S 10 KR 170/11

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 KR 170/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 41/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei einem Schreiben einer Krankenkasse, mit dem diese einem Versicherten die Teilnahme an einer hausarztzentrierten Versorgung bestätigt, handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt. Dieser ist bei Beendigung des zugrundeliegenden, zwischen Leistungserbringern und der Krankenkasse bestehenden Vertrags über eine hausarztzentrierte Versorgung nach § 48 Abs. 1 SGB X wegen wesentlicher Änderung von tatsächlichen Verhältnissen aufzuheben. Der Versicherte kann ab wirksamkeit der Aufhebung keine Rechte mehr aus der hausarztzentrierten Versorgung ableiten.
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 31. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2011 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin auch nach Kündigung des mit dem Bayerischen Hausärzteverband e.V. geschlossenen Hausarztvertrages durch die Beklagte Anspruch auf Leistungen der hausarztzentrierten Versorgung hat.

Die bei der Beklagten versicherte Klägerin nahm seit Oktober 2009 an der von der Beklagten angebotenen hausarztzentrierten Versorgung teil. Dies wurde ihr von der Beklagten mit Bescheid vom 30.09.2009 bestätigt. Es wurde ausgeführt, dass sich die Praxisgebühr aufgrund der Teilnahme auf jährlich 10,00 EUR verringere. Die Praxisgebühr sei immer im 1. Quartal des Teilnahmejahres fällig und die folgenden 3 Quartale seien dann frei. Die Befreiung gelte nur für die Dauer der Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung.

Die von der Beklagten angebotene hausarztzentrierte Versorgung beruhte auf einem von der Beklagten mit dem Bayerischen Hausärzteverband geschlossenen Vertrag über eine hausarztzentrierte Versorgung. Als Vorteile für die teilnehmenden Versicherten war ein jährlicher Gesundheitscheck ab dem 35. Geburtstag, eine jährliche Vorsorgeuntersuchung Hautkrebs, eine jährliche Ultraschalluntersuchung zur Vorsorge und zusätzliche Laboruntersuchungen vereinbart. Der Vertrag über die hausarztzentrierte Versorgung wurde von der Beklagten zum Jahresende 2010 außerordentlich gekündigt. Die Beklagte informierte die Klägerin mit Bescheid vom 21.01.2011 darüber, dass mit der Kündigung des Hausarztvertrages auch die Teilnahme der Klägerin am Hausarzttarif ende. Der Befreiungsausweis von der Praxisgebühr verliere ab 2011 seine Gültigkeit.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Eine Beendigung der Teilnahme am Hausarztvertrag sei nach § 19c Abs. 5 der Satzung der Beklagten nur möglich, wenn die Klägerin die Pflichten nach § 19c Abs. 3 und 4 der Satzung der Beklagten nicht beachtet habe. Eine andere Kündigung sei nicht möglich. Es werde auf den vertraglich festgelegten Vorteilen des Vertrags, den Erlass der Praxisgebühr und den jährlichen Gesundheitscheck mit Ultraschallvorsorge bestanden. Die Praxisgebühr von 10,00 EUR für das Jahr 2011 sei bereits erhoben und bislang nicht zurückerstattet worden. Die Beklagte sei nach § 73b Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) verpflichtet, ihren Versicherten einen Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung anzubieten. Es gebe keinen Zusammenhang zwischen einem Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und Hausärzten einerseits sowie zwischen der Versicherten und der Beklagten andererseits.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 19.05.2011 zurückgewiesen. Bestehe ein Vertrag mit einem Leistungserbringer nicht mehr, so könnten Versicherte auch keine Leistungen aus diesem Vertrag mehr beanspruchen. Der Hausarztvertrag sei durch außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund beendet worden und daher nicht mehr existent. Die Kündigung sei zu Recht erfolgt, was durch das Sozialgericht München und das Bayerische Landessozialgericht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes festgestellt worden sei. Ein Hauptsacheverfahren sei nicht mehr durchgeführt worden. Der Bayerische Hausärzteverband habe sich gravierend vertragswidrig verhalten, weshalb eine Fortführung des Hausarztvertrages für die Beklagte nicht zumutbar gewesen sei. Damit sei auch eine Teilnahme der Klägerin an der hausarztzentrierten Versorgung nicht mehr möglich und die Teilnahme habe beendet werden müssen. Dabei habe das Bestätigungsschreiben bezüglich der Teilnahme am Hausarzttarif als begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) aufgehoben werden können. Die wirksame Kündigung des Hausarztvertrages habe eine wesentliche Änderung bewirkt. Die in § 19c Abs. 5 der Satzung geregelte Kündigungsmöglichkeit der Beklagten bei Verstößen des Versicherten bedeute nicht, dass andere Beendigungstatbestände ausscheiden würden. § 73b SGB V und die Satzung der Beklagten würden keine leistungsrechtliche Anspruchsgrundlage für Versicherte enthalten. Die Beklagte verwies auf im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangene Entscheidungen der Sozialgerichte Nürnberg und Würzburg sowie des Bayerischen Landessozialgerichts.

