Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 SB 2712/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 568/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. Januar 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) streitig.
Der 1956 geborene Kläger beantragte am 22.12.2008 beim Landratsamt K. (LRA) die Feststellung des bei ihm vorliegenden GdB und gab als Funktionsstörungen eine depressive Entwicklung, sowie Knie- und Bandscheibenbeschwerden an. Das LRA zog den Kurentlassungsbericht der Klinik A. s. M. in B. S. vom 13.01.2009 bei und holte hierzu eine gutachtliche Stellungnahme ihres Ärztlichen Dienstes ein, in der eine einen GdB von 20 bedingende seelische Störung als gegeben erachtet wurde und die geltend gemachten Veränderungen der Wirbelsäule mangels eines GdB von wenigstens 10 nicht als Behinderung angesehen und Folgen nach Meniskusoperation rechts nicht als ärztlich belegt angesehen wurden. Mit Bescheid vom 09.03.2009 stellte das LRA einen GdB von 20 seit 22.12.2008 fest.
Dagegen legte der Kläger am 27.03.2009 Widerspruch ein und machte einen GdB von mindestens 50 geltend. Nach nochmaliger Überprüfung durch den Ärztlichen Dienst, der zum Ergebnis kam, dass durchaus von einer stärker behindernden seelischen Störung ausgegangen werden könne, die einen GdB von 30 rechtfertige, erließ das LRA am 05.06.2009 einen entsprechenden Teilabhilfebescheid. Nachdem sich der Kläger hiermit nicht einverstanden erklärte, wies das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 18.06.2009 zurück.
Am 22.06.2009 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit der er einen GdB von 50 geltend machte. Er brachte vor, ein GdB von 30 werde seiner tatsächlichen gesundheitlichen Beeinträchtigung nicht gerecht. Außer der berücksichtigten seelischen Störung lägen bei ihm auf orthopädischem Gebiet weitere Funktionsstörungen (Veränderung der Wirbelsäule, Folgen einer Meniskusoperation am rechten Knie) vor, sodass insgesamt ein GdB von mindestens 50 gerechtfertigt sei. Auf Anfrage des SG teilte der Kläger mit, dass er sich gegenwärtig nicht in nervenärztlicher Behandlung befinde.
Das SG hörte den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. B. und die Orthopäden Dr. S. und Dr. T. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. B. schilderte am 12.09.2009 den Krankheits- und Behandlungsverlauf seit 07.04.2008 und gelangte zu der Einschätzung, im Vordergrund stehe die länger anhaltende depressive Episode (mit sekundärer funktioneller Organbeteiligung, insbesondere rezidivierenden muskulären Verspannungen), die er teilweise als mittelgradig bis auch höhergradig bewerte. Hinzu kämen ein Zustand nach Hepatitis A und B sowie eine obstruktive Atemwegserkrankung, die derzeit keinen GdB rechtfertigten. Der Orthopäde Dr. S. gab am 23.10.2009 unter Vorlage des arthroskopischen Operationsberichts vom 02.01.2007 (präarthroskopische Diagnose: Innenmeniskusläsion rechtes Kniegelenk) und des Berichts über die Kernspintomographie des rechten Kniegelenks vom 11. 09.2008 an, der Kläger habe vom 14.12.2006 bis 15.02.2007 und 09.09.2008 bis 18.09.2008 in seiner Behandlung gestanden. Beim Kläger bestehe ein Zustand nach Außenmeniskusresektion des rechten Kniegelenks, die nur geringfügige Behinderungen zur Folge habe. Die vom Kläger im September 2008 geklagten Gesundheitsstörungen im Bereich des rechten Kniegelenks könnten als vorübergehend bezeichnet werden, da sich bei der MRT-Kontrolle vom 11.09.2008 keine objektive Befundverschlechterung ergeben habe. Er teile die Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes. Dr. T. teilte am 30.11.2009 mit, der Kläger habe sich seit Mai 2000 in seiner orthopädischen Behandlung befunden. Die letzte Vorstellung habe am 29.10.2008 stattgefunden. Die Wirbelsäulenbeschwerden seien mittelgradiger und die Kniegelenksbeschwerden vorübergehender Natur gewesen. Da sich der Kläger seit über einem Jahr nicht mehr bei ihm vorgestellt habe, sei ihm über den aktuellen Gesundheitszustand nichts bekannt. Grundsätzlich glaube er aber, dass die Einschätzung durch den Ärztlichen Dienst korrekt sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 15.01.2011 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 30. Alle behandelnden Ärzte hätten der Bewertung der seelischen Störung des Klägers mit einem GdB von 30 zugestimmt. Zudem befinde sich der Kläger nicht in nervenärztlicher Behandlung. Auch die orthopädischen Beschwerden rechtfertigten keine höhere Bewertung. Die Kniegelenksbeschwerden seien nur vorübergehend gewesen und die Wirbelsäulenbeschwerden bedingten mangels Bewegungseinschränkung oder Instabilität keinen GdB. Im Übrigen hätten die befragten behandelnden Ärzte des Klägers der Einschätzung des Beklagten zugestimmt.
