Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 19 KR 5214/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 375/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Transsexualismus ist jedenfalls derzeit weiterhin als psychische Regelwidrigkeit und nicht als bloße Normvariante anzusehen. Aufgrund ihrer weiterhin gegebenen Sonderstellung bei Vorliegen in krankheitswerter Form kann diese psychische Regelwidrigkeit grundsätzlich auch operative Eingriffe in den gesunden Körper rechtfertigen.
Liegt die Indikation für operative Maßnahmen aufgrund von Transsexualismus vor, besteht Anspruch auf eine deutliche anatomische Annäherung an das andere Geschlecht. Dieser Anspruch geht bei Transsexuellen Mann-zu-Frau über die Schaffung der Voraussetzungen des - derzeit nicht unmittelbar anwendbaren - § 8 Abs. 1 Nr. 4 TSG hinaus und kann auch einen Anspruch auf operativen Brustaufbau bei fehlender Anlage, jedoch nicht einen Anspruch auf Brustvergrößerung begründen.
Liegt die Indikation für operative Maßnahmen aufgrund von Transsexualismus vor, besteht Anspruch auf eine deutliche anatomische Annäherung an das andere Geschlecht. Dieser Anspruch geht bei Transsexuellen Mann-zu-Frau über die Schaffung der Voraussetzungen des - derzeit nicht unmittelbar anwendbaren - § 8 Abs. 1 Nr. 4 TSG hinaus und kann auch einen Anspruch auf operativen Brustaufbau bei fehlender Anlage, jedoch nicht einen Anspruch auf Brustvergrößerung begründen.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 07.01.2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Kostenübernahme für eine Brustvergrößerung.
Die Klägerin wurde 1964 anatomisch männlich geboren. Aufgrund der Diagnose Transsexualismus Mann-zu-Frau wurde im Februar 2008 nach vorheriger Östrogentherapie eine geschlechtsangleichende Operation durchgeführt. Die Kosten dafür wurden von der Beklagten übernommen, nachdem die Voraussetzungen hierfür im sozialmedizinischen Gutachten vom 08.01.2008 (Dr. M.-J.) als erfüllt angesehen worden waren. Dort heißt es u.a., die Kostenübernahme-Empfehlung beziehe sich auf den Aufbau einer Neo-Vagina, nicht etwa auf den zusätzlichen weiteren Eingriff einer operativen Brustaugmentation.
Am 31.03.2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Brustvergrößerung und legte ein Schreiben des behandelnden Gynäkologen vom 24.03.2008 (Dr. H.) vor. Dieser führte aus, seit der 2005 erfolgten Zufuhr von Östrogenhormonen habe sich eine mäßige seitengleiche weibliche Brust entwickelt. Durch eine Steigerung der Östrogenzufuhr könne kein weiteres Brustwachstum erreicht werden, weshalb eine operative Brustvergrößerung indiziert sei, um den geschlechtsangleichenden Eingriff zu vervollständigen.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme des MDK ein, der mit sozialmedizinischem Gutachten vom 08.04.2008 (Dr. M.-J.) die Voraussetzungen für die Übernahme der begehrten Maßnahme als nicht gegeben ansah, da sie nach der Entwicklung einer mäßigen, aber seitengleichen weiblichen Brust nicht medizinisch indiziert sei.
Mit Bescheid vom 14.04.2008 lehnte die Beklagte die beantragte Kostenübernahme ab. Da sich laut Schreiben des behandelnden Arztes eine mäßige, aber seitengleiche Brust entwickelt habe, läge ein krankhafter Befund nicht vor.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 23.04.2008 Widerspruch ein. Am 20.06.2008 übersandte die Klägerin ein Schreiben der Dres. O. und Sch. vom 26.05.2008, in dem diese anführen, dass sich bei ihr nur ein minimales Brustwachstum zeige, was immer noch einer männlichen Brust entspräche. Aus ärztlicher Sicht sei die medizinische Indikation für eine Mammaaugmentation gegeben. Diese Operation werde in ihrer Belegklinik unter stationären Bedingungen bei einem Aufenthalt von 3 bis 4 Tagen durchgeführt. Zu Veranschaulichung fügte die Klägerin noch Fotodokumentationen bei.
In dem weiteren von der Beklagten eingeholten Gutachten des Medizinischen Dienstes vom 01.07.2008 wurde eine Kostenübernahme nicht befürwortet (Dr. M.). Es handele sich vorliegend um eine Mammahypoplasie (Unterentwicklung der Brust), die an sich nicht als krankhafter Befund zu werten sei. Der kosmetische Aspekt stünde im Mittelpunkt, weshalb es sich um einen kosmetischen Eingriff handele. Eventuell käme bei Selbstwertproblemen eine Psychotherapie in Betracht. Die Klägerin führte daraufhin aus, erst mit der Brustvergrößerung sei die Geschlechtsangleichung abgeschlossen, da die Brust zu den maßgeblichen weiblichen Geschlechtsmerkmalen gehöre. So würde sie sich gefangen fühlen halb als Mann und halb als Frau und Depressionen bekommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.09.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und begründete dies damit, Transsexualität sei eine Krankheit im medizinischen Sinne und im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung, die bei entsprechender medizinischer Indikation die Leistungspflicht der Krankenkasse für geschlechtsumwandelnde Mittel und Maßnahmen auslöse. Dabei werde zwischen genitalangleichenden Eingriffen, also solchen, die an den primären Geschlechtsmerkmalen stattfänden und weiteren Eingriffen, die die sekundären Geschlechtsmerkmale beträfen, unterschieden. Die weibliche Brust gehöre zu den sekundären Geschlechtsmerkmalen. Nach dem Informationspapier der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e. V. gehörten zu den geschlechtsangleichenden operativen Maßnahmen bei Mann-zu-Frau-Transsexuellen auch die operative Brustvergrößerung. Diese jedoch nur, wenn die gegengeschlechtliche Hormonbehandlung nicht zu einer ausreichenden Brustentwicklung führe. Zur Prüfung, ob bei der Klägerin eine medizinische Indikation zur Kostenübernahme der beantragten Brustaugmentation vorliege, sei der MDK um eine sozialmedizinische Beurteilung gebeten worden. Die Ärzte des MDK St. hätten in ihren Gutachten vom 08.01.2008, 08.04.2008 und 01.07.2008 übereinstimmend festgestellt, dass sich bei der Klägerin eine mäßige, aber seitengleiche weibliche Brust gebildet habe. Es handele sich hierbei um eine Mammahypoplasie, die an sich nicht als krankhafter Befund zu werten sei. Der kosmetische Aspekt stehe im Vordergrund.
Die Klägerin hat ihr Begehren weiterverfolgt, am 21.10.2008 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und geltend gemacht, dass psychische Gesichtspunkte nicht berücksichtigt worden seien. Auch sei der geschlechtsangleichende Eingriff erst mit der Brustvergrößerung abgeschlossen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat vorgetragen, ein krankhafter Befund im Bereich der Brust sei nicht festzustellen. Es müsse jedoch von weiter notwendiger nervenärztlicher Behandlung und Psychotherapie ausgegangen werden.
Das SG hat den behandelnden Gynäkologen und Psychiater Dr. H. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser erklärte in seiner Aussage vom 23.11.2008 u.a., es sollte die Aufbauplastik der Brust vorgenommen werden, da sich unter der seit 2005 erfolgten Zufuhr von Östrogenhormonen nur eine mäßige, aber seitengleiche weibliche Brust entwickelt habe. Durch das Fehlen gewebstypischer weiblicher Östrogenrezeptoren werde daher auch eine Steigerung der Östrogenzufuhr keine weitere Vergrößerung des Brustwachstums zur Folge haben und daher aus gesundheitlichen Gründen auch nicht in Frage kommen. Die operative Augmentation mit Hilfe geeigneter Brustprothesen sei daher indiziert, um den geschlechtsangleichenden Eingriff bei dem vorliegenden Transsexualismus zu vervollständigen. Beim Transsexualismus sei es gerade die psychische Problematik und der Leidensdruck, nicht im innerlich gefühlten weiblichen Geschlecht und entsprechender körperlicher Ausformung geboren zu sein, so dass sich geradezu ein Hass auf die nicht akzeptierten männlichen Körpermerkmale ausbilde. Die Genitalangleichende Operation habe hier sicherlich schon zu einer deutlichen Linderung des Leidensdruckes geführt. Aus psychiatrischer Sicht sei es aber auch völlig verständlich, dass nun auch für die Brust eine entsprechende weibliche Busenform angestrebt werde. Dies sei umso verständlicher, wenn man die Körpergröße der Klägerin berücksichtige. Die Ausführung des MDK-Gutachters Dr. M. bezögen sich im Wesentlichen auf Mammahypoplasiezustände bei genuinen biologischen Frauen, berücksichtigten aber nicht die völlig andere Situation bei einem Sexualidentität-gestörten Menschen: Durch die seit 1991 durch Gesetz ermöglichte Vornamensänderung und die Einstufung des Transsexualismus als Krankheit im versicherungsrechtlichen Sinne solle es ja gerade diesen Menschen ermöglicht werden, durch die körperliche Angleichung an das gefühlte innerliche Geschlecht ein zufriedenes und körperhassfreies Leben zu führen. Es sei ja gerade das Kennzeichen eines echten Transsexualismus, dass die Ablehnung und der Hass auf das angeborene biologische Geschlecht nicht durch intensive Psychotherapie zu beseitigen sei, sondern diese psychische Störung werde mit "Hormon und Skalpell" weitgehend beseitigt. Daher seien die Vergleiche mit mammahypoplastischen Biofrauen hier nicht heranzuziehen und auch die Äußerungen der "Vereinigung der Deutschen Plastischen Chirurgen" sei hier nicht angemessen, da es sich beim Transsexualismus um eine psychosexuelle Identitätsstörung handele, und nicht um eine körperliche Normvariante bei sonst gesunden Menschen.
Die Klägerin befindet sich in psychotherapeutischer Behandlung, deren Kosten von der Beklagten übernommen werden.
Mit Gerichtsbescheid vom 07.01.2010 hat das SG die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, bei der Klägerin liege aufgrund der Größe ihrer Brust kein regelwidriger Körperzustand vor. Bei der Größe der weiblichen Brust gebe es von Natur aus eine sehr große Bandbreite. Zwar sei die Größe der Brust der Klägerin auch nach der erfolgten Hormontherapie eher am unteren Rand dieser Bandbreite anzusiedeln. Aber auch eine kleine Brust stelle noch keinen regelwidrigen Körperzustand dar. Eine Normgröße für die weibliche Brust existiere nicht und es sei auch nicht angebracht, solch eine Normgröße festzulegen, um alles Abweichen von dieser Größe als krankhaft darzustellen. Ein regelwidriger Zustand im Sinne einer Krankheit könne daher nur vorliegen, wenn gar keine Brust ausgebildet sei, nicht jedoch, wenn die Brust lediglich relativ klein sei (vgl. auch LSG Sachsen, Urteil vom 03.02.1999, Az. L 1 KR 31/98). Eine Kostentragungspflicht der Beklagten entstehe ebenfalls nicht aufgrund der bei der Klägerin vorliegenden psychischen Beeinträchtigungen. Die Klägerin leide nach Aussage von Dr. H. sehr unter ihrer geringen Brustgröße und fühle sich dadurch nicht voll als Frau. Aus diesem Grund habe die Beklagte die Kosten für eine psychotherapeutische Behandlung übernommen. Die Leistungspflicht der Krankenkassen umfasse jedoch nicht die Übernahme der Kosten für einen chirurgischen Eingriff, um psychische Probleme zu beheben, da dies keine "Behandlung" im Sinne von § 27 Abs. 1 SGB V sei (st. Rspr., vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2004, Az. B 1 KR 3/03 R, juris). Dem schließe sich die Kammer an. Ein operativer Eingriff könne nur gerechtfertigt sein, wenn damit ein krankhafter Zustand am Körper selbst beseitigt werden solle. Ein Eingriff zur Behandlung psychischer Leiden könne schon deshalb nicht gerechtfertigt sein, weil es sehr fraglich sei, ob durch die Annäherung an ein vermeintliches körperliches "Idealbild" die psychischen Probleme tatsächlich behoben werden könnten. Auch die bei der Klägerin vorliegende Transsexualität könne zu keiner anderen Bewertung führen. Zwar liege bei Transsexualismus ein anerkanntes Krankheitsbild vor, was nach Ausschöpfung sonstiger Behandlungsmöglichkeiten einen Anspruch auf eine geschlechtsangleichende Operation bewirken könne. Diese Operation sei bei der Klägerin auf Kosten der Beklagten vorgenommen worden. Durch die Operation müsse eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts erreicht werden (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 Transsexuellengesetz - TSG -). Es bestehe jedoch kein Anspruch auf eine Operation im Sinne des Erreichens eines "Idealbildes" des anderen Geschlechtes (so auch LSG Sachsen, Urteil vom 03.02.1999, a.a.O.; BSG, Urteil vom 19.10.2004, a.a.O.). Daher könne die Kammer sich der Auffassung von Dr. H., bei Transsexualismus erfolge die Behandlung der psychischen Probleme nicht mittels Psychotherapie, sondern mittels Hormon und Skalpell nicht anschließen, soweit davon eine Brustvergrößerung umfasst sein solle. Die Kammer sei auch aufgrund des Eindrucks, den sie von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gewonnen habe, der Auffassung, dass bei der Klägerin eine deutliche Annährung an das weibliche Geschlecht vorliege. Die Klägerin weise zwar für eine Frau eine überdurchschnittliche Körpergröße und einen kräftigeren Körperbau auf, jedoch sei die Klägerin aufgrund ihres Erscheinungsbildes eindeutig als Frau zu identifizieren. Größe und Körperbau würden sich auch durch eine brustvergrößernde Operation nicht ändern. Zudem gebe es auch zahlreiche genuin biologische Frauen, die relativ groß seien, dennoch nur über eine kleine Brust verfügten. Die Kammer verkenne nicht, dass die Klägerin aufgrund des Transsexualismus in erheblich größerem Maße psychisch unter ihrer kleineren Brust leiden möge als genuin biologische Frauen. Dieser seelische Leidensdruck rechtfertige jedoch, wie oben dargelegt, keinen operativen Eingriff, sondern stattdessen eine psychotherapeutische Behandlung.