Hiergegen richtet sich die vorliegende, am 26.05.2011 erhobene Klage. Die Klägerin habe weiterhin Anspruch auf Leistungen der hausarztzentrierten Versorgung. Die Leistungsansprüche von Versicherten, die an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmen, würden durch §§ 20 ff. SGB V begründet und durch entsprechende Verträge zwischen den Krankenkassen und Arztverbänden konkretisiert. Bei der Bestätigung über die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung handle es sich nicht um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, da es sich um ein bloßes Informationsschreiben handele und keine zeitlich andauernde Begünstigung bewirkt worden sei. Der zwischen dem Bayerischen Hausärzteverband und der Beklagten geschlossene Hausarztvertrag habe lediglich die Leistungen inhaltlich ausgestaltet. Der Wegfall des Vertrages habe keine Relevanz gegenüber der Klägerin. Eine wesentliche Veränderungen der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, liege nicht vor. Selbst wenn die Klägerin keinen Anspruch mehr auf Leistungen aus dem zwischen der Beklagten und dem Bayerischen Hausärzteverband geschlossenen Hausarztvertrag habe, so bestehe ein Anspruch auf hausarztzentrierten Versorgung mit diesem Inhalt. Die Beklagte sei nach § 73 b SGB V i.V.m. ihrer Satzung verpflichtet, ihren Versicherten einen Vertrag über eine hausarztzentrierte Versorgung anzubieten. Nach § 53 Abs. 3 SGB V in Verbindung mit § 19 Abs. 13 der Satzung der Beklagten habe die Klägerin weiterhin Anspruch auf Ermäßigung der Praxisgebühr. Die Praxisgebühr für das Hausarztmodell für den Zeitraum 01.10.2010 bis 30.09.2011 sei von der Beklagten im November 2010 bereits eingezogen und bislang nicht zurückerstattet worden.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass Versicherte die im Hausarztvertrag vereinbarten Leistungen nicht aus den §§ 20 ff. SGB V beanspruchen könnten. Auch direkt aus § 73b
SGB V könnten Leistungen des Hausarztvertrages nicht beansprucht werden. Es handle sich um eine Vorschrift des Leistungserbringerrechts, die keine leistungsrechtliche Anspruchsgrundlage für Versicherte bilde. Nach § 73b Abs. 5 SGB V bleibe die Festlegung der Inhalte und die genaue Ausgestaltung des Hausarztvertrages den Vertragsparteien überlassen. Ohne den Hausarztvertrag sei die besondere hausarztzentrierte Versorgung, wie sie in § 73b SGB V normiert sei, nur eine leere Hülle, aus der keine leistungsrechtlichen Ansprüche hergeleitet werden könnten. Auch die Satzungsregelung in § 19c der Satzung der Beklagten habe keine konstitutive Wirkung. Hierfür gebe es bereits keine Ermächtigungsgrundlage im SGB V. § 73b Abs. 3 Satz 4 SGB V ermächtige die Krankenkassen lediglich dazu, die Durchführung der Teilnahme der Versicherten in ihren Satzungen zu regeln. Hinsichtlich der Praxisgebühr ergebe sich bereits aus dem Bestätigungsschreiben vom 23.09.2009, dass die Befreiung nur für die Dauer der Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung gelte. Der Einzug der Gebühr im November 2010 sei zu Recht erfolgt, da der letzte Befreiungszeitraum zum 30.09.2010 geendet habe. Die Teilnahme am Hausarzttarif sei anschließend im 4. Quartal 2010 fortgesetzt worden. Die Rückerstattung der Praxisgebühr erfolge lediglich in den Fällen, in welchen der Befreiungszeitraum erst mit dem 01.01.2011 begonnen habe, so dass die betreffenden Versicherten keine Möglichkeit mehr hatten, Leistungen aus dem Hausarztvertrag zu erhalten. Die Klägerin habe im Jahr 2010 noch die Möglichkeit gehabt, vom bestehenden Hausarztvertrag zu profitieren, so dass der Einzug der Praxisgebühr in Höhe von 10,00 EUR gerechtfertigt gewesen sei.

