L 6 U 5773/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 14 U 354/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 5773/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein Abweg kann frühestens dann angenommen werden, wenn der Arbeitsweg eindeutig verlassen wird.
2. Gegenstand der Zeugenvernehmung sind nur konkrete Wahrnehmungen.
3. Zur Rechstmissbräuchlichlkeit eines allein auf Ausforschung gerichteten Beweisantrags.
4. Zur Substanziierungspflicht bei einem Beweisantrag
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 7. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der tödliche Verkehrsunfall des Ehemanns der Klägerin vom 14.11.2007 als Wegunfall anzuerkennen ist und der Klägerin daher Hinterbliebenenleistungen zustehen.

Der 1967 geborene Ehemann, F. H. (im Folgenden: FH), der Klägerin war am 14.11.2007, dem Tag des Verkehrsunfalls, als Maschinenschlosser bei der F GmbH, V., (heute: P. GmbH, M.) beschäftigt. FH wohnte zum damaligen Zeitpunkt mit der Klägerin, die als Krankenschwester im Universitätsklinikum M., seit 01.01.1995 beschäftigt war, in H. Am Mittwoch, den 14.11.2007 verließ FH mit der Klägerin gegen 6.45 Uhr die eheliche Wohnung, um zunächst die Klägerin, die ebenso wie der Kläger um 7.30 Uhr ihre Arbeit anzutreten hatte, zum Klinikum M. zu bringen. Dort kamen sie gegen 7.10 Uhr an (vgl. Sitzungsniederschrift vom 07.10.2009, Bl. 42 SG-Akte). Kurz vor 7.28 Uhr verunfallte der Kläger mit seinem Pkw Escort, in V. im Einmündungsbereich der G.-H.-B.-Straße/L 3111, ca. 400 m (Luftlinie) von seinem Arbeitsplatz in V., entfernt. Er verstarb an den Folgen des Unfalls (Schädel-Hirn-Trauma) am selben Tag im Klinikum M, wobei die tödlichen Verletzungen schon bei dem ersten Zusammenstoß mit dem aus Richtung Süden auf der L 3111 fahrenden Lkw, bei dem die ganze Fahrerseite eingedrückt wurde, entstanden (Bl. 12 Ermittlungsakte-Akte der Staatsanwaltschaft Darmstadt, im Folgenden: Ermittlungsakte). Um 7.28 Uhr wurde der Polizeistelle Lampertheim-V. ein schwerer Verkehrsunfall in V., Höhe B.-Tankstelle, gemeldet (Bl. 2 Ermittlungsakte). In der Verkehrsunfallanzeige vom 14.11.2007 nahm Polizeikommissar (PK) K. aufgrund der Aussagen der beiden am Unfall beteiligten Lkw-Fahrer auf, FH sei von der G.-H.-B.-Straße nach links in die L 3111 eingebogen und habe die Vorfahrt des sich aus südlicher Richtung nähernden Lkws missachtet. Infolge des Zusammenstoßes sei FH auf den Fahrstreifen des Gegenverkehrs geschleudert worden und dort mit dem aus Richtung Norden herannahenden Lkw kollidiert. In seiner schriftlichen Zeugenaussage vom 19.12.2007 gab der aus Norden kommende Lkw-Fahrer, R. S., an, er sei auf der L 3111 von H. in Richtung Autobahn 659 gefahren und habe beobachtet, wie ein Pkw von ihm aus gesehen links von einer Seitenstraße auf die L 3111 zufuhr (Bl. 23 Ermittlungsakte). Der Fahrer habe kurz angehalten und sei dann nach links auf die L 3111 in Richtung Autobahn eingebogen. Der auf der L 3111 aus Richtung Autobahn kommende Lkw habe nach links ausweichen müssen und sei in die linke Fahrzeugseite des Pkw geprallt. Durch den Aufprall sei der Pkw auf seine Fahrbahn, direkt vor seinen Lkw geschleudert worden. Er gehe davon aus, dass der Fahrer des Pkw den Lkw übersehen habe. Im Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. R. F. vom 11.01.2008 wird u.a. darauf hingewiesen, dass keineswegs ausgeschlossen werden könne, dass FH ohne anzuhalten in die L 3111 eingefahren sei. Eine Unfallskizze wurde nicht erstellt (hierzu kritisch auch Oberstaatsanwalt A., Bl. 61 Ermittlungs-Akte), die genaue Position des Fahrzeugs von FH zum Zeitpunkt der ersten Kollision wurde nicht ermittelt.

Ohne den Fahrer des aus Richtung Süden kommenden, mit dem Pkw von FH zuerst kollidierenden Lkws, M. Sch., polizeilich als Zeugen oder Beschuldigten zu vernehmen (vgl. handschriftlicher Vermerk vom 23.07.2008, Bl. 76 Ermittlungsakte), stellte die Staatsanwaltschaft Darmstadt das gegen ihn wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung eingeleitete Ermittlungsverfahren mit Verfügung vom 18.02.2008 nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung ein. In den Gründen hierzu wird ausgeführt, FH sei nach links in die L 3111 eingebogen und habe dabei offenbar den mit rund 50 km/h herannahenden Lkw des Beschuldigten übersehen.

