L 8 SB 3807/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 5 SB 3862/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 3807/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 26. Juli 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches Rundfunkgebührenbefreiung (Merkzeichen "RF") streitig.

Bei der 1962 geborenen Klägerin stellte das Landratsamt R. -Versorgungsamt- (LRA) in Ausführung eines beim Sozialgericht Reutlingen (SG) im Klageverfahren S 5 SB 1978/07 (wegen der Zuerkennung des Merkzeichens "aG" -) geschlossenen Vergleichs unter Berücksichtigung eines organischen Nervenleidens sowie einer depressiven Verstimmung den Grad der Behinderung (GdB) mit 80 sowie die Merkzeichen "B" und "aG" neu und das Merkzeichen "G" weiterhin fest (Ausführungsbescheid vom 17.12.2008).

Mit Schreiben vom 20.05.2009 beantragte die Klägerin beim LRA die Zuerkennung des Merkzeichens "RF". Sie legte das ärztliche Attest von Dr. C. vom 03.04.2009 vor. Das LRA holte den Befundschein von Dr. C. vom 22.06.2009 ein. Nach Auswertung durch den Ärztlichen Dienst (gutachtliche Stellungnahme Dr. F. vom 24.08.2009) entsprach das LRA mit Bescheid vom 15.09.2009 dem Antrag der Klägerin auf Feststellung des Merkzeichens "RF" nicht.

Gegen den Bescheid vom 15.09.2009 legte die Klägerin am 28.09.2009 Widerspruch ein. Sie machte zur Begründung geltend, z.B. wegen einer Inkontinenz sei es für sie unmöglich, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Sie leide an einer progredienten Multiplen Sklerose (MS), weshalb mit einer Besserung nicht zu rechnen sei. Die Klägerin legte den Arztbrief von Dr. B. vom 28.09.2009 vor, die die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" befürwortete, da die Klägerin nicht weit vom Auto bis zur Veranstaltung laufen könne und zudem häufig eine Toilette besuchen müsse. Entsprechend einer gutachtlichen Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes (Dr. G. vom 16.10.2009) wurde der Widerspruch vom Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.2009 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, trotz der Schwere der Behinderungen der Klägerin sei sie noch in der Lage, gegebenenfalls mit Hilfe von Begleitpersonen oder mit technischen Hilfsmitteln zumindest gelegentlich öffentliche Veranstaltungsorte aufzusuchen. Die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" lasse sich nicht begründen.

Hiergegen erhob die Klägerin am 23.11.2009 Klage beim SG. Sie machte geltend, aufgrund ihrer Erkrankung könne sie an öffentlichen Veranstaltungen "nicht ständig" teilnehmen. Sie sei wegen ihrer chronischen Nervenerkrankung (MS) schwerbehindert. Bedingt durch ihre chronische Depression und ihre Angst vor Menschenmassen sowie die chronische Trigeminusneuralgie beidseitig begleitet von unwillkürlichen Körper- und Gesichtsbewegungen sowie Hilferufen lägen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" bei ihr vor. Die Klägerin legte Arztbriefe von Dr. B. vom 22.11.2009, 28.09.2009 und 16.11.2010 sowie von Dr. C. vom 18.10.2010 vor. Dr. B. teilte in ihrem Arztbrief vom 22.11.2009 mit, die Klägerin sei sehr häufig von heftigen Schmerzen von Seiten einer Trigeminusneuralgie neben den Schmerzen aufgrund der MS geplagt, weshalb sie das Haus nicht verlassen könne. Im - ausführlichen - Arztbrief vom 16.11.2010 teilte Dr. B. mit, der Gesundheitszustand der Klägerin habe sich erheblich verschlechtert. Bedingt durch die Schmerzen und die Grunderkrankung könne die Klägerin wegen ihrer Schmerzen und der erforderlichen Medikation erst am späten Vormittag Besorgungen oder dringende Arzttermine wahrnehmen. Die Klägerin sei nach ihren Angaben oft schon um 18:00 Uhr völlig erledigt, weshalb sie immer sehr früh zu Bett gehe. Es bereite der Klägerin große Schmerzen und Überwindung zu gehen. Stufen könne sie nur mit Hilfe einer Begleitperson und nur mit großer Mühe bewältigen. Die Klägerin leide in letzter Zeit unter nervösen Unruhezuständen. Sie könne nicht ruhig sitzen. Beim Sitzen würde nach einer Weile ein andere Personen störendes Zittern am ganzen Körper auftreten. Durch den plötzlichen Tod der Mutter der Klägerin sei sie in eine erneute massive Depression gefallen. Menschenansammlungen bereiteten der Klägerin große Probleme. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" hält Dr. B. für gegeben. Dr. C. teilte in seinem Arztbrief vom 18.10.2010 die der Klägerin verordneten Medikamente mit.

