Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 2 U 110/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 U 45/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 28. Oktober 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren keinem der Beteiligten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist die Beurteilung einer Erkrankung der Bandscheiben der Lendenwirbelsäule (LWS) des Klägers als Berufskrankheit (BK).
Der Kläger war während seines Berufslebens auch als Kraftfahrer mit Be- und Entladetätigkeit beschäftigt, wobei er auch Lasten bis zu 50 kg täglich zu heben und zu tragen hatte. Er war auch Ganzkörperschwingungen zeitweilig zeitgleich ausgesetzt.
Im Einzelnen: Vom 01. September 1968 bis 30. Juni 1970 durchlief der Kläger eine Ausbildung zum Teilefertiger im VEB G. Vom 01. Juli 1970 bis 30. April 1972 war er als Hilfsschlosser im VEB GT tätig. Vom 03. Mai 1972 bis 29. Oktober 1973 leistete er seinen Wehrdienst ab, wobei er auch als Kraft- und LKW-Fahrer tätig war. Vom 01. November 1973 bis 31. Dezember 1973 war er erneut als Hilfsschlosser mit Kleinreparaturen beschäftigt im VEB G. Vom 01. Januar 1974 bis 31. Dezember 1976 war er als Kraftfahrer Gütertransport im VEB G- beschäftigt, wobei er auch Be- und Entladetätigkeiten auszuüben hatte. Vom 01. Januar 1977 bis 31. Dezember 1981 war im VEB G-Gals Kleintransport-Kraftfahrer tätig. Er hatte hausinterne Post zu transportieren mit Postsäcken bis 50 kg. Vom 01. Januar 1982 bis 31. Dezember 1984 war er Gabelstaplerfahrer im VEB G-Wareneingang. Vom 01. Januar 1985 bis 22. Juni 1987 war er Tankwagenfahrer beim VEB M, Vom 22. Juni 1987 bis 31. Juli 1990 war er Kraftfahrer beim VEB Kraftverkehr P und hatte dabei Milchflaschen auszuliefern. Vom 01. August 1990 bis 12. Dezember 1990 war er als Kraftfahrer mit Be- und Entladetätigkeit beschäftigt bei der Gesellschaft für Altbaumodernisierung GmbH. Vom 13. Dezember 1990 bis 12. März 1991 war er arbeitslos. Vom 13. März 1991 bis 31. Dezember 2001 war er als Kraftfahrer mit Be- und Entladetätigkeit beschäftigt im Mörtelwerk S. Ab 24. September 2001 war der Kläger nach Auskunft des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. Z bis 21. Februar 2002 wegen Lumbago/Bandscheibenprotrusion arbeitsunfähig. Seitdem hat der Kläger nicht mehr gearbeitet.
Im März 2002 ging bei der Beklagten eine Mitteilung der Steinbruchs-BG mit Anlagen ein, worin der Verdacht auf die BKen 2108, 2110 der Anlage zur BKV mitgeteilt wurde. Sie holte Auskünfte im Beschäftigungsunternehmen des Klägers ein und stellte Berechnungen nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) an.
Die Steinbruchs BG bat die BGF am 11. Juli 2002 um Prüfung, unter Berücksichtigung der in Kopie beigefügten Unterlagen die Zuständigkeit anzuerkennen (§ 3 der Zuständigkeitsvereinbarung) und die weitere Bearbeitung zu übernehmen, da die letzte gefährdende Tätigkeit (BK 2108 und BK 2110) vor der Meldung der Erkrankung im Mitgliedsunternehmen im BG K ausgeübt worden sei. Mit Schreiben vom 24. Juli 2002 bestätigte die BGF der Steinbruchs-BG die Übernahme der weiteren Bearbeitung der Erkrankung nach Nr. 2108, 2109, 2110.
Die Beklagte holte ein Gutachten ein, das der Facharzt für Chirurgie Dr. G im Januar 2003 nach ambulanter Untersuchung des Klägers vom 10. Januar 2003 erstattete. Er meinte, die Befunde gäben keine Hinweise auf das Vorliegen einer BK.
Mit Bescheid vom 12. Juni 2003 "über Ablehnung einer Entschädigung" wurde dem Kläger mitgeteilt, Entschädigungsleistungen würden nicht gezahlt, weil eine BK nach Nrn. 2108 und 2110 der Anlage zur BKV nicht vorliege.
Mit seinem Widerspruch vom 27. Juni 2003 wies der Kläger u. a. darauf hin, dass die Jahre vom 01. August 1990 bis 30. September 2001 fehlten. In diesen Jahren sei er auch als Kraftfahrer mit Be- und Entladen tätig gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07. Oktober 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Mit der am 27. Oktober 2003 beim Sozialgericht (SG) Potsdam eingegangenen Klage trug der Kläger insbesondere vor, wiederum seien seine Arbeitsjahre vom 01. August 1990 bis 28. Februar 2002 vergessen worden, obgleich er sie schon in seinem Widerspruch angegeben habe. In dieser Zeit sei er auch als Kraftfahrer tätig geworden (Baustelle). Er habe alles Mögliche ausgefahren.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 12. Juni 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Oktober 2003 aufzuheben und ihm eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens von 20 Prozent ab Eintritt des Versicherungsfalls zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das SG holte einen Befundbericht des behandelnden Arztes Dr. S ein. Der Facharzt für Chirurgie Dr. B erstattete im März 2004 ein Gutachten nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 18. März 2004. Er meinte, die bei dem Kläger vorliegenden anlagebedingten Umformungsprozesse im Bereich der Wirbelsäule seien nicht ursächlich in Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit zu bringen, sie seien schicksalhaft aufgetreten.
Mit dem am 28. Oktober 2004 verkündeten Urteil hat das SG die Klage abgewiesen. Das Gericht folgte der Argumentation von Dr. B.
Gegen das dem Kläger am 10. Dezember 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 05. Januar 2005 eingegangene Berufung des Klägers, mit der er in der Berufungsbegründung eine erneute Begutachtung für erforderlich erachtete.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 28. Oktober 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 12. Juni 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Oktober 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verwies darauf, dass die beim Kläger vorliegenden Verteilungsmuster der röntgenologisch nachgewiesenen pathologischen Veränderungen auf eine starke konstitutionelle Veranlagung zum Bandscheibenverschleiß hinweise, der Ursachenzusammenhang demnach als unwahrscheinlich anzusehen sei.
In der nichtöffentlichen Sitzung des 27. Senats vom 06. Juni 2005 wurde Dr. B als Sachverständiger vernommen. Insbesondere führte er aus es handele sich nicht eigentlich um einen bandscheibenbedingten Schaden.
Im März 2006 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Einholung eines Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Oberarzt am Evangelischen Krankenhaus S Dr. A. Dieses ging im September 2006 beim LSG Brandenburg ein. Er führte aus, beim Kläger liege eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vor. Die berufliche Exposition des Klägers durch langjähriges Heben und Tragen bzw. durch langjährige vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen erfülle mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Voraussetzungen einer relevanten Ursache im Sinne der Nr. 2108.
Dr. B nahm im Januar 2007 Stellung, er verwies darauf, insbesondere die zuletzt veröffentlichten Konsensempfehlungen sähen als zwingende Voraussetzung für die Annahme einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS vor, dass überhaupt eine Erkrankung dieses Wirbelsäulenabschnitts vorliege. Eine Erkrankung der LWS sei entweder ein lokales Lumbalsyndrom oder ein lumbales Wurzelsyndrom. Beide Krankheitsbilder lägen beim Kläger nicht vor
Dr. A nahm im November 2007 bei Gericht eingehend Stellung. Beim Kläger bestehe nach übereinstimmender Feststellung in seinem Gutachten sowie in den in der Gerichtsakte vorhandenen Befund- und Behandlungsberichten seit über 10 Jahren ein chronisches Schmerzsyndrom der unteren LWS mit pseudoradikulärer Ausstrahlung in das linke Bein. Diese klinischen Symptome seien unter Berücksichtigung der Fachliteratur mit einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS in Übereinstimmung zu bringen. Diese klinische Einschätzung korrespondiere mit einer kernspintomografischen nachweisbaren altersvorausschreitenden Degeneration der unteren beiden, mechanisch am stärksten belasteten Bewegungssegmente der LWS.
Im Juli 2008 ging eine weitere Stellungnahme von Dr. A beim LSG ein. Er nahm Bezug auf die Konsensempfehlungen. Er beurteilte das beim Kläger aufgrund seiner Untersuchung sowie aufgrund der im Erstgutachten zitierten Fremdbefunde diagnostizierte klinische Krankheitsbild auf der Grundlage der Konsensempfehlungen als lokales Lumbalsyndrom. Nach den Konsensempfehlungen sei ein Zusammenhang gemäß Listennummer 2108 wahrscheinlich.
Dr. B nahm im Oktober 2008 Stellung. Er meinte, es seien erhebliche Zweifel angebracht, ob bei dem Kläger die Kriterien eines Krankheitsprozesses erfüllt seien.