Gegen diesen ihr am 14.01.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 22.01.2010 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen, die mäßige, aber seitengleiche Brust, die sich bei ihr nach der hormonellen Behandlung entwickelt habe, stelle einen regelwidrigen Körperzustand dar. Regelwidrig sei ein Körperzustand dann, wenn er vom Leitbild des gesunden Menschen abweiche. Maßstab zur Beurteilung des Leitbildes des gesunden Menschen sei nach ihrer Auffassung hier nicht eine genuin biologische Frau sondern eine Mann-zu-Frau-Transsexuelle. Diesbezüglich sei auf § 8 Abs. 1 Nr. 4 Transsexuellengesetz abzustellen. Danach sei auf Antrag vom Gericht festzustellen, dass eine Person, die sich aufgrund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtsantrag angegebenen, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfinde und die seit mindestens 3 Jahren unter dem Zwang stehe, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben, als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen sei, wenn sie [ ...] sich einem ihre äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff unterzogen habe, durch den eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts erreicht worden sei. Maßstab zur Beurteilung des Leitbildes des gesunden Menschen sei somit, ob eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts erreicht worden sei. Dies sei nicht der Fall. Entgegen der Auffassung des SG sei durch die Hormonbehandlung noch keine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts erreicht worden. Diesbezüglich werde Bezug genommen auf die sachverständige Zeugenaussage des behandelnden Frauenarztes und Psychiaters Dr. H. vom 23.11.2008. Es bedürfe eines gynäkologischen Sachverständigengutachtens zur Frage, ob die bei der Klägerin aufgrund der hormonellen Therapie entwickelte mäßige, aber seitengleiche Brust zu einer deutlichen Annäherung an das Erscheinungsbild des weiblichen Geschlechts geführt habe. Zudem sei bislang die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Mann-zu-Frau-Transsexuelle nach § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V Anspruch auf Kostenübernahme einer Brustvergrößerung im Wege des Sachleistungsprinzips habe, bislang durch die Rechtsprechung nicht beantwortet worden. Zudem habe sich das SG nicht ausreichend damit beschäftigt, dass die Fallgestaltungen bei genuin biologischen Frauen, die aufgrund der Größe ihrer Brust psychische Erkrankungen entwickeln, und bei Mann-zu-Frau-Transsexuellen, deren psychische Problematik und Leidensdruck darin liege, nicht im innerlich gefühlten weiblichen Geschlecht und entsprechender körperlicher Ausformung geboren zu sein, nicht vergleichbar sei. Nach der in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 23.11.2008 von Dr. H. geäußerten Auffassung, könne diese psychische Problematik nur durch "Hormon und Skalpell" behandelt werden. Die seitens des SG zitierte Rechtsprechung beschäftige sich jedoch ausschließlich mit Fallgestaltungen, in denen die Erkrankungen tatsächlich psychiatrisch bzw. psychotherapeutisch zu behandeln seien. Auch diese Frage, ob eine Krankenbehandlung in Form körperlicher Eingriffe zur Behandlung psychischer Erkrankungen beansprucht werden könne, wenn psychiatrische bzw. psychotherapeutische Behandlung nicht möglich sei, sei durch die Rechtsprechung bislang offenbar nicht beantwortet worden.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 07.01.2010 sowie den Bescheid vom 14.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.09.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Brustvergrößerung sowie die hierfür notwendigen Krankenbehandlungen als Sachleistung zu gewähren, hilfsweise Beweis zu erheben zu der Frage, ob die bei der Klägerin aufgrund der hormonellen Therapie entwickelte mäßige, aber seitengleiche Brust zu einer deutlichen Annäherung an das Erscheinungsbild des weiblichen Geschlechts geführt hat, höchst hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie teilt wie das SG und wie der Medizinische Dienst der Krankenversicherung die Auffassung, dass bei der Berufungsklägerin keine Krankheit vorliege. Eine kleine Brust stelle keinen regelwidrigen Körperzustand dar, zudem existiere kein gültiges/offizielles Maß, wie groß eine Brust ausgebildet sein müsse, um einem Leitbild bzw. einer Norm zu entsprechen. Die Klägerin falle unstrittig unter die Regelungen des Transsexuellengesetzes. Deshalb seien in der Vergangenheit alle Kosten der medizinisch notwendigen Krankenbehandlungen zur operativen Geschlechtsumwandlung und der Begleitbehandlungen übernommen worden. Offenkundig habe sich unter Hormonbehandlung keine weibliche Brust nach Wunsch entwickelt. Dennoch könne sich die Klägerin nicht auf einen erweiterten Leistungsanspruch berufen, den eine genuin biologische Frau auch nicht beanspruchen könne. Die im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen, MDK-Gutachten und Schriftsätze seien nach ihrer Ansicht ausreichend, um eine Entscheidung zu treffen. Sollte die Klägerin durch die nach ihrer Ansicht zu kleine Brust an einer psychiatrischen Krankheit leiden, sehe sie sich unfraglich in der Verpflichtung, diese zu übernehmen. Auf die Ausführungen hierzu im Gerichtsbescheid vom 07.01.2010 werde verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig, aber nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihr eine Brustvergrößerungsoperation zu gewähren. Die Klägerin hat darauf keinen Anspruch.
Rechtsgrundlage des Leistungsbegehrens der Klägerin ist § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 Abs. 2 SGB V), wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.
Krankheit i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht; § 33 Abs. 1 SGB V bewirkt mit dem Abstellen auf eine Behinderung bzw. eine drohende Behinderung keine sachliche Änderung, setzt vielmehr nur einen anderen Akzent.
I. Nicht jede körperliche Unregelmäßigkeit stellt eine ärztlicher Behandlung bedürfende Krankheit dar. Notwendig ist, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder die anatomische Abweichung entstellend wirkt. (zu alledem näher: Senatsurteile vom 05.04.2006 – L 5 KR 3888/05 –, vom 22.11.2006 – L 5 KR 4488/05 – und vom 10.12.2008 - L 5 KR 2638/07 - unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG, insbesondere Urt. v. 19.10.2004 – B 1 KR 9/04 R – "Mammareduktionsplastik"). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
1. Die hier begehrte Behandlung der Mikromastie der weiblichen Brust dient nicht der Behebung organischer Funktionsdefizite oder Beschwerden. Behandlungsbedürftigkeit setzt ihrerseits Behandlungsfähigkeit voraus, die im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit nicht gegeben ist. Auch körperliche Beschwerden gehen von einer kleinen weiblichen Brust nicht aus.
2. Die Brüste der Klägerin wirken auch nicht entstellend. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anormalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die nahe liegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit und damit zugleich erwarten lässt, dass die Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist. Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein: Es genügt nicht allein ein markantes Gesicht oder generell die ungewöhnliche Ausgestaltung von Organen, etwa die Ausbildung eines sechsten Fingers an einer Hand. Vielmehr muss die körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt. Die Rechtsprechung hat als Beispiele für eine Entstellung das Fehlen natürlichen Kopfhaares bei einer Frau oder eine Wangenatrophie oder Narben im Lippenbereich angenommen oder erörtert. Das BSG hat namentlich eine Entstellung bei fehlender oder wenig ausgeprägter Brustanlage unter Berücksichtigung der außerordentlichen Vielfalt in Form und Größe der weiblichen Brust abgelehnt (BSGE 93, 252).
Eine derart erhebliche Auffälligkeit, wegen der die Klägerin ständig viele Blicke auf sich ziehen und zum Objekt besonderer Beachtung anderer würde, weswegen sie sich aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen drohte, macht die Klägerin selbst nicht geltend. Die in Rede stehende körperliche Auffälligkeit hat nicht eine solche Ausprägung, dass sie schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar ist und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf die Klägerin führt (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R -, ebenfalls zur Brustvergrößerung, veröffentlicht in Juris). Sie kann außerdem für Abhilfe im Alltag durch entsprechende Kleidung sorgen, wenn sie ihr äußeres Erscheinungsbild im Hinblick auf die Erwartungshaltungen Dritter verändern will (vgl. auch BSG, Urt. v. 28.02.2008, - B 1 KR 19/07 R -, zu einem Fall der Brustasymmetrie, veröffentlicht in Juris).
Der körperliche Befund der Mamma-Mikromastie begründet kein ärztliches Behandlungsbedürfnis der Brüste und stellt damit keine Krankheit im Sinne des § 27 Abs. Satz 1 SGB V dar.
II.
Operative Eingriffe in gesunde Körperteile zur mittelbaren Behandlung anderer Krankheiten bedürfen einer Rechtfertigung (1.), die im Falle der mittelbaren Behandlung seelischer Störungen grundsätzlich nicht gegeben ist (2.).
1. Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V müssen alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, und damit auch Krankenbehandlungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V). An der Notwendigkeit (wie der Zweckmäßigkeit) einer Krankenbehandlung i. S. d. §§ 27 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 SGB V fehlt es von vornherein, wenn ihre Wirksamkeit bzw. ihr therapeutischer Nutzen für die Erkennung oder Heilung der jeweiligen Krankheit oder für die Verhütung ihrer Verschlimmerung bzw. die Linderung der Krankheitsbeschwerden nicht festgestellt werden kann. Ausschlaggebend sind grundsätzlich die Maßstäbe der evidenzbasierten Medizin. Setzt die Krankenbehandlung entgegen der Regel nicht unmittelbar an der Krankheit bzw. am erkrankten Organ selbst an, soll der Behandlungserfolg vielmehr mittelbar durch einen Eingriff an einem an sich gesunden Organ erreicht werden, bedarf die Notwendigkeit der Krankenbehandlung einer besonderen Rechtfertigung im Rahmen einer umfassenden Abwägung zwischen dem voraussichtlichen medizinischen Nutzen und den möglichen gesundheitlichen Schäden. In diese Abwägungsentscheidung sind auch Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit des Eingriffs und etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung einzubeziehen (BSG, Urt. v. 19.10.2004 B 1 KR 9/04 R –; BSGE 85, 86).
2. Danach sind Operationen am gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, nicht als notwendige Behandlung i.S.d. § 27 Abs. 1 SGB V zu werten, sondern vielmehr der Eigenverantwortung der Versicherten zugewiesen. Denn Operationen am gesunden Körper zur Behebung psychischer Störungen sind nicht gerechtfertigt, vor allem, weil bei damit verbundenen nicht unerheblichen gesundheitlichen Risiken die psychischen Wirkungen körperlicher Veränderungen nicht hinreichend verlässlich zu prognostizieren sind (auch dazu näher Senatsurteile vom 05.04.2006 – L 5 KR 3888/05 – und vom 22.11.2006 – L 5 KR 4488/05 – unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG, etwa BSGE 90, 289). Es wird nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen, sondern es soll nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen Defizits erreicht werden. Damit besteht die Schwierigkeit einer Vorhersage der psychischen Wirkungen von körperlichen Veränderungen, so dass der Erfolg, der ggf. die mit dem Eingriff in den gesunden Körper zur mittelbaren Beeinflussung eines psychischen Leidens verbundenen Risiken rechtfertigen könnte, unsicher ist.
Ein Anspruch - einer genetischen Frau - auf Brustvergrößerung wäre damit im vorliegenden Fall zu verneinen, weil auch ein seelisches Leiden selbst im Falle der Suizidgefährdung (vgl. zur nicht wahnhafte Dysmorphophobie vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R -, veröffentlicht in Juris) einen Behandlungsanspruch zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht begründen könnte.
III. Abweichende Maßstäbe gelten aber bei Vorliegen von Transsexualismus (F64.0), der weiterhin aus Regelwidrigkeit anzusehen ist (1.) und, der aufgrund seiner Sonderstellung bei Vorliegen in einer krankheitswerten Form grundsätzlich auch operative Eingriffe rechtfertigen kann (2), wobei der Behandlungsanspruch aber auf eine deutliche körperliche Angleichung an das andere Geschlecht beschränkt ist (3.).
1. Der Transsexualismus stellt weiterhin eine psychische Regelwidrigkeit dar. Nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme 10. Revision, German Modification, Version 2012 stellt der Transsexualismus eine Persönlichkeits- und Verhaltensstörung in Form der Störung der Geschlechtsidentität dar. Transsexualismus (F64.0) wird definiert als der Wunsch, als Angehöriger des anderen Geschlechtes zu leben und anerkannt zu werden. Dieser geht meist mit Unbehagen oder dem Gefühl der Nichtzugehörigkeit zum eigenen anatomischen Geschlecht einher. Es besteht der Wunsch nach chirurgischer und hormoneller Behandlung, um den eigenen Körper dem bevorzugten Geschlecht soweit wie möglich anzugleichen.
Allerdings sind der Wunsch und die Durchführung von Operationen nach neueren Erkenntnissen nicht mehr kennzeichnend für das Vorliegen von Transsexualität. Der Senat schließt sich der entsprechenden Beurteilung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 11.01.2011 an. Dort hat das BVerfG u.a. ausgeführt, dass der Operationswunsch einerseits nicht mehr als zuverlässiger diagnostischer Indikator für das Vorliegen von Transsexualität angesehen werde, da der Wunsch nach einer "Geschlechtsumwandlung" auch eine Lösungsschablone für psychotische Störungen, Unbehagen mit etablierten Geschlechtsrollenbildern oder für die Ablehnung einer homosexuellen Orientierung sein könne, und andererseits nach neueren Erkenntnissen auch nicht mehr notwendige Voraussetzung für die Annahme von Transsexualität sei. Für entscheidend werde nicht mehr das Streben nach einer geschlechtsangleichenden Operation, sondern vielmehr die Stabilität des transsexuellen Wunsches gehalten (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 11.01.2011 - 1 BvR 3295/07 -, veröffentlicht in Juris; vgl. auch unten 2. a und b).
Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass die gegenwärtige Entwicklung in der medizinischen Wissenschaft dazu führt, dass somatomedizinische Maßnahmen auch bei Transsexuellen grundsätzlich nicht mehr als Krankenbehandlung anzusehen sind, sondern im Wesentlichen zur Unterstützung des Entfaltungsprozesses transsexueller Menschen dienen sollen. Dies könnte jedenfalls das Ergebnis einer weitgehenden Entpathologisierung der Transsexualität (Rauchfleisch, Transsexualität. Transidentität, 2009) und eines Paradigmenwechsels in ihrem Verständnis als einer gesunden Normvariante der sexuellen Identität sein (Haupt, Transsexualität, Grundlegende neurowissenschaftlich-medizinische, menschenrechtskonforme Positionsbestimmungen und daraus abzuleitende Empfehlungen für die Begleitung, Betreuung und Therapie transsexueller Menschen ["Altdorfer Empfehlungen", Finale Version 1.0]). Damit würde sich nach dem geltenden Recht die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für eine operative Behandlung aus dem durch Transsexualismus bedingten Leidensdruck nicht mehr begründen lassen. Eine solche Behandlung wäre damit dem Bereich der Eigenverantwortung der Versicherten zuzuweisen und aus eigenen Mitteln zu finanzieren, wenn nicht das Leiden an dieser regelrechten Normvariante als eigenständige, im Einzelfall nicht nur psychotherapeutische Maßnahmen, sondern auch körperliche Eingriffe rechtfertigende Störung klassifiziert oder ggf. eine Rechtsgrundlage zur Leistungspflicht anderer Leistungsträger geschaffen würde.
Unabhängig hiervon geht der Senat aber nach derzeitigem Erkenntnisstand weiterhin davon aus, dass es sich bei Transsexualismus um eine Geschlechtsidentitätsstörung im Sinne einer psychischen Regelwidrigkeit und nicht lediglich um eine seltene Normvariante handelt.
2. Dem Transsexualismus als psychischer Regelwidrigkeit kommt eine Sonderstellung zu (a), die weiterhin gerechtfertigt ist (b), und einen Anspruch auf operative Eingriffe in den gesunden Körper als notwendige Krankenbehandlung begründen kann, wenn dieser in einer besonders tief greifenden Form besteht (c).
a) Die Transsexualität hat als psychische Störung in der Rechtsordnung durch das "Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (Transsexuellengesetz - TSG)" vom 10.09.1980 eine Sonderstellung erhalten. Unter den Voraussetzungen des § 1 TSG wird einem Transsexuellen die Möglichkeit gegeben, seinen Vornamen in einen solchen ändern zu lassen, der dem seiner transsexuellen Prägung entspricht (sogenannte "kleine Lösung”). Demgegenüber sieht die sogenannte "große Lösung” unter den Voraussetzungen des § 8 TSG eine Änderung der Geschlechtszugehörigkeit vor. Hierzu wurden gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG u. a. eine dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit sowie ein, die äußeren Geschlechtsmerkmale verändernder operativer Eingriff vorausgesetzt, durch den eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts erreicht worden war. Mit diesen Regelungen wurde namens- und personenstandsrechtlich auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11.10.1978 (- 1 BvR 16/72 -, veröffentlicht in Juris) reagiert (vgl. BT-Drucks. 8/2927), der der damalige medizinische Erkenntnisstand zugrundelag. Mit der Entwicklung geschlechtsanpassender Operationen in den 1960er Jahren war die Transsexualität als Leiden am falschen Körper definiert und die Behandlung auf somatische Eingriffe fokussiert worden. Daraus wurde die Auffassung abgeleitet, alle Transsexuellen würden nach einer geschlechtsanpassenden Operation streben, (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.01.2011 - 1 BvR 3295/07 -, veröffentlicht in Juris).
Das BVerfG hatte hierzu ausgeführt, der Transsexuelle begnüge sich nicht wie der Transvestit mit dem Tragen der Kleidung des anderen Geschlechts; er fühle sich dem anderen Geschlecht ganz und gar zugehörig. Seine Geschlechtsorgane und -merkmale, die nicht zu dem erfühlten Geschlecht passten, empfinde er - im Gegensatz zum Homosexuellen, Transvestiten und Fetischisten - als Irrtum der Natur. Er sei daher mit allen Mitteln bestrebt, diesen Irrtum zu korrigieren, und versuche mit größter Zielstrebigkeit, seinen Wunsch nach vollkommener Geschlechtsumwandlung durchzusetzen. Ja, er schrecke nicht vor den gefährlichsten und schmerzhaftesten Selbstverstümmelungen zurück, wenn er auf andere Weise mit seinen Bestrebungen nicht durchdringe (unter Berufung auf: Nevinny-Stickel und Hammerstein, NJW 1967, S. 663 [665]). Das BVerfG, das damals auch noch davon ausging, dass der männliche Transsexuelle den homosexuellen Mann ablehne und ausdrücklich den heterosexuell orientierten Partner suche, legte in dieser Entscheidung weiter dar, dass nach den vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen Versuche, Transsexuelle in ihrer psychosexuellen Grundstruktur durch Psychotherapie oder Hormonbehandlung umzustimmen, bisher gescheitert seien. Die einzig sinnvolle und hilfreiche therapeutische Maßnahme bestehe nach Ansicht der Wissenschaftler darin, den Körper des Transsexuellen der erlebten Geschlechtsidentität soweit wie möglich anzupassen. Nur so könne die Gefahr von Selbstverstümmelung und Selbstmord, die bei Transsexuellen immer gegeben sei, abgewehrt werden.
b) Die Sonderstellung des Transsexualismus ist auch nach den Beschluss des BVerfG (Beschluss vom 11.01.2011 - 1 BvR 3295/07 -, veröffentlicht in Juris) weiterhin gerechtfertigt. In diesem Beschluss hat das BVerfG ausgeführt, dass zwischen 20 und 30 % der Transsexuellen, die einen Antrag auf Vornamensänderung stellten, in Deutschland dauerhaft in der "kleinen Lösung" ohne Operation verblieben und dementsprechend individuelle therapeutische Lösungen als erforderlich erachtet würden, die von einem Leben im anderen Geschlecht ganz ohne somatische Maßnahmen, über hormonelle Behandlungen bis hin zur weitgehenden operativen Geschlechtsangleichung reichen könnten. Auf der Grundlage dieses geänderten Erkenntnisstand hat es festgestellt, dass es gegen Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verstößt, dass ein homosexueller Transsexueller nur dann eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründen kann, wenn sein empfundenes und nicht sein anatomisches Geschlecht Personenstandsmerkmal ist, was gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG einen seine äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff sowie dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit voraussetzt. Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung sind § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG unanwendbar damit keine operativen Angleichungen für die Änderung des Personenstands mehr erforderlich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.10.2011 - 1 BvR 2027/11 -, veröffentlicht in Juris).
Die Unanwendbarkeit des § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG aus den dargestellten Gründen berührt nach Ansicht des Senats aber noch nicht die grundsätzliche Sonderstellung Transsexueller. Sie beruht insbesondere nicht auf der Annahme, dass die Erfolgsaussicht geschlechtsangleichender Operationen aufgrund der der Entscheidung des BVerfG vom 11.01.2011 zugrunde liegenden neueren medizinischen Erkenntnissen ebenso ungewiss sind, wie dies bei körperlichen Anpassungen aufgrund anderer psychischer Leiden angenommen wird. Vielmehr geht auch das BVerfG weiterhin davon aus, dass vielen Transsexuellen eine geschlechtsanpassende Operation eine erhebliche Erleichterung ihres Leidensdrucks verschafft, die manche schon vorher durch Selbstverstümmelung und Selbstkastration zu erreichen versuchten (BVerfG, Beschluss vom 11.01.2011 - 1 BvR 3295/07 -, veröffentlicht in Juris, m.w.N.).
c) Auch Transsexualismus kann aber nur dann operative Maßnahmen rechtfertigen, wenn er in einer besonders tief greifenden Form vorliegt Es bleibt festzuhalten, dass bei Transsexuellen nicht grundsätzlich ein behandlungsbedüftiger regelwidriger Zustand besteht, solange eine deutliche körperliche Annäherung an das Erscheinungsbild des gefühlten Geschlechts durch einen die äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff nicht erreicht worden ist. Hiervon geht auch die Rechtsprechung des BSG aus, die im Hinblick auf die unterschiedlichen Erscheinungsformen der Transsexualität auf den Einzelfall abstellt, wobei erst der Leidensdruck, der eine Behandlung notwendig macht, die Regelwidrigkeit zur Krankheit im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V qualifiziert. Auch bei Transsexualismus (F64.0) ist daher ein hiervon ausgehender Leidensdruck zu fordern, der der Transsexualität im Einzelfall Krankheitswert verleiht (BSG, Urteil vom 06.08.1987 - 3 RK 15/86 -, veröffentlicht in Juris) und den Anspruch auf notwendige Krankenbehandlung rechtfertigt.
Darüber hinaus ist auch hier trotz der Prämisse einer den Erfolg der Linderung versprechenden, grundsätzlichen operativen Behandelbarkeit des durch krankheitswertigen Transsexualismus bedingten seelischen Leidensdrucks unter Berücksichtigung der Risiken eine Abwägung im Einzelfall vorzunehmen. Hierbei sind nicht nur die Risiken der Operation selbst zu berücksichtigen. Denn auch die gegengeschlechtliche Hormontherapie, die lebenslang fortgesetzt werden muss, hat nicht nur irreversible körperliche Folgen, sondern bringt gesundheitliche Risiken wie zum Beispiel erhöhtes Thrombose-Risiko, Diabetes, chronische Hepatitis und Leberschäden mit sich (BVerfG, Beschluss vom 11.01.2011 - 1 BvR 3295/07 -, veröffentlicht in Juris, m.w.N.).
Nur dann, wenn psychiatrische und psychotherapeutische Mittel das Spannungsverhältnis und den hieraus resultierenden Leidensdruck nicht zu lindern oder zu beseitigen vermögen, kann es damit zu den Aufgaben der gesetzlichen Krankenkassen gehören, die Kosten für eine geschlechtsangleichende Maßnahmen zu tragen (BSG, Urteil vom 10.02.1993 - 1 RK 14/92 -; Beschluss vom 20.06.2005 - B 1 KR 28/04 B -, veröffentlicht in Juris). Auch im Falle der Transsexualität bleibt der operative Eingriff in den gesunden Körper zur Behandlung einer psychischen Störung dabei ultima ratio und setzt dementsprechend die Erfüllung der hierfür aufgestellten Kriterien voraus, insbesondere auch längere psychiatrische Behandlungsversuche (BSG, Urteil vom 06.08.1987 - 3 RK 15/86 -, veröffentlicht in Juris). Dem entspricht die "Begutachtungsanleitung Geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualität", die vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen am 19.05.2009 als Richtlinie nach § 282 Abs. 2 Satz 3 SGB V erlassen wurde. Danach wird Transsexualität erst durch den klinisch relevanten Leidensdruck im Einzelfall zu einer krankheitswertigen Störung bzw. zu einer behandlungsbedürftigen Erkrankung im Sinne des Krankenversicherungsrechts, wobei auch in der Behandlung der Transsexualität psychiatrische und psychotherapeutische Maßnahmen Vorrang haben. Leistungen für geschlechtsangleichende Maßnahmen sind damit nur dann von der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen, wenn nach Ausschöpfung psychiatrischer und/oder psychotherapeutischer Maßnahmen ein krankheitswertiger Leidensdruck verbleibt (Begutachtungsanleitung 2.4).
Im Ergebnis ist damit festzuhalten, dass es, auch wenn derzeit operative Maßnahmen für die Änderung des Personenstands rechtlich nicht mehr Voraussetzung sind, für die Beurteilung des Behandlungsanspruchs von Transsexuellen bei der Besonderheit bleibt, dass die Angleichung des gesunden Körpers an das aufgrund einer psychischen Geschlechtsidentitätsstörung empfundene Geschlecht als erfolgversprechend im Sinne einer Linderung des Leidens angesehen wird und trotz der damit verbundenen erheblichen gesundheitlichen Risiken als ultima ratio in besonders schweren Fällen als gerechtfertigt in Betracht kommt.
3. Liegt die Indikation für operative Maßnahmen aufgrund von Transsexualismus vor, besteht Anspruch auf eine deutliche anatomische Annäherung an das andere Geschlecht. Dieser Anspruch geht bei Transsexuellen Mann-zu-Frau über die Schaffung der Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 4 TSG hinaus und umfasst unter bestimmten Voraussetzungen auch einen Anspruch auf operativen Brustaufbau bei fehlender Anlage (b), jedoch nicht eine Brustvergrößerung (c).