Der Beklagte trat der Klage entgegen. Der Klägerin müsse es objektiv möglich sein, gegebenenfalls im Rollstuhl sitzend mit Hilfe einer Begleitperson öffentliche Veranstaltungen zu besuchen. Die Notwendigkeit, häufig eine Toilette aufzusuchen, rechtfertige die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" nicht. Entsprechendes gelte für die Angabe häufiger Schmerzen und Unruhezustände. Der Arztbrief von Dr. B. vom 16.11.2010 enthalte keine objektiven Gesichtspunkte, wonach die strengen Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" bei der Klägerin erfüllt sein könnten. Es gäbe zahlreiche Veranstaltungen, bei denen eine gewisse Unruhe nicht störe.

Mit Gerichtsbescheid vom 26.07.2011 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, bei der Klägerin seien die Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "RF" nicht gegeben. Die Einschränkung der Gehfähigkeit der Klägerin könne durch den Einsatz einer Begleitperson oder mit technischen Hilfsmitteln ausgeglichen werden. Das Tragen von Windelhosen sei zumutbar, weshalb eine Harninkontinenz die Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" nicht begründen könne. Die bei der Klägerin bestehenden Schmerzzustände seien ebenfalls nicht geeignet, sie allgemein und umfassend vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen auszuschließen. Aus den Schilderungen von Dr. B. zum Tagesablauf ergebe sich, dass die Schmerzzustände die Klägerin nicht andauernd an das Haus binden.

Gegen den der Klägerin am 02.08.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat sie am 25.08.2011 beim SG Berufung eingelegt, die dem Landessozialgericht vorgelegt worden ist. Sie hat zur Begründung ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Die Klägerin hat ein ärztliches Attest von Dr. C. vom 30.08.2011 vorgelegt. Darin teilt Dr. C. mit, aus ärztlicher Sicht seien eine bestehende Platzangst sowie intermittierend einschießende Schmerzen der Trigeminusneuralgie nicht weiter therapierbar und bedingten, dass die Klägerin nicht in der Lage sei, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 26. Juli 2011 sowie den Bescheid des Beklagten vom 15. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Oktober 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihr die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches (Merkzeichen) Rundfunkgebührenbefreiung und Sozialtarif für Telefonanschlüsse ("RF") seit dem 20. Mai 2009 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Die jetzt von der Klägerin geltend gemachte Platzangst sei bislang nicht geltend gemacht und auch nicht beschrieben worden. Es sei deshalb nicht davon auszugehen, dass bei der Klägerin ein so schweres psychisches Leiden vorliege, dass ggf. aus diesem Grund die Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" erfüllt sein könnten.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf ein Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Trotz Ausbleibens der Klägerin hat der Senat verhandelt und entscheiden können, da die ordnungsgemäß zum Termin geladene Klägerin in der Terminsbestimmung des Vorsitzenden vom 13.12.2011 auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§ 110 Abs. 1 S. 2 SGG).

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung des Merkzeichens "RF". Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" liegen bei der Klägerin nicht vor.

Nach § 69 Abs. 1 des am 01.07.2002 in Kraft getretenen Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX), das dem bis dahin geltenden § 4 Abs. 1 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) entspricht, stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX).

Für die in B.-W. wohnhafte Klägerin ist seit 01.04.2005 Art 5 § 6 Absatz 1 Nr. 8 des Achten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 8. bis 15.10.2004, geändert durch Artikel 6 des Zwölften Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 18. Dezember 2008, i.d.F. des Baden-Württembergischen Gesetzes vom 17.3.2005 (GBl. 2005, 189) heranzuziehen. Danach werden u.a. behinderte Menschen, deren GdB nicht nur vorübergehend wenigstens 80 beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können, von der Rundfunkgebührenpflicht befreit. Ein sonstiger vorliegend zu berücksichtigender Gebührenbefreiungstatbestand ist bei der Klägerin nicht ersichtlich.

Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin nicht vor. Bei ihr ist zwar mit Bescheid des Beklagten vom 17.12.2008 ein GdB von 80 festgestellt. Die Klägerin ist jedoch zur Überzeugung des Senats nicht ständig gehindert, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.