Mit der im Oktober 2010 eingegangenen Stellungnahme führte Dr. aus, dass der Nachweis der Höhenminderung der Bandscheibenfächer L 4/5 und L 5/S 1 erfolgt sei in den Stellungnahmen auf der Basis der Röntgenaufnahmen vom 10. Januar 2001 und der kernspintomografischen Untersuchung des Klägers vom 06. August 2001. Sie reflektierten zeitlich exakt den radiologischen Zustand der LWS zum Zeitpunkt der Aufgabe der beruflichen Tätigkeit im gleichen Jahr.
Das Vorhandensein einer entsprechenden klinischen Symptomatik zum Zeitpunkt der Beendigung bei Berufsausübung im Jahr 2001 werde durch Befunde belegt, die im Auftrag der gesetzlichen Rentenversicherung erhoben worden seien. Er nahm Bezug auf die Verwaltungsakte der LVA Brandenburg.
Die Beklagte trug im Februar 2011 vor, die letzte gefährdende Tätigkeit sei entsprechend der Vereinbarung über die Zuständigkeit bei Berufskrankheiten (VbgBK) im Zuständigkeitsbereich der Steinbruchs BG, bei dem Arbeitgeber MWS Mörtelwerk, -Tätigkeitszeitraum 13. März 1991 bis 31. Dezember 2001 ausgeübt worden. Eine Verurteilung der Beklagten scheide von daher auf jeden Fall aus.
Die Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie wurde mit Beschluss vom 15. März 2011 beigeladen. Die Beigeladene nahm Bezug auf die Übernahmeerklärung der Beklagten vom 31. Juli 2002 und wies darauf hin, dass die Voraussetzungen für einen Rücktritt von der Übernahmeerklärung nicht vorlägen.
Aufgrund der Beweisanordnung vom 14. März 2011 erstattete Dr. R, Arzt für Diagnostische Radiologie, im Mai 2011 ein Gutachten nach Aktenlage. Die Röntgenaufnahmen der LWS beurteilte er dahingehend, dass eine sechsgliedrige LWS vorliege.
Das MRT vom 06. September 2001 beurteilte er dahingehend, dass eine Chondrose Grad II in L4/5 sowie eine Chondrose Grad I in L 5/S 1 vorliege.
Das MRT vom 13. Februar 2003 beurteilte er ebenso wie die Röntgenaufnahmen vom 18. März 2004 dahingehend, dass eine Chondrose in L 4/5 und L 5/S 1 mit Grad I vorliege.
Der Facharzt für Orthopädie Dr. J erstattete im August 2011 ein orthopädisches Gutachten nach Aktenlage.Zusammengefasst führte er aus: Beim Kläger liege eine bandscheibenbedingte LWS-Erkrankung im Sinne eines lokalen Lumbalsyndroms mit pseudoradikulärer Schmerzsymptomatik (Typ 1) vor. Aus der Zusammenschau aller Argumente heraus und nach vernünftiger Abwägung aller Umstände sprächen zusammenfassend deutlich überwiegende Gründe für den gefragten Zusammenhang und damit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer BK 2108 im Sinne der Entstehung einer bandscheibenbedingten Erkrankung.
Die Beigeladene äußerte sich zu dem Gutachten dahingehend, dass ihm nicht zu folgen sei, da keines der Zusatzkriterien der Konstellation B 2 der Konsensempfehlungen vorliege.
Die Beklagte nahm Bezug auf eine Stellungnahme der beratenden Ärztin Dr. W, Fachärztin für Chirurgie vom 09. September 2011, die einen Kausalzusammenhang nicht für wahrscheinlich erachtete. Sie verwies auf eine dokumentierte sechsgliedrige LWS (Röntgenbilder aus dem Jahr 2000 und 2004). Damit liege eine wesentliche Anlageanomalie der LWS mit Vorhandensein eines 6. Lendenwirbelkörpers vor. Die sechsgliedrige LWS erkläre die Höhenminderung zumindest des letzten Bandscheibenfaches der LWS. Damit sei bei dem Versicherten allenfalls das Segment L 4/5 grenzwertig erniedrigt. Die MRT-Untersuchung der LWS von 2003 weise einen altersvorauseilenden Befund nicht mehr auf.
Dr. R ergänzte sein Gutachten am 31. Oktober 2011. Beim Klägerliege der Grenzbefund einer Chondrose Grad I/II in L4/5 und L5/S 1 vor, der somit nicht als zweifelsfrei altersuntypisch angesehen werden müsse. Somit liege die Konstellation (a) vor.
Die Beklagte überreichte Stellungnahmen der Präventionsdienste der Beklagten und der BK Energie und Textil Elektro Medienerzeugnisse vom 20. bzw. 21. Oktober 2011, wonach die gesamte Lebensdosis mit 19,8 x 106 Nh in 21,7 Belastungsjahren errechnet wurde. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer gefährdenden Belastung i. S. der BK 2110 seien in 2,5 Jahren gegeben gewesen.
Die Beigeladene erklärte am 26.Januar 2012, sie halte sich weiterhin für zuständig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte der Landesversicherungsanstalt Brandenburg zur Versicherungsnummer die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Die erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage ist zulässig. Die Beklagte hat Entschädigungsleistungen und damit auch eine Rente abgelehnt
Die Klage ist allerdings unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.
Anspruch auf Rente haben im Fall des Fehlens eines Tatbestandes für eine Stützrente gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall oder BK) über die 26. Woche um wenigstens 20 v. H. gemindert ist.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Eine der hier streitigen Bken ist nicht als Versicherungsfall feststellbar.
BKen sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge eines Versicherungsschutzes nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).
In der BKV ist die BK 2108 bezeichnet als "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheiten ursächlich waren oder sein können".
Die BK 2110 ist definiert als "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können".
Die versicherte Tätigkeit, die schädigenden Einwirkungen sowie die Erkrankungen, für die eine Rente beansprucht wird, sind zweifelsfrei nachzuweisen. Eine absolute Sicherheit ist bei der Feststellung des Sachverhalts nicht zu erzielen. Erforderlich ist aber eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit, wonach kein vernünftiger Mensch mehr am Vorliegen vorgenannter Tatbestandsmerkmale zweifelt (BSGE 6, 144; Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage, Anm. 5 zu § 118 m.w.N.) Es muss ein so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit vorliegen, dass alle Umstände des Einzelfalls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen (BSGE 45, 285, 287; 61, 127, 128).
Für beide BKen gilt, dass durch die spezifischen der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden besonderen Einwirkungen eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS entstanden sein und noch bestehen muss. Zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen muss ein sachlicher Zusammenhang und zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung muss ein (wesentlicher) Ursachenzusammenhang bestehen. Der Versicherte muss darüber hinaus gezwungen gewesen sein, alle gefährdenden Tätigkeiten aufzugeben. Als Folge dieses Zwangs muss die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, liegt eine BK 2108 nicht vor (BSG, Urteil vom 30.10.2007 – B 2 U 4/06R – Rdnr. 16 f.).
Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen und Erkrankungen im Berufskrankheitenrecht gilt, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung, die der Senat in den Entscheidungen vom 09. Mai 2006 (- B 2 U 1/05 R, B 2 U 26/04 R – mwN) zusammengefasst dargestellt hat. Die Theorie der wesentlichen Bedingung hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der Ursache eines Erfolges jedes Ereignis ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der Bedingungstheorie werden im Sozialrecht als rechtserheblich aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben.
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang nach der Theorie der wesentlichen Bedingung positiv festgestellt werden muss und hierfür hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt, nicht jedoch die bloße Möglichkeit. Zur Anerkennung einer BK muss ein doppelter ursächlicher Zusammenhang bejaht werden. Die gesundheitsgefährdende schädigende Einwirkung muss ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein und diese Einwirkung muss die als BK zur Anerkennung gestellte Krankheit verursacht haben.
Bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechenden Umstände müssen die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, dass die dagegen sprechenden billigerweise für die Bildung und Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht bleiben können (BSG in SozR Nr. 20 zu § 542 RVO a. F.). Der ursächliche Zusammenhang ist jedoch nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSGE 60, 58, 59).
Von diesen rechtlichen Voraussetzungen ausgehend ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs. 1 SGG) nicht nachgewiesen, dass sämtliche Voraussetzungen der BK Nrn. 2108 und 2110 erfüllt sind.
Der Kläger war bei den im Tatbestand dieses Urteils genannten Beschäftigungen als Beschäftigter nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB VII beruflichen Einwirkungen durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten und Arbeit in extremer Rumpfbeugehaltung und langjähriger vertikaler Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen hinreichend ausgesetzt.
Die nach dem Mainz-Dortmunder Dosismodell (MDD) ermittelte Gesamtbelastungsdosis überschreitet erheblich den Richtwert von 12,5 x 106 Nh. Der Senat legt die vom TAD ermittelte und mit Stellungnahme vom 20. Oktober 2011 mitgeteilte Gesamtbelastungsdosis in Höhe von 19,8 x 106 Nh zugrunde. Der Wert ist nach den Vorgaben des BSG im Urteil vom 30. Oktober 2007 (B 2 U 4/06 R) berechnet und ist Ausdruck von Belastungen, die geeignet wären, eine BK 2108 zu verursachen.
