L 8 SB 4292/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 SB 5576/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4292/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17. August 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob beim Kläger die Schwerbehinderteneigenschaft bereits ab 31.03.2007 statt ab 01.08.2007 vorlag.

Der 1944 geborene Kläger stellte am 22.10.2003 einen Erstantrag nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) und gab hierbei an, der rechte Arm sei durch einen Arbeitsunfall geschädigt und außerdem liege bei ihm ein Knieschaden rechts vor. Der Kläger legte hierzu den Bescheid der BG-Chemie vom 10.09.2003 sowie das Gutachten des Prof. Dr. S. vom 22.07.2003 vor, das dieser für die BG-Chemie erstattet hatte. Danach gewährt die BG-Chemie dem Kläger für die Zeit ab 03.12.2001 Rente als vorläufige Entschädigung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 25 v.H. Als Folgen des Arbeitsunfalles wurden an der rechten Schulter anerkannt: Rotatorenmanschettenruptur im Bereich der Supraspinatussehne mit nachfolgender Entzündungsreaktion im Sinne einer Bursitis subacromialis bei schmerzhafter Einschränkung der Beweglichkeit im Schultergelenk. Nicht als Folgen des Arbeitsunfalles wurden an der rechten Schulter anerkannt: Degenerative Veränderungen im Bereich des Schultergelenkes mit knöchernen Anbauten an der Schulterhöhe sowie großer zipflig ausgezogener Knochenneubildung am Unterrand der Gelenkpfanne, unregelmäßig konturierte Gelenkflächen sowie Verschmälerung des Schultergelenkspaltes, anlagebedingte Veränderungen der Wirbelsäule.

Mit Bescheid vom 15.12.2003 stellte das Versorgungsamt F. den Grad der Behinderung (GdB) mit 30 seit 20.11.2001 fest. Das BG-Leiden sowie die Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks sei mit dem festgestellten GdB angemessen bewertet. Die vom Kläger geltend gemachte Gesundheitsstörung "Knieschaden rechts" bedinge keine Funktionsbeeinträchtigung bzw. keinen Einzel-GdB von wenigstens 10 und stelle deshalb keine Behinderung im Sinne des SGB IX dar.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und fügte ihm das ärztliche Attest des Arztes für Orthopädie J. B. vom 04.02.2004 bei. Die versorgungsärztliche Auswertung ergab, dass beim Kläger eine Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenkes mit einem Einzel-GdB von 10 vorliege. Der Gesamt-GdB-Grad erhöhe sich dadurch aber nicht. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.2004 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen.

Dagegen erhob der Bevollmächtigte des Klägers Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG, S 5 SB 1884/04) mit dem Begehren, beim Kläger einen GdB von 50 anzuerkennen. Nach versorgungsärztlicher Auswertung weiterer BG-Gutachten unterbreitete der Beklagte dem Kläger das Vergleichsangebot vom 21.10.2005, wonach er sich bereit erklärte, den GdB mit 40 ab 01.08.2004 festzustellen. Zur Begründung ist in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 18.10.2005 ausgeführt, unter Berücksichtigung der unfallunabhängigen degenerativen Veränderung des rechten Schultergelenkes und unter Beachtung der Anhaltspunkte sei maximal ein GdB von 40 für das rechte Schultergelenk ab 01.08.2004 vertretbar. Ein GdB von 50 für die Funktionsbeeinträchtigung des rechten Schultergelenkes sei nicht vertretbar, da ein GdB von 50 vergleichsweise bei Verlust eines Armes im Unterarm anzusetzen sei und ein solches Ausmaß der Behinderung beim Kläger nicht vorliege. Die Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenkes mit einem Teil-GdB von 10 wirke sich nicht erhöhend auf den Gesamt-GdB aus. Der Kläger nahm das Vergleichsangebot des Beklagten vom 21.10.2005 nicht an, da seines Erachtens der GdB von 40 schon zu einem früheren Zeitpunkt festzustellen sei. Nach weiterer Ermittlung unterbreitete der Beklagte dem Kläger das Vergleichsangebot vom 14.02.2006, wonach er sich bereit erklärte, den GdB von 40 ab 23.01.2003 festzustellen. Mit Schriftsatz des Bevollmächtigten des Klägers vom 17.03.2006 wurde das Vergleichsangebot des Beklagten vom 14.02.2006 angenommen.