Zum Umfang des Anspruchs auf Angleichung hat das BSG in seinem Urteil vom 28.09.2010 ( B 1 KR 5/10 R -, veröffentlicht in Juris) ausgeführt, dass transsexuelle Versicherte nicht Anspruch auf jegliche Art von geschlechtsangleichenden operativen Maßnahmen im Sinne einer möglichst großen Annäherung an ein vermeintliches Idealbild und ohne Einhaltung der durch das Recht der GKV vorgegebenen allgemeinen Grenzen haben. Ausschlaggebend sind demnach insbesondere nicht subjektive Vorstellungen, sondern ein verallgemeinernder, sich an einer gewissen Typik und Variationsbreite ausrichtender regelhafter Maßstab. Die Ansprüche sind daher beschränkt auf einen Zustand, bei dem eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eintritt (unter Hinweis auf § 8 Abs. 1 Nr. 4 TSG und Sächsisches LSG, Urteil vom 03.02.1999 - L 1 KR 31/98 - veröffentlicht in Juris).
a) Für die Frage, welche konkreten operativen Maßnahmen vom Behandlungsanspruch umfasst sind, können die Voraussetzungen, die zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der "deutlichen Annäherung" des § 8 Abs. 1 Nr. 4 TSG, gefordert wurden, herangezogen werden. Diese sind allerdings aufgrund der Entstehungsgeschichte der Norm (vgl. oben III. 2. a) und des unterschiedlichen Regelungsgegenstands nicht vollständig übertragbar. Bei der Beschränkung auf die Forderung nach einer deutlichen Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts in § 8 Abs. 1 Nr. 4 TSG ging der Gesetzgeber von der Erkenntnis aus, dass bei Frau-zu-Mann Transsexuellen jedenfalls nach dem damaligen medizinischen Wissensstand eine Angleichung an das männliche Geschlecht im Genitalbereich nicht möglich bzw. nicht sinnvoll war, wobei unterschiedliche Anforderungen für die Personenstandsänderung von Frau-zu-Mann und Mann-zu-Frau Transsexuellen gleichheitsrechtlich problematisch erschienen (Schneider, Zur Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit nach dem Transsexuellengesetz, NJW 1992, S. 2940; vgl. zu den aus § 8 Abs. 1 Nr. 4 TSG abgeleiteten Voraussetzungen auch BayOLG, Beschluss vom 14.06.1995 - 1Z BR 95/94 -, NJW 1996, 791; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 24.06.1991 - 3 W 17/91 -, NJW 1992, 760; OLG Hamm, Beschluss vom 15.02.1983 - 15 W 384/82 -, FamRZ 1983, 491). Streitig war vor diesem Hintergrund, ob diese Voraussetzung im Hinblick auf die Garantie der Menschenwürde und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit weit auszulegen war, so dass bei Transsexuellen Frau-zu-Mann bereits die Entfernung der Brüste für die deutliche Annäherung ausreichte, oder ob eine so weitgehende äußere geschlechtliche Anpassung, insbesondere in Form eines Scheidenverschlusses, vorzunehmen war, wie dies nach dem jeweiligen medizinischen Wissensstand möglich war (vgl. BayOLG; OLG Zweibrücken; OLG Hamm a.a.O.) Eine Genitalangleichung war demgegenüber bei Mann-zu-Frau Transsexuellen erforderlich und ausreichend. Es waren für die personenstandsrechtliche Anerkennung nach dem Transsexuellengesetz bei einer Mann-zu-Frau Transsexuellen damit die Amputation des Penisschaftes und der Hoden sowie die Bildung von Neovulva, Neoklitoris und Neovagina mit der Schaffung eines neuen Harnausgangs erforderlich (vgl. BVerfG a.a.O.). Die Klägerin erfüllt diese Voraussetzung der deutlichen Annäherung an das weibliche Geschlecht, weshalb ihr Personenstand noch unter der Geltung des § 8 Abs. 1 Nr. 4 TSG geändert worden ist. Dementsprechend bestünde bei Maßgeblichkeit dieses Begriffs kein weitgehender Anspruch auf die begehrte Operation.
b) Der Senat geht allerdings davon aus, dass, soweit, wie hier, eine Indikation der operativen Genitalangleichung besteht, auch ein darüber hinaus gehender Anspruch auf operativen Brustaufbau zur Annäherung der Brüste an weibliche Brüste bestehen kann, wenn bei fehlender Brustanlage sich keine weiblichen Brüste gebildet haben und eine weitere Hormonbehandlung keinen Erfolg mehr verspricht.
Dies setzt nach Ansicht des Senats grundsätzlich die Durchführung der hormonellen Therapie und der genitalangleichenden Operation voraus. Ein Anspruch ausschließlich auf eine Operation zum Aufbau einer weiblichen Brust dürfte ohne - vorherige - Genitalangleichung ausgeschlossen (a.A. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.02.2011 - L 1 KR 243/09 -, veröffentlicht in Juris) dagegen ausgeschlossen sein, auch wenn unter den betroffenen Mann-zu-Frau Transsexuellen, die körperliche Veränderungen anstreben, als größter Wunsch nach körperlicher Veränderung die Entwicklung einer weiblichen Brust gilt und einige Betroffene ihren Penis akzeptieren können (vgl. BVerfG a.a.O. m.N.). Denn Anspruch auf eine angleichende (Teil-)Operation kann nur zur Annäherung an einen regelhaften Körper (d.h. Mann oder Frau) und nicht zur Schaffung eines regelwidrigen Zustands begehrt werden (BSG, Urteil vom 28.09.2010 - B 1 KR 5/10 R -, veröffentlicht in Juris).
Unter diesen Voraussetzungen besteht als letztes Mittel auch ein Anspruch auf operativen Brustaufbau bei fehlender Brustanlage. Dem steht nicht entgegen, dass bei genetischen Frauen ein organischer Krankheitswert selbst bei fehlendem (Brust )Gewebe verneint wird, und nach der Rechtsprechung des BSG auch psychische Leiden bei genetischen Frauen in solchen Fällen einen Anspruch auf eine Operation zum Brustaufbau nicht begründen können (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 28.02.2008, - B 1 KR 19/07 R - m.w.N.; auch Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 3/03 R -). Denn dies wird damit begründet, dass derzeit aufgrund medizinischer Kenntnisse zumindest Zweifel an der Erfolgsaussicht von derartigen Operationen zur Überwindung einer psychischen Krankheit bestehen (BSG, Urt. v. 28.02.2008, - B 1 KR 19/07 R , veröffentlicht in Juris). Die unterschiedliche Bewertung beruht dementsprechend darauf, dass die operative Angleichung bei besonders tiefgreifenden Formen des Transsexualismus, wie dargelegt, als erfolgversprechend anzusehen ist, wohingegen der Erfolg operativer Maßnahmen zur Behandlung seelischer Leiden im Übrigen weitgehend umstritten und insofern nach bisherigen Kenntnisstand ungewiss ist (vgl. auch oben II. 2.).
c) Eine operative Brustvergrößerung ist nach Ansicht des Senats dagegen auch zur Behandlung einer besonders tief greifenden Form des Transsexualismus Mann-zu-Frau keine notwendige Krankenbehandlung. Dies ergibt sich daraus, dass grundsätzlich nur ein Anspruch auf deutliche Annäherung an den weiblichen Körper und nicht auf möglichst weitgehende Angleichung und erst recht nicht an ein Idealbild weiblicher Brüste besteht.
Die weibliche Brustdrüse, ihre Größe und Form unterliegt einer großen individuellen Varianz, die hauptsächlich im Zusammenhang mit der Gesamtkonstitution steht. Als Normwert gilt formal ein Brustgewicht von 200-450 g. Abgesehen von individuellen Unterschieden befindet sich die Brustwarze in etwa auf der Höhe der 4. Rippe. Die Glandula mammaria besteht aus Drüsen-, Fett- und Bindegewebe; der Anteil des Fettgewebes ist dabei für die Größe und die Form der Brust von entscheidender Bedeutung (A. Petzold, W. Distler, Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Entwicklungsanomalien der adoleszenten Mamma und ihre operative Korrektur, in: Der Gynäkologe, 2004, S. 791). Im Hinblick auf die damit gegebene Vielfalt in Form und Größe der weiblichen Brust (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 9/04 R -; Urteil vom 28.02.2008 - B 1 KR 19/07 R-, jeweils veröffentlicht in Juris) ist eine deutliche Annäherung an die Anatomie des weiblichen Körpers insoweit bereits dann erreicht, wenn weibliche Brüste - unabhängig von deren Größe, Form oder Symmetrie - vorhanden sind, wie sie bei genetischen Frauen vorkommen.
Die grundsätzlich unterschiedliche Beurteilung des operativen Behandlungserfolgs bei Transsexualität begründet zwar im Einzelfall, wie hier, einen Anspruch auf eine operative Angleichung an die weiblichen Genitalien und ggf. den Aufbau einer fehlenden Brust (Amastie, Athelie), nicht aber einen Anspruch auf eine bestimmte - nachträgliche - Gestaltung dieser Körperteile (vgl. im Ergebnis auch LSG Hamburg, Urteil vom 02.02.2011 - L 1 KR 46/09 -, veröffentlicht in Juris zur erneuten Brustkorrektur bei einem Transsexuellen Frau-zu-Mann). Sie rechtfertigt es daher nach Ansicht des Senats auch nicht, soweit weibliche Brüste vorhanden sind, für den Anspruch auf deren operative Veränderung bei Transsexuellen Mann-zu-Frau einen anderen Maßstab als den für genetische Frauen geltenden (vgl. hierzu oben I. und II.) anzulegen, da es insoweit nicht mehr um die Angleichung an das weibliche Geschlecht, sondern die Gestaltung bereits vorhandener weiblicher Geschlechtsmerkmale geht.
IV. Nach diesem Maßstab steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch nicht zu, da sich bei ihr eine weibliche Brust aufgrund der hormonellen Behandlung entwickelt hat und sie lediglich deren Vergrößerung begehrt.
Im vorliegenden Fall steht fest, dass bei der Klägerin, bei der eine operative Genitalangleichung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung aufgrund ärztlicher Empfehlung, insbesondere der Zustimmung des MDK gewährt worden ist, Transsexualität in einer besonders tief greifenden Form vorliegt, die grundsätzlich auch einen Anspruch auf Krankenbehandlung in Form der operativen Angleichung ihres Körpers an einen weiblichen Körper begründet. Die weitere, von der Klägerin begehrte operative Maßnahme ist aber auch bei der hier vorliegenden besonders tief greifenden Form des Transsexualismus Mann-zu-Frau keine notwendige Krankenbehandlung mehr.
Bei der Klägerin ist eine genitalangleichende Operation durchgeführt worden. Es ist zudem eine Hormontherapie erfolgt, worauf sich eine mäßige, aber seitengleiche weibliche Brust entwickelt hat. Nach den Aussagen des behandelnden Gynäkologen, die auch von den Gutachtern des MDK nicht in Zweifel gezogen worden sind, ist zwar nach der Genitalangleichung und Hormonbehandlung ein weiteres Brustwachstum nun nicht mehr zu erwarten. Nachdem sich aber eine weibliche Brust entwickelt hat, besteht ein Anspruch auf Angleichung nicht.
Auf der Grundlage der Stellungnahmen des MDK vom 08.04.2008 (Dr. M.-J.) und vom 01.07.2008 (Dr. M.) und des behandelnden Frauenarztes und Psychiaters Dr. H. u.a. vom 24.03.2008 steht für den Senat fest, dass sich bei der Klägerin weibliche Brüste entwickelt haben. Die Aussage des Arztes für Plastische Chirurgie Dr. Sch. vom 26.05.2008, wonach die Klägerin nur ein minimales Brustwachstum zeige, was immer noch einer männlichen Brust entspreche, enthält seine subjektive Wertung des optischen Erscheinungsbildes der Brust der Klägerin, wie sie sich aufgrund der Hormonbehandlung entwickelt hat (vgl. dazu unten), die die objektive medizinische Beurteilung im Sinne einer Mikromastie der weiblichen Brust nicht in Frage stellt. Bei der Mikromastie (Mammahypoplasie = Unterentwicklung der Brust) handelt es sich um eine sonstige angeborene Fehlbildungen der Mamma (Q83.8). Sie liegt vor, wenn die Brustentwicklung unzureichend ist, was verschiedene Ursachen haben kann, wie z.B. Hormonmangel oder gering vorhandenes Brustdrüsengewebe. Sie ist durch ein Gewicht von weniger als 200 g definiert. Damit liegt lediglich eine Normabweichung vor, die nach dem obigen Maßstab grundsätzlich (vgl. oben I. und II.) und auch bei Transsexuellen Mann-zu-Frau (vgl. oben III.) die operative Korrektur als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung nicht rechtfertigt.
Der Senat verkennt nicht, dass bei Transsexualismus in einer besonders ausgeprägten Form, wie sie bei der Klägerin vorliegt, derzeit weiterhin davon auszugehen ist, dass die operative Anpassung des gesunden Körpers an das aufgrund einer Identitätsstörung empfundene Geschlecht als erfolgversprechende Behandlung zur Linderung des seelischen Leidens angesehen wird und insofern ein wesentlicher Unterschied zu anderen Frauen besteht, die unter Fehlbildungen ihrer Brüste leiden. Allerdings rechtfertigt dies, wie dargelegt, nach Ansicht des Senats nicht, Transsexuellen Mann-zu-Frau zur deutlichen Annäherung an das Erscheinungsbild des weiblichen Geschlechts über den Anspruch auf weibliche Brüste hinaus auch einen Anspruch auf Brustvergrößerung im Falle deren Unterentwicklung einzuräumen.
V. Dem hilfsweise gestellten Beweisantrag, von Amts wegen ein gynäkologisches Sachverständigengutachten einzuholen zur Frage, ob die bei der Klägerin aufgrund der hormonellen Therapie entwickelte mäßige, aber seitengleiche Brust zu einer deutlichen Annäherung an das Erscheinungsbild des weiblichen Geschlechts geführt hat, war nicht zu entsprechen.
Die Feststellung, ob bei der Klägerin nach ihrem äußeren Erscheinungsbild eine deutliche Annäherung an das weibliche Geschlecht eingetreten ist, bedarf keines medizinischen Fachwissens. Es handelt sich bei dem Begriff der "deutlichen Annäherung" vielmehr um einen Rechtsbegriff, so dass die aus diesem Begriff abzuleitenden Anforderungen nicht durch einen medizinischen Sachverständigen, sondern, wie geschehen, vom Senat im Wege der Auslegung zu ermitteln sind. Danach kommt es, wie sich aus dem oben Dargelegten ergibt, nach Ansicht des Senats entscheidend auf den hier nicht streitigen medizinischen Befund des Vorhandenseins - unterentwickelter - weiblicher Brüste an und, anders als für die Frage der Entstellung, nicht auf eine betrachtende Beurteilung - hier: der Geschlechtszugehörigkeit des nackten Körpers -. Auch eine solche betrachtende Bewertung bedürfte allerdings nicht der medizinischen Sachkunde. Vorsorglich stellt der Senat aufgrund seiner eigenen Lebens- und Alltagserfahrung, mithin kraft eigener Sachkunde fest, dass der Körper der Klägerin aus der Sicht eines verständigen Betrachters bereits eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild eines weiblichen Körpers aufweist. Die mäßigen Brüste, die sich aufgrund der hormonellen Behandlung entwickelt haben, erscheinen dabei, wie sich auf den in der Akte befindlichen Fotographien erkennen lässt, als unterentwickelte, kleine weibliche Brüste, was sie aus medizinischer Sicht sind.