Unter öffentlichen Veranstaltungen in diesem Sinne sind alle Zusammenkünfte politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender und wirtschaftlicher Art zu verstehen (BSG, Urt. v. 10.08.1993 9/9a RVs 7/91 , SozR 3 3870 § 48 Nr. 2; Urteil vom 12.02.1997 -9 RVs 2/96 -, SozR 3-3780 § 4 Nr. 7). Die Unmöglichkeit der Teilnahme an solchen Veranstaltungen ist nur dann gegeben, wenn der Schwerbehinderte wegen seines Leidens ständig, d.h. allgemein und umfassend, vom Besuch ausgeschlossen ist, also allenfalls an einem nicht nennenswerten Teil der Gesamtheit solcher Veranstaltungen teilnehmen kann. Bei der vom BSG vertretenen Auslegung muss der behinderte Mensch praktisch an das Haus gebunden sein, um seinen Ausschluss an öffentlichen Veranstaltungen begründen zu können (LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 12.11.2003 - L 10 SB 113/02 -). Es kommt nicht darauf an, ob jene Veranstaltungen, an denen er noch teilnehmen kann, seinen persönlichen Vorlieben, Bedürfnissen, Neigungen und Interessen entsprechen (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.01.2009 - L 11 SB 190/08 -, veröffentlicht im Internet: www.sozialgerichtsbarkeit.de). Das BSG hält es zunehmend für zweifelhaft, ob durch den Nachteilsausgleich RF tatsächlich ein behinderungsbedingter Mehraufwand ausgeglichen wird, und ob es sozial geboten erscheint, bestimmten finanziell nicht bedürftigen Personengruppen die Benutzung solcher gewöhnlichen Geräte zu finanzieren. Diese Frage bedurfte zwar keiner abschließenden Klärung durch das BSG, verdeutlicht aber, dass an einer engen Auslegung für das Merkzeichen "RF" festzuhalten ist (BSG, Urteil vom 10.08.1993 - 9/9a RVs 7/91 - a.a.O.).

Hiervon ausgehend steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin trotz der bei ihr zweifellos vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen, die der Senat nicht verkennt, in zumutbarer Weise öffentliche Veranstaltungen in einem nennenswerten Teil der Gesamtheit aufsuchen kann, weil kein gesundheitlich bedingter Zwang besteht, der sie praktisch dauernd an das Haus bindet.

Den im Verlaufe des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen lassen sich keine Behinderungen der Klägerin entnehmen, die das Vorliegen dieser gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens "RF" begründen.

In dem vom LRA im Verwaltungsverfahren eingeholten Befundbericht von Dr. C. vom 22.06.2009 diagnostiziert Dr. C. eine chronisch progrediente MS sowie eine depressive Anpassungsstörung mit Einschränkung der Gehfähigkeit, Extremitätenschmerzen und Sensibilitätsstörungen. Auch Dr. B. berichtet u.a. in ihrem Arztbrief vom 16.11.2010 über ein eingeschränktes Gehvermögen der Klägerin. Dass die Klägerin durch diese Behinderungen gehindert ist, in zumutbarer Weise öffentliche Veranstaltungen in einem nennenswerten Teil der Gesamtheit aufsuchen, hält der Senat für nicht gegeben. Diese Behinderungen können vielmehr mit Hilfe einer Begleitperson und/oder technischer Hilfsmittel (Rollstuhl) soweit ausgeglichen werden, dass sie dem Besuch von öffentlichen Veranstaltungen nicht entgegenstehen. Diesen Behinderungen hat der Beklagte durch die Zuerkennung der Merkzeichen "G", "B" und "aG" Rechnung getragen. Soweit Dr. C. in seinem Befundbericht vom 22.06.2009 weiter eine soziale Isolierung mit depressiver Entwicklung und verstärktem sozialen Rückzug ohne soziales Netz der Klägerin nennt, ist nicht ersichtlich, dass der Klägerin deswegen der Besuch von Veranstaltungen unmöglich ist. Entsprechendes gilt hinsichtlich der schmerzhaften Trigeminusneuralgie der Klägerin.

Soweit die Klägerin sich in ihrer Widerspruchsbegründung (Schreiben vom 28.09.2009) auf eine Inkontinenz berufen hat, hat Dr. C. in seinem Befundbericht vom 22.06.2009 eine solche Inkontinenz nicht diagnostiziert. Zwar nennt Dr. B. in ihrem Arztschreiben vom 28.09.2009 die Notwendigkeit häufiger Toilettenbesuches. Dass diese Angabe auf eigenen Untersuchungsbefunden beruht, lässt sich dem Arztbrief jedoch nicht entnehmen. Zudem hat Dr. B. in den Arztbriefen vom 22.11.2009 und 16.11.2010 eine bestehende Inkontinenz der Klägerin nicht genannt, weshalb davon auszugehen ist, dass bei der Klägerin eine relevante Inkontinenz nicht besteht. Unabhängig davon rechtfertigt das Vorliegen einer Inkontinenz nicht schon die Zuerkennung des Merkzeichens "RF". Die Klägerin kann vielmehr einer durch unwillkürlichen Stuhl- und Urinabgang auftretenden Belästigung durch Nutzung von Inkontinenzartikeln zumutbar entgegen wirken (vgl. Urteil des Senats vom 09.05.2011 - L 8 SB 2294/10 -, juris, sozialgerichtsbarkeit.de). Das Tragen von Einlagen oder Windelhosen ist der Klägerin auch zumutbar; insbesondere wird sie dadurch nicht in ihrem - grundgesetzlich - geschützten Rechten verletzt. Dass der Klägerin eine Versorgung mit Inkontinenzartikel nicht möglich ist, lässt sich den zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen nicht entnehmen, weshalb auch deshalb nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Klägerin wegen einer Inkontinenz allgemein und umfassend vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen ausgeschlossen ist.