Mit Ausführungsbescheid vom 21.04.2006 wurde der GdB mit 40 seit 23.01.2003 festgestellt.

Am 24.05.2006 stellte der Kläger einen Verschlimmerungsantrag und fügte ihm den Arztbericht des Dr. H. - Facharzt für Orthopädie - vom 07.03.2006 bei. Die versorgungsmedizinische Auswertung ergab, dass beim Kläger nunmehr auch eine Funktionsbehinderung am linken Schultergelenk vorliege; sie verursache einen Teil-GdB von 10.

Mit Bescheid vom 14.06.2006 lehnte das Landratsamt E. - Kreissozialamt, Schwerbehindertenrecht - (VA) den Antrag auf Neufeststellung des Grades der Behinderung ab, da eine wesentliche Änderung nicht eingetreten sei. Der Gesamt-GdB betrage nach wie vor 40.

Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Bevollmächtigte des Klägers geltend, nach den für die Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks erhobenen Befunden sei hierfür ein Teil-GdB von 20 anzusetzen, was insgesamt zu einem GdB von 50 führe.

In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 08.09.2006 wurde darauf hingewiesen, der von Dr. H. mit Bericht vom 07.03.2006 beschriebene Befund stelle einen "Augenblicksbefund" vor Beginn der üblichen konservativen Therapie dar. Da aber auch vier Monate nach der Erstkonsultation des Orthopäden kein weiterer Kontakt stattgefunden habe, sei davon auszugehen, dass es in der Zwischenzeit zu der unter Therapie zu erwartenden Besserung gekommen sei. Ein Teil-GdB von 20 könne bei fehlendem Nachweis einer dauerhaften Funktionsbehinderung im entsprechenden Ausmaß nicht empfohlen werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.10.2006 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen.

Dagegen erhob der Kläger Klage zum SG (S 5 SB 5576/06) mit dem Begehren, den GdB mit mindestens 50 anzuerkennen. Zur Begründung machte er geltend, die Beschwerden in der linken Schulter hätten sich verschlechtert. Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 23.06.2008 machte der Kläger eine deutliche Verschlechterung an der rechten Schulter geltend. Mit Schriftsatz vom 24.09.2008 an das VA stellte der Prozessbevollmächtigte des Klägers außerdem einen Verschlimmerungsantrag. Mit Beschluss vom 20.04.2009 setzte das SG den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des Beklagten über den Neufeststellungsantrag vom 24.09.2008 aus. Auf den Neufeststellungsantrag legte der Kläger das Attest des Dr. P. - Facharzt für Orthopädie - vom 12.01.2009 vor. Dr. B. - Facharzt für Neurochirurgie - erstattete dem VA den Befundbericht vom 06.07.2009, der unter Berücksichtigung weiterer Arztberichte versorgungsärztlich ausgewertet wurde. Danach wurde als weitere Funktionseinschränkung "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule" mit einem Teil-GdB von 20 bewertet. Der Gesamt-GdB wurde mit 50 beurteilt.

Mit Bescheid vom 22.07.2009 hob das VA den Bescheid vom 21.04.2006 auf und stellte den GdB mit 50 seit 24.09.2008 fest. Zur Begründung ist ausgeführt, eine wesentliche Änderung der Verhältnisse sei insoweit eingetreten, als sich der Gesundheitszustand des Klägers wesentlich verschlechtert habe. Hinzugetreten sei eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden sowie degenerative Veränderungen der Wirbelsäule. Die beginnende Coxarthrose bedinge keine Funktionsbeeinträchtigung bzw. keinen Einzel-GdB von wenigstens 10. Die Schwerbehinderteneigenschaft liege seit 24.09.2008 (Stellung des Verschlimmerungsantrages) vor. Dem Bescheid ist die Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt, dass gegen diesen Bescheid Widerspruch erhoben werden könne. Der Kläger erhob am 10.08.2009 Widerspruch und beantragte die Feststellung des Nachteilsausgleiches "G" (erhebliche Gehbehinderung). Eine Entscheidung über den Widerspruch ist nicht ergangen.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 26.11.2009 wies das SG im Verfahren S 5 SB 5576/06 darauf hin, dass der Bescheid vom 22.07.2009 entgegen seiner Rechtsbehelfsbelehrung nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens geworden sei.