Das Sozialgericht hat die Klage damit im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
VI. Die Revision war zuzulassen, da die Frage, ob Transsexuelle Mann-zu-Frau im Falle einer indizierten operativen Geschlechtsangleichung Anspruch auf nach dem jeweiligen Stand der plastischen Chirurgie möglichst große Angleichung an das Leitbild eines regelrechten weiblichen Körpers haben, grundsätzliche Bedeutung hat. Diese Frage war hier auch entscheidungserheblich. Denn würde eine deutliche Annäherung zwar nicht eine möglichst große Angleichung an ein Idealbild, aber eine, soweit nach dem jeweiligen Stand der plastischen Chirurgie möglichst große Angleichung an das Leitbild eines regelrechten weiblichen Körpers erfordern, wäre hier ein Anspruch auf die begehrte Operation zu bejahen, weil die Hypoplasie der Mamma, wie dargelegt, eine Fehlbildung im Sinne einer Regelwidrigkeit darstellt, die operativ korrigierbar ist. Durch die begehrte Operation könnte damit eine weitergehende Angleichung an einen regelrechten weiblichen Körper erreicht werden. Zudem ist die Revision gegen die zitierte Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg zugelassen worden (B 1 KR 3/12 R), die den Anspruch eines Transsexuelle Mann-zu-Frau auf operative Korrektur auch bei Fehlbildung der Brüste zum Gegenstand hat.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Kostenübernahme für eine Brustvergrößerung.
Die Klägerin wurde 1964 anatomisch männlich geboren. Aufgrund der Diagnose Transsexualismus Mann-zu-Frau wurde im Februar 2008 nach vorheriger Östrogentherapie eine geschlechtsangleichende Operation durchgeführt. Die Kosten dafür wurden von der Beklagten übernommen, nachdem die Voraussetzungen hierfür im sozialmedizinischen Gutachten vom 08.01.2008 (Dr. M.-J.) als erfüllt angesehen worden waren. Dort heißt es u.a., die Kostenübernahme-Empfehlung beziehe sich auf den Aufbau einer Neo-Vagina, nicht etwa auf den zusätzlichen weiteren Eingriff einer operativen Brustaugmentation.
Am 31.03.2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Brustvergrößerung und legte ein Schreiben des behandelnden Gynäkologen vom 24.03.2008 (Dr. H.) vor. Dieser führte aus, seit der 2005 erfolgten Zufuhr von Östrogenhormonen habe sich eine mäßige seitengleiche weibliche Brust entwickelt. Durch eine Steigerung der Östrogenzufuhr könne kein weiteres Brustwachstum erreicht werden, weshalb eine operative Brustvergrößerung indiziert sei, um den geschlechtsangleichenden Eingriff zu vervollständigen.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme des MDK ein, der mit sozialmedizinischem Gutachten vom 08.04.2008 (Dr. M.-J.) die Voraussetzungen für die Übernahme der begehrten Maßnahme als nicht gegeben ansah, da sie nach der Entwicklung einer mäßigen, aber seitengleichen weiblichen Brust nicht medizinisch indiziert sei.
Mit Bescheid vom 14.04.2008 lehnte die Beklagte die beantragte Kostenübernahme ab. Da sich laut Schreiben des behandelnden Arztes eine mäßige, aber seitengleiche Brust entwickelt habe, läge ein krankhafter Befund nicht vor.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 23.04.2008 Widerspruch ein. Am 20.06.2008 übersandte die Klägerin ein Schreiben der Dres. O. und Sch. vom 26.05.2008, in dem diese anführen, dass sich bei ihr nur ein minimales Brustwachstum zeige, was immer noch einer männlichen Brust entspräche. Aus ärztlicher Sicht sei die medizinische Indikation für eine Mammaaugmentation gegeben. Diese Operation werde in ihrer Belegklinik unter stationären Bedingungen bei einem Aufenthalt von 3 bis 4 Tagen durchgeführt. Zu Veranschaulichung fügte die Klägerin noch Fotodokumentationen bei.
In dem weiteren von der Beklagten eingeholten Gutachten des Medizinischen Dienstes vom 01.07.2008 wurde eine Kostenübernahme nicht befürwortet (Dr. M.). Es handele sich vorliegend um eine Mammahypoplasie (Unterentwicklung der Brust), die an sich nicht als krankhafter Befund zu werten sei. Der kosmetische Aspekt stünde im Mittelpunkt, weshalb es sich um einen kosmetischen Eingriff handele. Eventuell käme bei Selbstwertproblemen eine Psychotherapie in Betracht. Die Klägerin führte daraufhin aus, erst mit der Brustvergrößerung sei die Geschlechtsangleichung abgeschlossen, da die Brust zu den maßgeblichen weiblichen Geschlechtsmerkmalen gehöre. So würde sie sich gefangen fühlen halb als Mann und halb als Frau und Depressionen bekommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.09.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und begründete dies damit, Transsexualität sei eine Krankheit im medizinischen Sinne und im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung, die bei entsprechender medizinischer Indikation die Leistungspflicht der Krankenkasse für geschlechtsumwandelnde Mittel und Maßnahmen auslöse. Dabei werde zwischen genitalangleichenden Eingriffen, also solchen, die an den primären Geschlechtsmerkmalen stattfänden und weiteren Eingriffen, die die sekundären Geschlechtsmerkmale beträfen, unterschieden. Die weibliche Brust gehöre zu den sekundären Geschlechtsmerkmalen. Nach dem Informationspapier der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e. V. gehörten zu den geschlechtsangleichenden operativen Maßnahmen bei Mann-zu-Frau-Transsexuellen auch die operative Brustvergrößerung. Diese jedoch nur, wenn die gegengeschlechtliche Hormonbehandlung nicht zu einer ausreichenden Brustentwicklung führe. Zur Prüfung, ob bei der Klägerin eine medizinische Indikation zur Kostenübernahme der beantragten Brustaugmentation vorliege, sei der MDK um eine sozialmedizinische Beurteilung gebeten worden. Die Ärzte des MDK St. hätten in ihren Gutachten vom 08.01.2008, 08.04.2008 und 01.07.2008 übereinstimmend festgestellt, dass sich bei der Klägerin eine mäßige, aber seitengleiche weibliche Brust gebildet habe. Es handele sich hierbei um eine Mammahypoplasie, die an sich nicht als krankhafter Befund zu werten sei. Der kosmetische Aspekt stehe im Vordergrund.
Die Klägerin hat ihr Begehren weiterverfolgt, am 21.10.2008 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und geltend gemacht, dass psychische Gesichtspunkte nicht berücksichtigt worden seien. Auch sei der geschlechtsangleichende Eingriff erst mit der Brustvergrößerung abgeschlossen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat vorgetragen, ein krankhafter Befund im Bereich der Brust sei nicht festzustellen. Es müsse jedoch von weiter notwendiger nervenärztlicher Behandlung und Psychotherapie ausgegangen werden.
Das SG hat den behandelnden Gynäkologen und Psychiater Dr. H. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser erklärte in seiner Aussage vom 23.11.2008 u.a., es sollte die Aufbauplastik der Brust vorgenommen werden, da sich unter der seit 2005 erfolgten Zufuhr von Östrogenhormonen nur eine mäßige, aber seitengleiche weibliche Brust entwickelt habe. Durch das Fehlen gewebstypischer weiblicher Östrogenrezeptoren werde daher auch eine Steigerung der Östrogenzufuhr keine weitere Vergrößerung des Brustwachstums zur Folge haben und daher aus gesundheitlichen Gründen auch nicht in Frage kommen. Die operative Augmentation mit Hilfe geeigneter Brustprothesen sei daher indiziert, um den geschlechtsangleichenden Eingriff bei dem vorliegenden Transsexualismus zu vervollständigen. Beim Transsexualismus sei es gerade die psychische Problematik und der Leidensdruck, nicht im innerlich gefühlten weiblichen Geschlecht und entsprechender körperlicher Ausformung geboren zu sein, so dass sich geradezu ein Hass auf die nicht akzeptierten männlichen Körpermerkmale ausbilde. Die Genitalangleichende Operation habe hier sicherlich schon zu einer deutlichen Linderung des Leidensdruckes geführt. Aus psychiatrischer Sicht sei es aber auch völlig verständlich, dass nun auch für die Brust eine entsprechende weibliche Busenform angestrebt werde. Dies sei umso verständlicher, wenn man die Körpergröße der Klägerin berücksichtige. Die Ausführung des MDK-Gutachters Dr. M. bezögen sich im Wesentlichen auf Mammahypoplasiezustände bei genuinen biologischen Frauen, berücksichtigten aber nicht die völlig andere Situation bei einem Sexualidentität-gestörten Menschen: Durch die seit 1991 durch Gesetz ermöglichte Vornamensänderung und die Einstufung des Transsexualismus als Krankheit im versicherungsrechtlichen Sinne solle es ja gerade diesen Menschen ermöglicht werden, durch die körperliche Angleichung an das gefühlte innerliche Geschlecht ein zufriedenes und körperhassfreies Leben zu führen. Es sei ja gerade das Kennzeichen eines echten Transsexualismus, dass die Ablehnung und der Hass auf das angeborene biologische Geschlecht nicht durch intensive Psychotherapie zu beseitigen sei, sondern diese psychische Störung werde mit "Hormon und Skalpell" weitgehend beseitigt. Daher seien die Vergleiche mit mammahypoplastischen Biofrauen hier nicht heranzuziehen und auch die Äußerungen der "Vereinigung der Deutschen Plastischen Chirurgen" sei hier nicht angemessen, da es sich beim Transsexualismus um eine psychosexuelle Identitätsstörung handele, und nicht um eine körperliche Normvariante bei sonst gesunden Menschen.
Die Klägerin befindet sich in psychotherapeutischer Behandlung, deren Kosten von der Beklagten übernommen werden.
Mit Gerichtsbescheid vom 07.01.2010 hat das SG die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, bei der Klägerin liege aufgrund der Größe ihrer Brust kein regelwidriger Körperzustand vor. Bei der Größe der weiblichen Brust gebe es von Natur aus eine sehr große Bandbreite. Zwar sei die Größe der Brust der Klägerin auch nach der erfolgten Hormontherapie eher am unteren Rand dieser Bandbreite anzusiedeln. Aber auch eine kleine Brust stelle noch keinen regelwidrigen Körperzustand dar. Eine Normgröße für die weibliche Brust existiere nicht und es sei auch nicht angebracht, solch eine Normgröße festzulegen, um alles Abweichen von dieser Größe als krankhaft darzustellen. Ein regelwidriger Zustand im Sinne einer Krankheit könne daher nur vorliegen, wenn gar keine Brust ausgebildet sei, nicht jedoch, wenn die Brust lediglich relativ klein sei (vgl. auch LSG Sachsen, Urteil vom 03.02.1999, Az. L 1 KR 31/98). Eine Kostentragungspflicht der Beklagten entstehe ebenfalls nicht aufgrund der bei der Klägerin vorliegenden psychischen Beeinträchtigungen. Die Klägerin leide nach Aussage von Dr. H. sehr unter ihrer geringen Brustgröße und fühle sich dadurch nicht voll als Frau. Aus diesem Grund habe die Beklagte die Kosten für eine psychotherapeutische Behandlung übernommen. Die Leistungspflicht der Krankenkassen umfasse jedoch nicht die Übernahme der Kosten für einen chirurgischen Eingriff, um psychische Probleme zu beheben, da dies keine "Behandlung" im Sinne von § 27 Abs. 1 SGB V sei (st. Rspr., vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2004, Az. B 1 KR 3/03 R, juris). Dem schließe sich die Kammer an. Ein operativer Eingriff könne nur gerechtfertigt sein, wenn damit ein krankhafter Zustand am Körper selbst beseitigt werden solle. Ein Eingriff zur Behandlung psychischer Leiden könne schon deshalb nicht gerechtfertigt sein, weil es sehr fraglich sei, ob durch die Annäherung an ein vermeintliches körperliches "Idealbild" die psychischen Probleme tatsächlich behoben werden könnten. Auch die bei der Klägerin vorliegende Transsexualität könne zu keiner anderen Bewertung führen. Zwar liege bei Transsexualismus ein anerkanntes Krankheitsbild vor, was nach Ausschöpfung sonstiger Behandlungsmöglichkeiten einen Anspruch auf eine geschlechtsangleichende Operation bewirken könne. Diese Operation sei bei der Klägerin auf Kosten der Beklagten vorgenommen worden. Durch die Operation müsse eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts erreicht werden (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 Transsexuellengesetz - TSG -). Es bestehe jedoch kein Anspruch auf eine Operation im Sinne des Erreichens eines "Idealbildes" des anderen Geschlechtes (so auch LSG Sachsen, Urteil vom 03.02.1999, a.a.O.; BSG, Urteil vom 19.10.2004, a.a.O.). Daher könne die Kammer sich der Auffassung von Dr. H., bei Transsexualismus erfolge die Behandlung der psychischen Probleme nicht mittels Psychotherapie, sondern mittels Hormon und Skalpell nicht anschließen, soweit davon eine Brustvergrößerung umfasst sein solle. Die Kammer sei auch aufgrund des Eindrucks, den sie von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gewonnen habe, der Auffassung, dass bei der Klägerin eine deutliche Annährung an das weibliche Geschlecht vorliege. Die Klägerin weise zwar für eine Frau eine überdurchschnittliche Körpergröße und einen kräftigeren Körperbau auf, jedoch sei die Klägerin aufgrund ihres Erscheinungsbildes eindeutig als Frau zu identifizieren. Größe und Körperbau würden sich auch durch eine brustvergrößernde Operation nicht ändern. Zudem gebe es auch zahlreiche genuin biologische Frauen, die relativ groß seien, dennoch nur über eine kleine Brust verfügten. Die Kammer verkenne nicht, dass die Klägerin aufgrund des Transsexualismus in erheblich größerem Maße psychisch unter ihrer kleineren Brust leiden möge als genuin biologische Frauen. Dieser seelische Leidensdruck rechtfertige jedoch, wie oben dargelegt, keinen operativen Eingriff, sondern stattdessen eine psychotherapeutische Behandlung.
