Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Landshut (FSB)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 4 SF 48/09 E
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Sonstige Verfahren (§ 20 AktO-SG)
Erinnerungen nach § 55 RVG
Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist für die Verfahrensbgebühr der Gebührenrahmen nach Nr. 3102 VV RVG in Ansatz zu bringen.
Erinnerungen nach § 55 RVG
Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist für die Verfahrensbgebühr der Gebührenrahmen nach Nr. 3102 VV RVG in Ansatz zu bringen.
Bemerkung
nicht rechtskräftig
I. Auf die Erinnerung der Erinnerungsführerin vom 10.06.2009 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 03.06.2009 abgeändert und die vom Erinnerungsgegner zu erstattende Vergütung auf 345,00 EUR festgesetzt.
II. Die Beschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I.
1.
Streitgegenstand ist die Höhe der zu erstattenden Vergütung durch den Erinnerungsgegner, insbesondere ob für die Verfahrensgebühr im einstweiligen Rechtsschutzverfahren der Gebührenrahmen nach Nr. 3102 VV RVG oder nach Nr. 3103 VV RVG zum Ansatz kommt.
2.
Am 29.9.2008 stellte J. H., der vormalige Antragsteller zu 1), für sich und J. H., den vormaligen Antragsteller zu 2), einen Antrag auf Arbeitslosengeld II Leistungen bei der ARGE Passau Land, der vormaligen Antragsgegnerin. Mit Schreiben vom 15.10.2008 zeigte die vormalige Antragsgegnerin an, dass sie wegen Zweifeln am gewöhnlichen Aufenthalt der vormaligen Antragsteller in Deutschland eine Ablehnung beabsichtige. Hierauf gab der Antragsteller zu 1) im Rahmen einer persönlichen Vorsprache vom 22.10.2008 eine umfangreiche Erklärung ab.
Mit Bescheid vom 23.10.2008 lehnte die vormalige Antragsgegnerin den Antrag vom 29.09.2008 unter Hinweis auf § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I ab. Ihrer Ansicht nach hätten die Antragsteller ihren Schwerpunkt der Lebensverhältnisse nicht in Deutschland.
Hiergegen ließ der vormalige Antragsteller zu 1) mit Schreiben der Erinnerungsführerin vom 12.11.2008 bei der vormaligen Antragsgegnerin Widerspruch einlegen.
3.
Ebenfalls am 12.11.2008 ließen die vormaligen Antragsteller durch die Erinnerungsführerin zusätzlich einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Landshut stellen.
In diesem der Kostenstreitigkeit zugrundeliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren (S 13 AS 718/08 ER) war zwischen den vormalig Beteiligten die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Wege der einstweiligen Anordnung strittig.
In diesem einstweiligen Rechtsschutzverfahren zwischen den vormalig Beteiligten hat der Vorsitzende der zuständigen Kammer des Sozialgerichts Landshut mit Beschluss vom 27.02.2009 den vormaligen Antragstellern Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Sozialgericht Landshut ab 13.11.2008 bewilligt und die Erinnerungsführerin beigeordnet.
Der Vorsitzende der zuständigen Kammer des Sozialgerichts Landshut wies mit Beschluss vom 02.03.2009 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Seit 15.12.2008 bestehe durch die Ausreise nach Madagaskar kein Bedürfnis mehr für eine sofortige gerichtliche Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz.
4.
Mit Kostennote vom 10.03.2009, eingegangen beim Sozialgericht Landshut am 12.03.2009, beantragte die Erinnerungsführerin die Vergütung wie folgt festzusetzen:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 325,00 EUR
96 Ablichtungen Nr. 7000 Nr. 1.a) VV RVG 31,90 EUR
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
19 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 71,61 EUR
Endsumme: 448,51 EUR
Für die Einreichung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG angefallen. Bei der Bestimmung der zutreffenden Gebühr sei zu beachten, dass wegen der Mehrvertretung der Gebührenrahmen gemäß Nr. 1008 VV RVG anzuheben sei.
Im vorliegenden Fall sei für die Abrechnung des Verfahrens aus dem erhöhten Gebührenrahmen die Mittelgebühr zugrunde gelegt. Hiermit werde der Tatsache Rechnung getragen, dass die Angelegenheit von eher durchschnittlichem Umfang war. Gleichwohl sei die Bearbeitung des Mandats faktisch dadurch erschwert worden, dass die vormaligen Antragsteller noch im Dezember 2008 nach Madagaskar gereist waren. Der Ansatz einer noch niedrigeren Gebühr als der Mittelgebühr sei unter Berücksichtigung der hiermit einhergehenden Erschwernis abzulehnen.
Neben der Verfahrensgebühr seien die Auslagen, nämlich die Post und Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7008 VV RVG, die gesetzliche Mehrwertsteuer gemäß Nr. 7002 VV RVG sowie die Ablichtungen aus Behördenakten gemäß Nr. 7000 Nr. 1 a) VV RVG zu erstatten.
Die Urkundsbeamtin beim Sozialgericht Landshut hat mit Schreiben vom 12.05.2009 ausgeführt, dass 241,00 EUR als Vergütung für Prozesskostenhilfe angewiesen wurden.
Nachdem die Erinnerungsführerin bereits im Widerspruchsverfahren tätig war, sei die Gebühr der VV 3103 RVG (170,00 EUR) zugrunde zu legen. Gegen den Ansatz des Mittelwertes bestünden keine Einwände. Die Gebühr der VV 1008 RVG habe die Kostenbeamtin hinzugesetzt (51,00 EUR), weil die Belange die Bedarfsgemeinschaft betreffen.