Mit Schriftsatz vom 24.11.2009 machte der Bevollmächtigte des Klägers geltend, die Schwerbehinderteneigenschaft sei beim Kläger mit dem Bescheid vom 22.07.2009 ab 24.09.2008 festgestellt worden. Der Kläger habe seine Rente aber deutlich vor dem 24.09.2008 mit einem Abschlag bezogen, weshalb dieser Schwerbehindertenbescheid nicht sonderlich weiterhelfe.

Am 04.02.2010 unterbreitete der Beklagte dem Kläger ein Vergleichsangebot dahingehend, den GdB mit 50 bereits ab August 2007 festzustellen. Aufgrund der vorliegenden Arztunterlagen könne davon ausgegangen werden, dass die neuen Funktionsbeeinträchtigungen (Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule), die mit einem Teil-GdB von 20 bewertet worden seien und die zur Erhöhung des Gesamt-GdB‘s von 40 auf 50 geführt hätten, ab August 2007 vorgelegen hätten. Da sich der Bevollmächtigte des Klägers zum Vergleichsangebot des Beklagten vom 04.02.2010 trotz mehrfacher gerichtlicher Mahnungen nicht äußerte, setzte das SG die mündliche Verhandlung auf den 17.08.2010 fest. In diesem Termin beantragte der Bevollmächtigte des Klägers, den GdB von mindestens 50 bereits ab spätestens 31.03.2007 beim Kläger festzustellen.

Mit Urteil vom 17.08.2010 verurteilte das SG den Beklagten, beim Kläger einen GdB von 50 bereits ab 01.08.2007 festzustellen; im Übrigen wies es die Klage ab. Auf die Entscheidungsgründe des dem Bevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 03.09.2010 zugestellten Urteils wird Bezug genommen.

Dagegen hat der Bevollmächtigte des Klägers am 09.09.2010 Berufung eingelegt. Er verfolgt das Begehren des Klägers weiter und trägt zur Begründung vor, im Wesentlichen gehe es für den Kläger "im Hintergrund um die versicherungsmathematischen Abschläge in der gesetzlichen Rentenversicherung". Als Inhaber eines Rentenbescheides, der bisher nicht bindend geworden sei, bestehe hier noch die Möglichkeit, nach wie vor einen entsprechenden Wechsel vorzunehmen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17. August 2010 abzuändern, den Bescheid des Beklagten vom 14. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2006 sowie den Bescheid vom 22. Juli 2009 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm einen GdB von mindestens 50 bereits ab spätestens 31.März 2007 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, das Urteil entspreche dem Vergleichsangebot vom 04.02.2010. Darin hätten sie angeboten, den GdB mit 50 ab August 2007 festzustellen, was gestützt werde auf den Befundbericht des Dr. K. vom 28.08.2007, in dem ein kleiner Bandscheibenvorfall der unteren Lendenwirbelsäule diagnostiziert worden sei. Aufgrund dessen sei davon auszugehen, dass etwa ab August 2007 eine deutliche Funktionsbeeinträchtigung mit einem Teil-GdB von 20 vorliege, welche in der Gesamtschau einen Gesamt-GdB von 50 begründe.

Aus dem Rentenbescheid vom 23.01.2007 ergibt sich, dass der Kläger auf seinen Antrag vom 02.01.2007 ab 01.04.2007 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit bezieht.