Gegen diesen ihr am 14.01.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 22.01.2010 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen, die mäßige, aber seitengleiche Brust, die sich bei ihr nach der hormonellen Behandlung entwickelt habe, stelle einen regelwidrigen Körperzustand dar. Regelwidrig sei ein Körperzustand dann, wenn er vom Leitbild des gesunden Menschen abweiche. Maßstab zur Beurteilung des Leitbildes des gesunden Menschen sei nach ihrer Auffassung hier nicht eine genuin biologische Frau sondern eine Mann-zu-Frau-Transsexuelle. Diesbezüglich sei auf § 8 Abs. 1 Nr. 4 Transsexuellengesetz abzustellen. Danach sei auf Antrag vom Gericht festzustellen, dass eine Person, die sich aufgrund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtsantrag angegebenen, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfinde und die seit mindestens 3 Jahren unter dem Zwang stehe, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben, als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen sei, wenn sie [ ...] sich einem ihre äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff unterzogen habe, durch den eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts erreicht worden sei. Maßstab zur Beurteilung des Leitbildes des gesunden Menschen sei somit, ob eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts erreicht worden sei. Dies sei nicht der Fall. Entgegen der Auffassung des SG sei durch die Hormonbehandlung noch keine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts erreicht worden. Diesbezüglich werde Bezug genommen auf die sachverständige Zeugenaussage des behandelnden Frauenarztes und Psychiaters Dr. H. vom 23.11.2008. Es bedürfe eines gynäkologischen Sachverständigengutachtens zur Frage, ob die bei der Klägerin aufgrund der hormonellen Therapie entwickelte mäßige, aber seitengleiche Brust zu einer deutlichen Annäherung an das Erscheinungsbild des weiblichen Geschlechts geführt habe. Zudem sei bislang die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Mann-zu-Frau-Transsexuelle nach § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V Anspruch auf Kostenübernahme einer Brustvergrößerung im Wege des Sachleistungsprinzips habe, bislang durch die Rechtsprechung nicht beantwortet worden. Zudem habe sich das SG nicht ausreichend damit beschäftigt, dass die Fallgestaltungen bei genuin biologischen Frauen, die aufgrund der Größe ihrer Brust psychische Erkrankungen entwickeln, und bei Mann-zu-Frau-Transsexuellen, deren psychische Problematik und Leidensdruck darin liege, nicht im innerlich gefühlten weiblichen Geschlecht und entsprechender körperlicher Ausformung geboren zu sein, nicht vergleichbar sei. Nach der in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 23.11.2008 von Dr. H. geäußerten Auffassung, könne diese psychische Problematik nur durch "Hormon und Skalpell" behandelt werden. Die seitens des SG zitierte Rechtsprechung beschäftige sich jedoch ausschließlich mit Fallgestaltungen, in denen die Erkrankungen tatsächlich psychiatrisch bzw. psychotherapeutisch zu behandeln seien. Auch diese Frage, ob eine Krankenbehandlung in Form körperlicher Eingriffe zur Behandlung psychischer Erkrankungen beansprucht werden könne, wenn psychiatrische bzw. psychotherapeutische Behandlung nicht möglich sei, sei durch die Rechtsprechung bislang offenbar nicht beantwortet worden.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 07.01.2010 sowie den Bescheid vom 14.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.09.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Brustvergrößerung sowie die hierfür notwendigen Krankenbehandlungen als Sachleistung zu gewähren, hilfsweise Beweis zu erheben zu der Frage, ob die bei der Klägerin aufgrund der hormonellen Therapie entwickelte mäßige, aber seitengleiche Brust zu einer deutlichen Annäherung an das Erscheinungsbild des weiblichen Geschlechts geführt hat, höchst hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie teilt wie das SG und wie der Medizinische Dienst der Krankenversicherung die Auffassung, dass bei der Berufungsklägerin keine Krankheit vorliege. Eine kleine Brust stelle keinen regelwidrigen Körperzustand dar, zudem existiere kein gültiges/offizielles Maß, wie groß eine Brust ausgebildet sein müsse, um einem Leitbild bzw. einer Norm zu entsprechen. Die Klägerin falle unstrittig unter die Regelungen des Transsexuellengesetzes. Deshalb seien in der Vergangenheit alle Kosten der medizinisch notwendigen Krankenbehandlungen zur operativen Geschlechtsumwandlung und der Begleitbehandlungen übernommen worden. Offenkundig habe sich unter Hormonbehandlung keine weibliche Brust nach Wunsch entwickelt. Dennoch könne sich die Klägerin nicht auf einen erweiterten Leistungsanspruch berufen, den eine genuin biologische Frau auch nicht beanspruchen könne. Die im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen, MDK-Gutachten und Schriftsätze seien nach ihrer Ansicht ausreichend, um eine Entscheidung zu treffen. Sollte die Klägerin durch die nach ihrer Ansicht zu kleine Brust an einer psychiatrischen Krankheit leiden, sehe sie sich unfraglich in der Verpflichtung, diese zu übernehmen. Auf die Ausführungen hierzu im Gerichtsbescheid vom 07.01.2010 werde verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig, aber nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihr eine Brustvergrößerungsoperation zu gewähren. Die Klägerin hat darauf keinen Anspruch.
Rechtsgrundlage des Leistungsbegehrens der Klägerin ist § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 Abs. 2 SGB V), wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.
Krankheit i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht; § 33 Abs. 1 SGB V bewirkt mit dem Abstellen auf eine Behinderung bzw. eine drohende Behinderung keine sachliche Änderung, setzt vielmehr nur einen anderen Akzent.
I. Nicht jede körperliche Unregelmäßigkeit stellt eine ärztlicher Behandlung bedürfende Krankheit dar. Notwendig ist, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder die anatomische Abweichung entstellend wirkt. (zu alledem näher: Senatsurteile vom 05.04.2006 – L 5 KR 3888/05 –, vom 22.11.2006 – L 5 KR 4488/05 – und vom 10.12.2008 - L 5 KR 2638/07 - unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG, insbesondere Urt. v. 19.10.2004 – B 1 KR 9/04 R – "Mammareduktionsplastik"). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
1. Die hier begehrte Behandlung der Mikromastie der weiblichen Brust dient nicht der Behebung organischer Funktionsdefizite oder Beschwerden. Behandlungsbedürftigkeit setzt ihrerseits Behandlungsfähigkeit voraus, die im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit nicht gegeben ist. Auch körperliche Beschwerden gehen von einer kleinen weiblichen Brust nicht aus.
2. Die Brüste der Klägerin wirken auch nicht entstellend. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anormalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die nahe liegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit und damit zugleich erwarten lässt, dass die Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist. Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein: Es genügt nicht allein ein markantes Gesicht oder generell die ungewöhnliche Ausgestaltung von Organen, etwa die Ausbildung eines sechsten Fingers an einer Hand. Vielmehr muss die körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt. Die Rechtsprechung hat als Beispiele für eine Entstellung das Fehlen natürlichen Kopfhaares bei einer Frau oder eine Wangenatrophie oder Narben im Lippenbereich angenommen oder erörtert. Das BSG hat namentlich eine Entstellung bei fehlender oder wenig ausgeprägter Brustanlage unter Berücksichtigung der außerordentlichen Vielfalt in Form und Größe der weiblichen Brust abgelehnt (BSGE 93, 252).
Eine derart erhebliche Auffälligkeit, wegen der die Klägerin ständig viele Blicke auf sich ziehen und zum Objekt besonderer Beachtung anderer würde, weswegen sie sich aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen drohte, macht die Klägerin selbst nicht geltend. Die in Rede stehende körperliche Auffälligkeit hat nicht eine solche Ausprägung, dass sie schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar ist und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf die Klägerin führt (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R -, ebenfalls zur Brustvergrößerung, veröffentlicht in Juris). Sie kann außerdem für Abhilfe im Alltag durch entsprechende Kleidung sorgen, wenn sie ihr äußeres Erscheinungsbild im Hinblick auf die Erwartungshaltungen Dritter verändern will (vgl. auch BSG, Urt. v. 28.02.2008, - B 1 KR 19/07 R -, zu einem Fall der Brustasymmetrie, veröffentlicht in Juris).
Der körperliche Befund der Mamma-Mikromastie begründet kein ärztliches Behandlungsbedürfnis der Brüste und stellt damit keine Krankheit im Sinne des § 27 Abs. Satz 1 SGB V dar.
II.
Operative Eingriffe in gesunde Körperteile zur mittelbaren Behandlung anderer Krankheiten bedürfen einer Rechtfertigung (1.), die im Falle der mittelbaren Behandlung seelischer Störungen grundsätzlich nicht gegeben ist (2.).
1. Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V müssen alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, und damit auch Krankenbehandlungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V). An der Notwendigkeit (wie der Zweckmäßigkeit) einer Krankenbehandlung i. S. d. §§ 27 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 SGB V fehlt es von vornherein, wenn ihre Wirksamkeit bzw. ihr therapeutischer Nutzen für die Erkennung oder Heilung der jeweiligen Krankheit oder für die Verhütung ihrer Verschlimmerung bzw. die Linderung der Krankheitsbeschwerden nicht festgestellt werden kann. Ausschlaggebend sind grundsätzlich die Maßstäbe der evidenzbasierten Medizin. Setzt die Krankenbehandlung entgegen der Regel nicht unmittelbar an der Krankheit bzw. am erkrankten Organ selbst an, soll der Behandlungserfolg vielmehr mittelbar durch einen Eingriff an einem an sich gesunden Organ erreicht werden, bedarf die Notwendigkeit der Krankenbehandlung einer besonderen Rechtfertigung im Rahmen einer umfassenden Abwägung zwischen dem voraussichtlichen medizinischen Nutzen und den möglichen gesundheitlichen Schäden. In diese Abwägungsentscheidung sind auch Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit des Eingriffs und etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung einzubeziehen (BSG, Urt. v. 19.10.2004 B 1 KR 9/04 R –; BSGE 85, 86).
2. Danach sind Operationen am gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, nicht als notwendige Behandlung i.S.d. § 27 Abs. 1 SGB V zu werten, sondern vielmehr der Eigenverantwortung der Versicherten zugewiesen. Denn Operationen am gesunden Körper zur Behebung psychischer Störungen sind nicht gerechtfertigt, vor allem, weil bei damit verbundenen nicht unerheblichen gesundheitlichen Risiken die psychischen Wirkungen körperlicher Veränderungen nicht hinreichend verlässlich zu prognostizieren sind (auch dazu näher Senatsurteile vom 05.04.2006 – L 5 KR 3888/05 – und vom 22.11.2006 – L 5 KR 4488/05 – unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG, etwa BSGE 90, 289). Es wird nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen, sondern es soll nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen Defizits erreicht werden. Damit besteht die Schwierigkeit einer Vorhersage der psychischen Wirkungen von körperlichen Veränderungen, so dass der Erfolg, der ggf. die mit dem Eingriff in den gesunden Körper zur mittelbaren Beeinflussung eines psychischen Leidens verbundenen Risiken rechtfertigen könnte, unsicher ist.
Ein Anspruch - einer genetischen Frau - auf Brustvergrößerung wäre damit im vorliegenden Fall zu verneinen, weil auch ein seelisches Leiden selbst im Falle der Suizidgefährdung (vgl. zur nicht wahnhafte Dysmorphophobie vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R -, veröffentlicht in Juris) einen Behandlungsanspruch zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht begründen könnte.
III. Abweichende Maßstäbe gelten aber bei Vorliegen von Transsexualismus (F64.0), der weiterhin aus Regelwidrigkeit anzusehen ist (1.) und, der aufgrund seiner Sonderstellung bei Vorliegen in einer krankheitswerten Form grundsätzlich auch operative Eingriffe rechtfertigen kann (2), wobei der Behandlungsanspruch aber auf eine deutliche körperliche Angleichung an das andere Geschlecht beschränkt ist (3.).
1. Der Transsexualismus stellt weiterhin eine psychische Regelwidrigkeit dar. Nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme 10. Revision, German Modification, Version 2012 stellt der Transsexualismus eine Persönlichkeits- und Verhaltensstörung in Form der Störung der Geschlechtsidentität dar. Transsexualismus (F64.0) wird definiert als der Wunsch, als Angehöriger des anderen Geschlechtes zu leben und anerkannt zu werden. Dieser geht meist mit Unbehagen oder dem Gefühl der Nichtzugehörigkeit zum eigenen anatomischen Geschlecht einher. Es besteht der Wunsch nach chirurgischer und hormoneller Behandlung, um den eigenen Körper dem bevorzugten Geschlecht soweit wie möglich anzugleichen.
Allerdings sind der Wunsch und die Durchführung von Operationen nach neueren Erkenntnissen nicht mehr kennzeichnend für das Vorliegen von Transsexualität. Der Senat schließt sich der entsprechenden Beurteilung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 11.01.2011 an. Dort hat das BVerfG u.a. ausgeführt, dass der Operationswunsch einerseits nicht mehr als zuverlässiger diagnostischer Indikator für das Vorliegen von Transsexualität angesehen werde, da der Wunsch nach einer "Geschlechtsumwandlung" auch eine Lösungsschablone für psychotische Störungen, Unbehagen mit etablierten Geschlechtsrollenbildern oder für die Ablehnung einer homosexuellen Orientierung sein könne, und andererseits nach neueren Erkenntnissen auch nicht mehr notwendige Voraussetzung für die Annahme von Transsexualität sei. Für entscheidend werde nicht mehr das Streben nach einer geschlechtsangleichenden Operation, sondern vielmehr die Stabilität des transsexuellen Wunsches gehalten (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 11.01.2011 - 1 BvR 3295/07 -, veröffentlicht in Juris; vgl. auch unten 2. a und b).
Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass die gegenwärtige Entwicklung in der medizinischen Wissenschaft dazu führt, dass somatomedizinische Maßnahmen auch bei Transsexuellen grundsätzlich nicht mehr als Krankenbehandlung anzusehen sind, sondern im Wesentlichen zur Unterstützung des Entfaltungsprozesses transsexueller Menschen dienen sollen. Dies könnte jedenfalls das Ergebnis einer weitgehenden Entpathologisierung der Transsexualität (Rauchfleisch, Transsexualität. Transidentität, 2009) und eines Paradigmenwechsels in ihrem Verständnis als einer gesunden Normvariante der sexuellen Identität sein (Haupt, Transsexualität, Grundlegende neurowissenschaftlich-medizinische, menschenrechtskonforme Positionsbestimmungen und daraus abzuleitende Empfehlungen für die Begleitung, Betreuung und Therapie transsexueller Menschen ["Altdorfer Empfehlungen", Finale Version 1.0]). Damit würde sich nach dem geltenden Recht die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für eine operative Behandlung aus dem durch Transsexualismus bedingten Leidensdruck nicht mehr begründen lassen. Eine solche Behandlung wäre damit dem Bereich der Eigenverantwortung der Versicherten zuzuweisen und aus eigenen Mitteln zu finanzieren, wenn nicht das Leiden an dieser regelrechten Normvariante als eigenständige, im Einzelfall nicht nur psychotherapeutische Maßnahmen, sondern auch körperliche Eingriffe rechtfertigende Störung klassifiziert oder ggf. eine Rechtsgrundlage zur Leistungspflicht anderer Leistungsträger geschaffen würde.