Unter dem 11.03.2008 kam der Berufshelfer der Beklagten aufgrund seiner Vorortermittlungen zu dem Ergebnis, der direkte Weg von M. kommend zur "Unfallfirma" wäre die L 3111 gewesen bis zum Kreisel in Höhe O., wo nach links abzubiegen gewesen wäre, um sodann im Kreuzungsbereich O/F-H.-Straße nach rechts abzubiegen und nach wenigen Metern in der V.str. zu sein. Im Kreuzungsbereich G.-H.-B.-Straße/D.-W.-Straße befinde sich eine B.-Tankstelle sowie eine Waschstraße. Von dort wäre auch nach Navigationsgerät der direkte Weg Fahrtrichtung rechts gewesen. Nach wenigen Hundert Metern hätte man dann im Kreisel nach links in die O. abbiegen können. Der Gesamtweg ab Unfallstelle betrage nach Tacho 500 Meter. Der Kreuzungsbereich, an dem sich der Unfall ereignet habe, sei verkehrstechnisch problematisch, da sich auf der L 3111 zwar eine Ampelsteuerung befinde, auf der untergeordneten Straße hingegen nicht. Dort sei lediglich ein "Stop"-Schild. Das Abbiegen nach links gestalte sich insbesondere bei schlechten Straßen-, Licht- und Witterungsbedingungen risikobehaftet. Biege man dort nach links ab auf die L 3111, sei die erste Abbiegemöglichkeit an der großen Kreiselkreuzung mit teilweisen separaten Abbiegespuren. Nach Durchquerung des Kreisels müsse in die W.str. abgebogen werden, danach in die F.-H.-Straße links, nach wenigen Metern erreiche man die V.str ... Der Gesamtweg betrage hierbei das Vierfache, nach Tacho genau 2,1 km. Ein Abbiegen vor dem großen Kreisel sei wegen eines großen Logistik-Centers und der baulichen Eingrenzungsmaßnahmen an der L 3111 nicht möglich.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts unternahmen am 19.03.2008 Vertreter der Beklagten, die Klägerin und deren Schwester einen Vororttermin. Hierbei legte die Klägerin einen Kontoauszug vom 26.11.2007 vor, der eine Lastschrift zugunsten der A. di N.-Tankstelle vom 13.11.2007 in Höhe von 22,10 Euro ausweist. Außerdem gaben die Klägerin und deren Schwester an, dass FH ein äußerst riskanter Fahrer und es für ihn üblich gewesen sei, bei dem Weg zur Arbeit neben der Landstraße die parallel verlaufende G.-H.-B.-Straße zu benutzen, um quasi rechts zu überholen. Die Schwester der Klägerin berichtete, schon mehrfach FH auf seinen Fahrstil angesprochen und mit ihm auch schon eine Auseinandersetzung gehabt zu haben, die im Ergebnis dazu geführt habe, dass sie nicht mehr mit ihm habe Autofahren wollen. Die Klägerin bestätigte, dass der morgendliche Berufsverkehr auf der L 3111 oft zähfließend sei.

Nachdem ein Mitarbeiter der Beklagten die Strecke wiederholt persönlich abgefahren war und die Schilderungen der Klägerin und ihrer Schwester für nachvollziehbar und glaubwürdig hielt, schlug er vor, den Arbeitsunfall anzuerkennen, da sich ein Abweg nicht beweisen lasse (Bl. 121 V-Akte). Im Zuge weiterer Ermittlungen holte die Beklagte Auskünfte bei R. S. und M. Sch. ein. Während R. S. auf die Frage, in welche Fahrtrichtung FH von der G.-H.-B.-Straße aus einbiegen wollte, angab, dieser habe nach links, Richtung Autobahn abbiegen wollen, zeichnete M. Sch. auf dem ihm übersandten Bild 1 den Pkw von FH in voller Fahrzeugbreite auf dem von Süden aus gesehen rechten Fahrstreifen der L 3111 ein, der vom Pkw ausgehende Pfeil weist nach links (Bl. 143 V-Akte). Nach den Einzeichnungen auf Bild 2 ist FH weder auf der Links- noch auf der Rechtsabbiege-, sondern auf der Gegenspur in den Kreuzungsbereich eingefahren; die Kühlerhaube des Fahrzeuges weist nach Norden, der Pfeil hingegen deutet ein Abbiegen nach Süden an (Bl. 144 V-Akte).