Der Klägerbevollmächtigte beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 31.01.2011 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 19.05.2011 aufzuheben und die
Beklagte zu verurteilen, der Klägerin weiterhin Leistungen zu
gewähren, die sich gründen auf die Teilnahmeerklärung der
Klägerin an einer hausarztzentrierten Versorgung, wie sie von
der Beklagten der Klägerin gegenüber angeboten worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestands auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zum sachlich und örtlich zuständigen Sozialgericht Augsburg form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 31.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.05.2011, mit dem diese den Bescheid vom 30.09.2009 über die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung aufgehoben hat, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte war verpflichtet, den Bescheid vom 30.09.2009 mit Wirkung für die Zukunft nach § 48 Abs. 1 SGB X aufzuheben. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.

Bei dem Schreiben der Beklagten vom 30.09.2009, mit dem der Klägerin ihre Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung bestätigt wurde, handelt es sich um einen Verwaltungsakt. Nach § 31 SGB X ist unter einem Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkungen nach außen gerichtet ist, zu verstehen. Unstreitig handelt es sich bei dem Bestätigungsschreiben um eine hoheitliche Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts in einem Einzelfall und mit Außenwirkung. Das Bestätigungsschreiben vom 30.09.2009 beinhaltet auch eine Regelung. Es handelt sich nicht um schlicht hoheitliches Handeln. Denn mit dem Schreiben wurde unmittelbar die Herbeiführung einer Rechtsfolge, die Teilnahme am Hausarzttarif mit den damit verbundenen Vorteilen, insbesondere der Verringerung der Praxisgebühr, bezweckt und nicht nur eine Auskunft an die Klägerin erteilt.

Der Verwaltungsakt vom 30.09.2009 hatte auch Dauerwirkung. Ein Dauerverwaltungsakt liegt dann vor, wenn sich der Verwaltungsakt nicht in einem einmaligen Ge- oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern ein auf Dauer berechnetes oder in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründet und inhaltlich verändert (Bundestags-Drucksache 8/2034, S. 34). Ausreichend ist, wenn der Verwaltungsakt in rechtlicher Hinsicht über den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe bzw. Bindungswirkung hinaus Wirkungen zeitigt (Bundessozialgericht vom 16.02.1984, Az.: 1 RA 15/83). Mit dem Bescheid vom 30.09.2009 über die Feststellung der Mitgliedschaft in der hausarztzentrierten Versorgung und die Gewährung von Leistungen der hausarztzentrierten Versorgung wurde zukunftsorientiert ausgesprochen, dass die Klägerin für die Zukunft an der hausarztzentrierten Versorgung teilnimmt, wodurch er in rechtlicher Hinsicht fortdauernde Wirkung zeitigte.