Eine Umsatzsteuer sei nicht zu erstatten. Die Erinnerungsführerin habe Leistungen im Inland erbracht für einen Kläger, der seinen Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem EU/EG-Land hat. Insoweit sei eine Erstattung der Umsatzsteuer ausgeschlossen.
Mit Schriftsatz vom 15.05.2009 wandte sich die Erinnerungsführerin gegen die Mitteilung der Kostenbeamtin vom 12.05.2009.
Die Auffassung, dass die Prozesskostenhilfevergütung im vorliegenden Fall nicht der Umsatzsteuer unterliege, könne kontrovers diskutiert werden, nachdem Gegenstand des Antragsverfahrens gerade die Frage war, ob die vormaligen Antragsteller ihren dauernden gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb der Bundesrepublik Deutschland inne haben. Sollte die Kostenbeamtin den Standpunkt weiter vertreten, wonach eine Umsatzsteuer nicht zu leisten ist, so werde die Erinnerungsführerin aus diesem Grund kein Kostenfestsetzungsverfahren betreiben.
Die Erinnerungsführerin wende sich jedoch ausdrücklich gegen die beabsichtigte Anwendung der reduzierten Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3103 VV RVG. Insoweit sei darauf hinzuweisen, dass das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ein außerhalb des Instanzenzuges liegendes Verfahren sei, weshalb auch eine Reduzierung der Verfahrensgebühr für das Antragsverfahren nicht wegen der zugleich erfolgten Beauftragung im Widerspruchsverfahren in Betracht kommt. Die Anwendung der Nr. 3103 VV RVG sei insoweit auf das dem Widerspruchsverfahren nachfolgende Klageverfahren beschränkt, so dass hier die tatsächliche rechnerische Mittelgebühr in Höhe von 250,00 EUR nach Ziffer 3102 VV RVG unter Berücksichtigung der Mehrvertretungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG zur Anwendung zu bringen sei. Im Hinblick auf die geltend gemachte Verfahrensgebühr nach VV 3102 RVG werde am Kostenerstattungsantrag festgehalten.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 03.06.2009 hat die Urkundsbeamtin des Sozialgerichts Landshut die vom Erinnerungsgegner zu erstattenden Kosten auf 241,00 EUR festgesetzt.
Dem lag folgende Berechnung zugrunde:
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG: 170,00 EUR
Erhöhung Nr. 1008 VV RVG: 51,00 EUR
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG: 20,00 EUR
Gesamt: 241,00 EUR
Zur Begründung führte sie aus, dass in diesem Verfahren streitig sei, ob die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG oder Nr. 3103 VV RVG zu bemessen sei. Nachdem die Erinnerungsführerin bereits im Widerspruchsverfahren tätig war, sei die Verfahrensgebühr nach der Nr. 3103 VV RVG zu bemessen. Die Kostenbeamtin verwies auf den Beschluss des SG Aurich vom 09.05.2006 - AZ.: S 25 SF 20/05 AS und den Beschluss des BayLSG vom 18.01.2007 - AZ.: L 15 B 224/06 AS KO. Nach der Rechtsprechung sei grundsätzlich davon auszugehen, dass eine anwaltliche Tätigkeit in einem Verwaltungsverfahren oder Widerspruchsverfahren eine Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren erleichtert.
Die übrigen geltend gemachten Gebühren und Auslagen seien unstreitig.
5.
Hiergegen legte die Erinnerungsführerin mit Schreiben vom 10.06.2009, eingegangen beim Sozialgericht Landshut am 16.06.2009, Erinnerung ein.
Zu berücksichtigen sei, dass eine Erleichterung allenfalls im Rahmen desselben Rechtszuges eintreten kann. Damit fänden Synergieeffekte ausschließlich im Verhältnis Antragsverfahren - Widerspruchsverfahren - Klageverfahren (Hauptsacheverfahren) statt. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sei hierzu parallel ausgestaltet und eine besondere Angelegenheit, bei der zwar summarisch die Rechtsfragen der Hauptsache angerissen werden, dass Schwergewicht der Argumentation dennoch auf anderen Aspekten liegt, beispielsweise der Frage der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit.
Zu beachten sei überdies, dass gerade im vorliegenden Fall die Erinnerungsführerin zunächst beauftragt worden sei, das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu initiieren, bevor im Anschluss daran für das Widerspruchsverfahren mandatiert wurde. Eine Verfahrenserleichterung könne unter diesen Umständen durch die Beauftragung im Widerspruchsverfahren denklogisch nicht eintreten.
Die Anwendung des geminderten Gebührenrahmens der Nr. 3103 VV RVG scheine nur dann gerechtfertigt, wenn in derselben Angelegenheit eine außergerichtliche Geschäftsgebühr nach dem Gebührenrahmen unter Nrn. 2400, 2401 VV RVG angefallen ist, was im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erkennbar nicht der Fall war. Dementsprechend sei die Verfahrensgebühr nach dem Rahmen der Nr. 3102 VV RVG antragsgemäß zu bestimmen und festzusetzen.
Nachdem eine Abhilfe nicht erfolgt ist, wurde der Vorgang mit Schreiben vom 08.07.2009 der vormals zuständigen 8. Kammer des Sozialgerichts Landshut zur Entscheidung vorgelegt.
Aufgrund der Änderung des Geschäftsverteilungsplans ist seit 01.01.2012 die 4. Kammer des Sozialgerichts für den Rechtsstreit zuständig.
II.
Die zulässige Erinnerung ist begründet.
Die Entscheidung richtet sich nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) in der Fassung des Artikels 3 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (KostRMOG) vom 05.05.2004.