Mit Bescheid vom 05.06.2008 stellte die Beklagte fest, dass ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht bestehe. Aufgrund der Ermittlungsergebnisse sei erwiesen, dass FH im Kreuzungsbereich nach links auf die L 3111 habe abbiegen wollen. Da er sich in entgegengesetzter Richtung zu der in der V.str. befindlichen Arbeitsstätte bewegt habe, sei der innere Zusammenhang des Weges mit der Tätigkeitsaufnahme abgebrochen. Der Verkehrsunfall sei daher dem privaten Risikobereich des FH zuzuordnen. Das Linksabbiegen auf die L 3111 könne nicht dem Zurücklegen des Weges zur versicherten Tätigkeit gedient haben und stehe daher nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.01.2009 zurück. Zur Begründung wurde nochmals besonders auf die Zeugenaussagen der beiden beteiligten Lkw-Fahrer verwiesen, wonach FH eindeutig nach links auf die L 3111 habe abbiegen wollen. Wäre er nach rechts in Richtung seines Arbeitgebers abgebogen, dann wäre sein Wagen nicht vom ersten Lkw auf der linken Seite erfasst und auf die rechte Gegenfahrbahn in Fahrtrichtung Süden geschleudert worden. FH habe objektiv gesehen nicht mehr die Absicht verfolgt, zu seiner Arbeitsstätte zu gelangen.

Am 06.02.2009 hat die Klägerin hiergegen beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, FH habe die G.-H.-B.-Straße und dann auf Höhe der W.-v.-B.-Straße die für den Gegenverkehr gedachte Spur in entgegengesetzter Fahrtrichtung in Richtung L 3111 befahren. Die Linksabbiegespur habe er nicht benutzt.

Das SG hat PK K., die Schwester der Klägerin, K. B., R. S. und M. Sch. im Termin zur mündlichen Verhandlung am 07.10.2009 als Zeugen vernommen. Polizeikommissar K. hat hier angegeben, M. Sch. habe an der Unfallstelle ausgesagt, der Pkw habe nach links in Richtung Bundes-Autobahn (BAB) 659 abbiegen wollen. Zum Zeitpunkt des Unfalles habe es keine Baustellen oder Sperrungen gegeben, die ein Linksabbiegen erforderlich gemacht hätten. Ihm, dem Zeugen, seien auch keine Schleichwege oder verbotswidrige Abbiegemöglichkeiten, die ein schnelleres Erreichen der V.str. ermöglichten, bekannt. Ob einer der Zeugen von einem Blinker oder Blinkvorgang gesprochen habe, erinnere er nicht mehr. K. B. hat ausgesagt, FH habe einen sehr sportlichen Fahrstil gehabt und sich zum Hobby gemacht, auf dem schnellsten und kürzesten Weg von A nach B zu kommen. FH sei eher der pünktliche Typ, er sei zuverlässig gewesen. Hin und wieder habe FH darüber berichtet, eine neue Abkürzung gefunden zu haben, wobei es sich eher um eine allgemeine, nicht auf den Arbeitsweg bezogene Aussage gehandelt habe. R. S. hat erklärt, er sei auf der L 3111 in Richtung BAB 659 gefahren. Er habe gesehen, dass ein Pkw von links rausgezogen und ein Lkw in ihn reingefahren sei. Der Pkw sei ihm dann vor das Auto geschoben worden und er sei auch noch mal reingefahren. Die Frage, ob sich der Pkw auf der Links- oder Rechtsabbiegespur oder gar auf der Gegenspur befunden habe, vermochte der Zeuge ebenso wenig zu beantworten wie die Frage, ob er einen Blinker gesehen habe. Er wisse auch nicht, ob der Pkw angehalten habe oder durchgezogen sei. Er habe ihn erst gesehen, als er reingezogen sei. Die Frage, ob er sicher sei, dass der Pkw nach links habe abbiegen wollen, hat der Zeuge bejaht. Sonst wäre der Unfall ja gar nicht auf diese Art und Weise passiert. Er könne sich nicht vorstellen, dass der Pkw vielleicht die Kreuzung hätte schneiden wollen, da der Lkw den Pkw ansonsten an anderer Stelle erfasst hätte. M. Sch. hat angegeben, der Unfall habe direkt am Anfang der Einmündung in die D.-W.-Allee auf seiner Fahrspur stattgefunden. Er vermute, der Pkw sei aus der D.-W.-Allee oder gar aus der Einmündungsspur der G.-H.-B.-Straße hinter den Büschen der Einmündung hervorgekommen und habe noch vor ihm und dem aus der Gegenrichtung kommenden Lkw heraus in Richtung BAB 659 einfahren wollen. Einen Blinker habe er nicht gesehen. Der Pkw müsse auch nicht auf seiner Spur gewesen sein, er müsse die Linkskurve recht eng genommen haben und recht schnell gewesen sein. Er wisse nicht, wo der Pkw hergekommen sei. Er sei sich relativ sicher, dass der Pkw nach links habe abbiegen wollen, da er ihn sonst an einer anderen Stelle getroffen hätte. Es sei relativ wenig Verkehr auf der L 3111 gewesen.