Der Wert von 12,5 x 106 Nh wird nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der der erkennende Senat folgt, für ausreichend erachtet, da die Richtwerte des MDD nach dieser Rechtsprechung für die Gesamtbelastungsdosis zu halbieren sind (BSG Urteil vom 30. Oktober 2007, B 2 U 4/06 R).
Auch die für die BK 2110 erforderlichen Einwirkungen lassen sich auch im Sinne einer Mischbelastung aus Heben und Tragen schwerer Lasten feststellen.
Der TAD teilte am 06. Mai 2002 für den Beschäftigungszeitraum 22. Juni 1987 bis 31. Juli 1990 mit, der Kläger sei bei dem ehemaligen VEB Kraftverkehr P, in dem der Kläger als Kraftfahrer beschäftigt gewesen war, als LKW-Fahrer mit Be- und Entladetätigkeit beschäftigt gewesen. Die manuell gehobenen und getragenen vollen Milchkästen hätten regelmäßig häufig Gewichte aufgewiesen, welche als eine Belastungsdosis nach damaliger Berechnung nach dem MDD mit 5,06 x 106 Nh angegeben habe. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Annahme einer gefährdenden Belastung im Sinne der Nr. 2110 der BKV seien gegeben. Die gefährdende Belastung habe 3,1 Jahre bestanden.
Im TAD-Bericht vom 20. November 2011 wird für die Zeit der Tätigkeit des Klägers als Kraftfahrer eines Tanklastzuges eine gefährdende Belastung im Sinne der BK 2110 für die Zeit vom 01. Januar 1985 bis 21. Juni 1987 mit 2 ½ Jahren angegeben.
Der Senat vermochte sich allerdings nicht davon zu überzeugen, dass diese Einwirkungen mit Wahrscheinlichkeit wesentliche (Mit-)Ursache für eine bandscheibenbedingte Erkrankung des Klägers waren, und dass er infolge seiner den Versicherungsschutz nach § 2 SGB VII begründeten Tätigkeit eine bandscheibenbedingte Erkrankung seiner LWS erlitten hat und dadurch gezwungen war, diese Tätigkeit aufzugeben.
Bei dem Kläger ist eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS im Sinne der BKen 2108 und 2110 bereits nicht zweifelsfrei feststellbar, so dass der Kläger in Konstellation A1 der Konsensempfehlungen einzuordnen ist, wie Dr. R zutreffend mitgeteilt hat. Eine nach den Konsensempfehlungen erforderlich Grundvoraussetzung für die Anerkennung eines Ursachenzusammenhangs fehlt damit.
Grundvoraussetzung ist eine nachgewiesene bandscheibenbedingte Erkrankung, bei der der bildgebend darstellbare Bandscheibenschaden seiner Ausprägung nach altersuntypisch sein muss (Konsensempfehlungen S. 126).
Der Senat orientiert sich bei der Frage, ob eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS nachgewiesen ist, an den "Medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule", Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung der auf Anregung der vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaft eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe (veröffentlicht in Trauma und Berufskrankheit, Heft 3 und 4/2500, Springer Medizinverlag, Seite 211 ff. – nachfolgend Konsensempfehlungen genannt).
Die Konsensempfehlungen entsprechen dem aktuellen wissenschaftlichen medizinischen Erkenntnisstand, wie der Sachverständige Dr. A im Oktober 2010 bestätigt hat. Nichts anderes folgt aus den übrigen Gutachten. Als aktueller wissenschaftlicher medizinischen Erkenntnisstand sind die durch Forschung und praktische Erfahrungen gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt wurden, über die von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht (Urteil des BSG vom 27. Juni 2006 – B 2 U 13/05 R).
Die Konsensempfehlungen sehen für Konstellation A1 vor:
- Exposition ausreichend: ja - gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung: nein - Beurteilung: Ablehnung.
Nach den Konsensempfehlungen ist der bildgebende Nachweis eines Bandscheibenschadens (Höhenminderung und/oder Vorfall) unabdingbare, aber nicht hinreichende Voraussetzung für den Nachweis eines Bandscheibenschadens. Hinzukommen muss eine korrelierende klinische Symptomatik (Seite 215 der Konsensempfehlungen).
Die Konsensempfehlungen sehen vor die Typen 1 (lokales Lumbalsyndrom ) und 2 (lumbales Wurzelsyndrom).
Bei einem lokalen Lumbalsyndrom Typ 1) sollen folgende Kriterien erfüllt sein: (Seite 216 der Konsensempfehlungen)
- Radiologie: altersuntypische Höhenminderung einer oder mehrerer Bandscheiben - Symptom. Schmerz durch Bewegung - Klinik: Segmentbefund mit provozierbarem Schmerz - funktionell: Entfaltungsstörung der Lendenwirbelsäule - Muskulatur: erhöhter Tonus - ggf. pseudoradikuläre Schmerzausstrahlung.
Insoweit fehlt es bereits an der entsprechenden Radiologie: Eine altersuntypische Höhenminderung einer oder mehrerer Bandscheiben lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht zweifelsfrei feststellen. Dieser ist allerdings eine unerlässliche Voraussetzung. Denn das Schadensbild der BK 2108 und 2110 entspricht den Volkskrankheiten durch chronisch-degnerative Veränderungen der Bandscheiben. Es gibt kein hiervon eindeutig abgrenzbares belastungstypisches Krankheitsbild, sondern nur ein belastungskonformes LWS-Schadensbild der Berufskrankheit. Das belastungskonforme Schadensbild wird beschrieben durch den Vergleich der Veränderungen zwischen Beschäftigten mit hoher Wirbelsäulenbelastung und der Normalbevölkerung hinsichtlich der Kriterien
- Lebensalter beim Auftreten der Schädigung - Ausprägung in einem bestimmten Alter (Seite 212 der Konsensempfehlungen).
Der bildgebende Nachweis eines altersuntypischen Bandscheibenschadens des Klägers ist nicht erbracht. Damit fehlt es an der radiologischen Voraussetzung, die das Krankheitsbild eines lokalen Lumbalsyndroms (Typ 1) der Konsensempfehlungen mitbegründen.
Zweifelsfrei liegen bei dem Kläger zwar Bandscheibenschäden in Form einer Chondrose in den Segmenten L 5/S 1 und L 4/L 5 vor. Allerdings lassen sich diese nicht zweifelsfrei als altersuntypisch im Sinne der Konsensempfehlungen beurteilen. Soweit Dr. A die Veränderungen als altersüberschreitend beurteilt hat, vermag diese Beurteilung den Senat nicht zu überzeugen, da Dr. R hieran erhebliche Zweifel geweckt hat.
Dieser Sachverständige ist Facharzt für Diagnostische Radiologie und damit kompetent, die erforderliche Beurteilung vorzunehmen. Beurteilungen von Dr. R entsprechen den Konsensempfehlungen, die in der Übersicht 1 auf Seite 214 die Einordnung der gemessenen Höhenminderungen in die Alters(un)typik ermöglichen.
Die Konsensempfehlungen beurteilen eine Höhenminderung Grad I größer 1/5 -1/3 im Alter unter 50 Jahren als altersuntypisch ebenso die Höhenminderung Grad II größer 1/3 – 1/2, Grad III: Höhenminderung größer 1/2, Grad IV: Ankylosierende Chondrose.
Dr. R hat die von ihm gemessenen Werte aufgrund der vorliegenden Aufnahmen bildgebender Diagnostik, auf die der Senat Bezug nimmt und die er zugrunde legt, eingeordnet und erklärt, beim Klägerliege der Grenzbefund einer Chondrose Grad I/II in L4/5 und L5/S 1 vor, der nicht als zweifelsfrei altersuntypisch angesehen werden müsse. Somit liege die Konstellation (a) vor.
In seiner Stellungnahme vom 31. Oktober 2011 hat er nachvollziehbar dargelegt, dass - und aus welchen Gründen - sich eine altersuntypische Chondrose (Grad II) in keinem Segment zweifelsfrei feststellen lässt. Nach seinem Gutachten ist eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS des Klägers im Sinne der Konsensempfehlungen aufgrund altersuntypischen Chondrose in L 4/5 und L 5/S 1 im Jahr 2001 bis 2004 einschließlich nicht zweifelsfrei nachgewiesen:
Die Röntgenaufnahme der LWS vom 18.März 2004 erbrachte eine Chondrose Grad I in L 4/5 und L 5/S 1 (S. 12 des Gutachtens). Auch das MRT vom 13. Februar 2003 ergab eine Chondrose Grad I in L 4/5 und L 5/S 1 (S. 8 des Gutachtens).