Mit gerichtlicher Verfügung vom 02.11.2010 ist dem Kläger aufgegeben worden mitzuteilen, bei welchen Ärzten und wegen welcher Beschwerden er in dem Zeitraum von Oktober 2006 bis 31. März 2007 in Behandlung gewesen ist, damit gegebenenfalls Befundberichte eingeholt werden könnten. Unter Hinweis auf § 106a SGG hat der Bevollmächtigte des Klägers Frist bis zum 20.10.2011 erhalten, die gerichtliche Anfrage vom 02.11.2010 zu beantworten. Mit Schriftsätzen vom 20.10.2011 und 26.01.2012 hat sich der Klägerbevollmächtigte geäußert.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten des SG Freiburg und der Senatsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Trotz Ausbleibens des Klägers und seines Bevollmächtigten im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Senat verhandeln und entscheiden können, denn der ordnungsgemäß geladene Klägerbevollmächtigte ist in der Terminsladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der Senat war auch nicht gehalten, den Termin, wie vom Klägerbevollmächtigten in seinem Schriftsatz vom 26.01.2012 beantragt, zu verlegen. Zwar hat der Klägerbevollmächtigte auf Anfrage in der Terminsladung am 26.01.2012 sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt, er konnte aber gleichwohl nicht zwingend davon ausgehen, dass der Termin aufgehoben wird. Er hat im Schriftsatz vom 26.01.2012 unter Vorlage bisher nicht aktenkundiger Dokumente (Urteil des Landgerichts Freiburg vom 03.05.2005 und Gutachten von Prof. Dr. W. vom 26.05.2004) zur Sache vorgetragen, weshalb das bereits vom Beklagten erklärte Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch die eingetretene neue Prozesslage überholt war und dem Beklagten Gelegenheit gegeben werden musste, sich zum neuen Vorbringen zu äußern. Dem einen Tag vor der mündlichen Verhandlung gestellten Verlegungsantrag des Klägers, wobei einer früheren Antragstellung entgegenstehende Gründe nicht dargelegt worden sind, war daher nicht stattzugeben, was dem Büro des Klägerbevollmächtigten bei der gebotenen Eilbedürftigkeit telefonisch mitgeteilt worden war. Eine - formale - Terminsaufhebung war dem Klägerbevollmächtigte auch nicht vor dem Termin zugegangen. Er hat nicht von einer Terminsaufhebung ausgehen können.

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Das Urteil des SG vom 17.08.2010, mit dem festgestellt worden ist, dass der GdB von 50 beim Kläger ab 01.08.2007 besteht und mit dem die Klage auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft für die Zeit ab 31.03.2007 abgewiesen worden ist, ist rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen - welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören - zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustandes mit dem bindend festgestellten - früheren - Behinderungszustand ermittelt werden. Dies ist vorliegend der mit Ausführungsbescheid vom 21.04.2006 mit einem GdB von 40 bewertete Behinderungszustand.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (vgl. Art. 63, 68 des Gesetzes vom 19.06.2001 BGBl. I S. 1046). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).

Das SG hat in rechtlich zutreffender Anwendung dieser Vorschriften und Rechtsgrundsätze den Anspruch des Klägers, den GdB von 50 zu einem früheren Zeitpunkt festzustellen, in nicht zu beanstandender Form verneint. Der Senat ist nach eigener Überprüfung zum gleichen Ergebnis gelangt und nimmt daher zur Begründung seiner Entscheidung auf das angefochtene Urteil des Sozialgerichts gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug.

Das Berufungsvorbringen des Klägers führt zu keiner anderen Beurteilung. Die zuletzt mit Schriftsatz vom 26.01.2012 vorgelegten Dokumente betreffen die Schultergelenkserkrankung, deren Teil-GdB mit 40 ab 23.01.2003 zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Anhaltspunkte für eine höhere Bewertung ab dem streitigen Zeitpunkt 31.03.2007 sind nach den aktenkundigen medizinischen Unterlagen, wie oben ausgeführt, nicht ersichtlich. Solche sind auch dem zuletzt vorgelegten Gutachten von Prof. Dr. W. vom 26.05.2004 nicht zu entnehmen und werden vom Klägerbevollmächtigten auch nicht ansatzweise ausgeführt.