Dagegen hat der Kläger am 09.02.2011 Berufung eingelegt, mit der er an seinem Ziel festhält. Er macht geltend, er leide an einer schweren seelischen Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, die mindestens einen GdB von 50 bedinge. Selbst wenn man insoweit "nur" von einer mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewertenden stärker behindernden Störung der Gestaltungs- und Erlebnisfähigkeit ausgehen würde, werde unter Berücksichtigung der orthopädischen Beeinträchtigungen ein GdB von mindestens 50 erreicht. Die durch die beigezogenen ärztlichen Unterlagen belegten und auch heute noch vorhandenen orthopädischen Beschwerden bedingten entgegen der Auffassung im angefochtenen Gerichtsbescheid einen GdB. Wirbelsäulenschäden, die mit den bei ihm vorliegenden Beeinträchtigungen vergleichbar seien, führten nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) zu einem GdB von mindestens 20 bis 40. Dass er sich nicht mehr in nervenärztlicher Behandlung befindet, könne nicht zu einem niedrigeren GdB führen, da dann in austherapierten Fällen der GdB nicht zutreffend beurteilt werde. Der Kläger gibt ferner an, er leide auch an Beschwerden an seinem operierten Knie und am noch nicht operierten Knie, die laut Auskunft von Dr. S. nur durch eine Meniskusoperation auch an diesem Knie behoben werden könnten. Hierzu habe er sich bislang noch nicht durchringen können. Eine weitere Behandlung bei Dr. S. habe nicht stattgefunden. Aufgrund seiner seelischen Beschwerden fühle er sich hierzu momentan auch nicht in der Lage.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. Januar 2011 aufzuheben und die Bescheide des Beklagten vom 9. März 2009 und 5. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2009 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat Dr. B. um Mitteilung der seit seinen Angaben gegenüber dem SG vom 12.09.2009 eingetretenen Veränderungen der Funktionsstörungen des Klägers gebeten. Am 10.05.2011 hat eine Angestellte der Arztpraxis im Namen von Dr. B. schriftlich mitgeteilt, dass sich der Kläger am 08.06.2009 zuletzt in seiner Behandlung befunden habe und deshalb zu seinem aktuellen Gesundheitszustand keine Angaben gemacht werden könnten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist auch im Übrigen zulässig (§ 151 SGG). Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 30.
Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist der den Bescheid vom 09.03.2009 in vollem Umfang ersetzende Teilabhilfebescheid vom 05.06.2009 (Widerspruchsbescheid vom 18.06.2009), mit dem der Beklagte beim Kläger einen GdB von 30 seit 22.12.2008 festgestellt hat. Der Kläger macht demgegenüber geltend, dass seine Funktionsstörungen einen GdB von 50 rechtfertigten.
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen und am 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX), so dass die mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008" (AHP) inhaltsgleichen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 VersMedV - VG -) nun heranzuziehen sind.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. Teil A Nr. 3 der VG). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG a.a.O.). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5, jeweils zu den AHP).