Auch die von Dr. B. in ihrem Arztbrief vom 16.11.2010 genannten nervösen Unruhezustände (nicht ruhig sitzen können) sowie beim Sitzen (nach einer Weile) auftretenden Muskelkrämpfe und Zittern am ganzen Körper begründen keinen Anspruch der Klägerin auf die Zuerkennung des Merkzeichens "RF". Zum einen lässt sich dem - ausführlichen - Arztbrief nicht entnehmen, dass diese genannten Beeinträchtigungen durch (fach)ärztliche Untersuchungen gesichert sind. Unabhängig davon erfüllen nervöse Unruhezustände die oben dargestellten rechtlichen Vorgaben für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" nicht. Den von Dr. B. genannten beim Sitzen (nach einer Weile) auftretenden Beeinträchtigungen kann durch eine wechselnde Körperhaltung (Sitzen/Stehen) vorgebeugt (entgegen gewirkt) werden. Zwar ist die Klägerin dadurch vom Besuch einer gewissen Anzahl von Veranstaltungen ausgeschlossen (z.B. Besuch bestuhlter Veranstaltungen in geschlossenen Räumen). Es verbleibt jedoch eine genügende Anzahl von Veranstaltungen, bei denen eine wechselnde Körperhaltung möglich ist und die nicht als störend empfunden wird. Dem steht nicht entgegen, dass nach den weiteren Angaben von Frau B. der Klägerin Menschenansammlungen große Probleme bereiteten sowie der von ihr geschilderte Tagesablauf. Dadurch wird die Möglichkeit der Klägerin hauptsächlich zum Besuch von "Großveranstaltungen" eingeengt. Trotzdem verbleibt eine hinreichende Anzahl von Veranstaltungen tagsüber und ohne Menschenansammlungen, deren Besuch der Klägerin zumutbar möglich ist (z.B. der Besuch von Sportveranstaltungen, Veranstaltungen im Freien, Museen, Zoo, künstlerische Ausstellungen etc.). Die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" lässt sich rechtlich auch nicht damit begründen, dass eine Gebührenbefreiung die Klägerin in finanzieller Hinsicht entlaste, worauf Dr. B. in ihrem Arztbrief vom 16.11.2010 außerdem abstellt. Soweit sich die Klägerin zudem auf ihre chronische beidseitige Trigeminusneuralgie beruft, die sich durch einschießende Schmerzen begleitet von unwillkürliche Körper- und Gesichtsbewegungen sowie Hilferufen auszeichne, wird dieses Vorbringen durch die zu den Akten gelangten ärztlichen Unterlagen nicht bestätigt. Durch dieses Vorbringen sowie die von der Klägerin geltend gemachte, jedoch ärztlich nicht bestätigte Inkontinenz drängt sich der Eindruck auf, dass die Klägerin ihr Vorbringen variiert, um einem nicht berechtigten Begehren zum Erfolg zu verhelfen.

Die Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs "RF" liegen demnach bei der Klägerin nicht vor.

Der abweichenden Ansicht von Dr. B. sowie Dr. C., die übereinstimmend davon ausgehen, dass die Klägerin nicht in der Lage sei, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, kann nicht gefolgt werden. Den Angaben von Dr. B. in ihrem Arztbrief vom 16.11.2010 zum Tagesablauf lässt sich entnehmen, dass die Klägerin nicht an das Haus gebunden ist. Auch Dr. C. hat nicht dargetan, dass die Klägerin an das Haus gebunden ist. Die Ansicht von Dr. B. und Dr. C. wird den genannten rechtlichen Vorgaben für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" nicht gerecht, wie aus dem oben Ausgeführten folgt, weshalb sich der Senat Dr. B. und Dr. C. nicht anzuschließen vermag.

Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Senat hält den maßgeblichen Sachverhalt durch die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen für aufgeklärt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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