Grund für die Anhebung des GdB von 40 auf 50 sind die neu hinzu gekommenen Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der Wirbelsäule gewesen. Der Kläger hat diese Beeinträchtigungen im Bereich der Wirbelsäule erstmals mit seinem Neufeststellungsantrag vom 24.09.2008 geltend gemacht, und Dr. K. - Arzt für Radiologie - hat in seinem Bericht vom 28.08.2007 als Hauptdiagnosen einen kleineren foraminalen Prolaps rechts im Segment L4/L5 mit Kompression von L4 rechts aufgeführt. Ob dieser von Dr. K. im August 2007 erstmals festgestellte "kleinere" Prolaps rechts auf Dauer Beschwerden und Funktionsbehinderungen verursacht hat, ist nicht belegt, weshalb es nach Auffassung des Senats schon zweifelhaft ist, ob überhaupt eine Funktionsbehinderung von Dauer allein durch diesen röntgenologischen Befund als nachgewiesen angesehen werden kann. Der Beklagte hat hier jedoch zugunsten des Klägers unterstellt, dass dieser Prolaps rechts zu einer dauerhaften Funktionsbeeinträchtigung geführt hat. Da dieser Prolaps allerdings erstmals am 28.08.2007 festgestellt worden ist, ist es auch gerechtfertigt, den hierdurch verursachten Teil-GdB von 20, was zur Anhebung des Gesamt-GdB von 40 auf 50 geführt hat, frühestens ab 01.08.2007 festzustellen. Soweit der Kläger geltend macht, dies müsse auch für die Zeit davor ab 31.03.2007 gelten, ist dies rechtlich nicht möglich, da für den streitigen Zeitraum vom 31.03.2007 bis 31.07.2007 nicht nachgewiesen ist, dass dieser Prolaps mit den einen GdB 20 begründenden entsprechenden Funktionsbeeinträchtigungen auch in diesem Zeitraum schon vorgelegen hat. Arztberichte aus dem hier streitigen Zeitraum vom 21.06.2006 (Zeitpunkt des Ausführungsbescheides mit einem GdB von 40) bis zum 31.07.2007 sind vom Kläger nicht eingereicht worden und es liegen auch keine in den Akten vor; ebenso wenig gibt es Arztberichte, die für den o.a. streitigen Zeitraum Befunde beschreiben. Schließlich hat der Kläger die Anfrage des Senats vom 02.11.2010, bei welchen Ärzten er in dem Zeitraum von Oktober 2006 bis 31.März 2007 in Behandlung gewesen ist, nicht substantiiert beantwortet. Die im Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 20.10.2011 angegebenen Ärzte haben nach ihren aktenkundigen Äußerungen den Kläger nicht im maßgebenden Zeitraum ab Oktober 2006 bis März 2007 bzw. vor August 2007 wegen entscheidungserheblichen Wirbelsäulenbeschwerden behandelt. Der Kläger wurde von Dr. P. erstmals im August 2008 wegen Schulterbeschwerden (Attest Dr. P. vom 12.01.2009), von Dr. B. im Jahr 2006 einmal und 2007 überhaupt nicht (Befundschein von Dr. B. vom 06.07.2009), von Dr. H. nur am 06.03.2006 wegen Schulterbeschwerden (Arztbriefe von Dr. H. vom 07.03.2006 und 09.04.2008) behandelt und von Dr. K. als Radiologe nur untersucht - am 28.08.2007 (Befundbericht von Dr. K. vom gleichen Tag) -, nicht aber behandelt. Die mit Rücksicht auf diese Aktenlage ergangene richterliche Anfrage nach den im genannten Zeitraum erfolgten Behandlungen, insbesondere die Wirbelsäule betreffend, ist mit dem pauschalen Hinweis des Klägerbevollmächtigten auf diese Ärzte bzw. zuletzt mit Schriftsatz vom 26.01.2012 beschränkt auf Dr. B. nicht ausreichend beantwortet.

Der Klägerbevollmächtigte hat insbesondere nicht dargelegt, weshalb, wie von ihm zuletzt wohl nur noch beantragt, der bereits vom Beklagten zu diesem Beweisthema gehörte Dr. B. noch einmal wiederholend befragt werden soll. Vielmehr lässt das Vorbringen des Klägerbevollmächtigten hierzu erkennen, dass über die bereits aktenkundigen medizinischen Befunde hinaus keine weiteren Tatsachen vorgetragen und unter Beweis gestellt werden können, wenn der Klägerbevollmächtigte die richterliche Anfrage für überflüssig und als Beschäftigungstherapie für sein Sekretariat erachtet, weil er nur die in den beigezogenen und angefallenen Akten genannten Ärzte benennen könne. Dr. B. bezeichnete darüber hinaus die Lumboischialgie als passagere Erkrankung, was für eine mittelgradige Wirbelsäulenerkrankung mit einem GdB von 20 nicht ohne weiteres ausreicht und bezieht sich auf beigefügte Arztbriefe, die nur Befunderhebungen außerhalb des maßgebenden Zeitraums betreffen. Zu weiteren Ermittlungen sah sich der Senat somit nicht veranlasst, denn erfolgversprechende Ermittlungsansätze haben sich nicht aufgedrängt. Weitere Ermittlungen waren dem Senat mangels konkreter Angaben des Klägers auch nicht möglich.

Nach alledem konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben und sie war mit der Kostenentscheidung aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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