Für die Tätigkeit im Rahmen der Prozesskostenhilfe im Rechtsstreit S 13 AS 718/08 ER hat die Erinnerungsführerin Anspruch gegen die Staatskasse auf Zahlung von 345,00 EUR. Dieser Anspruch beruht auf § 45 Abs. 1, § 48 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit dem Vergütungsverzeichnis (VV), § 14 Abs. 1 RVG. Über den von der Kostenbeamtin am 23.09.2009 festgesetzten Zahlbetrag von 241,00 EUR hinaus kann die Erinnerungsführerin die Zahlung von weiteren 104,00 EUR verlangen.
1.
Die von der Erinnerungsführerin geltend gemachte Verfahrensgebühr ist dem Grunde nach gemäß Nr. 3102 VV RVG entstanden.
Die Verfahrensgebühr beträgt nach Nr. 3102 VV RVG in gerichtlichen Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren gemäß § 3 RVG entstehen, 40.- EUR bis 460.- EUR, Mittelwert 250.- EUR. Wenn eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder im weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist beträgt die Gebühr nach VV Nr. 3103 RVG 20.- EUR bis 320.- EUR, die Mittelgebühr 170.- EUR.
Im Verhältnis der Gebührentatbestände zueinander ist die Vergütungsvorschrift Nr. 3102 VV RVG die Grundnorm und die Gebührenvorschrift Nr. 3103 VV RVG stellt die vorrangig anzuwendende Sondervorschrift dar.
Grundsätzlich stellen das Verwaltungsverfahren, das einem gerichtlichen Verfahren vorausgehende und der Nachprüfung dienende weitere Verwaltungsverfahren (Vorverfahren) und das Verfahren bei Gericht nach § 17 Nr. 1 RVG verschiedene Angelegenheiten dar und der Rechtsanwalt erhält grundsätzlich jeweils zusätzlich Gebühren.
Ausnahmsweise soll durch den pauschalen Abschlag, wie er durch die Verringerung des Gebührenrahmens bei Ansatz der Nr. 3103 VV RVG herbeigeführt wird, berücksichtigt werden, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren die anwaltliche Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren erleichtert.
Die Vergütungsvorschrift Nr. 3103 VV RVG als vorrangige Sondernorm findet nur dann Anwendung, wenn ein vorangegangenes Tätigwerden des Bevollmächtigten in einem Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren vorliegt, das genau auf denselben Gegenstand gerichtet ist, wie das daran anschließende gerichtliche Verfahren, für das die Vergütung erfolgen soll.
Die Arbeitserleichterung für den Anwalt, die der Absenkung des Gebührenrahmens gemäß Nr. 3103 VV RVG zugrunde liegt, ergibt sich bei einer vorliegenden Identität der Streitgegenstände von Verwaltungs-, Widerspruchs- und Klageverfahren. Hingegen hat das einstweilige Rechtsschutzverfahren im Hinblick auf den Arbeitsaufwand für den Anwalt im Verhältnis zum Hauptsacheverfahren einen eigenständigen Charakter.
Außerdem geht einem Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz regelmäßig ein Verwaltungs- oder Vorverfahren nicht voraus, sodass auch begrifflich der Gebührentatbestand der Nr. 3103 VV RVG nicht einschlägig ist.
Diese restriktive Auslegung von Nr. 3103 VV RVG entspricht auch der Wertung des Gesetzgebers wonach es sich bei einem Verfahren in der Hauptsache und einem Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht um dieselbe Angelegenheit, sondern um verschiedene Angelegenheiten handelt, gemäß §§ 16, 17 Nr. 4 RVG.
Da der Gegenstand der Tätigkeit der Erinnerungsführerin im mit Schriftsatz vom 12.11.2008 eingeleiteten Widerspruchsverfahren nicht identisch mit dem Begehren dem der Kostenstreitigkeit zugrunde liegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren (S 13 AS 718/08 ER) ist, kommt zur Ermittlung der Verfahrensgebühr nicht Nr. 3103 VV RVG, sondern Nr. 3102 VV RVG zur Anwendung.
Im Allgemeinen ist Streitgegenstand des Verwaltungs-, Widerspruchs- und Klageverfahrens die Hauptsache. Hingegen ist der einstweilige Rechtsschutz im Rahmen des § 86b Abs. 1 SGG gerichtet auf Anordnung der sofortigen Vollziehung, auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung oder auf Wiederherstellung der sofortigen Wirkung und § 86b Abs. 2 SGG erfasst die Sicherungs- oder Regelungsanordnung.
Im Konkreten ist Streitgegenstand des von der Erinnerungsführerin betriebenen Widerspruchsverfahren die endgültige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes hingegen ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahren Gegen-stand die Verpflichtung zur Leistung im Rahmen einer einstweiligen Regelungsanordnung.
Die Kammer schließt sich der Rechtsprechung der 8. Kammer des Sozialgerichts Landshut an (SG A-Stadt, Beschluss vom 04.08.2011 - Az.: S 8 SF 67/08 KO; Beschluss vom 10.08.2011 - Az.: S 8 SF 23/08 KO; Beschluss vom 22.08.2011 - Az.: S 8 SF 100/08 KO; vgl. zum Meinungsstand SG Kiel, Beschluss vom 24.08.2011 - Az.: S 21 SF 16/11 E und SG Berlin, Beschluss vom 10.06.2009 - Az.: S 165 SF 601/09 E m.w.N.).
2.
Die Verfahrensgebühr ist in Höhe der Mittelgebühr von 250.- EUR anzusetzen.