Andere Messergebnisse zu vorangegangenen Aufnahmen können eine Chondrose Grad II bereits nicht zweifelsfrei belegen, da eine Besserung nach eindeutiger Aussage des Sachverständigen Dr. R nicht erfolgen kann. Insoweit ist nicht beweiskräftig, dass durch ihn die Beurteilung erfolgte, dass das MRT vom 06. September 2001 eine Chondrose Grad II in L 4/5 und eine Chondrose Grad I in L 5/S 1 zeigt (S. 5 des Gutachtens) und dass die Beurteilung der Röntgenaufnahmen der LWS vom 10. Januar 2003 und vom 24. Januar 2000 die einer Chondrose Grad II in L 4/5 und L 5/S 1 zulässt (Gutachten von Dr. R vom 13. Mai 2011). Die übrigen Aufnahmen stehen dem entgegen und lassen nicht zu, einen altersuntypischen Befund als zweifelsfrei erwiesen zu erachten. Weder für die Zeit der Aufgabe der Tätigkeit im September 2001 noch später ist damit ein altersüberschreitender Befund nachgewiesen.
Dr. R führte in seiner Stellungnahme vom 31. Oktober 2011 auf die Nachfrage des Gerichts zu der Unterschiedlichkeit der Ergebnisse 2000 und später aus, dass es sich bei der Chondrose L 4/5 und L 5/S 1 eigentlich um einen Grenzbefund zwischen Grad I und Grad II handelt, so dass sich bei nur geringgradig unterschiedlicher Messung (z. B. +/- 0,5 mm an konventionellen Röntgenfilmen) ein unterschiedlicher Chondrosegrad errechnet. Dementsprechend könne die Chondrose L 4/5 und L 5/S 1 formal als "altersuntypisch" oder "nicht altersuntypisch" eingestuft werden; der medizinisch-biologischen Situation entspreche am besten der Begriff "Grenzbefund", welcher nach Konsensempfehlungen jedoch nicht vorgesehen sei. Die Interpretation des Chondrosegrads orientiere sich an der folgenden Bewertung der normierten relativen Bandscheibenhöhe: Keine Chondrose: )80 % Chondrose Grad I: ) 66 bis 80 % Chondrose Grad II: )50 bis 66 % Chondrose Grad III: = 50 %
Technisch werde die Höhe der Bandscheibenfächer auf den Filmen per Lineal (oder per Software bei digital vorliegenden Daten, was hier nicht der Fall sei) ermittelt und diese Maße durchgehend in die von Hering et al. (2005) publizierte Tabellenkalkulation eingetragen, woraus sich der Chondrosegrad in sämtlichen LWS-Segmenten errechne. Da es sich um relative (im Vergleich zu den restlichen Bandscheiben) Bandscheibenhöhen handele, seien mögliche Messungenauigkeiten bei kleinen Bildformaten naturgemäß größer.
Bei der Röntgenaufnahme vom 24. Januar 2000 ergäben sich folgende Werte: bei L 1/2 10 mm, bei L 2/3 11 mm, bei L 3/4 12 mm, bei L 4/5 8 mm und bei L 5/S 1 7 mm, woraus sich eine Chondrose Grad II in L 4/5 und L 5/S 1 errechne.
Messe man jedoch in den Segmenten L 4/5 und L 5/S 1 nur einen halben Millimeter mehr, also bei L 4/5 8,5 mm und bei L 5/S 1 7,5 mm, so errechne sich eine Chondrose Grad I.
Eine Messungenauigkeit von 0,5 mm entstehe auch schon allein durch die nicht absolut gleiche Projektion der Bandscheiben bei unterschiedlichen Aufnahmen (unterschiedliche Zentrierung des Zentralstrahls der Röntgenaufnahme).
Die Messungenauigkeit werde noch größer, wenn analoge MRT-Filme ausgewertet würden, was hier der Fall sei. Das kleine Bildformat ergebe dann relativ große Schwankungen. Wenn z. B. bei nahezu briefmarkengroßen Bildern eine Bandscheibenhöhe von 2 mm oder 2,5 mm gemessen werde, resultiere eine Messungenauigkeit von 25 %.
Insofern liege beim Kläger im Zeitverlauf keine Besserung einer Chondrose Grad II zu einer Chondrose Grad I vor. Sondern es handele sich um einen konstanten Grenzbefund I/II. Als Gutachter habe er die Daten nicht "stimmig" gemacht, sondern die von ihm ermittelten Messwerte eingesetzt. Der Grad II könne nicht "zweifelsfrei" belegt werden.
Auch der Nachweis von Spondylosen lässt keine Bewertung der Chondrosen als altersuntypisch zu. Dr. R führte aus, dass eine Spondylose nicht immer mit einer Chondrose vergesellschaftet sei (z. B. Dihlmann: Gelenke – Wirbelverbindungen, Thieme, Stuttgart). Gegen einen Kausalzusammenhang von Chondrose und Spondylose spreche die eindeutig altersuntypische Ausprägung der Spondylose bei allenfalls grenzwertiger Chondrose. Chondrosen und Spondylosen seien nicht zwangsläufig bildgebend korreliert, eine Chondrose könne ohne Spondylose und eine Spondylose ohne Chondrose vorkommen, obwohl die Spondylosis deformans grundsätzlich in pathogenetischer Beziehung zur Diskusdegeneration stehe.
In Übereinstimmung mit den Konsensempfehlungen hat er überzeugend ausgeführt, dass Grundvoraussetzung für eine Anerkennung eines Ursachenzusammenhangs ein bildgebend dargestellter Bandscheibenschaden sei, definiert als Höhenminderung oder Vorfall. Falls weder eine relevante Höhenminderung, noch ein Vorfall bildgebend nachweisbar sei, so habe im Sinne der Konsensempfehlungen das Vorhandensein von Spondylosen allenfalls positive Indizwirkung, wenn zwei Segmente betroffen seien. Ausreichend für die Anerkennung eines Ursachenzusammenhangs sei dies nicht. Seines Wissens sei im Grenzfall einer Chondrose Grad I/II des untersten LWS-Segmentes bei zusätzlich hypersegmentierter LWS- wie im Fall des Klägers- trotz altersuntypischer Spondylose ein Zusammenhang wenig wahrscheinlich. Die Chondrose des untersten LWS- Segments (L5/S1) hat er in Anbetracht der sechsgliedrigen LWS des Klägers nachvollziehbar als nicht als belastungsbedingte pathologische Chondrose bezeichnet.
Die Beurteilungen von Dr. B und Dr. G entsprechen im Ergebnis der von Dr. R auch wenn sie sich nicht an den Konsensempfehlungen orientieren und stehen dessen Beurteilung nicht entgegen.
Dr. J hat die Aufnahmen bildgebender Diagnostik nicht beurteilt, so dass dessen Gutachten insoweit den Kläger nicht zum Erfolg verhelfen kann.
Auch die klinischen Kriterien eines lokalen Lumbalsyndroms lassen sich für die Zeit der Aufgabe der Tätigkeit nicht sämtlich feststellen. Es fehlt eine klinische Grundvoraussetzung für das klinische Bild eines lokalen Lumbalsyndroms, das mit dem erforderlichen radiologischen Befund auch zeitlich korrelieren soll.
Dr. J und Dr. A haben die aktenkundigen Befunde entsprechend ausgewertet. Danach sind Schmerz durch Bewegung, Segmentbefund mit provozierbarem Schmerz, Entfaltungsstörung der LWS dokumentiert in den Gutachten, die DM R und Dr. E bei ihren Untersuchungen durch Befunde festgestellt haben.
Ein erhöhter Tonus der Muskulatur ist allerdings erst nach Aufgabe der Tätigkeit im Gutachten von Dr. G im Jahr 2005 dokumentiert. Soweit Dr. A ausgeführt hat, dass dies ein verzichtbares Kriterium sei, weil von Personen mit erhöhter Beweglichkeit eines Wirbelsäulenabschnitts dieses Kriterium z. T. nicht erfüllbar sei, steht dies den Konsensempfehlungen entgegen. Nur die pseudoradikuläre Schmerzausstrahlung ist nach den Konsensempfehlungen verzichtbar: "ggf. pseudoradikuläre Schmerzausstrahlung".
Auch ein lumbales Wurzelsyndrom (Typ 2) ist nicht feststellbar. Hierfür sollen als Kriterien erfüllt sein:
- Radiologie: Vorfall oder Chondrose mit Bandscheibenverschmälerung mit Nervenwurzelbedrängung , ggf. i. V. m. Retrospondylose, Spondylarthrose, Foramenstenose, Recessusstenose und/oder Spinalkanalstenose, im Ausnahmefall bei engem Spinalkanal nach Protrusion - Neurologie: Zeichen der Reizung bzw. Schädigung der entsprechenden Nervenwurzel (n) - Typ I und II kommen häufig auch als Mischform vor. Das Kaudasyndrom ist eine Sonderform des lumbalen Wurzelsyndroms.