Unabhängig hiervon geht der Senat aber nach derzeitigem Erkenntnisstand weiterhin davon aus, dass es sich bei Transsexualismus um eine Geschlechtsidentitätsstörung im Sinne einer psychischen Regelwidrigkeit und nicht lediglich um eine seltene Normvariante handelt.
2. Dem Transsexualismus als psychischer Regelwidrigkeit kommt eine Sonderstellung zu (a), die weiterhin gerechtfertigt ist (b), und einen Anspruch auf operative Eingriffe in den gesunden Körper als notwendige Krankenbehandlung begründen kann, wenn dieser in einer besonders tief greifenden Form besteht (c).
a) Die Transsexualität hat als psychische Störung in der Rechtsordnung durch das "Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (Transsexuellengesetz - TSG)" vom 10.09.1980 eine Sonderstellung erhalten. Unter den Voraussetzungen des § 1 TSG wird einem Transsexuellen die Möglichkeit gegeben, seinen Vornamen in einen solchen ändern zu lassen, der dem seiner transsexuellen Prägung entspricht (sogenannte "kleine Lösung”). Demgegenüber sieht die sogenannte "große Lösung” unter den Voraussetzungen des § 8 TSG eine Änderung der Geschlechtszugehörigkeit vor. Hierzu wurden gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG u. a. eine dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit sowie ein, die äußeren Geschlechtsmerkmale verändernder operativer Eingriff vorausgesetzt, durch den eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts erreicht worden war. Mit diesen Regelungen wurde namens- und personenstandsrechtlich auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11.10.1978 (- 1 BvR 16/72 -, veröffentlicht in Juris) reagiert (vgl. BT-Drucks. 8/2927), der der damalige medizinische Erkenntnisstand zugrundelag. Mit der Entwicklung geschlechtsanpassender Operationen in den 1960er Jahren war die Transsexualität als Leiden am falschen Körper definiert und die Behandlung auf somatische Eingriffe fokussiert worden. Daraus wurde die Auffassung abgeleitet, alle Transsexuellen würden nach einer geschlechtsanpassenden Operation streben, (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.01.2011 - 1 BvR 3295/07 -, veröffentlicht in Juris).
Das BVerfG hatte hierzu ausgeführt, der Transsexuelle begnüge sich nicht wie der Transvestit mit dem Tragen der Kleidung des anderen Geschlechts; er fühle sich dem anderen Geschlecht ganz und gar zugehörig. Seine Geschlechtsorgane und -merkmale, die nicht zu dem erfühlten Geschlecht passten, empfinde er - im Gegensatz zum Homosexuellen, Transvestiten und Fetischisten - als Irrtum der Natur. Er sei daher mit allen Mitteln bestrebt, diesen Irrtum zu korrigieren, und versuche mit größter Zielstrebigkeit, seinen Wunsch nach vollkommener Geschlechtsumwandlung durchzusetzen. Ja, er schrecke nicht vor den gefährlichsten und schmerzhaftesten Selbstverstümmelungen zurück, wenn er auf andere Weise mit seinen Bestrebungen nicht durchdringe (unter Berufung auf: Nevinny-Stickel und Hammerstein, NJW 1967, S. 663 [665]). Das BVerfG, das damals auch noch davon ausging, dass der männliche Transsexuelle den homosexuellen Mann ablehne und ausdrücklich den heterosexuell orientierten Partner suche, legte in dieser Entscheidung weiter dar, dass nach den vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen Versuche, Transsexuelle in ihrer psychosexuellen Grundstruktur durch Psychotherapie oder Hormonbehandlung umzustimmen, bisher gescheitert seien. Die einzig sinnvolle und hilfreiche therapeutische Maßnahme bestehe nach Ansicht der Wissenschaftler darin, den Körper des Transsexuellen der erlebten Geschlechtsidentität soweit wie möglich anzupassen. Nur so könne die Gefahr von Selbstverstümmelung und Selbstmord, die bei Transsexuellen immer gegeben sei, abgewehrt werden.
b) Die Sonderstellung des Transsexualismus ist auch nach den Beschluss des BVerfG (Beschluss vom 11.01.2011 - 1 BvR 3295/07 -, veröffentlicht in Juris) weiterhin gerechtfertigt. In diesem Beschluss hat das BVerfG ausgeführt, dass zwischen 20 und 30 % der Transsexuellen, die einen Antrag auf Vornamensänderung stellten, in Deutschland dauerhaft in der "kleinen Lösung" ohne Operation verblieben und dementsprechend individuelle therapeutische Lösungen als erforderlich erachtet würden, die von einem Leben im anderen Geschlecht ganz ohne somatische Maßnahmen, über hormonelle Behandlungen bis hin zur weitgehenden operativen Geschlechtsangleichung reichen könnten. Auf der Grundlage dieses geänderten Erkenntnisstand hat es festgestellt, dass es gegen Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verstößt, dass ein homosexueller Transsexueller nur dann eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründen kann, wenn sein empfundenes und nicht sein anatomisches Geschlecht Personenstandsmerkmal ist, was gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG einen seine äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff sowie dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit voraussetzt. Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung sind § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG unanwendbar damit keine operativen Angleichungen für die Änderung des Personenstands mehr erforderlich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.10.2011 - 1 BvR 2027/11 -, veröffentlicht in Juris).
Die Unanwendbarkeit des § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG aus den dargestellten Gründen berührt nach Ansicht des Senats aber noch nicht die grundsätzliche Sonderstellung Transsexueller. Sie beruht insbesondere nicht auf der Annahme, dass die Erfolgsaussicht geschlechtsangleichender Operationen aufgrund der der Entscheidung des BVerfG vom 11.01.2011 zugrunde liegenden neueren medizinischen Erkenntnissen ebenso ungewiss sind, wie dies bei körperlichen Anpassungen aufgrund anderer psychischer Leiden angenommen wird. Vielmehr geht auch das BVerfG weiterhin davon aus, dass vielen Transsexuellen eine geschlechtsanpassende Operation eine erhebliche Erleichterung ihres Leidensdrucks verschafft, die manche schon vorher durch Selbstverstümmelung und Selbstkastration zu erreichen versuchten (BVerfG, Beschluss vom 11.01.2011 - 1 BvR 3295/07 -, veröffentlicht in Juris, m.w.N.).
c) Auch Transsexualismus kann aber nur dann operative Maßnahmen rechtfertigen, wenn er in einer besonders tief greifenden Form vorliegt Es bleibt festzuhalten, dass bei Transsexuellen nicht grundsätzlich ein behandlungsbedüftiger regelwidriger Zustand besteht, solange eine deutliche körperliche Annäherung an das Erscheinungsbild des gefühlten Geschlechts durch einen die äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff nicht erreicht worden ist. Hiervon geht auch die Rechtsprechung des BSG aus, die im Hinblick auf die unterschiedlichen Erscheinungsformen der Transsexualität auf den Einzelfall abstellt, wobei erst der Leidensdruck, der eine Behandlung notwendig macht, die Regelwidrigkeit zur Krankheit im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V qualifiziert. Auch bei Transsexualismus (F64.0) ist daher ein hiervon ausgehender Leidensdruck zu fordern, der der Transsexualität im Einzelfall Krankheitswert verleiht (BSG, Urteil vom 06.08.1987 - 3 RK 15/86 -, veröffentlicht in Juris) und den Anspruch auf notwendige Krankenbehandlung rechtfertigt.
Darüber hinaus ist auch hier trotz der Prämisse einer den Erfolg der Linderung versprechenden, grundsätzlichen operativen Behandelbarkeit des durch krankheitswertigen Transsexualismus bedingten seelischen Leidensdrucks unter Berücksichtigung der Risiken eine Abwägung im Einzelfall vorzunehmen. Hierbei sind nicht nur die Risiken der Operation selbst zu berücksichtigen. Denn auch die gegengeschlechtliche Hormontherapie, die lebenslang fortgesetzt werden muss, hat nicht nur irreversible körperliche Folgen, sondern bringt gesundheitliche Risiken wie zum Beispiel erhöhtes Thrombose-Risiko, Diabetes, chronische Hepatitis und Leberschäden mit sich (BVerfG, Beschluss vom 11.01.2011 - 1 BvR 3295/07 -, veröffentlicht in Juris, m.w.N.).
Nur dann, wenn psychiatrische und psychotherapeutische Mittel das Spannungsverhältnis und den hieraus resultierenden Leidensdruck nicht zu lindern oder zu beseitigen vermögen, kann es damit zu den Aufgaben der gesetzlichen Krankenkassen gehören, die Kosten für eine geschlechtsangleichende Maßnahmen zu tragen (BSG, Urteil vom 10.02.1993 - 1 RK 14/92 -; Beschluss vom 20.06.2005 - B 1 KR 28/04 B -, veröffentlicht in Juris). Auch im Falle der Transsexualität bleibt der operative Eingriff in den gesunden Körper zur Behandlung einer psychischen Störung dabei ultima ratio und setzt dementsprechend die Erfüllung der hierfür aufgestellten Kriterien voraus, insbesondere auch längere psychiatrische Behandlungsversuche (BSG, Urteil vom 06.08.1987 - 3 RK 15/86 -, veröffentlicht in Juris). Dem entspricht die "Begutachtungsanleitung Geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualität", die vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen am 19.05.2009 als Richtlinie nach § 282 Abs. 2 Satz 3 SGB V erlassen wurde. Danach wird Transsexualität erst durch den klinisch relevanten Leidensdruck im Einzelfall zu einer krankheitswertigen Störung bzw. zu einer behandlungsbedürftigen Erkrankung im Sinne des Krankenversicherungsrechts, wobei auch in der Behandlung der Transsexualität psychiatrische und psychotherapeutische Maßnahmen Vorrang haben. Leistungen für geschlechtsangleichende Maßnahmen sind damit nur dann von der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen, wenn nach Ausschöpfung psychiatrischer und/oder psychotherapeutischer Maßnahmen ein krankheitswertiger Leidensdruck verbleibt (Begutachtungsanleitung 2.4).
Im Ergebnis ist damit festzuhalten, dass es, auch wenn derzeit operative Maßnahmen für die Änderung des Personenstands rechtlich nicht mehr Voraussetzung sind, für die Beurteilung des Behandlungsanspruchs von Transsexuellen bei der Besonderheit bleibt, dass die Angleichung des gesunden Körpers an das aufgrund einer psychischen Geschlechtsidentitätsstörung empfundene Geschlecht als erfolgversprechend im Sinne einer Linderung des Leidens angesehen wird und trotz der damit verbundenen erheblichen gesundheitlichen Risiken als ultima ratio in besonders schweren Fällen als gerechtfertigt in Betracht kommt.
3. Liegt die Indikation für operative Maßnahmen aufgrund von Transsexualismus vor, besteht Anspruch auf eine deutliche anatomische Annäherung an das andere Geschlecht. Dieser Anspruch geht bei Transsexuellen Mann-zu-Frau über die Schaffung der Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 4 TSG hinaus und umfasst unter bestimmten Voraussetzungen auch einen Anspruch auf operativen Brustaufbau bei fehlender Anlage (b), jedoch nicht eine Brustvergrößerung (c).
Zum Umfang des Anspruchs auf Angleichung hat das BSG in seinem Urteil vom 28.09.2010 ( B 1 KR 5/10 R -, veröffentlicht in Juris) ausgeführt, dass transsexuelle Versicherte nicht Anspruch auf jegliche Art von geschlechtsangleichenden operativen Maßnahmen im Sinne einer möglichst großen Annäherung an ein vermeintliches Idealbild und ohne Einhaltung der durch das Recht der GKV vorgegebenen allgemeinen Grenzen haben. Ausschlaggebend sind demnach insbesondere nicht subjektive Vorstellungen, sondern ein verallgemeinernder, sich an einer gewissen Typik und Variationsbreite ausrichtender regelhafter Maßstab. Die Ansprüche sind daher beschränkt auf einen Zustand, bei dem eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eintritt (unter Hinweis auf § 8 Abs. 1 Nr. 4 TSG und Sächsisches LSG, Urteil vom 03.02.1999 - L 1 KR 31/98 - veröffentlicht in Juris).
a) Für die Frage, welche konkreten operativen Maßnahmen vom Behandlungsanspruch umfasst sind, können die Voraussetzungen, die zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der "deutlichen Annäherung" des § 8 Abs. 1 Nr. 4 TSG, gefordert wurden, herangezogen werden. Diese sind allerdings aufgrund der Entstehungsgeschichte der Norm (vgl. oben III. 2. a) und des unterschiedlichen Regelungsgegenstands nicht vollständig übertragbar. Bei der Beschränkung auf die Forderung nach einer deutlichen Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts in § 8 Abs. 1 Nr. 4 TSG ging der Gesetzgeber von der Erkenntnis aus, dass bei Frau-zu-Mann Transsexuellen jedenfalls nach dem damaligen medizinischen Wissensstand eine Angleichung an das männliche Geschlecht im Genitalbereich nicht möglich bzw. nicht sinnvoll war, wobei unterschiedliche Anforderungen für die Personenstandsänderung von Frau-zu-Mann und Mann-zu-Frau Transsexuellen gleichheitsrechtlich problematisch erschienen (Schneider, Zur Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit nach dem Transsexuellengesetz, NJW 1992, S. 2940; vgl. zu den aus § 8 Abs. 1 Nr. 4 TSG abgeleiteten Voraussetzungen auch BayOLG, Beschluss vom 14.06.1995 - 1Z BR 95/94 -, NJW 1996, 791; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 24.06.1991 - 3 W 17/91 -, NJW 1992, 760; OLG Hamm, Beschluss vom 15.02.1983 - 15 W 384/82 -, FamRZ 1983, 491). Streitig war vor diesem Hintergrund, ob diese Voraussetzung im Hinblick auf die Garantie der Menschenwürde und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit weit auszulegen war, so dass bei Transsexuellen Frau-zu-Mann bereits die Entfernung der Brüste für die deutliche Annäherung ausreichte, oder ob eine so weitgehende äußere geschlechtliche Anpassung, insbesondere in Form eines Scheidenverschlusses, vorzunehmen war, wie dies nach dem jeweiligen medizinischen Wissensstand möglich war (vgl. BayOLG; OLG Zweibrücken; OLG Hamm a.a.O.) Eine Genitalangleichung war demgegenüber bei Mann-zu-Frau Transsexuellen erforderlich und ausreichend. Es waren für die personenstandsrechtliche Anerkennung nach dem Transsexuellengesetz bei einer Mann-zu-Frau Transsexuellen damit die Amputation des Penisschaftes und der Hoden sowie die Bildung von Neovulva, Neoklitoris und Neovagina mit der Schaffung eines neuen Harnausgangs erforderlich (vgl. BVerfG a.a.O.). Die Klägerin erfüllt diese Voraussetzung der deutlichen Annäherung an das weibliche Geschlecht, weshalb ihr Personenstand noch unter der Geltung des § 8 Abs. 1 Nr. 4 TSG geändert worden ist. Dementsprechend bestünde bei Maßgeblichkeit dieses Begriffs kein weitgehender Anspruch auf die begehrte Operation.
b) Der Senat geht allerdings davon aus, dass, soweit, wie hier, eine Indikation der operativen Genitalangleichung besteht, auch ein darüber hinaus gehender Anspruch auf operativen Brustaufbau zur Annäherung der Brüste an weibliche Brüste bestehen kann, wenn bei fehlender Brustanlage sich keine weiblichen Brüste gebildet haben und eine weitere Hormonbehandlung keinen Erfolg mehr verspricht.