Das SG ist unter Heranziehung der genannten gesetzlichen Vorschriften und der Bewertungsgrundsätze der VG zu dem Ergebnis gekommen, dass die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers mit einem GdB von 30 nicht zu niedrig bewertet sind. Der Senat kommt nach eigener Überprüfung zum selben Ergebnis. Die Funktionsstörungen des Klägers bedingen keinen höheren GdB als 30. Diese Beurteilung des Senats gründet sich auf die Angaben der vom SG gehörten behandelnden Ärzte des Klägers und die aktenkundigen Klinik- und Arztberichte.
Eine Würdigung der genannten ärztlichen Unterlagen ergibt, dass ganz im Vordergrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers eine seelische Störung steht. Diese ist von der Beklagten mit einem GdB von 30 bewertet worden. Ein GdB von 30 setzt nach Teil B Nr. 3.7 der VG eine stärker behindernde psychische Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit voraus. Die VG eröffnen hierfür einen Bewertungsrahmen von 30 bis 40. Eine höhere Bewertung seines psychischen Leidens als mit einem GdB von 30 hält der Senat entgegen der vom Kläger im Berufungsverfahren vertretenen Ansicht nicht für gerechtfertigt. Die Voraussetzungen für die Bewertung dieses Leidens als eine - mit einem GdB von 50 verbundene - schwere psychische Störung im Sinne von Teil B Nr. 3. 7 der VG - wie von ihm im Berufungsverfahren geltend gemacht - scheidet von vornherein aus. Dies würde schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten (GdB 50 bis 70) voraussetzen, die beim Kläger nicht erkennbar sind. Vielmehr leidet er an einer psychischen Störung, die durch mittelgradige depressive Episoden gekennzeichnet ist. Dies folgt für den Senat aus dem Kurentlassungsbericht der K. A. s. M. in B. S. vom 13.01.2009, in der der Kläger vom 13.11.2008 bis 11.12.2008 stationär behandelt worden ist, und den Angaben seines behandelnden Arztes Dr. B. vom 12.09.2009, der dem Kläger eine länger anhaltende depressive Episode (mit sekundärer funktioneller Organbeteiligung, insbesondere rezidivierenden muskulären Verspannungen) bescheinigt hat. Die damit verbundene Beeinträchtigung im täglichen Leben, die sich hauptsächlich durch Antriebslosigkeit auswirkt, entspricht dem typischen Bild einer (nur) stärker behindernden psychischen Störung.
Hinzu kommt, dass sich der Kläger nach seinen Angaben gegenüber dem SG vom 03.05.2010 gegenwärtig nicht in nervenärztlicher Behandlung befindet. Hieran hat sich auch im Laufe des Berufungsverfahrens nichts geändert. Im Hinblick auf die Angaben von Dr. B. vom 10.05.2011 und die entsprechenden Angaben des Klägers vom 13.04.2011 und 29.06.2011 steht für den Senat fest, dass er sich weiterhin weder in nervenärztlicher Behandlung noch seit 08.06.2009 auch nicht mehr bei Dr. B. in hausärztlicher Behandlung befindet. Eine Behandlung durch andere Ärzte ist nicht ersichtlich. Für eine höhere Bewertung der psychischen Beeinträchtigung des Klägers als mit einem GdB von 30 fehlt somit jegliche Grundlage.
Soweit der Kläger insoweit geltend macht, dies würde Behinderten nicht gerecht werden, die austherapiert seien und sich deshalb nicht mehr in ärztlicher Behandlung befänden, kann ihm schon deshalb nicht gefolgt werden, weil kein Anhalt dafür besteht, dass der Kläger "austherapiert" ist. Im Kurentlassungsbericht vom 13.01.2009 wird von der Therapiebedürftigkeit des Klägers ausgegangen, denn darin heißt es in diesem Zusammenhang, zur weiteren Bearbeitung der o.g. Problematik (Antriebslosigkeit) und Restsymptomatik werde eine langfristige Einzelpsychotherapie in türkischer Sprache (und sportliche Freizeitaktivität) empfohlen, so dass entgegen dem Klagevorbringen nicht die Rede davon sein kann, dass der Kläger bereits "austherapiert" ist. Einer entsprechenden Therapie hat sich der Kläger aber offensichtlich nicht unterzogen. Der Senat lässt dahinstehen, ob damit ein fehlender Leidensdruck zum Ausdruck kommt, der es grundsätzlich nicht erlaubt, ein psychisches Leiden über eine leichte psychische Störung hinaus zu bewerten (vgl. Urt. des Senats vom 17.12.2010 - L 8 SB 1549/10 - veröffentl. in juris).