Mit Urteil vom 07.10.2009 hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin Sterbegeld und Hinterbliebenenrente zu gewähren. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, es stehe nach der Beweisaufnahme fest, dass FH von der G.-H.-B.-Straße/D.-W.-Allee kommend links auf die L 3111 in südlicher Richtung eingebogen sei. Hätte FH nach rechts auf die L 3111 in nördlicher Richtung abbiegen wollen, hätte sich der Kollisionspunkt weiter nördlich befunden und der Lkw des Zeugen Sch. wäre nach der Kollision weiter nördlich, also am Ende des Einmündungsbereichs der G.-H.-B.-Straße/D.-W.-Allee zum Stehen gekommen. Die Klägerin habe jedoch den Vollbeweis dafür erbracht, dass die Handlungstendenz von FH darauf gerichtet gewesen sei, seinen Arbeitsplatz zu erreichen. Gegen eine private Handlungstendenz sprächen mehrere Indizien, nämlich zum einen der Unfallzeitpunkt kurz vor Arbeitsbeginn, zum anderen der Unfallort, der in unmittelbarer Nähe zur Arbeitsstelle von FH gelegen habe, des Weiteren die Charaktereigenschaft von FH, pünktlich und zuverlässig zu sein. Allein aus dem Umstand, dass FH habe links abbiegen wollen, könne nicht geschlossen werden, dass sich seine subjektive Handlungstendenz geändert hätte. Dem Versicherten stehe es grundsätzlich frei, welchen Weg er wähle, er müsse nicht die kürzeste oder gar die schnellste Strecke wählen. Auch wenn FH links abgebogen sei, hätte er auf diesem Weg seine Arbeitsstätte erreicht. Allein die Tatsache, dass der Weg in südlicher Richtung ca. 1,5 km weiter gewesen wäre als der Weg in nördlicher Richtung führe nicht zum Verlust des Versicherungsschutzes. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Verlängerung der Wegstrecke privat veranlasst gewesen wäre. Dafür, dass FH einen der hier möglichen vier Anfahrtspunkte (Tankstelle, M. D., B. K., I & M B.) hätte ansteuern wollen, fehlten jegliche Anhaltspunkte. Gänzlich unberücksichtigt habe die Beklagte den Umstand gelassen, dass FH aufgrund des nahenden Arbeitsbeginns möglicherweise den Grünstreifen zwischen der L 3111 und der W.-v.-B.-Straße hätte überfahren wollen, um so noch schneller zu seinem Arbeitsplatz zu gelangen.