Eine generelle Kürzung der Mittelgebühr unter dem Gesichtspunkt, dass es sich um ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren handelt, ist nicht vorzunehmen. Bei Rahmengebühren ermöglichen die in § 14 Abs. 1 RVG vorgesehenen Kriterien, jeweils alle Einzelfallumstände zu berücksichtigen und in diesem Rahmen den zahlreichen Besonderheiten gerecht zu werden, die sich bei einstweiligen Rechtsschutzverfahren insbesondere hinsichtlich der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ergeben. Daher rechtfertigt allein der Umstand, dass ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren betrieben worden ist, keine pauschale Kürzung der Gebühren (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.12.2010 - Az.: L 19 AS 1138/10 m.w.N.).
Gemäß § 14 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen.
Dabei ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen und sie unbillig ist, § 14 Abs.1 Satz 4 RVG.
Kostenrechtlich erfolgt dementsprechend in der gerichtlichen Kostenentscheidung lediglich eine Überprüfung der vom Anwalt geltend gemachten Gebühren im Rahmen der Vorschrift des § 14 Abs.1 Satz 4 RVG, also zur Frage der Unbilligkeit der seitens des Rechtsanwalts getroffenen Bestimmung. Im Rahmen der Prüfung des Tatbestandsmerkmales Unbilligkeit gemäß § 14 Abs.1 Satz 4 RVG sind Toleranzgrenzen zu berücksichtigen, d. h. eine Abweichung von bis zu 20 % gegenüber der als billig erscheinenden Gebühr ist noch als verbindlich anzusehen und nicht als unbillig im Sinne der vorgenannten Vorschrift zu qualifizieren (BayLSG, Beschluss vom 21.03.2011 - Az.: L 15 SF 240/09 B E m.w.N.).
Setzt man die Kriterien des § 14 RVG ins Verhältnis zur Rahmengebühr, dann ist die Mittelgebühr immer dann angebracht, wenn der zeitliche Aufwand und die Intensität der Arbeit für den Rechtsanwalt einen durchschnittlichen Aufwand erfordert haben.
Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist als durchschnittlich zu beurteilen.
Dies ergibt sich einerseits daraus, dass lediglich ein Schriftsatz vom 12.11.2008 zu fertigen war, mit dem der Erlass einer einstweiligen Anordnung bei Gericht anhängig gemacht und begründet worden ist. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Bearbeitung des Mandats durch die Erinnerungsführerin dadurch erschwert war, dass die vormaligen Antragsteller noch im Dezember 2008 nach Madagaskar gereist waren.
Unbeachtlich im Hinblick auf den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist der Umstand, dass die Erinnerungsführerin mit Schriftsatz vom 12.11.2008 Widerspruch eingelegt hat, da dies ohne Begründung erfolgte und insoweit kein den Arbeitsaufwand beeinflussender Umstand erkennbar ist.
Der Schwierigkeitsgrad der anwaltlichen Tätigkeit ist allenfalls als durchschnittlich zu bewerten.
In rechtlicher Hinsicht war insbesondere zu beurteilen, ob die vormaligen Antragsteller ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Der diesbezügliche Schwierigkeitsgrad der anwaltlichen Tätigkeit ist gemessen an den sonstigen sozialgerichtlichen Verfahren als durchschnittlich zu bewerten.
Die Bedeutung der Angelegenheit ist für die vormaligen Antragsteller als überdurchschnittlich zu beurteilen.
Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes haben wegen des existenzsichernden Charakters der Leistungen nach dem SGB II für die vormaligen Antragsteller eine überdurchschnittliche Bedeutung, auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass in einem einstweiligen Anordnungsverfahren nur eine vorläufige Regelung für einen begrenzten Zeitraum angestrebt wird.
Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der vormaligen Antragsteller sind wegen des Bezuges existenzsichernder Leistungen nach dem SGB II als unterdurchschnittlich zu beurteilen.
Schließlich vermag die Kammer ein besonderes Haftungsrisiko, das allenfalls die Gebühr erhöhen könnte, und sonstige unbenannte Kriterien, die geeignet wären, zu einer Herauf- oder Herabbemessung zu führen, nicht zu erkennen.
Unter Berücksichtigung des durchschnittlichen Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit, dem durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad, der überdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit für die vormaligen Antragsteller und den unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen ist in der Gesamtschau und unter Gewichtung der Bemessenskriterien diese Streitsache als durchschnittliche Streitsache einzustufen.
3.
Der Ansatz der Mehrvergütung nach Nr. 1008 VV RVG und der Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG sowie die Nichtberücksichtigung der Ablichtungen nach Nr. 7000 Nr. 1 a) VV RVG und der Mehrwertsteuer nach Nr. 7008 VV RVG sind unstreitig.
4.
Die erstattungsfähigen Kosten errechnen sich im Einzelnen damit wie folgt:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG: 250,00 EUR
Erhöhung Nr. 1008 VV RVG: 75,00 EUR
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG: 20,00 EUR
Insgesamt: 345,00 EUR
Entsprechend dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 03.06.2009 wurde der Betrag von 241,00 EUR an die Erinnerungsführerin angewiesen, sodass die Erinnerungsführerin noch einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 104,00 EUR gegen die Staatskasse hat.
Kosten werden im gebührenfreien Erinnerungsverfahren nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).
Die Zulassung der Beschwerde, für die der Beschwerdewert von 200,00 EUR nicht erreicht ist, beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 2 RVG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage und aufgrund der Divergenz zum Beschluss des BayLSG vom 18.01.2007 - AZ.: L 15 B 224/06 AS KO auf der diese Entscheidung beruht, sodass eine obergerichtliche Klärung durch das Bayerische Landessozialgericht geboten erscheint.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 56 Abs.2 Satz 1 i.V.m § 33 Abs.3 Satz 2 RVG Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht zulässig. Die Beschwerde ist binnen 2 Wochen nach Zustellung des Beschlusses beim Sozialgericht Landshut,
Seligenthaler Straße 10, A-Stadt, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München, oder bei der Zweigstelle des Bayer. Landessozialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt, schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
II. Die Beschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I.
1.