Weitere Funktionsstörungen mit einem GdB von wenigstens 10 liegen beim Kläger nach den aktenkundigen ärztlichen Unterlagen nicht vor. Auf orthopädischem Gebiet bestehen entgegen der Auffassung des Klägers keine Beeinträchtigungen, die einen GdB von mindestens 10 bedingen. Das gilt zunächst für das Wirbelsäulenleiden des Klägers, das nach seinem Berufungsvorbringen mit einem GdB von 20 bis 40 zu bewerten sei. Dem folgt der Senat nicht. Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität bedingen nach Teil B 18.9 der VG keinen GdB. Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) sind mit einem GdB von 10 zu bewerten. Erst Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt bedingen einen GdB von 20. Dr. T. hat am 30.11.2009 gegenüber dem SG angegeben, beim Kläger lägen seit 2007 Wirbelsäulenbeschwerden im Sinne eines chronischen Zervikalsyndroms und eine Lumboischialgie links vor. Die Wirbelsäulenbeschwerden - die letzte Untersuchung liege über ein Jahr zurück - seien mittelgradiger Natur gewesen. Konkrete Funktionsstörungen in Form von Bewegungseinschränkungen oder instabilen Verhältnissen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule hat Dr. T. nicht erwähnt. Im Übrigen hat sich Dr. T. zur gutachtlichen Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes des LRA vom 06.04.2009, wonach die Funktionsstörungen auf orthopädischem Gebiet keinen GdB von 10 erreichten, dahingehend geäußert, dass er grundsätzlich glaube, dass diese Einschätzung korrekt sei. Der Senat kommt deshalb zu dem Ergebnis, dass die - ohnehin nur bis Oktober 2008 fachärztlich dokumentierten - Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers noch keine mit einem GdB von wenigstens 10 zu bewertenden funktionellen Auswirkungen haben. Diese Überzeugung wird zusätzlich dadurch bestärkt, dass er sich wegen diesem Leiden seit Jahren (zuletzt am 29.10.2008) nicht mehr in fachärztlicher Behandlung befunden, mithin keine Therapiemaßnahmen für erforderlich gehalten hat. Funktionsstörungen verursachende Beschwerden sind seither nicht nachgewiesen. Mit einem GdB von 20 zu bewertende Beschwerden führen aber erfahrungsgemäß in aller Regel dazu, dass ein Arzt zur Behandlung der Beschwerden aufgesucht wird.
Im Bereich der Kniegelenke des Klägers liegen ebenfalls keine mit einem GdB von 10 zu bewertenden Funktionsstörungen vor. Die am 02.01.2007 erfolgte Meniskusoperation am rechten Kniegelenk hat nur eine geringfügige Beeinträchtigung hinterlassen. Die vom Kläger im September 2008 insoweit geklagten Beschwerden waren nur vorübergehend; die MRT-Kontrolle vom 11.09.2008 ergab keine objektive Befundverschlechterung. Der Senat entnimmt diese Beurteilungen den Angaben von Dr. S. vom 23.10.2009, der der bereits genannten gutachtlichen Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes des LRA insoweit uneingeschränkt zugestimmt hat. Eine Zunahme der Beschwerden an seinem operierten Knie und erhebliche Schmerzen am nicht operierten Knie - wie vom Kläger zuletzt mit Schriftsatz vom 13.04.2011 geltend gemacht - sind nicht belegt. Eine Befragung von Dr. S. zu diesem Vorbringen scheidet aus, nachdem der Kläger im Berufungsverfahren angegeben hat, nach dem 18.09.2008 nicht mehr in dessen Behandlung gewesen zu sein. Eine Behandlung durch einen anderen Arzt ist vom Kläger nicht behauptet worden. Weitere Ermittlungen drängen sich daher nicht auf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) streitig.
