L 8 SF 5356/11 AB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
8
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SF 5356/11 AB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Befangenheitsantrag des Klägers im Verfahren S 7 U 3268/11 gegen Richterin O. wird abgelehnt.

Gründe:

Der Senat ist für die Entscheidung über das am 28.11.2011 beim SG Reutlingen eingegangene Ablehnungsgesuch des Klägers vom 25.11.2011 zuständig. Dem steht nicht entgegen, dass § 60 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - durch Art. 8 Ziffer 4 b) des Vierten Gesetz zur Änderung des Vierten Buches des Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2011 (BGBl I 3057) mit Wirkung zum 01.01.2012 (Art. 23) aufgehoben wurde (vgl. hierzu Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.01.2012 - L 11 SF 430/11 AB -, veröffentlicht im Internet: sozialgerichtsbarkeit.de, dem sich der Senat anschließt).

Das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen Richterin O. (im Folgenden: O.) ist zulässig, aber nicht begründet.

Nach § 60 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit von einem Prozessbeteiligten abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 60 Rdziff. 7). Dies ist dann der Fall, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus nach vernünftigen Erwägungen Bedenken gegen die Unparteilichkeit des Richters haben kann; es muss ein objektiver vernünftiger Grund vorliegen, der geeignet ist, den Antragsteller von seinem Standpunkt aus befürchten zu lassen, der abgelehnte Richter werde nicht unparteiisch sachlich entscheiden (vgl. Meyer-Ladewig a.a.O. m.w.N.). Danach ist eine Besorgnis der Befangenheit nur dann begründet, wenn das prozessuale Vorgehen eines Richters einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage entbehrt und sich so sehr von dem normalerweise geübten Verfahren entfernt, dass sich für den betroffenen Beteiligten der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung aufdrängt. Insbesondere vermag ein Verfahrensfehler des Gerichts für sich allein noch nicht die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Allerdings kann eine Häufung prozessualer Fehler stets zum Nachteil einer Partei auch bei einem besonnenen und vernünftigen Beteiligten den Eindruck einer unsachlichen Einstellung oder willkürlichen Verhaltens des Richters erwecken. Eine sachliche Meinungsäußerung über die Aussichten der Klage oder die Rechtslage rechtfertigt keine Besorgnis der Befangenheit (Bundesverwaltungsgericht NJW 79, 1316). Nicht ausreichend ist auch die Äußerung einer unrichtigen Rechtsauffassung, soweit sie nicht auf unsachlicher Einstellung des Richters oder auf Willkür beruht (vgl. Meyer-Ladewig a.a.O., Rdziff. 8g, 8j). Ebenso wenig ist ausreichend, dass der Richter andere Klagen des Klägers abgewiesen hat (vgl. Bundesfinanzhof, NVwZ 98,663) oder als Richter in einem früheren Verfahren mitgewirkt hat, selbst wenn dieses eine gleichliegende Sache betraf (Mayer-Ladewig, a.a.O., Rdziff. 8r). Die Richterablehnung ist rechtsmissbräuchlich, wenn sie nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt und z.B. nur dazu dient, für unliebsam gehaltene Richter auszuschalten (Meyer-Ladewig a.a.O. Rdziff. 10c); denn es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass durch die Stattgabe des Ablehnungsgesuchs ein anderer als der gesetzlich vorgesehene Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes) ohne oder sogar gegen den Willen des anderen Beteiligten zur Entscheidung berufen wird.

Auf der Grundlage dieser Beurteilungskriterien liegt eine begründete Besorgnis der Befangenheit bei O. nicht vor.