Streitgegenstand ist die Höhe der zu erstattenden Vergütung durch den Erinnerungsgegner, insbesondere ob für die Verfahrensgebühr im einstweiligen Rechtsschutzverfahren der Gebührenrahmen nach Nr. 3102 VV RVG oder nach Nr. 3103 VV RVG zum Ansatz kommt.
2.
Am 29.9.2008 stellte J. H., der vormalige Antragsteller zu 1), für sich und J. H., den vormaligen Antragsteller zu 2), einen Antrag auf Arbeitslosengeld II Leistungen bei der ARGE Passau Land, der vormaligen Antragsgegnerin. Mit Schreiben vom 15.10.2008 zeigte die vormalige Antragsgegnerin an, dass sie wegen Zweifeln am gewöhnlichen Aufenthalt der vormaligen Antragsteller in Deutschland eine Ablehnung beabsichtige. Hierauf gab der Antragsteller zu 1) im Rahmen einer persönlichen Vorsprache vom 22.10.2008 eine umfangreiche Erklärung ab.
Mit Bescheid vom 23.10.2008 lehnte die vormalige Antragsgegnerin den Antrag vom 29.09.2008 unter Hinweis auf § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I ab. Ihrer Ansicht nach hätten die Antragsteller ihren Schwerpunkt der Lebensverhältnisse nicht in Deutschland.
Hiergegen ließ der vormalige Antragsteller zu 1) mit Schreiben der Erinnerungsführerin vom 12.11.2008 bei der vormaligen Antragsgegnerin Widerspruch einlegen.
3.
Ebenfalls am 12.11.2008 ließen die vormaligen Antragsteller durch die Erinnerungsführerin zusätzlich einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Landshut stellen.
In diesem der Kostenstreitigkeit zugrundeliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren (S 13 AS 718/08 ER) war zwischen den vormalig Beteiligten die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Wege der einstweiligen Anordnung strittig.
In diesem einstweiligen Rechtsschutzverfahren zwischen den vormalig Beteiligten hat der Vorsitzende der zuständigen Kammer des Sozialgerichts Landshut mit Beschluss vom 27.02.2009 den vormaligen Antragstellern Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Sozialgericht Landshut ab 13.11.2008 bewilligt und die Erinnerungsführerin beigeordnet.
Der Vorsitzende der zuständigen Kammer des Sozialgerichts Landshut wies mit Beschluss vom 02.03.2009 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Seit 15.12.2008 bestehe durch die Ausreise nach Madagaskar kein Bedürfnis mehr für eine sofortige gerichtliche Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz.
4.
Mit Kostennote vom 10.03.2009, eingegangen beim Sozialgericht Landshut am 12.03.2009, beantragte die Erinnerungsführerin die Vergütung wie folgt festzusetzen:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 325,00 EUR
96 Ablichtungen Nr. 7000 Nr. 1.a) VV RVG 31,90 EUR
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
19 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 71,61 EUR
Endsumme: 448,51 EUR
Für die Einreichung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG angefallen. Bei der Bestimmung der zutreffenden Gebühr sei zu beachten, dass wegen der Mehrvertretung der Gebührenrahmen gemäß Nr. 1008 VV RVG anzuheben sei.
Im vorliegenden Fall sei für die Abrechnung des Verfahrens aus dem erhöhten Gebührenrahmen die Mittelgebühr zugrunde gelegt. Hiermit werde der Tatsache Rechnung getragen, dass die Angelegenheit von eher durchschnittlichem Umfang war. Gleichwohl sei die Bearbeitung des Mandats faktisch dadurch erschwert worden, dass die vormaligen Antragsteller noch im Dezember 2008 nach Madagaskar gereist waren. Der Ansatz einer noch niedrigeren Gebühr als der Mittelgebühr sei unter Berücksichtigung der hiermit einhergehenden Erschwernis abzulehnen.
Neben der Verfahrensgebühr seien die Auslagen, nämlich die Post und Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7008 VV RVG, die gesetzliche Mehrwertsteuer gemäß Nr. 7002 VV RVG sowie die Ablichtungen aus Behördenakten gemäß Nr. 7000 Nr. 1 a) VV RVG zu erstatten.
Die Urkundsbeamtin beim Sozialgericht Landshut hat mit Schreiben vom 12.05.2009 ausgeführt, dass 241,00 EUR als Vergütung für Prozesskostenhilfe angewiesen wurden.
Nachdem die Erinnerungsführerin bereits im Widerspruchsverfahren tätig war, sei die Gebühr der VV 3103 RVG (170,00 EUR) zugrunde zu legen. Gegen den Ansatz des Mittelwertes bestünden keine Einwände. Die Gebühr der VV 1008 RVG habe die Kostenbeamtin hinzugesetzt (51,00 EUR), weil die Belange die Bedarfsgemeinschaft betreffen.
Eine Umsatzsteuer sei nicht zu erstatten. Die Erinnerungsführerin habe Leistungen im Inland erbracht für einen Kläger, der seinen Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem EU/EG-Land hat. Insoweit sei eine Erstattung der Umsatzsteuer ausgeschlossen.
Mit Schriftsatz vom 15.05.2009 wandte sich die Erinnerungsführerin gegen die Mitteilung der Kostenbeamtin vom 12.05.2009.