Der 1956 geborene Kläger beantragte am 22.12.2008 beim Landratsamt K. (LRA) die Feststellung des bei ihm vorliegenden GdB und gab als Funktionsstörungen eine depressive Entwicklung, sowie Knie- und Bandscheibenbeschwerden an. Das LRA zog den Kurentlassungsbericht der Klinik A. s. M. in B. S. vom 13.01.2009 bei und holte hierzu eine gutachtliche Stellungnahme ihres Ärztlichen Dienstes ein, in der eine einen GdB von 20 bedingende seelische Störung als gegeben erachtet wurde und die geltend gemachten Veränderungen der Wirbelsäule mangels eines GdB von wenigstens 10 nicht als Behinderung angesehen und Folgen nach Meniskusoperation rechts nicht als ärztlich belegt angesehen wurden. Mit Bescheid vom 09.03.2009 stellte das LRA einen GdB von 20 seit 22.12.2008 fest.
Dagegen legte der Kläger am 27.03.2009 Widerspruch ein und machte einen GdB von mindestens 50 geltend. Nach nochmaliger Überprüfung durch den Ärztlichen Dienst, der zum Ergebnis kam, dass durchaus von einer stärker behindernden seelischen Störung ausgegangen werden könne, die einen GdB von 30 rechtfertige, erließ das LRA am 05.06.2009 einen entsprechenden Teilabhilfebescheid. Nachdem sich der Kläger hiermit nicht einverstanden erklärte, wies das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 18.06.2009 zurück.
Am 22.06.2009 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit der er einen GdB von 50 geltend machte. Er brachte vor, ein GdB von 30 werde seiner tatsächlichen gesundheitlichen Beeinträchtigung nicht gerecht. Außer der berücksichtigten seelischen Störung lägen bei ihm auf orthopädischem Gebiet weitere Funktionsstörungen (Veränderung der Wirbelsäule, Folgen einer Meniskusoperation am rechten Knie) vor, sodass insgesamt ein GdB von mindestens 50 gerechtfertigt sei. Auf Anfrage des SG teilte der Kläger mit, dass er sich gegenwärtig nicht in nervenärztlicher Behandlung befinde.
Das SG hörte den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. B. und die Orthopäden Dr. S. und Dr. T. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. B. schilderte am 12.09.2009 den Krankheits- und Behandlungsverlauf seit 07.04.2008 und gelangte zu der Einschätzung, im Vordergrund stehe die länger anhaltende depressive Episode (mit sekundärer funktioneller Organbeteiligung, insbesondere rezidivierenden muskulären Verspannungen), die er teilweise als mittelgradig bis auch höhergradig bewerte. Hinzu kämen ein Zustand nach Hepatitis A und B sowie eine obstruktive Atemwegserkrankung, die derzeit keinen GdB rechtfertigten. Der Orthopäde Dr. S. gab am 23.10.2009 unter Vorlage des arthroskopischen Operationsberichts vom 02.01.2007 (präarthroskopische Diagnose: Innenmeniskusläsion rechtes Kniegelenk) und des Berichts über die Kernspintomographie des rechten Kniegelenks vom 11. 09.2008 an, der Kläger habe vom 14.12.2006 bis 15.02.2007 und 09.09.2008 bis 18.09.2008 in seiner Behandlung gestanden. Beim Kläger bestehe ein Zustand nach Außenmeniskusresektion des rechten Kniegelenks, die nur geringfügige Behinderungen zur Folge habe. Die vom Kläger im September 2008 geklagten Gesundheitsstörungen im Bereich des rechten Kniegelenks könnten als vorübergehend bezeichnet werden, da sich bei der MRT-Kontrolle vom 11.09.2008 keine objektive Befundverschlechterung ergeben habe. Er teile die Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes. Dr. T. teilte am 30.11.2009 mit, der Kläger habe sich seit Mai 2000 in seiner orthopädischen Behandlung befunden. Die letzte Vorstellung habe am 29.10.2008 stattgefunden. Die Wirbelsäulenbeschwerden seien mittelgradiger und die Kniegelenksbeschwerden vorübergehender Natur gewesen. Da sich der Kläger seit über einem Jahr nicht mehr bei ihm vorgestellt habe, sei ihm über den aktuellen Gesundheitszustand nichts bekannt. Grundsätzlich glaube er aber, dass die Einschätzung durch den Ärztlichen Dienst korrekt sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 15.01.2011 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 30. Alle behandelnden Ärzte hätten der Bewertung der seelischen Störung des Klägers mit einem GdB von 30 zugestimmt. Zudem befinde sich der Kläger nicht in nervenärztlicher Behandlung. Auch die orthopädischen Beschwerden rechtfertigten keine höhere Bewertung. Die Kniegelenksbeschwerden seien nur vorübergehend gewesen und die Wirbelsäulenbeschwerden bedingten mangels Bewegungseinschränkung oder Instabilität keinen GdB. Im Übrigen hätten die befragten behandelnden Ärzte des Klägers der Einschätzung des Beklagten zugestimmt.