Gegen das ihr am 25.11.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 09.12.2009 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, es müsse der volle Nachweis dafür erbracht werden, dass ein Abweichen von der kürzeren Wegstrecke auf Umstände zurückzuführen sei, die der versicherten Tätigkeit zuzurechnen seien, oder dass ein vom Versicherungsschutz erfasster Weg von oder zu einem sogenannten dritten Ort befahren worden sei. Im Hinblick auf die Bepflanzung des Grünstreifens zwischen der L 3111 und der W.-v.B.-Straße und insbesondere wegen der unterschiedlichen Höhenlagen der beiden Straßen sei eine Abbiegemöglichkeit von der L 3111 in die W.-v.B.-Straße nicht möglich. Dies sei entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil durchaus von der Beklagten geprüft worden. Unterstellt, FH habe tatsächlich die G.-H.-B.-Straße und nicht die D.-W.-Allee befahren, so sei dies ein Indiz dafür, dass er tatsächlich nach links habe abbiegen wollen. Da nach der Aussage des Zeugen Sch. wenig Verkehr auf der L 3111 gewesen sei, habe kein Anlass bestanden, die G.-H.-B.-Straße zu benutzen, um schneller zur Arbeit zu kommen. Das Befahren dieser Straße und des anschließenden Kreuzungsbereichs habe aber die erste Gelegenheit geboten, um nach links in die L 3111 in südliche Richtung abzubiegen, nachdem ein Wenden auf der L 3111 auch für einen Fahrer mit sportlichem Fahrstil kaum möglich gewesen sein dürfte.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 7. Oktober 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Zeugen Sch. und Sch. erneut zu vernehmen zum Beweis dafür, dass der Ehemann der Klägerin zum Unfallzeitpunkt im Begriff war nach links abzubiegen, weiterhin hilfsweise, die vollständigen Unterlagen des Ingenieurbüros E., F. und S. über die Besichtigung und Vermessung der Unfallstelle beizuziehen zur Klärung der Stelle des Zusammenstoßes zwischen dem Lkw des Herrn Sch. und des Pkw des Ehemanns der Klägerin sowie zur Klärung der Fahrtrichtung des Pkw des Ehemanns der Klägerin, weiterhin hilfsweise, ein verkehrstechnisches Sachverständigengutachten einzuholen zur exakten Ermittlung der Stelle des Zusammenstoßes zwischen dem Lkw des Herrn Sch. und dem Pkw des Ehemanns der Klägerin sowie zur Klärung der Fahrtrichtung des Pkw des Ehemanns der Klägerin zum Unfallzeitpunkt, weiterhin hilfsweise, ein verkehrstechnisches Sachverständigengutachten einzuholen zum Beweis dafür, dass ein Ausscheren nach links die Geschwindigkeit des Pkw des Ehemanns der Klägerin bei einem angenommenen Rechtsabbiegen nicht erhöht, sondern verlangsamt hätte, weiterhin hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat zur Begründung geltend gemacht, die Anfahrtspunkte M. D., B. K. und I & M B. seien mindestens zehn Autominuten entfernt gewesen. Hätte der Kläger sich auf dem Weg dorthin befunden, hätte er nicht pünktlich um 7.30 Uhr die Arbeit aufnehmen können. Die Zeugenaussagen hätten nicht zweifelsfrei bestätigt, dass FH nach links habe abbiegen wollen. Einen Blinker habe keiner der Zeugen gesehen. Die Zeugen hätten auch nur vermutet, dass FH die G.-H.-B.-Straße befahren habe. Mit Schriftsatz vom 19.10.2011 hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, FH habe sie am Unfalltag um 7.10 Uhr im Krankenhaus abgeliefert. Sie habe noch Zeit für eine Tasse Kaffee vor Arbeitsbeginn um 7.30 Uhr gehabt. FH habe niemals vor Arbeitsbeginn, sondern erst zur Frühstückspause um 9.00 Uhr gefrühstückt. In der Regel habe er sich hierfür belegte Brote von zu Hause mitgebracht. Er sei sehr sparsam gewesen und habe sich nie etwas zu Essen oder Trinken auf dem Weg zur Arbeit gekauft. Gelegentlich habe er sich in der Cafeteria seines Arbeitgebers etwas zum Essen oder Trinken und manchmal einen Kamillentee auf der Arbeitsstelle gekauft. Kaffee habe er nicht getrunken. Zu M. D. sei er grundsätzlich nicht zum Essen gegangen. In all den Jahren habe er niemals sein Frühstück auf dem Weg zur Arbeit eingenommen. Vom Klinikum M. zu seiner Arbeitsstelle habe FH nach Routenplaner 19 Minuten benötigt.

Der Senat hat bei der P. GmbH die Arbeitszeitnachweise für FH für den Zeitraum von Juni bis November 2007 beigezogen. Hieraus ergibt sich, dass FH am 11.07., 10. und 18.09.2007 um 7.31 Uhr, an allen anderen Tagen hingegen um 7.30 Uhr oder früher seine Arbeit begonnen hat. Sie hat ergänzend mitgeteilt, der späteste Arbeitsbeginn für FH am Unfalltag wäre auch um 7.30 Uhr gewesen, einen späteren Arbeitsbeginn habe er nicht angekündigt. Betriebliche Verpflichtungen vor 7.30 Uhr außerhalb des Firmengeländes hätten nicht bestanden.

Nach telefonischer Auskunft von PK K. könne nicht mit einem Pkw von der D.-W.-Allee schräg diagonal über die L 3111 in die W.-v.B.-Straße gefahren werden. Dem stünden der Ampelpfosten, die ca. 17 cm hohe Straßenrandbefestigung sowie die zur W.-v.B.-Straße hin abfallende Straßenböschung entgegen (vgl. Aktenvermerk vom 21.10.2011). Er hat hierzu eine Lichtbildmappe vorgelegt (Anlage zu Bl. 52 Senatsakte).

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die SG-Akte, die Senatsakte, die beigezogene Akte der Staatsanwaltschaft Darmstadt sowie die vorgelegte Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgemäß eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das SG hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Sterbegeld und Hinterbliebenenrente bejaht und den Bescheid der Beklagten vom 05.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 21.01.2009 deshalb aufgehoben.