Die Auffassung, dass die Prozesskostenhilfevergütung im vorliegenden Fall nicht der Umsatzsteuer unterliege, könne kontrovers diskutiert werden, nachdem Gegenstand des Antragsverfahrens gerade die Frage war, ob die vormaligen Antragsteller ihren dauernden gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb der Bundesrepublik Deutschland inne haben. Sollte die Kostenbeamtin den Standpunkt weiter vertreten, wonach eine Umsatzsteuer nicht zu leisten ist, so werde die Erinnerungsführerin aus diesem Grund kein Kostenfestsetzungsverfahren betreiben.
Die Erinnerungsführerin wende sich jedoch ausdrücklich gegen die beabsichtigte Anwendung der reduzierten Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3103 VV RVG. Insoweit sei darauf hinzuweisen, dass das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ein außerhalb des Instanzenzuges liegendes Verfahren sei, weshalb auch eine Reduzierung der Verfahrensgebühr für das Antragsverfahren nicht wegen der zugleich erfolgten Beauftragung im Widerspruchsverfahren in Betracht kommt. Die Anwendung der Nr. 3103 VV RVG sei insoweit auf das dem Widerspruchsverfahren nachfolgende Klageverfahren beschränkt, so dass hier die tatsächliche rechnerische Mittelgebühr in Höhe von 250,00 EUR nach Ziffer 3102 VV RVG unter Berücksichtigung der Mehrvertretungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG zur Anwendung zu bringen sei. Im Hinblick auf die geltend gemachte Verfahrensgebühr nach VV 3102 RVG werde am Kostenerstattungsantrag festgehalten.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 03.06.2009 hat die Urkundsbeamtin des Sozialgerichts Landshut die vom Erinnerungsgegner zu erstattenden Kosten auf 241,00 EUR festgesetzt.
Dem lag folgende Berechnung zugrunde:
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG: 170,00 EUR
Erhöhung Nr. 1008 VV RVG: 51,00 EUR
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG: 20,00 EUR
Gesamt: 241,00 EUR
Zur Begründung führte sie aus, dass in diesem Verfahren streitig sei, ob die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG oder Nr. 3103 VV RVG zu bemessen sei. Nachdem die Erinnerungsführerin bereits im Widerspruchsverfahren tätig war, sei die Verfahrensgebühr nach der Nr. 3103 VV RVG zu bemessen. Die Kostenbeamtin verwies auf den Beschluss des SG Aurich vom 09.05.2006 - AZ.: S 25 SF 20/05 AS und den Beschluss des BayLSG vom 18.01.2007 - AZ.: L 15 B 224/06 AS KO. Nach der Rechtsprechung sei grundsätzlich davon auszugehen, dass eine anwaltliche Tätigkeit in einem Verwaltungsverfahren oder Widerspruchsverfahren eine Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren erleichtert.
Die übrigen geltend gemachten Gebühren und Auslagen seien unstreitig.
5.
Hiergegen legte die Erinnerungsführerin mit Schreiben vom 10.06.2009, eingegangen beim Sozialgericht Landshut am 16.06.2009, Erinnerung ein.
Zu berücksichtigen sei, dass eine Erleichterung allenfalls im Rahmen desselben Rechtszuges eintreten kann. Damit fänden Synergieeffekte ausschließlich im Verhältnis Antragsverfahren - Widerspruchsverfahren - Klageverfahren (Hauptsacheverfahren) statt. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sei hierzu parallel ausgestaltet und eine besondere Angelegenheit, bei der zwar summarisch die Rechtsfragen der Hauptsache angerissen werden, dass Schwergewicht der Argumentation dennoch auf anderen Aspekten liegt, beispielsweise der Frage der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit.
Zu beachten sei überdies, dass gerade im vorliegenden Fall die Erinnerungsführerin zunächst beauftragt worden sei, das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu initiieren, bevor im Anschluss daran für das Widerspruchsverfahren mandatiert wurde. Eine Verfahrenserleichterung könne unter diesen Umständen durch die Beauftragung im Widerspruchsverfahren denklogisch nicht eintreten.
Die Anwendung des geminderten Gebührenrahmens der Nr. 3103 VV RVG scheine nur dann gerechtfertigt, wenn in derselben Angelegenheit eine außergerichtliche Geschäftsgebühr nach dem Gebührenrahmen unter Nrn. 2400, 2401 VV RVG angefallen ist, was im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erkennbar nicht der Fall war. Dementsprechend sei die Verfahrensgebühr nach dem Rahmen der Nr. 3102 VV RVG antragsgemäß zu bestimmen und festzusetzen.
Nachdem eine Abhilfe nicht erfolgt ist, wurde der Vorgang mit Schreiben vom 08.07.2009 der vormals zuständigen 8. Kammer des Sozialgerichts Landshut zur Entscheidung vorgelegt.
Aufgrund der Änderung des Geschäftsverteilungsplans ist seit 01.01.2012 die 4. Kammer des Sozialgerichts für den Rechtsstreit zuständig.
II.
Die zulässige Erinnerung ist begründet.
Die Entscheidung richtet sich nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) in der Fassung des Artikels 3 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (KostRMOG) vom 05.05.2004.
Für die Tätigkeit im Rahmen der Prozesskostenhilfe im Rechtsstreit S 13 AS 718/08 ER hat die Erinnerungsführerin Anspruch gegen die Staatskasse auf Zahlung von 345,00 EUR. Dieser Anspruch beruht auf § 45 Abs. 1, § 48 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit dem Vergütungsverzeichnis (VV), § 14 Abs. 1 RVG. Über den von der Kostenbeamtin am 23.09.2009 festgesetzten Zahlbetrag von 241,00 EUR hinaus kann die Erinnerungsführerin die Zahlung von weiteren 104,00 EUR verlangen.