Auch insoweit fehlt es an der Radiologie: Vorfall oder Chondrose mit Bandscheibenverschmälerung mit Nervenwurzelbedrängung hat keiner der Sachverständigen festgestellt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Tatbestand:
Im Streit ist die Beurteilung einer Erkrankung der Bandscheiben der Lendenwirbelsäule (LWS) des Klägers als Berufskrankheit (BK).
Der Kläger war während seines Berufslebens auch als Kraftfahrer mit Be- und Entladetätigkeit beschäftigt, wobei er auch Lasten bis zu 50 kg täglich zu heben und zu tragen hatte. Er war auch Ganzkörperschwingungen zeitweilig zeitgleich ausgesetzt.
Im Einzelnen: Vom 01. September 1968 bis 30. Juni 1970 durchlief der Kläger eine Ausbildung zum Teilefertiger im VEB G. Vom 01. Juli 1970 bis 30. April 1972 war er als Hilfsschlosser im VEB GT tätig. Vom 03. Mai 1972 bis 29. Oktober 1973 leistete er seinen Wehrdienst ab, wobei er auch als Kraft- und LKW-Fahrer tätig war. Vom 01. November 1973 bis 31. Dezember 1973 war er erneut als Hilfsschlosser mit Kleinreparaturen beschäftigt im VEB G. Vom 01. Januar 1974 bis 31. Dezember 1976 war er als Kraftfahrer Gütertransport im VEB G- beschäftigt, wobei er auch Be- und Entladetätigkeiten auszuüben hatte. Vom 01. Januar 1977 bis 31. Dezember 1981 war im VEB G-Gals Kleintransport-Kraftfahrer tätig. Er hatte hausinterne Post zu transportieren mit Postsäcken bis 50 kg. Vom 01. Januar 1982 bis 31. Dezember 1984 war er Gabelstaplerfahrer im VEB G-Wareneingang. Vom 01. Januar 1985 bis 22. Juni 1987 war er Tankwagenfahrer beim VEB M, Vom 22. Juni 1987 bis 31. Juli 1990 war er Kraftfahrer beim VEB Kraftverkehr P und hatte dabei Milchflaschen auszuliefern. Vom 01. August 1990 bis 12. Dezember 1990 war er als Kraftfahrer mit Be- und Entladetätigkeit beschäftigt bei der Gesellschaft für Altbaumodernisierung GmbH. Vom 13. Dezember 1990 bis 12. März 1991 war er arbeitslos. Vom 13. März 1991 bis 31. Dezember 2001 war er als Kraftfahrer mit Be- und Entladetätigkeit beschäftigt im Mörtelwerk S. Ab 24. September 2001 war der Kläger nach Auskunft des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. Z bis 21. Februar 2002 wegen Lumbago/Bandscheibenprotrusion arbeitsunfähig. Seitdem hat der Kläger nicht mehr gearbeitet.
Im März 2002 ging bei der Beklagten eine Mitteilung der Steinbruchs-BG mit Anlagen ein, worin der Verdacht auf die BKen 2108, 2110 der Anlage zur BKV mitgeteilt wurde. Sie holte Auskünfte im Beschäftigungsunternehmen des Klägers ein und stellte Berechnungen nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) an.
Die Steinbruchs BG bat die BGF am 11. Juli 2002 um Prüfung, unter Berücksichtigung der in Kopie beigefügten Unterlagen die Zuständigkeit anzuerkennen (§ 3 der Zuständigkeitsvereinbarung) und die weitere Bearbeitung zu übernehmen, da die letzte gefährdende Tätigkeit (BK 2108 und BK 2110) vor der Meldung der Erkrankung im Mitgliedsunternehmen im BG K ausgeübt worden sei. Mit Schreiben vom 24. Juli 2002 bestätigte die BGF der Steinbruchs-BG die Übernahme der weiteren Bearbeitung der Erkrankung nach Nr. 2108, 2109, 2110.
Die Beklagte holte ein Gutachten ein, das der Facharzt für Chirurgie Dr. G im Januar 2003 nach ambulanter Untersuchung des Klägers vom 10. Januar 2003 erstattete. Er meinte, die Befunde gäben keine Hinweise auf das Vorliegen einer BK.
Mit Bescheid vom 12. Juni 2003 "über Ablehnung einer Entschädigung" wurde dem Kläger mitgeteilt, Entschädigungsleistungen würden nicht gezahlt, weil eine BK nach Nrn. 2108 und 2110 der Anlage zur BKV nicht vorliege.
Mit seinem Widerspruch vom 27. Juni 2003 wies der Kläger u. a. darauf hin, dass die Jahre vom 01. August 1990 bis 30. September 2001 fehlten. In diesen Jahren sei er auch als Kraftfahrer mit Be- und Entladen tätig gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07. Oktober 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Mit der am 27. Oktober 2003 beim Sozialgericht (SG) Potsdam eingegangenen Klage trug der Kläger insbesondere vor, wiederum seien seine Arbeitsjahre vom 01. August 1990 bis 28. Februar 2002 vergessen worden, obgleich er sie schon in seinem Widerspruch angegeben habe. In dieser Zeit sei er auch als Kraftfahrer tätig geworden (Baustelle). Er habe alles Mögliche ausgefahren.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 12. Juni 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Oktober 2003 aufzuheben und ihm eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens von 20 Prozent ab Eintritt des Versicherungsfalls zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das SG holte einen Befundbericht des behandelnden Arztes Dr. S ein. Der Facharzt für Chirurgie Dr. B erstattete im März 2004 ein Gutachten nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 18. März 2004. Er meinte, die bei dem Kläger vorliegenden anlagebedingten Umformungsprozesse im Bereich der Wirbelsäule seien nicht ursächlich in Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit zu bringen, sie seien schicksalhaft aufgetreten.
Mit dem am 28. Oktober 2004 verkündeten Urteil hat das SG die Klage abgewiesen. Das Gericht folgte der Argumentation von Dr. B.
Gegen das dem Kläger am 10. Dezember 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 05. Januar 2005 eingegangene Berufung des Klägers, mit der er in der Berufungsbegründung eine erneute Begutachtung für erforderlich erachtete.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 28. Oktober 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 12. Juni 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Oktober 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verwies darauf, dass die beim Kläger vorliegenden Verteilungsmuster der röntgenologisch nachgewiesenen pathologischen Veränderungen auf eine starke konstitutionelle Veranlagung zum Bandscheibenverschleiß hinweise, der Ursachenzusammenhang demnach als unwahrscheinlich anzusehen sei.
In der nichtöffentlichen Sitzung des 27. Senats vom 06. Juni 2005 wurde Dr. B als Sachverständiger vernommen. Insbesondere führte er aus es handele sich nicht eigentlich um einen bandscheibenbedingten Schaden.
Im März 2006 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Einholung eines Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Oberarzt am Evangelischen Krankenhaus S Dr. A. Dieses ging im September 2006 beim LSG Brandenburg ein. Er führte aus, beim Kläger liege eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vor. Die berufliche Exposition des Klägers durch langjähriges Heben und Tragen bzw. durch langjährige vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen erfülle mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Voraussetzungen einer relevanten Ursache im Sinne der Nr. 2108.
Dr. B nahm im Januar 2007 Stellung, er verwies darauf, insbesondere die zuletzt veröffentlichten Konsensempfehlungen sähen als zwingende Voraussetzung für die Annahme einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS vor, dass überhaupt eine Erkrankung dieses Wirbelsäulenabschnitts vorliege. Eine Erkrankung der LWS sei entweder ein lokales Lumbalsyndrom oder ein lumbales Wurzelsyndrom. Beide Krankheitsbilder lägen beim Kläger nicht vor
Dr. A nahm im November 2007 bei Gericht eingehend Stellung. Beim Kläger bestehe nach übereinstimmender Feststellung in seinem Gutachten sowie in den in der Gerichtsakte vorhandenen Befund- und Behandlungsberichten seit über 10 Jahren ein chronisches Schmerzsyndrom der unteren LWS mit pseudoradikulärer Ausstrahlung in das linke Bein. Diese klinischen Symptome seien unter Berücksichtigung der Fachliteratur mit einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS in Übereinstimmung zu bringen. Diese klinische Einschätzung korrespondiere mit einer kernspintomografischen nachweisbaren altersvorausschreitenden Degeneration der unteren beiden, mechanisch am stärksten belasteten Bewegungssegmente der LWS.
Im Juli 2008 ging eine weitere Stellungnahme von Dr. A beim LSG ein. Er nahm Bezug auf die Konsensempfehlungen. Er beurteilte das beim Kläger aufgrund seiner Untersuchung sowie aufgrund der im Erstgutachten zitierten Fremdbefunde diagnostizierte klinische Krankheitsbild auf der Grundlage der Konsensempfehlungen als lokales Lumbalsyndrom. Nach den Konsensempfehlungen sei ein Zusammenhang gemäß Listennummer 2108 wahrscheinlich.
Dr. B nahm im Oktober 2008 Stellung. Er meinte, es seien erhebliche Zweifel angebracht, ob bei dem Kläger die Kriterien eines Krankheitsprozesses erfüllt seien.