Entgegen dem Vorbringen des Klägers lässt sich der vom Senat beigezogenen Akte des SG (S 7 U 3268/09) kein prozessuales Vorgehen von O. entnehmen, das vom Standpunkt des Klägers aus nach vernünftigen Erwägungen Bedenken gegen die Unparteilichkeit der O. rechtfertigt. Die von ihm zur Begründung seines Ablehnungsgesuchs gegen O. erhobenen Vorwürfe entbehren einer tatsächlichen Grundlage. Der vom Kläger im Rahmen des Gutachtensauftrages nach § 109 SGG an Prof. Dr. S. geforderte weitere Kostenvorschuss (i.H.v. 2.965 EUR) rechtfertigt sich in der dem Kläger übermittelten Mitteilung von Prof. Dr. W. vom 09.11.2011 und entspricht einer gängigen Praxis der Sozialgerichte, die nicht zu beanstanden ist. Für die Mutmaßung des Klägers, O. wolle im Interesse der Beklagten über den Umweg des endokrinologischen Gutachtens ihn, den Kläger, einer psychologischen/psychiatrischen Begutachtung zuführen, gibt es keine Anhaltspunkte. Vielmehr geht der Gutachtensauftrag auf einen ausdrücklich gestellten Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG zurück (z.B. Schriftsätze vom 21.04.2010, 17.06.2010, 20.08.2010 und 28.08.2010). Eine Rücknahme dieses Antrages (wie im beim SG außerdem anhängigen Klageverfahren des Klägers S 12 SB 3126/09) ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht ersichtlich, weshalb das SG nach dem SGG zur Erteilung des Gutachtensauftrages im vorliegenden Verfahren gehalten war. Ein neuropsychologisches sowie psychiatrisches Zusatzgutachten wird von dem vom Kläger benannten Gutachter für notwendig erachtet und beruht nicht auf Veranlassung von O. Dies zeigt auch, dass eine Begutachtung des Klägers auf neuropsychologischem sowie psychiatrischem Fachgebiet von dem durch O. erteilten Gutachtensauftrag nicht erfasst war. Dass O. weiter aufgrund einer unsachlichen Einstellung oder aus willkürlichem Verhalten den Untersuchungsgrundsatz verletzt hat, wird vom Kläger nicht substantiiert dargetan und ist auch sonst nicht ersichtlich. Entgegen der Ansicht des Klägers ist auch nicht der Fall, dass durch den Gutachtensauftrag im vorliegenden Verfahren automatisch eine Schlechterstellung im Schwerbehindertenverfahren sowie im Verfahren gegen die gesetzliche Rentenversicherung erfolgt. Das Ergebnis des von O. gemäß § 109 SGG in Auftrag gegebenen Gutachtens lässt sich vielmehr aufgrund der unterschiedlichen gesetzlichen Voraussetzungen der genannten Verfahrensgegenstände nicht ohne Weiteres übertragen. Aus dem Umstand, dass Prof. Dr. S. mit Schreiben vom 25.10.2011 einen weiteren Gutachtensauftrag gemäß § 109 SGG mit der Bitte, einen anderen Gutachter zu benennen, dem SG zurückgesandt hat, kann der Kläger nicht berechtigt ableiten, O. habe es abgelehnt, ihm, dem Kläger, zu einem Gutachten von Prof. Dr. S. zu verhelfen. Zwar trifft zu, dass O im Anschluss an das Schreiben von Prof. Dr. S. einen Gutachtensauftrag gemäß § 109 SGG an Prof. Dr. S. erteilt hat. Diese Vorgehensweise erscheint jedoch vorliegend sachgerecht. Nach der Mitteilung im Schreiben vom 25.10.2011 ist Prof Dr. S. (derzeit) nicht in der Lage, das Gutachten zeitnah zu erstatten, weshalb es im Interesse des Klägers liegt, das außerdem gemäß § 109 SGG beantragte Gutachten von Prof. Dr. S. vorzuziehen, um unnötige zeitliche Verzögerungen zu Lasten des Klägers zu verhindern. Dafür, dass O. Prof. Dr. S. von der Erstattung des Gutachtens entbunden hat, gibt es keinen Anhaltspunkt. Soweit sich der Kläger zur Begründung schließlich auf ein früheres Befangenheitsgesuch gegen eine andere Richterin des SG bezieht, ist dieses Gesuch vom erkennenden Senat mit Beschluss vom 30.05.2011 - L 8 SF 1465/11 AB - abgelehnt worden und eine hiergegen gerichtete Gegenvorstellung des Klägers blieb mit Beschluss vom 12.07.2011 - L 8 SF 2536/11 RG - ohne Erfolg, worauf der Senat Bezug nimmt.

Nach alledem vermag der Senat einen objektiv vernünftigen Grund, der geeignet ist, den Kläger von seinem Standpunkt aus befürchten zu lassen, O. werde nicht unparteiisch sachlich entscheiden, nicht zu erkennen.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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