Dagegen hat der Kläger am 09.02.2011 Berufung eingelegt, mit der er an seinem Ziel festhält. Er macht geltend, er leide an einer schweren seelischen Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, die mindestens einen GdB von 50 bedinge. Selbst wenn man insoweit "nur" von einer mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewertenden stärker behindernden Störung der Gestaltungs- und Erlebnisfähigkeit ausgehen würde, werde unter Berücksichtigung der orthopädischen Beeinträchtigungen ein GdB von mindestens 50 erreicht. Die durch die beigezogenen ärztlichen Unterlagen belegten und auch heute noch vorhandenen orthopädischen Beschwerden bedingten entgegen der Auffassung im angefochtenen Gerichtsbescheid einen GdB. Wirbelsäulenschäden, die mit den bei ihm vorliegenden Beeinträchtigungen vergleichbar seien, führten nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) zu einem GdB von mindestens 20 bis 40. Dass er sich nicht mehr in nervenärztlicher Behandlung befindet, könne nicht zu einem niedrigeren GdB führen, da dann in austherapierten Fällen der GdB nicht zutreffend beurteilt werde. Der Kläger gibt ferner an, er leide auch an Beschwerden an seinem operierten Knie und am noch nicht operierten Knie, die laut Auskunft von Dr. S. nur durch eine Meniskusoperation auch an diesem Knie behoben werden könnten. Hierzu habe er sich bislang noch nicht durchringen können. Eine weitere Behandlung bei Dr. S. habe nicht stattgefunden. Aufgrund seiner seelischen Beschwerden fühle er sich hierzu momentan auch nicht in der Lage.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. Januar 2011 aufzuheben und die Bescheide des Beklagten vom 9. März 2009 und 5. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2009 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat Dr. B. um Mitteilung der seit seinen Angaben gegenüber dem SG vom 12.09.2009 eingetretenen Veränderungen der Funktionsstörungen des Klägers gebeten. Am 10.05.2011 hat eine Angestellte der Arztpraxis im Namen von Dr. B. schriftlich mitgeteilt, dass sich der Kläger am 08.06.2009 zuletzt in seiner Behandlung befunden habe und deshalb zu seinem aktuellen Gesundheitszustand keine Angaben gemacht werden könnten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist auch im Übrigen zulässig (§ 151 SGG). Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 30.
Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist der den Bescheid vom 09.03.2009 in vollem Umfang ersetzende Teilabhilfebescheid vom 05.06.2009 (Widerspruchsbescheid vom 18.06.2009), mit dem der Beklagte beim Kläger einen GdB von 30 seit 22.12.2008 festgestellt hat. Der Kläger macht demgegenüber geltend, dass seine Funktionsstörungen einen GdB von 50 rechtfertigten.
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen und am 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX), so dass die mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008" (AHP) inhaltsgleichen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 VersMedV - VG -) nun heranzuziehen sind.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. Teil A Nr. 3 der VG). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG a.a.O.). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5, jeweils zu den AHP).