Mit der im Oktober 2010 eingegangenen Stellungnahme führte Dr. aus, dass der Nachweis der Höhenminderung der Bandscheibenfächer L 4/5 und L 5/S 1 erfolgt sei in den Stellungnahmen auf der Basis der Röntgenaufnahmen vom 10. Januar 2001 und der kernspintomografischen Untersuchung des Klägers vom 06. August 2001. Sie reflektierten zeitlich exakt den radiologischen Zustand der LWS zum Zeitpunkt der Aufgabe der beruflichen Tätigkeit im gleichen Jahr.
Das Vorhandensein einer entsprechenden klinischen Symptomatik zum Zeitpunkt der Beendigung bei Berufsausübung im Jahr 2001 werde durch Befunde belegt, die im Auftrag der gesetzlichen Rentenversicherung erhoben worden seien. Er nahm Bezug auf die Verwaltungsakte der LVA Brandenburg.
Die Beklagte trug im Februar 2011 vor, die letzte gefährdende Tätigkeit sei entsprechend der Vereinbarung über die Zuständigkeit bei Berufskrankheiten (VbgBK) im Zuständigkeitsbereich der Steinbruchs BG, bei dem Arbeitgeber MWS Mörtelwerk, -Tätigkeitszeitraum 13. März 1991 bis 31. Dezember 2001 ausgeübt worden. Eine Verurteilung der Beklagten scheide von daher auf jeden Fall aus.
Die Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie wurde mit Beschluss vom 15. März 2011 beigeladen. Die Beigeladene nahm Bezug auf die Übernahmeerklärung der Beklagten vom 31. Juli 2002 und wies darauf hin, dass die Voraussetzungen für einen Rücktritt von der Übernahmeerklärung nicht vorlägen.
Aufgrund der Beweisanordnung vom 14. März 2011 erstattete Dr. R, Arzt für Diagnostische Radiologie, im Mai 2011 ein Gutachten nach Aktenlage. Die Röntgenaufnahmen der LWS beurteilte er dahingehend, dass eine sechsgliedrige LWS vorliege.
Das MRT vom 06. September 2001 beurteilte er dahingehend, dass eine Chondrose Grad II in L4/5 sowie eine Chondrose Grad I in L 5/S 1 vorliege.
Das MRT vom 13. Februar 2003 beurteilte er ebenso wie die Röntgenaufnahmen vom 18. März 2004 dahingehend, dass eine Chondrose in L 4/5 und L 5/S 1 mit Grad I vorliege.
Der Facharzt für Orthopädie Dr. J erstattete im August 2011 ein orthopädisches Gutachten nach Aktenlage.Zusammengefasst führte er aus: Beim Kläger liege eine bandscheibenbedingte LWS-Erkrankung im Sinne eines lokalen Lumbalsyndroms mit pseudoradikulärer Schmerzsymptomatik (Typ 1) vor. Aus der Zusammenschau aller Argumente heraus und nach vernünftiger Abwägung aller Umstände sprächen zusammenfassend deutlich überwiegende Gründe für den gefragten Zusammenhang und damit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer BK 2108 im Sinne der Entstehung einer bandscheibenbedingten Erkrankung.
Die Beigeladene äußerte sich zu dem Gutachten dahingehend, dass ihm nicht zu folgen sei, da keines der Zusatzkriterien der Konstellation B 2 der Konsensempfehlungen vorliege.
Die Beklagte nahm Bezug auf eine Stellungnahme der beratenden Ärztin Dr. W, Fachärztin für Chirurgie vom 09. September 2011, die einen Kausalzusammenhang nicht für wahrscheinlich erachtete. Sie verwies auf eine dokumentierte sechsgliedrige LWS (Röntgenbilder aus dem Jahr 2000 und 2004). Damit liege eine wesentliche Anlageanomalie der LWS mit Vorhandensein eines 6. Lendenwirbelkörpers vor. Die sechsgliedrige LWS erkläre die Höhenminderung zumindest des letzten Bandscheibenfaches der LWS. Damit sei bei dem Versicherten allenfalls das Segment L 4/5 grenzwertig erniedrigt. Die MRT-Untersuchung der LWS von 2003 weise einen altersvorauseilenden Befund nicht mehr auf.
Dr. R ergänzte sein Gutachten am 31. Oktober 2011. Beim Klägerliege der Grenzbefund einer Chondrose Grad I/II in L4/5 und L5/S 1 vor, der somit nicht als zweifelsfrei altersuntypisch angesehen werden müsse. Somit liege die Konstellation (a) vor.
Die Beklagte überreichte Stellungnahmen der Präventionsdienste der Beklagten und der BK Energie und Textil Elektro Medienerzeugnisse vom 20. bzw. 21. Oktober 2011, wonach die gesamte Lebensdosis mit 19,8 x 106 Nh in 21,7 Belastungsjahren errechnet wurde. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer gefährdenden Belastung i. S. der BK 2110 seien in 2,5 Jahren gegeben gewesen.
Die Beigeladene erklärte am 26.Januar 2012, sie halte sich weiterhin für zuständig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte der Landesversicherungsanstalt Brandenburg zur Versicherungsnummer die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Die erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage ist zulässig. Die Beklagte hat Entschädigungsleistungen und damit auch eine Rente abgelehnt
Die Klage ist allerdings unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.
Anspruch auf Rente haben im Fall des Fehlens eines Tatbestandes für eine Stützrente gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall oder BK) über die 26. Woche um wenigstens 20 v. H. gemindert ist.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Eine der hier streitigen Bken ist nicht als Versicherungsfall feststellbar.
BKen sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge eines Versicherungsschutzes nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).
In der BKV ist die BK 2108 bezeichnet als "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheiten ursächlich waren oder sein können".
Die BK 2110 ist definiert als "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können".
Die versicherte Tätigkeit, die schädigenden Einwirkungen sowie die Erkrankungen, für die eine Rente beansprucht wird, sind zweifelsfrei nachzuweisen. Eine absolute Sicherheit ist bei der Feststellung des Sachverhalts nicht zu erzielen. Erforderlich ist aber eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit, wonach kein vernünftiger Mensch mehr am Vorliegen vorgenannter Tatbestandsmerkmale zweifelt (BSGE 6, 144; Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage, Anm. 5 zu § 118 m.w.N.) Es muss ein so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit vorliegen, dass alle Umstände des Einzelfalls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen (BSGE 45, 285, 287; 61, 127, 128).
Für beide BKen gilt, dass durch die spezifischen der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden besonderen Einwirkungen eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS entstanden sein und noch bestehen muss. Zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen muss ein sachlicher Zusammenhang und zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung muss ein (wesentlicher) Ursachenzusammenhang bestehen. Der Versicherte muss darüber hinaus gezwungen gewesen sein, alle gefährdenden Tätigkeiten aufzugeben. Als Folge dieses Zwangs muss die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, liegt eine BK 2108 nicht vor (BSG, Urteil vom 30.10.2007 – B 2 U 4/06R – Rdnr. 16 f.).
Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen und Erkrankungen im Berufskrankheitenrecht gilt, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung, die der Senat in den Entscheidungen vom 09. Mai 2006 (- B 2 U 1/05 R, B 2 U 26/04 R – mwN) zusammengefasst dargestellt hat. Die Theorie der wesentlichen Bedingung hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der Ursache eines Erfolges jedes Ereignis ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der Bedingungstheorie werden im Sozialrecht als rechtserheblich aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben.
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang nach der Theorie der wesentlichen Bedingung positiv festgestellt werden muss und hierfür hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt, nicht jedoch die bloße Möglichkeit. Zur Anerkennung einer BK muss ein doppelter ursächlicher Zusammenhang bejaht werden. Die gesundheitsgefährdende schädigende Einwirkung muss ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein und diese Einwirkung muss die als BK zur Anerkennung gestellte Krankheit verursacht haben.
Bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechenden Umstände müssen die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, dass die dagegen sprechenden billigerweise für die Bildung und Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht bleiben können (BSG in SozR Nr. 20 zu § 542 RVO a. F.). Der ursächliche Zusammenhang ist jedoch nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSGE 60, 58, 59).
Von diesen rechtlichen Voraussetzungen ausgehend ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs. 1 SGG) nicht nachgewiesen, dass sämtliche Voraussetzungen der BK Nrn. 2108 und 2110 erfüllt sind.
Der Kläger war bei den im Tatbestand dieses Urteils genannten Beschäftigungen als Beschäftigter nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB VII beruflichen Einwirkungen durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten und Arbeit in extremer Rumpfbeugehaltung und langjähriger vertikaler Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen hinreichend ausgesetzt.
Die nach dem Mainz-Dortmunder Dosismodell (MDD) ermittelte Gesamtbelastungsdosis überschreitet erheblich den Richtwert von 12,5 x 106 Nh. Der Senat legt die vom TAD ermittelte und mit Stellungnahme vom 20. Oktober 2011 mitgeteilte Gesamtbelastungsdosis in Höhe von 19,8 x 106 Nh zugrunde. Der Wert ist nach den Vorgaben des BSG im Urteil vom 30. Oktober 2007 (B 2 U 4/06 R) berechnet und ist Ausdruck von Belastungen, die geeignet wären, eine BK 2108 zu verursachen.