1.
Die von der Erinnerungsführerin geltend gemachte Verfahrensgebühr ist dem Grunde nach gemäß Nr. 3102 VV RVG entstanden.
Die Verfahrensgebühr beträgt nach Nr. 3102 VV RVG in gerichtlichen Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren gemäß § 3 RVG entstehen, 40.- EUR bis 460.- EUR, Mittelwert 250.- EUR. Wenn eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder im weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist beträgt die Gebühr nach VV Nr. 3103 RVG 20.- EUR bis 320.- EUR, die Mittelgebühr 170.- EUR.
Im Verhältnis der Gebührentatbestände zueinander ist die Vergütungsvorschrift Nr. 3102 VV RVG die Grundnorm und die Gebührenvorschrift Nr. 3103 VV RVG stellt die vorrangig anzuwendende Sondervorschrift dar.
Grundsätzlich stellen das Verwaltungsverfahren, das einem gerichtlichen Verfahren vorausgehende und der Nachprüfung dienende weitere Verwaltungsverfahren (Vorverfahren) und das Verfahren bei Gericht nach § 17 Nr. 1 RVG verschiedene Angelegenheiten dar und der Rechtsanwalt erhält grundsätzlich jeweils zusätzlich Gebühren.
Ausnahmsweise soll durch den pauschalen Abschlag, wie er durch die Verringerung des Gebührenrahmens bei Ansatz der Nr. 3103 VV RVG herbeigeführt wird, berücksichtigt werden, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren die anwaltliche Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren erleichtert.
Die Vergütungsvorschrift Nr. 3103 VV RVG als vorrangige Sondernorm findet nur dann Anwendung, wenn ein vorangegangenes Tätigwerden des Bevollmächtigten in einem Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren vorliegt, das genau auf denselben Gegenstand gerichtet ist, wie das daran anschließende gerichtliche Verfahren, für das die Vergütung erfolgen soll.
Die Arbeitserleichterung für den Anwalt, die der Absenkung des Gebührenrahmens gemäß Nr. 3103 VV RVG zugrunde liegt, ergibt sich bei einer vorliegenden Identität der Streitgegenstände von Verwaltungs-, Widerspruchs- und Klageverfahren. Hingegen hat das einstweilige Rechtsschutzverfahren im Hinblick auf den Arbeitsaufwand für den Anwalt im Verhältnis zum Hauptsacheverfahren einen eigenständigen Charakter.
Außerdem geht einem Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz regelmäßig ein Verwaltungs- oder Vorverfahren nicht voraus, sodass auch begrifflich der Gebührentatbestand der Nr. 3103 VV RVG nicht einschlägig ist.
Diese restriktive Auslegung von Nr. 3103 VV RVG entspricht auch der Wertung des Gesetzgebers wonach es sich bei einem Verfahren in der Hauptsache und einem Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht um dieselbe Angelegenheit, sondern um verschiedene Angelegenheiten handelt, gemäß §§ 16, 17 Nr. 4 RVG.
Da der Gegenstand der Tätigkeit der Erinnerungsführerin im mit Schriftsatz vom 12.11.2008 eingeleiteten Widerspruchsverfahren nicht identisch mit dem Begehren dem der Kostenstreitigkeit zugrunde liegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren (S 13 AS 718/08 ER) ist, kommt zur Ermittlung der Verfahrensgebühr nicht Nr. 3103 VV RVG, sondern Nr. 3102 VV RVG zur Anwendung.
Im Allgemeinen ist Streitgegenstand des Verwaltungs-, Widerspruchs- und Klageverfahrens die Hauptsache. Hingegen ist der einstweilige Rechtsschutz im Rahmen des § 86b Abs. 1 SGG gerichtet auf Anordnung der sofortigen Vollziehung, auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung oder auf Wiederherstellung der sofortigen Wirkung und § 86b Abs. 2 SGG erfasst die Sicherungs- oder Regelungsanordnung.
Im Konkreten ist Streitgegenstand des von der Erinnerungsführerin betriebenen Widerspruchsverfahren die endgültige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes hingegen ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahren Gegen-stand die Verpflichtung zur Leistung im Rahmen einer einstweiligen Regelungsanordnung.
Die Kammer schließt sich der Rechtsprechung der 8. Kammer des Sozialgerichts Landshut an (SG A-Stadt, Beschluss vom 04.08.2011 - Az.: S 8 SF 67/08 KO; Beschluss vom 10.08.2011 - Az.: S 8 SF 23/08 KO; Beschluss vom 22.08.2011 - Az.: S 8 SF 100/08 KO; vgl. zum Meinungsstand SG Kiel, Beschluss vom 24.08.2011 - Az.: S 21 SF 16/11 E und SG Berlin, Beschluss vom 10.06.2009 - Az.: S 165 SF 601/09 E m.w.N.).
2.
Die Verfahrensgebühr ist in Höhe der Mittelgebühr von 250.- EUR anzusetzen.
Eine generelle Kürzung der Mittelgebühr unter dem Gesichtspunkt, dass es sich um ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren handelt, ist nicht vorzunehmen. Bei Rahmengebühren ermöglichen die in § 14 Abs. 1 RVG vorgesehenen Kriterien, jeweils alle Einzelfallumstände zu berücksichtigen und in diesem Rahmen den zahlreichen Besonderheiten gerecht zu werden, die sich bei einstweiligen Rechtsschutzverfahren insbesondere hinsichtlich der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ergeben. Daher rechtfertigt allein der Umstand, dass ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren betrieben worden ist, keine pauschale Kürzung der Gebühren (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.12.2010 - Az.: L 19 AS 1138/10 m.w.N.).