Das SG ist unter Heranziehung der genannten gesetzlichen Vorschriften und der Bewertungsgrundsätze der VG zu dem Ergebnis gekommen, dass die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers mit einem GdB von 30 nicht zu niedrig bewertet sind. Der Senat kommt nach eigener Überprüfung zum selben Ergebnis. Die Funktionsstörungen des Klägers bedingen keinen höheren GdB als 30. Diese Beurteilung des Senats gründet sich auf die Angaben der vom SG gehörten behandelnden Ärzte des Klägers und die aktenkundigen Klinik- und Arztberichte.
Eine Würdigung der genannten ärztlichen Unterlagen ergibt, dass ganz im Vordergrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers eine seelische Störung steht. Diese ist von der Beklagten mit einem GdB von 30 bewertet worden. Ein GdB von 30 setzt nach Teil B Nr. 3.7 der VG eine stärker behindernde psychische Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit voraus. Die VG eröffnen hierfür einen Bewertungsrahmen von 30 bis 40. Eine höhere Bewertung seines psychischen Leidens als mit einem GdB von 30 hält der Senat entgegen der vom Kläger im Berufungsverfahren vertretenen Ansicht nicht für gerechtfertigt. Die Voraussetzungen für die Bewertung dieses Leidens als eine - mit einem GdB von 50 verbundene - schwere psychische Störung im Sinne von Teil B Nr. 3. 7 der VG - wie von ihm im Berufungsverfahren geltend gemacht - scheidet von vornherein aus. Dies würde schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten (GdB 50 bis 70) voraussetzen, die beim Kläger nicht erkennbar sind. Vielmehr leidet er an einer psychischen Störung, die durch mittelgradige depressive Episoden gekennzeichnet ist. Dies folgt für den Senat aus dem Kurentlassungsbericht der K. A. s. M. in B. S. vom 13.01.2009, in der der Kläger vom 13.11.2008 bis 11.12.2008 stationär behandelt worden ist, und den Angaben seines behandelnden Arztes Dr. B. vom 12.09.2009, der dem Kläger eine länger anhaltende depressive Episode (mit sekundärer funktioneller Organbeteiligung, insbesondere rezidivierenden muskulären Verspannungen) bescheinigt hat. Die damit verbundene Beeinträchtigung im täglichen Leben, die sich hauptsächlich durch Antriebslosigkeit auswirkt, entspricht dem typischen Bild einer (nur) stärker behindernden psychischen Störung.
Hinzu kommt, dass sich der Kläger nach seinen Angaben gegenüber dem SG vom 03.05.2010 gegenwärtig nicht in nervenärztlicher Behandlung befindet. Hieran hat sich auch im Laufe des Berufungsverfahrens nichts geändert. Im Hinblick auf die Angaben von Dr. B. vom 10.05.2011 und die entsprechenden Angaben des Klägers vom 13.04.2011 und 29.06.2011 steht für den Senat fest, dass er sich weiterhin weder in nervenärztlicher Behandlung noch seit 08.06.2009 auch nicht mehr bei Dr. B. in hausärztlicher Behandlung befindet. Eine Behandlung durch andere Ärzte ist nicht ersichtlich. Für eine höhere Bewertung der psychischen Beeinträchtigung des Klägers als mit einem GdB von 30 fehlt somit jegliche Grundlage.
Soweit der Kläger insoweit geltend macht, dies würde Behinderten nicht gerecht werden, die austherapiert seien und sich deshalb nicht mehr in ärztlicher Behandlung befänden, kann ihm schon deshalb nicht gefolgt werden, weil kein Anhalt dafür besteht, dass der Kläger "austherapiert" ist. Im Kurentlassungsbericht vom 13.01.2009 wird von der Therapiebedürftigkeit des Klägers ausgegangen, denn darin heißt es in diesem Zusammenhang, zur weiteren Bearbeitung der o.g. Problematik (Antriebslosigkeit) und Restsymptomatik werde eine langfristige Einzelpsychotherapie in türkischer Sprache (und sportliche Freizeitaktivität) empfohlen, so dass entgegen dem Klagevorbringen nicht die Rede davon sein kann, dass der Kläger bereits "austherapiert" ist. Einer entsprechenden Therapie hat sich der Kläger aber offensichtlich nicht unterzogen. Der Senat lässt dahinstehen, ob damit ein fehlender Leidensdruck zum Ausdruck kommt, der es grundsätzlich nicht erlaubt, ein psychisches Leiden über eine leichte psychische Störung hinaus zu bewerten (vgl. Urt. des Senats vom 17.12.2010 - L 8 SB 1549/10 - veröffentl. in juris).