Dies setzt nach Ansicht des Senats grundsätzlich die Durchführung der hormonellen Therapie und der genitalangleichenden Operation voraus. Ein Anspruch ausschließlich auf eine Operation zum Aufbau einer weiblichen Brust dürfte ohne - vorherige - Genitalangleichung ausgeschlossen (a.A. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.02.2011 - L 1 KR 243/09 -, veröffentlicht in Juris) dagegen ausgeschlossen sein, auch wenn unter den betroffenen Mann-zu-Frau Transsexuellen, die körperliche Veränderungen anstreben, als größter Wunsch nach körperlicher Veränderung die Entwicklung einer weiblichen Brust gilt und einige Betroffene ihren Penis akzeptieren können (vgl. BVerfG a.a.O. m.N.). Denn Anspruch auf eine angleichende (Teil-)Operation kann nur zur Annäherung an einen regelhaften Körper (d.h. Mann oder Frau) und nicht zur Schaffung eines regelwidrigen Zustands begehrt werden (BSG, Urteil vom 28.09.2010 - B 1 KR 5/10 R -, veröffentlicht in Juris).
Unter diesen Voraussetzungen besteht als letztes Mittel auch ein Anspruch auf operativen Brustaufbau bei fehlender Brustanlage. Dem steht nicht entgegen, dass bei genetischen Frauen ein organischer Krankheitswert selbst bei fehlendem (Brust )Gewebe verneint wird, und nach der Rechtsprechung des BSG auch psychische Leiden bei genetischen Frauen in solchen Fällen einen Anspruch auf eine Operation zum Brustaufbau nicht begründen können (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 28.02.2008, - B 1 KR 19/07 R - m.w.N.; auch Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 3/03 R -). Denn dies wird damit begründet, dass derzeit aufgrund medizinischer Kenntnisse zumindest Zweifel an der Erfolgsaussicht von derartigen Operationen zur Überwindung einer psychischen Krankheit bestehen (BSG, Urt. v. 28.02.2008, - B 1 KR 19/07 R , veröffentlicht in Juris). Die unterschiedliche Bewertung beruht dementsprechend darauf, dass die operative Angleichung bei besonders tiefgreifenden Formen des Transsexualismus, wie dargelegt, als erfolgversprechend anzusehen ist, wohingegen der Erfolg operativer Maßnahmen zur Behandlung seelischer Leiden im Übrigen weitgehend umstritten und insofern nach bisherigen Kenntnisstand ungewiss ist (vgl. auch oben II. 2.).
c) Eine operative Brustvergrößerung ist nach Ansicht des Senats dagegen auch zur Behandlung einer besonders tief greifenden Form des Transsexualismus Mann-zu-Frau keine notwendige Krankenbehandlung. Dies ergibt sich daraus, dass grundsätzlich nur ein Anspruch auf deutliche Annäherung an den weiblichen Körper und nicht auf möglichst weitgehende Angleichung und erst recht nicht an ein Idealbild weiblicher Brüste besteht.
Die weibliche Brustdrüse, ihre Größe und Form unterliegt einer großen individuellen Varianz, die hauptsächlich im Zusammenhang mit der Gesamtkonstitution steht. Als Normwert gilt formal ein Brustgewicht von 200-450 g. Abgesehen von individuellen Unterschieden befindet sich die Brustwarze in etwa auf der Höhe der 4. Rippe. Die Glandula mammaria besteht aus Drüsen-, Fett- und Bindegewebe; der Anteil des Fettgewebes ist dabei für die Größe und die Form der Brust von entscheidender Bedeutung (A. Petzold, W. Distler, Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Entwicklungsanomalien der adoleszenten Mamma und ihre operative Korrektur, in: Der Gynäkologe, 2004, S. 791). Im Hinblick auf die damit gegebene Vielfalt in Form und Größe der weiblichen Brust (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 9/04 R -; Urteil vom 28.02.2008 - B 1 KR 19/07 R-, jeweils veröffentlicht in Juris) ist eine deutliche Annäherung an die Anatomie des weiblichen Körpers insoweit bereits dann erreicht, wenn weibliche Brüste - unabhängig von deren Größe, Form oder Symmetrie - vorhanden sind, wie sie bei genetischen Frauen vorkommen.
Die grundsätzlich unterschiedliche Beurteilung des operativen Behandlungserfolgs bei Transsexualität begründet zwar im Einzelfall, wie hier, einen Anspruch auf eine operative Angleichung an die weiblichen Genitalien und ggf. den Aufbau einer fehlenden Brust (Amastie, Athelie), nicht aber einen Anspruch auf eine bestimmte - nachträgliche - Gestaltung dieser Körperteile (vgl. im Ergebnis auch LSG Hamburg, Urteil vom 02.02.2011 - L 1 KR 46/09 -, veröffentlicht in Juris zur erneuten Brustkorrektur bei einem Transsexuellen Frau-zu-Mann). Sie rechtfertigt es daher nach Ansicht des Senats auch nicht, soweit weibliche Brüste vorhanden sind, für den Anspruch auf deren operative Veränderung bei Transsexuellen Mann-zu-Frau einen anderen Maßstab als den für genetische Frauen geltenden (vgl. hierzu oben I. und II.) anzulegen, da es insoweit nicht mehr um die Angleichung an das weibliche Geschlecht, sondern die Gestaltung bereits vorhandener weiblicher Geschlechtsmerkmale geht.
IV. Nach diesem Maßstab steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch nicht zu, da sich bei ihr eine weibliche Brust aufgrund der hormonellen Behandlung entwickelt hat und sie lediglich deren Vergrößerung begehrt.
Im vorliegenden Fall steht fest, dass bei der Klägerin, bei der eine operative Genitalangleichung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung aufgrund ärztlicher Empfehlung, insbesondere der Zustimmung des MDK gewährt worden ist, Transsexualität in einer besonders tief greifenden Form vorliegt, die grundsätzlich auch einen Anspruch auf Krankenbehandlung in Form der operativen Angleichung ihres Körpers an einen weiblichen Körper begründet. Die weitere, von der Klägerin begehrte operative Maßnahme ist aber auch bei der hier vorliegenden besonders tief greifenden Form des Transsexualismus Mann-zu-Frau keine notwendige Krankenbehandlung mehr.
Bei der Klägerin ist eine genitalangleichende Operation durchgeführt worden. Es ist zudem eine Hormontherapie erfolgt, worauf sich eine mäßige, aber seitengleiche weibliche Brust entwickelt hat. Nach den Aussagen des behandelnden Gynäkologen, die auch von den Gutachtern des MDK nicht in Zweifel gezogen worden sind, ist zwar nach der Genitalangleichung und Hormonbehandlung ein weiteres Brustwachstum nun nicht mehr zu erwarten. Nachdem sich aber eine weibliche Brust entwickelt hat, besteht ein Anspruch auf Angleichung nicht.
Auf der Grundlage der Stellungnahmen des MDK vom 08.04.2008 (Dr. M.-J.) und vom 01.07.2008 (Dr. M.) und des behandelnden Frauenarztes und Psychiaters Dr. H. u.a. vom 24.03.2008 steht für den Senat fest, dass sich bei der Klägerin weibliche Brüste entwickelt haben. Die Aussage des Arztes für Plastische Chirurgie Dr. Sch. vom 26.05.2008, wonach die Klägerin nur ein minimales Brustwachstum zeige, was immer noch einer männlichen Brust entspreche, enthält seine subjektive Wertung des optischen Erscheinungsbildes der Brust der Klägerin, wie sie sich aufgrund der Hormonbehandlung entwickelt hat (vgl. dazu unten), die die objektive medizinische Beurteilung im Sinne einer Mikromastie der weiblichen Brust nicht in Frage stellt. Bei der Mikromastie (Mammahypoplasie = Unterentwicklung der Brust) handelt es sich um eine sonstige angeborene Fehlbildungen der Mamma (Q83.8). Sie liegt vor, wenn die Brustentwicklung unzureichend ist, was verschiedene Ursachen haben kann, wie z.B. Hormonmangel oder gering vorhandenes Brustdrüsengewebe. Sie ist durch ein Gewicht von weniger als 200 g definiert. Damit liegt lediglich eine Normabweichung vor, die nach dem obigen Maßstab grundsätzlich (vgl. oben I. und II.) und auch bei Transsexuellen Mann-zu-Frau (vgl. oben III.) die operative Korrektur als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung nicht rechtfertigt.
Der Senat verkennt nicht, dass bei Transsexualismus in einer besonders ausgeprägten Form, wie sie bei der Klägerin vorliegt, derzeit weiterhin davon auszugehen ist, dass die operative Anpassung des gesunden Körpers an das aufgrund einer Identitätsstörung empfundene Geschlecht als erfolgversprechende Behandlung zur Linderung des seelischen Leidens angesehen wird und insofern ein wesentlicher Unterschied zu anderen Frauen besteht, die unter Fehlbildungen ihrer Brüste leiden. Allerdings rechtfertigt dies, wie dargelegt, nach Ansicht des Senats nicht, Transsexuellen Mann-zu-Frau zur deutlichen Annäherung an das Erscheinungsbild des weiblichen Geschlechts über den Anspruch auf weibliche Brüste hinaus auch einen Anspruch auf Brustvergrößerung im Falle deren Unterentwicklung einzuräumen.
V. Dem hilfsweise gestellten Beweisantrag, von Amts wegen ein gynäkologisches Sachverständigengutachten einzuholen zur Frage, ob die bei der Klägerin aufgrund der hormonellen Therapie entwickelte mäßige, aber seitengleiche Brust zu einer deutlichen Annäherung an das Erscheinungsbild des weiblichen Geschlechts geführt hat, war nicht zu entsprechen.
Die Feststellung, ob bei der Klägerin nach ihrem äußeren Erscheinungsbild eine deutliche Annäherung an das weibliche Geschlecht eingetreten ist, bedarf keines medizinischen Fachwissens. Es handelt sich bei dem Begriff der "deutlichen Annäherung" vielmehr um einen Rechtsbegriff, so dass die aus diesem Begriff abzuleitenden Anforderungen nicht durch einen medizinischen Sachverständigen, sondern, wie geschehen, vom Senat im Wege der Auslegung zu ermitteln sind. Danach kommt es, wie sich aus dem oben Dargelegten ergibt, nach Ansicht des Senats entscheidend auf den hier nicht streitigen medizinischen Befund des Vorhandenseins - unterentwickelter - weiblicher Brüste an und, anders als für die Frage der Entstellung, nicht auf eine betrachtende Beurteilung - hier: der Geschlechtszugehörigkeit des nackten Körpers -. Auch eine solche betrachtende Bewertung bedürfte allerdings nicht der medizinischen Sachkunde. Vorsorglich stellt der Senat aufgrund seiner eigenen Lebens- und Alltagserfahrung, mithin kraft eigener Sachkunde fest, dass der Körper der Klägerin aus der Sicht eines verständigen Betrachters bereits eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild eines weiblichen Körpers aufweist. Die mäßigen Brüste, die sich aufgrund der hormonellen Behandlung entwickelt haben, erscheinen dabei, wie sich auf den in der Akte befindlichen Fotographien erkennen lässt, als unterentwickelte, kleine weibliche Brüste, was sie aus medizinischer Sicht sind.
Das Sozialgericht hat die Klage damit im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
VI. Die Revision war zuzulassen, da die Frage, ob Transsexuelle Mann-zu-Frau im Falle einer indizierten operativen Geschlechtsangleichung Anspruch auf nach dem jeweiligen Stand der plastischen Chirurgie möglichst große Angleichung an das Leitbild eines regelrechten weiblichen Körpers haben, grundsätzliche Bedeutung hat. Diese Frage war hier auch entscheidungserheblich. Denn würde eine deutliche Annäherung zwar nicht eine möglichst große Angleichung an ein Idealbild, aber eine, soweit nach dem jeweiligen Stand der plastischen Chirurgie möglichst große Angleichung an das Leitbild eines regelrechten weiblichen Körpers erfordern, wäre hier ein Anspruch auf die begehrte Operation zu bejahen, weil die Hypoplasie der Mamma, wie dargelegt, eine Fehlbildung im Sinne einer Regelwidrigkeit darstellt, die operativ korrigierbar ist. Durch die begehrte Operation könnte damit eine weitergehende Angleichung an einen regelrechten weiblichen Körper erreicht werden. Zudem ist die Revision gegen die zitierte Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg zugelassen worden (B 1 KR 3/12 R), die den Anspruch eines Transsexuelle Mann-zu-Frau auf operative Korrektur auch bei Fehlbildung der Brüste zum Gegenstand hat.
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