkeiten - auch nicht auf die vom Sozialgericht angeführte Tätigkeit als Kurierfahrer - unabhängig von der Frage der physischen Belastbarkeit generell nicht in Betracht.
Allerdings hat der Kläger nicht nachgewiesen, dass die psychische Erkrankung, durch die eine Verweisung auf gleich oder ähnlich gelagerte Tätigkeiten ausgeschlossen war, über den 24.09.2007 hinaus bis zum 21.09.2008 fortbestand.
Zwar kann dem Kläger nicht entgegen gehalten werden, dass er die Arbeitsunfähigkeit für seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit über den 24.09.2007 hinaus nicht bereits nahtlos durch Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nachgewiesen hat. Nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V setzt der Anspruch auf Krankengeld die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit voraus. Das BSG schließt daraus die Verpflichtung des in seiner Arbeitsfähigkeit beeinträchtigten Versicherten, selbst die notwendigen Schritte zu unternehmen, um die mögliche Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen und seine Ansprüche zu wahren. Deshalb kann grundsätzlich ein Versicherter, der das Ende der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit akzeptiert und über Monate hinweg Leistungen wegen Arbeitslosigkeit bezieht, die er bei Arbeitsunfähigkeit nicht hätte erhalten dürfen, nicht mehr mit der nachträglichen Behauptung gehört werden, er sei in der gesamten Zeit zu Unrecht als arbeitslos statt - richtigerweise - als arbeitsunfähig behandelt worden (BSG, Urteil vom 08.11.2005 - B 1 KR 30/04 R - in Juris). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sieht das BSG allerdings in den Fällen, in denen die ärztliche Feststellung oder die Meldung der Arbeitsunfähigkeit durch Umstände verhindert oder verzögert worden sind, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkassen und nicht dem des Versicherten zuzurechnen sind. Einen solchen Ausnahmefall hat das BSG etwa dann angenommen, wenn - wie hier - das Fehlen der Arbeitsunfähigkeitsmeldung auf der unzutreffenden rechtlichen Bewertung der Krankenkasse beruht, die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit habe sich wegen der Aufgabe des Arbeitsplatzes nicht mehr an der zuletzt ausgeübten Tätigkeit auszurichten (BSGE 85, 271, 277 f = SozR 3-2500 § 49 Nr 4 ). Er hat ausgeführt, dass die fehlende Feststellung oder Meldung der Arbeitsunfähigkeit dem Versicherten ausnahmsweise nicht entgegengehalten werden darf, wenn er seinerseits alles in seiner Macht Stehende getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert worden ist (vgl. Senat, BSGE 85, 271, 276 f = SozR 3-2500 § 49 Nr. 4 ).
Ungeachtet dessen scheitert der Anspruch auf nachträgliche Bewilligung von Krankengeld hier aber daran, dass die Leistungsvoraussetzung fortbestehender Arbeitsunfähigkeit wegen der psychischen Erkrankung in dem vom Kläger geltend gemachten Zeitraum vom 25.09.2007 bis zum 21.09.2008 nicht nachgewiesen ist und - weil der Kläger diesbezüglich nicht in ärztlicher Behandlung stand - durch Ermittlungen des Senats auch nicht nachweisbar ist. Auf die Frage, ob der Kläger alles in seiner Macht stehende getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, kommt es deshalb nicht an.
Zunächst ist für die Zeit ab Beginn der Reha-Maßnahme im Mai 2008 festzustellen, dass zu diesem Zeitpunkt eine psychische Erkrankung beim Kläger nicht mehr vorlag. In dem Entlassbericht der D.klinik in B. K. vom 11.06.2008 wurde die Diagnose einer psychischen Erkrankung auch als Nebendiagnose nicht aufgeführt. In dem Bericht wurde vielmehr ausgeführt, dass eine gezielte Abklärung der psychischen Situation nicht erforderlich gewesen sei. Somit liegen keine Anhaltpunkte dafür vor, dass der Kläger bei Antritt der Maßnahme am 08.05.2008 noch an der von Dr. R. festgestellten Agoraphobie litt.
Nach den vom Senat durchgeführten Ermittlungen ist auch nicht festzustellen, dass die Agoraphobie überhaupt noch über den 24.09.2007 hinaus fortbestanden hat. Zwar hat Dr. R. noch im Attest vom 05.10.2007 ausgeführt, dass der Kläger an Panikattacken leide, die auch längerfristig Arbeitsunfähigkeit für eine Tätigkeit als LKW-Fahrer begründen würden. Auf Anfrage des Senats hat Dr. R. aber in seiner Stellungnahme vom 06.12.2011 angegeben, den Kläger nach dem 24.09.2007 nicht mehr in seiner Praxis gesehen oder behandelt zu haben. Die im Attest vom 05.10.2007 zum Ausdruck gekommene Einschätzung beruht daher nicht auf einem aktuell erhobenen Befund. Eine Behandlung dieser Erkrankung hat bei Dr. R. zu keiner Zeit stattgefunden. Befunde oder Behandlungsberichte anderer Ärzte oder Therapeuten für die Zeit nach dem 24.09.2007 hat der Kläger nicht beigebracht. Der Senat vermag daher nicht festzustellen, dass die Agoraphobie noch nach dem 24.09.2007 die Arbeitsfähigkeit des Klägers gemessen am Maßstab seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit beeinträchtigt hat.
Sofern im Entlassbericht der D.klinik erneut ein aufgehobenes Leistungsvermögen für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als LKW-Fahrer angenommen wurde, kann der Kläger daraus einen Anspruch auf Krankengeld auch nicht für die Zeit ab dem 08.05.2008 herleiten. Denn er war zu diesem Zeitpunkt bereits seit mehr als sechs Monaten als Arbeitsloser krankenversichert mit der Folge, dass sich die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr nach den besonderen Anforderungen der zuletzt ausgeübten Beschäftigung richtet, sondern nach den Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes (BSG, Urteil vom 07.12.2004, a.a.O. mit Hinweis auf BSGE 85, 271, 273 = SozR 3-2500 § 49 Nr. 4 S 13). Im Entlassbericht war dem Kläger aber Arbeitsfähigkeit für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bescheinigt worden.
Arbeitsunfähigkeit für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als LKW-Fahrer oder eine gleichartige Tätigkeit lag daher über den 24.09.2007 hinaus nicht vor, so dass dem Kläger ein Anspruch auf Weitergewährung von Krankengeld nicht mehr zustand.
Das Sozialgericht hat die Klage daher im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
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