Weitere Funktionsstörungen mit einem GdB von wenigstens 10 liegen beim Kläger nach den aktenkundigen ärztlichen Unterlagen nicht vor. Auf orthopädischem Gebiet bestehen entgegen der Auffassung des Klägers keine Beeinträchtigungen, die einen GdB von mindestens 10 bedingen. Das gilt zunächst für das Wirbelsäulenleiden des Klägers, das nach seinem Berufungsvorbringen mit einem GdB von 20 bis 40 zu bewerten sei. Dem folgt der Senat nicht. Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität bedingen nach Teil B 18.9 der VG keinen GdB. Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) sind mit einem GdB von 10 zu bewerten. Erst Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt bedingen einen GdB von 20. Dr. T. hat am 30.11.2009 gegenüber dem SG angegeben, beim Kläger lägen seit 2007 Wirbelsäulenbeschwerden im Sinne eines chronischen Zervikalsyndroms und eine Lumboischialgie links vor. Die Wirbelsäulenbeschwerden - die letzte Untersuchung liege über ein Jahr zurück - seien mittelgradiger Natur gewesen. Konkrete Funktionsstörungen in Form von Bewegungseinschränkungen oder instabilen Verhältnissen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule hat Dr. T. nicht erwähnt. Im Übrigen hat sich Dr. T. zur gutachtlichen Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes des LRA vom 06.04.2009, wonach die Funktionsstörungen auf orthopädischem Gebiet keinen GdB von 10 erreichten, dahingehend geäußert, dass er grundsätzlich glaube, dass diese Einschätzung korrekt sei. Der Senat kommt deshalb zu dem Ergebnis, dass die - ohnehin nur bis Oktober 2008 fachärztlich dokumentierten - Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers noch keine mit einem GdB von wenigstens 10 zu bewertenden funktionellen Auswirkungen haben. Diese Überzeugung wird zusätzlich dadurch bestärkt, dass er sich wegen diesem Leiden seit Jahren (zuletzt am 29.10.2008) nicht mehr in fachärztlicher Behandlung befunden, mithin keine Therapiemaßnahmen für erforderlich gehalten hat. Funktionsstörungen verursachende Beschwerden sind seither nicht nachgewiesen. Mit einem GdB von 20 zu bewertende Beschwerden führen aber erfahrungsgemäß in aller Regel dazu, dass ein Arzt zur Behandlung der Beschwerden aufgesucht wird.
Im Bereich der Kniegelenke des Klägers liegen ebenfalls keine mit einem GdB von 10 zu bewertenden Funktionsstörungen vor. Die am 02.01.2007 erfolgte Meniskusoperation am rechten Kniegelenk hat nur eine geringfügige Beeinträchtigung hinterlassen. Die vom Kläger im September 2008 insoweit geklagten Beschwerden waren nur vorübergehend; die MRT-Kontrolle vom 11.09.2008 ergab keine objektive Befundverschlechterung. Der Senat entnimmt diese Beurteilungen den Angaben von Dr. S. vom 23.10.2009, der der bereits genannten gutachtlichen Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes des LRA insoweit uneingeschränkt zugestimmt hat. Eine Zunahme der Beschwerden an seinem operierten Knie und erhebliche Schmerzen am nicht operierten Knie - wie vom Kläger zuletzt mit Schriftsatz vom 13.04.2011 geltend gemacht - sind nicht belegt. Eine Befragung von Dr. S. zu diesem Vorbringen scheidet aus, nachdem der Kläger im Berufungsverfahren angegeben hat, nach dem 18.09.2008 nicht mehr in dessen Behandlung gewesen zu sein. Eine Behandlung durch einen anderen Arzt ist vom Kläger nicht behauptet worden. Weitere Ermittlungen drängen sich daher nicht auf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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