Dabei ist die Klage - wie vom SG zutreffend festgestellt - als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig, obwohl die Beklagte mit den streitgegenständlichen Bescheiden schon deshalb Hinterbliebenenleistungen abgelehnt hat, weil sie den Verkehrsunfall des bei ihr versicherten FH nicht als Arbeitsunfall anerkannt hat. An einer vom Senat überprüfungsfähigen verwaltungsbehördlichen Entscheidung über die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen fehlt es gleichwohl nicht. Anders als ein Versicherter, der im Falle eines Arbeitsunfalls zunächst dessen Feststellung bzw. darauf aufbauend die Feststellung bestimmter Gesundheitsstörungen als Folge dieses Arbeitsunfalls und erst im Anschluss Leistungen wie Heilbehandlung, Verletztengeld und/oder Verletztenrente beantragen kann (zur Klage auf Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall: BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R; BSG, Urteil vom 07.09.2004 - B 2 U 46/03 R; jeweils zitiert nach juris), ist ein Hinterbliebener nicht verpflichtet, die Grundlagen der in Frage kommenden Hinterbliebenenleistungen vorab im Wege einer Feststellungsklage klären zu lassen. Denn die Frage, ob ein Versicherungsfall vorgelegen hat und welcher es genau war, ist kein selbstständiger Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den durch Verwaltungsakt entschieden werden dürfte, sondern nur eine Tatbestandsvoraussetzung des Anspruchs auf Hinterbliebenenleistungen. Wird dieser Anspruch durch einen negativ feststellenden Verwaltungsakt verneint, ist die Äußerung des Unfallversicherungsträgers, ein Versicherungsfall, beispielsweise eine bestimmte Berufskrankheit, habe nicht vorgelegen, nur ein unselbstständiges Begründungselement des Verwaltungsakts. Hieraus folgt, dass der Unfallversicherungsträger nicht befugt ist, einen feststellenden Verwaltungsakt darüber zu erlassen, ob der Versicherte einen Versicherungsfall erlitten hat und es für einen Hinterbliebenen keine Anspruchsgrundlage auf eine isolierte Vorabentscheidung des Trägers über das frühere Vorliegen eines Versicherungsfalles gibt (BSG, Urteil vom 12.01.2010 - B 2 U 5/08 R - SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und dem folgend Urteil des Senats vom 29.09.2011 - L 6 U 5889/06).

Die Klägerin hat Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen, da der Tod ihres Ehemannes FH Folge des Arbeitsunfalls vom 14.07.2011 gewesen ist.

Rechtsgrundlage hierfür sind die §§ 2, 3, 7, 9, 63, 64, 65 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Danach haben Hinterbliebene Anspruch auf Sterbegeld (§ 64 SGB VII) und Witwenrente (§ 65 SGB VII), wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist (§ 63 Abs. 1 SGB VII). Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die versicherte Tätigkeit, die Art und das Ausmaß des Unfallereignisses und der Gesundheitserstschaden müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Für die Feststellung eines Arbeitsunfalls ist weiter erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem Unfallereignis als einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkendem Ereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Versicherte Tätigkeit ist auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII). Insoweit wird der Kreis der versicherten Tätigkeiten ausgeweitet, es bleibt im Übrigen aber bei den für Arbeitsunfälle geltenden Regeln. Das Zurücklegen des versicherten Weges muss daher der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sein.

§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII nennt als Ziel und Ausgangspunkt des Weges nur den Ort der versicherten Tätigkeit, ohne den anderen Endpunkt des Weges anzugeben. Versichert ist in erster Linie der Weg vom und zum Ort des Lebensmittelpunkts. Ein dritter Ort als Ausgangspunkt und/oder Endpunkt des Weges kommt in Betracht, wenn der Versicherte sich hier zumindest zwei Stunden aufgehalten und dann den Weg zur Arbeit bzw. zum Ort des Lebensmittelpunkts fortgesetzt hat (BSG, Urteil vom 05.05.1998 - B 2 U 40/97 R - SGb 1999, 81 ff., so auch LSG-Baden-Württemberg, Urteil vom 24.10.2011 - L 2 U 4809/10 - zitiert nach juris).

FH hatte die Klägerin zunächst zum Klinikum M., Theodor-Kutzer-Ufer 1-3 gebracht und war ohne weiteren Aufenthalt anschließend wieder ein Teilstück zurückgefahren, um zu seiner Arbeitsstelle zu gelangen. Ist der dritte Ort, hier das Klinikum M., wegen einer nicht rechtserheblichen Aufenthaltsdauer lediglich Zwischenort eines einheitlichen Gesamtweges zwischen häuslichem Bereich und Tätigkeitsort, ist der Beschäftigte versichert, wenn und sobald er sich auf einer Wegstrecke befindet, die Teil des direkten Weges vom Ort des Lebensmittelpunkts zum Tätigkeitsort ist. Zur Überzeugung des Senats ist FH vom Klinikum M. auf die BAB 659 Richtung Nord/Osten aufgefahren, um bei der Autobahnausfahrt V.-Ost die Autobahn wieder zu verlassen. Jeder andere Weg wäre nicht nur streckenmäßig länger, sondern auch mit zeitlichen Verzögerungen verbunden gewesen (vgl. Routenberechnung nach www.maps.google.de und Kartenausschnitt Bl. 57 d. Senatsakte). Um kurz vor 7.28 Uhr an der Unfallstelle sein zu können, gab es für FH keine alternative, zumindest gleichschnelle Wegstrecke. Die BAB 659 hätte FH bei der Ausfahrt V. Ost aber auch verlassen, wenn er nicht zunächst nach M. und dann zurück nach V., sondern direkt von der gemeinsamen Wohnung in H. zu seiner Arbeitsstelle gefahren wäre. Er wäre dann zunächst auf der A 5 Richtung Süden gefahren, um am Weinheimer Kreuz auf die BAB 659 Richtung Süd/Westen abzufahren. Auch in diesem Fall hätte er die BAB 659 frühestens an der Anschlussstelle V.-Ost verlassen können. Ab diesem Punkt hat sich FH somit wieder auf der versicherten direkten Wegstrecke befunden.