Die tatsächlichen Verhältnisse, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vom 30.09.2009 vorlagen, haben sich durch die rechtskräftige Kündigung des Vertrages über eine hausarztzentrierte Versorgung zwischen der Beklagten und dem Bayerischen Hausärzteverband zum Ende des Jahres 2010 wesentlich geändert. Eine wesentliche Änderung von tatsächlichen Verhältnissen kann dann angenommen werden, wenn die Änderung zur Folge hat, dass die Behörde den Verwaltungsakt unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen nicht hätte erlassen dürfen (Bundessozialgericht vom 09.06.1988, Az.:
4/1 RA 57/87). Vorliegend war der zwischen dem Bayerischen Hausärzteverband und der Beklagten geschlossene Vertrag über eine hausarztzentrierte Versorgung in tatsächlicher Hinsicht Grundlage für den Erlass des Bescheides vom 30.09.2009. Denn eine Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ist nur beim Bestehen eines entsprechenden Vertrages der Beklagten mit Leistungserbringern der hausarztzentrierten Versorgung möglich. Mit der rechtskräftigen außerordentlichen Kündigung des mit dem bayerischen Haus- ärzteverband bestehenden Vertrages über eine hausarztzentrierte Versorgung ist die tatsächliche Grundlage für die Teilnahme der Klägerin an der hausarztzentrierten Versorgung entfallen. Die Beklagte hätte den Bescheid über die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung nach Kündigung des Hausarztvertrages nicht mehr erlassen dürfen, da der Bescheid auf etwas Unmögliches gerichtet gewesen wäre. Zudem war die Beklagte ohne einen Vertrag über eine hausarztzentrierte Versorgung beziehungsweise eine andere selektivvertragliche Regelung nicht mehr berechtigt, die gesetzlich vorgesehene Praxisgebühr zu ermäßigen und über die Regelversorgung hinausgehende Vorsorgeuntersuchungen anzubieten.

Die Beklagte war daher verpflichtet, den Bescheid vom 30.09.2009 mit Wirkung für die Zukunft und somit ab Bekanntgabe des Bescheids vom 31.01.2011 aufzuheben. Dagegen liegt keiner der in § 48 Abs. 1 Satz 2 geregelten Ausnahmetatbestände für eine Aufhebung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse vor. Die nach § 48 Abs. 4 i.V.m. § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X bestehende Aufhebungsfrist von 10 Jahren nach der wesentlichen Änderung der Verhältnisse ist gewahrt.

Es besteht ab Bekanntgabe des Bescheids vom 31.01.2011 kein Anspruch der Klägerin mehr auf die in dem gekündigten Vertrag über die hausarztzentrierte Versorgung und in der alten Fassung der Satzung der Beklagten geregelten Vorteile wie die Ermäßigung der Praxisgebühr oder über die Regelversorgung hinausgehende Vorsorgeuntersuchungen. Ein derartiger Anspruch ergibt sich nicht aus § 73b SGB V, der die hausarztzentrierte Versorgung, insbesondere die Anforderungen an Verträge der hausarztzentrierten Versorgung und deren Abschluss, regelt. Denn bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine Regelung des Leistungserbringerrechts, aus der Versicherte keine Ansprüche ableiten können. Im Übrigen sind die von der Klägerin weiterhin begehrten Vorteile des entfallenen Hausarztvertrages nicht in § 73b SGB V direkt geregelt und werden dort auch nicht als Merkmal für einen Vertrag der hausarztzentrierten Versorgung vorausgesetzt. Auch aus
§ 53 Abs. 3 Satz 2 SGB V, der es den Krankenkassen ermöglicht, in ihrer Satzung für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte Zuzahlungsermäßigungen vorzusehen, kann kein derartiger Anspruch abgeleitet werden. Die Vorschrift räumt den Krankenkassen ein Ermessen ein. Von diesem Ermessen hatte die Beklagte dahingehend Gebrauch gemacht, dass die Praxisgebühr in § 19c Abs. 6 der Satzung der Beklagten in der Fassung vom 16.09.2010 und 22.12.2010 für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte auf 10,00 EUR pro Jahr ermäßigt wurde. Aus dieser Vorschrift kann jedoch kein Anspruch der Klägerin auf weitere Ermäßigung der Praxisgebühr abgeleitet werden. Denn in § 19c Abs. 13 der Satzung der Beklagten in der Fassung vom 22.12.2010 war geregelt, dass die Befreiung von der Praxisgebühr längstens bis 31.03.2011 gilt und dass die Praxisgebührbefreiung gleichzeitig mit dem vorzeitigen Ende einer Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung endet. Vorliegend handelt es sich um ein derartiges vorzeitiges Ende der Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung. In der Satzung der Beklagten in der Fassung vom 01.05.2011 ist die Ermäßigung der Praxisgebühr nicht mehr geregelt.