Gemäß § 14 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen.
Dabei ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen und sie unbillig ist, § 14 Abs.1 Satz 4 RVG.
Kostenrechtlich erfolgt dementsprechend in der gerichtlichen Kostenentscheidung lediglich eine Überprüfung der vom Anwalt geltend gemachten Gebühren im Rahmen der Vorschrift des § 14 Abs.1 Satz 4 RVG, also zur Frage der Unbilligkeit der seitens des Rechtsanwalts getroffenen Bestimmung. Im Rahmen der Prüfung des Tatbestandsmerkmales Unbilligkeit gemäß § 14 Abs.1 Satz 4 RVG sind Toleranzgrenzen zu berücksichtigen, d. h. eine Abweichung von bis zu 20 % gegenüber der als billig erscheinenden Gebühr ist noch als verbindlich anzusehen und nicht als unbillig im Sinne der vorgenannten Vorschrift zu qualifizieren (BayLSG, Beschluss vom 21.03.2011 - Az.: L 15 SF 240/09 B E m.w.N.).
Setzt man die Kriterien des § 14 RVG ins Verhältnis zur Rahmengebühr, dann ist die Mittelgebühr immer dann angebracht, wenn der zeitliche Aufwand und die Intensität der Arbeit für den Rechtsanwalt einen durchschnittlichen Aufwand erfordert haben.
Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist als durchschnittlich zu beurteilen.
Dies ergibt sich einerseits daraus, dass lediglich ein Schriftsatz vom 12.11.2008 zu fertigen war, mit dem der Erlass einer einstweiligen Anordnung bei Gericht anhängig gemacht und begründet worden ist. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Bearbeitung des Mandats durch die Erinnerungsführerin dadurch erschwert war, dass die vormaligen Antragsteller noch im Dezember 2008 nach Madagaskar gereist waren.
Unbeachtlich im Hinblick auf den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist der Umstand, dass die Erinnerungsführerin mit Schriftsatz vom 12.11.2008 Widerspruch eingelegt hat, da dies ohne Begründung erfolgte und insoweit kein den Arbeitsaufwand beeinflussender Umstand erkennbar ist.
Der Schwierigkeitsgrad der anwaltlichen Tätigkeit ist allenfalls als durchschnittlich zu bewerten.
In rechtlicher Hinsicht war insbesondere zu beurteilen, ob die vormaligen Antragsteller ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Der diesbezügliche Schwierigkeitsgrad der anwaltlichen Tätigkeit ist gemessen an den sonstigen sozialgerichtlichen Verfahren als durchschnittlich zu bewerten.
Die Bedeutung der Angelegenheit ist für die vormaligen Antragsteller als überdurchschnittlich zu beurteilen.
Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes haben wegen des existenzsichernden Charakters der Leistungen nach dem SGB II für die vormaligen Antragsteller eine überdurchschnittliche Bedeutung, auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass in einem einstweiligen Anordnungsverfahren nur eine vorläufige Regelung für einen begrenzten Zeitraum angestrebt wird.
Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der vormaligen Antragsteller sind wegen des Bezuges existenzsichernder Leistungen nach dem SGB II als unterdurchschnittlich zu beurteilen.
Schließlich vermag die Kammer ein besonderes Haftungsrisiko, das allenfalls die Gebühr erhöhen könnte, und sonstige unbenannte Kriterien, die geeignet wären, zu einer Herauf- oder Herabbemessung zu führen, nicht zu erkennen.
Unter Berücksichtigung des durchschnittlichen Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit, dem durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad, der überdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit für die vormaligen Antragsteller und den unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen ist in der Gesamtschau und unter Gewichtung der Bemessenskriterien diese Streitsache als durchschnittliche Streitsache einzustufen.
3.
Der Ansatz der Mehrvergütung nach Nr. 1008 VV RVG und der Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG sowie die Nichtberücksichtigung der Ablichtungen nach Nr. 7000 Nr. 1 a) VV RVG und der Mehrwertsteuer nach Nr. 7008 VV RVG sind unstreitig.
4.
Die erstattungsfähigen Kosten errechnen sich im Einzelnen damit wie folgt:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG: 250,00 EUR
Erhöhung Nr. 1008 VV RVG: 75,00 EUR
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG: 20,00 EUR
Insgesamt: 345,00 EUR
Entsprechend dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 03.06.2009 wurde der Betrag von 241,00 EUR an die Erinnerungsführerin angewiesen, sodass die Erinnerungsführerin noch einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 104,00 EUR gegen die Staatskasse hat.
Kosten werden im gebührenfreien Erinnerungsverfahren nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).
Die Zulassung der Beschwerde, für die der Beschwerdewert von 200,00 EUR nicht erreicht ist, beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 2 RVG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage und aufgrund der Divergenz zum Beschluss des BayLSG vom 18.01.2007 - AZ.: L 15 B 224/06 AS KO auf der diese Entscheidung beruht, sodass eine obergerichtliche Klärung durch das Bayerische Landessozialgericht geboten erscheint.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 56 Abs.2 Satz 1 i.V.m § 33 Abs.3 Satz 2 RVG Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht zulässig. Die Beschwerde ist binnen 2 Wochen nach Zustellung des Beschlusses beim Sozialgericht Landshut,
Seligenthaler Straße 10, A-Stadt, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München, oder bei der Zweigstelle des Bayer. Landessozialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt, schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Rechtskraft
Aus
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