Der Wert von 12,5 x 106 Nh wird nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der der erkennende Senat folgt, für ausreichend erachtet, da die Richtwerte des MDD nach dieser Rechtsprechung für die Gesamtbelastungsdosis zu halbieren sind (BSG Urteil vom 30. Oktober 2007, B 2 U 4/06 R).
Auch die für die BK 2110 erforderlichen Einwirkungen lassen sich auch im Sinne einer Mischbelastung aus Heben und Tragen schwerer Lasten feststellen.
Der TAD teilte am 06. Mai 2002 für den Beschäftigungszeitraum 22. Juni 1987 bis 31. Juli 1990 mit, der Kläger sei bei dem ehemaligen VEB Kraftverkehr P, in dem der Kläger als Kraftfahrer beschäftigt gewesen war, als LKW-Fahrer mit Be- und Entladetätigkeit beschäftigt gewesen. Die manuell gehobenen und getragenen vollen Milchkästen hätten regelmäßig häufig Gewichte aufgewiesen, welche als eine Belastungsdosis nach damaliger Berechnung nach dem MDD mit 5,06 x 106 Nh angegeben habe. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Annahme einer gefährdenden Belastung im Sinne der Nr. 2110 der BKV seien gegeben. Die gefährdende Belastung habe 3,1 Jahre bestanden.
Im TAD-Bericht vom 20. November 2011 wird für die Zeit der Tätigkeit des Klägers als Kraftfahrer eines Tanklastzuges eine gefährdende Belastung im Sinne der BK 2110 für die Zeit vom 01. Januar 1985 bis 21. Juni 1987 mit 2 ½ Jahren angegeben.
Der Senat vermochte sich allerdings nicht davon zu überzeugen, dass diese Einwirkungen mit Wahrscheinlichkeit wesentliche (Mit-)Ursache für eine bandscheibenbedingte Erkrankung des Klägers waren, und dass er infolge seiner den Versicherungsschutz nach § 2 SGB VII begründeten Tätigkeit eine bandscheibenbedingte Erkrankung seiner LWS erlitten hat und dadurch gezwungen war, diese Tätigkeit aufzugeben.
Bei dem Kläger ist eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS im Sinne der BKen 2108 und 2110 bereits nicht zweifelsfrei feststellbar, so dass der Kläger in Konstellation A1 der Konsensempfehlungen einzuordnen ist, wie Dr. R zutreffend mitgeteilt hat. Eine nach den Konsensempfehlungen erforderlich Grundvoraussetzung für die Anerkennung eines Ursachenzusammenhangs fehlt damit.
Grundvoraussetzung ist eine nachgewiesene bandscheibenbedingte Erkrankung, bei der der bildgebend darstellbare Bandscheibenschaden seiner Ausprägung nach altersuntypisch sein muss (Konsensempfehlungen S. 126).
Der Senat orientiert sich bei der Frage, ob eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS nachgewiesen ist, an den "Medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule", Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung der auf Anregung der vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaft eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe (veröffentlicht in Trauma und Berufskrankheit, Heft 3 und 4/2500, Springer Medizinverlag, Seite 211 ff. – nachfolgend Konsensempfehlungen genannt).
Die Konsensempfehlungen entsprechen dem aktuellen wissenschaftlichen medizinischen Erkenntnisstand, wie der Sachverständige Dr. A im Oktober 2010 bestätigt hat. Nichts anderes folgt aus den übrigen Gutachten. Als aktueller wissenschaftlicher medizinischen Erkenntnisstand sind die durch Forschung und praktische Erfahrungen gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt wurden, über die von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht (Urteil des BSG vom 27. Juni 2006 – B 2 U 13/05 R).
Die Konsensempfehlungen sehen für Konstellation A1 vor:
- Exposition ausreichend: ja - gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung: nein - Beurteilung: Ablehnung.
Nach den Konsensempfehlungen ist der bildgebende Nachweis eines Bandscheibenschadens (Höhenminderung und/oder Vorfall) unabdingbare, aber nicht hinreichende Voraussetzung für den Nachweis eines Bandscheibenschadens. Hinzukommen muss eine korrelierende klinische Symptomatik (Seite 215 der Konsensempfehlungen).
Die Konsensempfehlungen sehen vor die Typen 1 (lokales Lumbalsyndrom ) und 2 (lumbales Wurzelsyndrom).
Bei einem lokalen Lumbalsyndrom Typ 1) sollen folgende Kriterien erfüllt sein: (Seite 216 der Konsensempfehlungen)
- Radiologie: altersuntypische Höhenminderung einer oder mehrerer Bandscheiben - Symptom. Schmerz durch Bewegung - Klinik: Segmentbefund mit provozierbarem Schmerz - funktionell: Entfaltungsstörung der Lendenwirbelsäule - Muskulatur: erhöhter Tonus - ggf. pseudoradikuläre Schmerzausstrahlung.
Insoweit fehlt es bereits an der entsprechenden Radiologie: Eine altersuntypische Höhenminderung einer oder mehrerer Bandscheiben lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht zweifelsfrei feststellen. Dieser ist allerdings eine unerlässliche Voraussetzung. Denn das Schadensbild der BK 2108 und 2110 entspricht den Volkskrankheiten durch chronisch-degnerative Veränderungen der Bandscheiben. Es gibt kein hiervon eindeutig abgrenzbares belastungstypisches Krankheitsbild, sondern nur ein belastungskonformes LWS-Schadensbild der Berufskrankheit. Das belastungskonforme Schadensbild wird beschrieben durch den Vergleich der Veränderungen zwischen Beschäftigten mit hoher Wirbelsäulenbelastung und der Normalbevölkerung hinsichtlich der Kriterien
- Lebensalter beim Auftreten der Schädigung - Ausprägung in einem bestimmten Alter (Seite 212 der Konsensempfehlungen).
Der bildgebende Nachweis eines altersuntypischen Bandscheibenschadens des Klägers ist nicht erbracht. Damit fehlt es an der radiologischen Voraussetzung, die das Krankheitsbild eines lokalen Lumbalsyndroms (Typ 1) der Konsensempfehlungen mitbegründen.
Zweifelsfrei liegen bei dem Kläger zwar Bandscheibenschäden in Form einer Chondrose in den Segmenten L 5/S 1 und L 4/L 5 vor. Allerdings lassen sich diese nicht zweifelsfrei als altersuntypisch im Sinne der Konsensempfehlungen beurteilen. Soweit Dr. A die Veränderungen als altersüberschreitend beurteilt hat, vermag diese Beurteilung den Senat nicht zu überzeugen, da Dr. R hieran erhebliche Zweifel geweckt hat.
Dieser Sachverständige ist Facharzt für Diagnostische Radiologie und damit kompetent, die erforderliche Beurteilung vorzunehmen. Beurteilungen von Dr. R entsprechen den Konsensempfehlungen, die in der Übersicht 1 auf Seite 214 die Einordnung der gemessenen Höhenminderungen in die Alters(un)typik ermöglichen.
Die Konsensempfehlungen beurteilen eine Höhenminderung Grad I größer 1/5 -1/3 im Alter unter 50 Jahren als altersuntypisch ebenso die Höhenminderung Grad II größer 1/3 – 1/2, Grad III: Höhenminderung größer 1/2, Grad IV: Ankylosierende Chondrose.
Dr. R hat die von ihm gemessenen Werte aufgrund der vorliegenden Aufnahmen bildgebender Diagnostik, auf die der Senat Bezug nimmt und die er zugrunde legt, eingeordnet und erklärt, beim Klägerliege der Grenzbefund einer Chondrose Grad I/II in L4/5 und L5/S 1 vor, der nicht als zweifelsfrei altersuntypisch angesehen werden müsse. Somit liege die Konstellation (a) vor.
In seiner Stellungnahme vom 31. Oktober 2011 hat er nachvollziehbar dargelegt, dass - und aus welchen Gründen - sich eine altersuntypische Chondrose (Grad II) in keinem Segment zweifelsfrei feststellen lässt. Nach seinem Gutachten ist eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS des Klägers im Sinne der Konsensempfehlungen aufgrund altersuntypischen Chondrose in L 4/5 und L 5/S 1 im Jahr 2001 bis 2004 einschließlich nicht zweifelsfrei nachgewiesen:
Die Röntgenaufnahme der LWS vom 18.März 2004 erbrachte eine Chondrose Grad I in L 4/5 und L 5/S 1 (S. 12 des Gutachtens). Auch das MRT vom 13. Februar 2003 ergab eine Chondrose Grad I in L 4/5 und L 5/S 1 (S. 8 des Gutachtens).