Die Klägerin war bereits im Bescheid vom 30.09.2009 darauf hingewiesen worden, dass die Befreiung von der Praxisgebühr nur für die Dauer ihrer Teilnahme an der haus-
arztzentrierten Versorgung gilt. Dieser Hinweis kann als Nebenbestimmung des Verwaltungsaktes in Form einer auflösenden Bedingung ausgelegt werden. Nach § 32 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung versehen werden, wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Vorliegend war die Beklagte zu einer Abweichung von der Regelung des § 28 Abs. 4 SGB V über die quartalsweise zu zahlende Praxisgebühr nur im Rahmen der hausarztzentrierten Versorgung oder weiterer Selektivverträge berechtigt. Daher wurde die Erforderlichkeit des Fortbestehens der Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung zur Sicherung der gesetzlichen Voraussetzungen in den Bescheid vom 30.09.2009 eingefügt. Die Bedingung war damit zulässig. Sie war auch bestimmt genug und verhältnismäßig. Mit der Aufhebung der Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ist die auflösende Bedingung eingetreten und die Befreiung der Klägerin von der Praxisgebühr ist entfallen. Bezüglich der Ermäßigung der Praxisgebühr bedurfte es deshalb der Aufhebung durch den Bescheid vom 31.01.2011 nicht mehr.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rückerstattung der ermäßigten Praxisgebühr in Höhe von 10,00 EUR, die von der Beklagten im November 2010 für den Zeitraum vom 01.10.2010 bis 30.09.2011 eingezogen worden war. Denn dabei handelt es sich, wie sowohl im Bescheid vom 30.09.2009 als auch in § 19c Abs. 6 der Satzung der Beklagten in der Fassung vom 16.09.2010 und 22.12.2010 ausgeführt wurde, um die Praxisgebühr für das 1. Quartal des Teilnahmejahres beziehungsweise das 1. Quartal der sich an den ersten Befreiungszeitraum anschließenden Folgejahre. In diesem 1. Quartal (hier Zeitraum vom 01.10.2010 bis 31.12.2010) , für das die Klägerin die Praxisgebühr geleistet hat, nahm die Klägerin noch an der hausarztzentrierten Versorgung teil und hatte die Möglichkeit, von deren Vorteilen zu profitieren. Die Zahlung wurde damit nicht rechtsgrundlos geleistet. Da die Klägerin im 4. Quartal 2010 einen Arzt aufgesucht hat, wäre sie für dieses Quartal auch zur Zahlung der Praxisgebühr nach § 28 Abs. 4 SGB V in Höhe von 10,00 EUR verpflichtet gewesen. Die Klägerin hat somit aufgrund der hausarztzentrierten Versorgung keine höheren Zahlungen geleistet, als sie sonst hätte leisten müssen. Aufgrund der außerordentlichen Kündigung des Vertrages über die hausarztzentrierte Versorgung und der Rücknahme des Teilnahmebescheides ist lediglich die Befreiung von der Praxisgebühr für die 3 weiteren Quartale entfallen.

Die Klage war infolgedessen abzuweisen.
Rechtskraft
Aus
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