In Auswertung des Sachverständigengutachtens des Ingenieurbüros E., F. und S., der Zeugenaussagen, der Lichtbilder des PK K.s, der graphischen Darstellungen der Zeugen Sch. und Sch. sowie der Angaben des ehemaligen Arbeitgebers nebst Arbeitszeitnachweisen ist der Senat wie das SG zu der Überzeugung gelangt, dass FH auf diesem direkten Weg zur Arbeit am 14.11.2007 einen Wegeunfall erlitten hat.

Dabei ist zu beachten, dass auch im Falle eines Wegeunfalles die Verrichtung zum Zeitpunkt des Unfallereignisses der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sein muss (innerer Zurechnungszusammenhang). Allgemein für Arbeitsunfälle i. S. des § 8 SGB VII gilt, dass bei einem nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Beschäftigten, wie vorliegend FH, Verrichtungen im Rahmen des dem Beschäftigungsverhältnis zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses Teil der versicherten Tätigkeit sind und mit ihr im erforderlichen sachlichen Zusammenhang stehen. Weil nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nur Unfälle "infolge" der versicherten Tätigkeit Arbeitsunfälle sind, sind jedoch nicht alle Verrichtungen eines grundsätzlich versicherten Arbeitnehmers im Laufe eines Arbeitstags auf der Arbeitsstätte versichert. Typischerweise und in der Regel unversichert sind höchstpersönliche Verrichtungen wie z.B. Essen oder eigenwirtschaftliche Tätigkeiten wie z. B. Einkaufen. Unter Umständen können die Wege an den Ort dieser Verrichtungen allerdings Versicherungsschutz genießen (vgl. Ricke in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Band 2, Stand April 2011, SGB VII § 8 Rdnr. 192 ff.). Maßgebliches Kriterium für die wertende Entscheidung über den sachlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalles ist, ob der Versicherte eine dem Beschäftigungsverhältnis dienende Verrichtung ausüben wollte und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände bestätigt wird (BSG, Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262; Urteil vom 18.03.2008 - B 2 U 2/07 R). Übertragen auf die Tätigkeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII (Zurücklegen des Weges) bedeutet dies, dass als Arbeitsunfall der Weg zur Arbeitsstelle nur dann versichert ist, wenn der Weg zum Tätigkeitsort nach der Handlungstendenz des Betroffenen der Aufnahme einer versicherten Tätigkeit dient und dies durch die objektiven Umstände bestätigt wird (st. Rspr. z.B. BSG, Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 31/07 R - zitiert nach juris). Der Beschäftigte steht somit auf dem Weg zum Tätigkeitsort solange unter Versicherungsschutz, als seine Handlungstendenz auf das Erreichen dieses Ziels gerichtet ist (BSG, Urteil vom 09.12.2003 - B 2 U 23/03 R - SGb 2004, 490 ff). Unterbricht er den Weg zum Ort der Tätigkeit aus privaten Gründen, ist er grundsätzlich während dieser Zeit nicht versichert (zur Ausnahme der unerheblichen Wegeverlängerung noch nachfolgend). Die Fälle räumlicher Unterbrechung kennzeichnet das Gesetz durch den Begriff des "abweichenden Weges" (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 2 und 3 SGB VII); erfasst werden hiervon sowohl den Versicherungsschutz ausschließende Abwege als auch Umwege. Daneben kann eine zeitliche Unterbrechung ohne Verlassen des versicherten Weges den Versicherungsschutz entfallen lassen, wenn auf dem Weg zur Arbeitsstelle das Zurücklegen des Weges unterbrochen und eine für die Wegezurücklegung nicht erforderliche Handlung eingeschoben wird. Dient diese Tätigkeit privaten Zwecken und ist die Unterbrechung nicht nur von geringfügiger Dauer, ist sie nicht versichert.

Sobald der Versicherte die Zielrichtung des zurückgelegten Weges ändert und seine Handlungstendenz nunmehr nicht mehr abzielt auf die versicherte Tätigkeit, sondern auf eine private Verrichtung, ist ein deshalb eingeschobener Weg als Abweg nicht versichert. Ein solcher liegt nicht vor, wenn der Versicherte die Zielrichtung aus Gründen ändert, die entweder mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit oder mit dem versicherten Weg (z. B. Verkehrsstau) zusammenhängen. Aus privaten Gründen erfolgte Unterbrechungen sind ohne Rücksicht auf ihren Umfang unversichert (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 8). Der Abweg beginnt mit dem Einschlagen der unversicherten Zielrichtung. Die durch einen Abweg bewirkte Unterbrechung des versicherten Weges endet, wenn sich der Betroffene wieder auf einer Wegstrecke befindet, die er auf seinem Weg zum Tätigkeitsort zurücklegen muss (BSG, Urteil vom 19.03.1991 - 2 RU 45/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 8).