Andere Messergebnisse zu vorangegangenen Aufnahmen können eine Chondrose Grad II bereits nicht zweifelsfrei belegen, da eine Besserung nach eindeutiger Aussage des Sachverständigen Dr. R nicht erfolgen kann. Insoweit ist nicht beweiskräftig, dass durch ihn die Beurteilung erfolgte, dass das MRT vom 06. September 2001 eine Chondrose Grad II in L 4/5 und eine Chondrose Grad I in L 5/S 1 zeigt (S. 5 des Gutachtens) und dass die Beurteilung der Röntgenaufnahmen der LWS vom 10. Januar 2003 und vom 24. Januar 2000 die einer Chondrose Grad II in L 4/5 und L 5/S 1 zulässt (Gutachten von Dr. R vom 13. Mai 2011). Die übrigen Aufnahmen stehen dem entgegen und lassen nicht zu, einen altersuntypischen Befund als zweifelsfrei erwiesen zu erachten. Weder für die Zeit der Aufgabe der Tätigkeit im September 2001 noch später ist damit ein altersüberschreitender Befund nachgewiesen.
Dr. R führte in seiner Stellungnahme vom 31. Oktober 2011 auf die Nachfrage des Gerichts zu der Unterschiedlichkeit der Ergebnisse 2000 und später aus, dass es sich bei der Chondrose L 4/5 und L 5/S 1 eigentlich um einen Grenzbefund zwischen Grad I und Grad II handelt, so dass sich bei nur geringgradig unterschiedlicher Messung (z. B. +/- 0,5 mm an konventionellen Röntgenfilmen) ein unterschiedlicher Chondrosegrad errechnet. Dementsprechend könne die Chondrose L 4/5 und L 5/S 1 formal als "altersuntypisch" oder "nicht altersuntypisch" eingestuft werden; der medizinisch-biologischen Situation entspreche am besten der Begriff "Grenzbefund", welcher nach Konsensempfehlungen jedoch nicht vorgesehen sei. Die Interpretation des Chondrosegrads orientiere sich an der folgenden Bewertung der normierten relativen Bandscheibenhöhe: Keine Chondrose: )80 % Chondrose Grad I: ) 66 bis 80 % Chondrose Grad II: )50 bis 66 % Chondrose Grad III: = 50 %
Technisch werde die Höhe der Bandscheibenfächer auf den Filmen per Lineal (oder per Software bei digital vorliegenden Daten, was hier nicht der Fall sei) ermittelt und diese Maße durchgehend in die von Hering et al. (2005) publizierte Tabellenkalkulation eingetragen, woraus sich der Chondrosegrad in sämtlichen LWS-Segmenten errechne. Da es sich um relative (im Vergleich zu den restlichen Bandscheiben) Bandscheibenhöhen handele, seien mögliche Messungenauigkeiten bei kleinen Bildformaten naturgemäß größer.
Bei der Röntgenaufnahme vom 24. Januar 2000 ergäben sich folgende Werte: bei L 1/2 10 mm, bei L 2/3 11 mm, bei L 3/4 12 mm, bei L 4/5 8 mm und bei L 5/S 1 7 mm, woraus sich eine Chondrose Grad II in L 4/5 und L 5/S 1 errechne.
Messe man jedoch in den Segmenten L 4/5 und L 5/S 1 nur einen halben Millimeter mehr, also bei L 4/5 8,5 mm und bei L 5/S 1 7,5 mm, so errechne sich eine Chondrose Grad I.
Eine Messungenauigkeit von 0,5 mm entstehe auch schon allein durch die nicht absolut gleiche Projektion der Bandscheiben bei unterschiedlichen Aufnahmen (unterschiedliche Zentrierung des Zentralstrahls der Röntgenaufnahme).
Die Messungenauigkeit werde noch größer, wenn analoge MRT-Filme ausgewertet würden, was hier der Fall sei. Das kleine Bildformat ergebe dann relativ große Schwankungen. Wenn z. B. bei nahezu briefmarkengroßen Bildern eine Bandscheibenhöhe von 2 mm oder 2,5 mm gemessen werde, resultiere eine Messungenauigkeit von 25 %.
Insofern liege beim Kläger im Zeitverlauf keine Besserung einer Chondrose Grad II zu einer Chondrose Grad I vor. Sondern es handele sich um einen konstanten Grenzbefund I/II. Als Gutachter habe er die Daten nicht "stimmig" gemacht, sondern die von ihm ermittelten Messwerte eingesetzt. Der Grad II könne nicht "zweifelsfrei" belegt werden.
Auch der Nachweis von Spondylosen lässt keine Bewertung der Chondrosen als altersuntypisch zu. Dr. R führte aus, dass eine Spondylose nicht immer mit einer Chondrose vergesellschaftet sei (z. B. Dihlmann: Gelenke – Wirbelverbindungen, Thieme, Stuttgart). Gegen einen Kausalzusammenhang von Chondrose und Spondylose spreche die eindeutig altersuntypische Ausprägung der Spondylose bei allenfalls grenzwertiger Chondrose. Chondrosen und Spondylosen seien nicht zwangsläufig bildgebend korreliert, eine Chondrose könne ohne Spondylose und eine Spondylose ohne Chondrose vorkommen, obwohl die Spondylosis deformans grundsätzlich in pathogenetischer Beziehung zur Diskusdegeneration stehe.
In Übereinstimmung mit den Konsensempfehlungen hat er überzeugend ausgeführt, dass Grundvoraussetzung für eine Anerkennung eines Ursachenzusammenhangs ein bildgebend dargestellter Bandscheibenschaden sei, definiert als Höhenminderung oder Vorfall. Falls weder eine relevante Höhenminderung, noch ein Vorfall bildgebend nachweisbar sei, so habe im Sinne der Konsensempfehlungen das Vorhandensein von Spondylosen allenfalls positive Indizwirkung, wenn zwei Segmente betroffen seien. Ausreichend für die Anerkennung eines Ursachenzusammenhangs sei dies nicht. Seines Wissens sei im Grenzfall einer Chondrose Grad I/II des untersten LWS-Segmentes bei zusätzlich hypersegmentierter LWS- wie im Fall des Klägers- trotz altersuntypischer Spondylose ein Zusammenhang wenig wahrscheinlich. Die Chondrose des untersten LWS- Segments (L5/S1) hat er in Anbetracht der sechsgliedrigen LWS des Klägers nachvollziehbar als nicht als belastungsbedingte pathologische Chondrose bezeichnet.
Die Beurteilungen von Dr. B und Dr. G entsprechen im Ergebnis der von Dr. R auch wenn sie sich nicht an den Konsensempfehlungen orientieren und stehen dessen Beurteilung nicht entgegen.
Dr. J hat die Aufnahmen bildgebender Diagnostik nicht beurteilt, so dass dessen Gutachten insoweit den Kläger nicht zum Erfolg verhelfen kann.
Auch die klinischen Kriterien eines lokalen Lumbalsyndroms lassen sich für die Zeit der Aufgabe der Tätigkeit nicht sämtlich feststellen. Es fehlt eine klinische Grundvoraussetzung für das klinische Bild eines lokalen Lumbalsyndroms, das mit dem erforderlichen radiologischen Befund auch zeitlich korrelieren soll.
Dr. J und Dr. A haben die aktenkundigen Befunde entsprechend ausgewertet. Danach sind Schmerz durch Bewegung, Segmentbefund mit provozierbarem Schmerz, Entfaltungsstörung der LWS dokumentiert in den Gutachten, die DM R und Dr. E bei ihren Untersuchungen durch Befunde festgestellt haben.
Ein erhöhter Tonus der Muskulatur ist allerdings erst nach Aufgabe der Tätigkeit im Gutachten von Dr. G im Jahr 2005 dokumentiert. Soweit Dr. A ausgeführt hat, dass dies ein verzichtbares Kriterium sei, weil von Personen mit erhöhter Beweglichkeit eines Wirbelsäulenabschnitts dieses Kriterium z. T. nicht erfüllbar sei, steht dies den Konsensempfehlungen entgegen. Nur die pseudoradikuläre Schmerzausstrahlung ist nach den Konsensempfehlungen verzichtbar: "ggf. pseudoradikuläre Schmerzausstrahlung".
Auch ein lumbales Wurzelsyndrom (Typ 2) ist nicht feststellbar. Hierfür sollen als Kriterien erfüllt sein:
- Radiologie: Vorfall oder Chondrose mit Bandscheibenverschmälerung mit Nervenwurzelbedrängung , ggf. i. V. m. Retrospondylose, Spondylarthrose, Foramenstenose, Recessusstenose und/oder Spinalkanalstenose, im Ausnahmefall bei engem Spinalkanal nach Protrusion - Neurologie: Zeichen der Reizung bzw. Schädigung der entsprechenden Nervenwurzel (n) - Typ I und II kommen häufig auch als Mischform vor. Das Kaudasyndrom ist eine Sonderform des lumbalen Wurzelsyndroms.
Auch insoweit fehlt es an der Radiologie: Vorfall oder Chondrose mit Bandscheibenverschmälerung mit Nervenwurzelbedrängung hat keiner der Sachverständigen festgestellt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
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