Anders als Abwege dienen Umwege noch dem Erreichen des ursprünglichen Zieles, der Arbeitsstelle bzw. dem Ort des Lebensmittelpunktes, es wird jedoch die direkte Wegstrecke verlängert. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII zählt der unmittelbare Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit zur versicherten Wegstrecke. Dabei ist "unmittelbar" schon deshalb nicht gleichzusetzen mit "kürzester", weil eine Differenzierung in räumlicher und zeitlicher Hinsicht im Gesetz nicht enthalten ist. Die Wahl der Wegstrecke steht dem Versicherten daher in gewissen Grenzen frei, ihm steht insoweit ein subjektiver Entscheidungsspielraum zu (BSGE 4, 219, 222; 57, 222, 224). Der mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängende Weg muss daher nicht unbedingt mit dem entfernungsmäßig kürzesten Weg zusammenfallen. Wählt der Versicherte statt des kürzesten Weges zur Arbeitsstelle eine nicht nur unbedeutend längere Wegstrecke, steht er während des sich dadurch ergebenden Umwegs unter Versicherungsschutz, wenn die Verlängerung der Wegstrecke nach der durch objektive Umstände gestützten Sicht des Versicherten dem Zurücklegen des Weges zum Tätigkeitsort dient (BSG, Urteil vom 11.09.2001 - B 2 U 34/00 R - SozR 3-2700 § 8 Nr. 9). Dies ist z. B. der Fall, wenn er den Umweg einschlägt, um auf einer besseren Wegstrecke oder auf einer weniger verkehrsreichen Straße zu fahren (BSG, Urteil vom 25.02.1976 - 8 RU 80/75 - SozR 2200 § 550 Nr. 10). Für die Beurteilung, ob die auf das Zurücklegen des Weges zum Tätigkeitsort gerichtete Handlungstendenz hinreichend durch objektive Umstände erklärbar ist, ist zu berücksichtigen, wie sich die Lage zur Zeit der Entscheidung aus der Sicht des Versicherten, evtl. unter Zeitdruck, dargestellt hat (BSG, Urteil vom 31.01.1984 - 2 RU 15/83 - zitiert nach juris). Aber auch wenn der Umweg aus privaten Gründen gewählt wird, ist der Versicherungsschutz nicht generell ausgeschlossen, sondern hängt davon ab, ob die dadurch bedingte Verlängerung des Weges erheblich ist. Dies beurteilt sich unter Berücksichtigung der Unterschiede im Zeitbedarf, den Entfernungen und der Verkehrssituation nach den Umständen des Einzelfalles. Ein verhältnismäßig großer Unterschied zum direkten Weg ist bei kurzen Wegen u. U. unschädlich, ein verhältnismäßig kleiner bei langen Wegen u. U. schädlich (vgl. Ricke a.a.O. Rdnr. 205 mit Beispielsfällen aus der Rechtsprechung).

Beweisrechtlich ist weiter Folgendes zu beachten: Lässt sich ein Nachweis der versicherten Tätigkeit nicht führen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten. Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung sind indes typische Beweisschwierigkeiten zu berücksichtigen, die sich aus Besonderheiten der versicherten Tätigkeit ergeben. Verunglückt ein Versicherter tödlich unter ungeklärten Umständen an seinem Arbeitsplatz, an dem er zuletzt betriebliche Arbeit verrichtet hat, so entfällt beispielsweise der Versicherungsschutz nur dann, wenn von Seiten des Versicherungsträgers bewiesen wird, dass er die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen hat (BSG, Urteil vom 09.04.2007 - B 2 U 28/06 R; BSG, Urteil vom 26.10.2004 - B 2 U 24/03 R). Die Ungewissheit hinsichtlich der Motivation des Versicherten geht in diesem Fall zu Lasten des Versicherungsträgers. Denn er trägt bei dieser Sachlage die objektive Beweislast dafür, dass der Verunglückte sich während der grundsätzlich versicherten Tätigkeit vorübergehend einer anderen, privaten Zwecken dienenden Verrichtung zugewandt hat (BSG, Urteil vom 26.10.2004, a.a.O.). Auch muss der genaue Unfallhergang nicht bewiesen sein, wenn sonst nachgewiesene Umstände überwiegend auf einen Versicherungsfall hinweisen und die ernsthafte Möglichkeit anderer Geschehensabläufe ausgeschlossen erscheint (BSG, Urteil vom 14.11.1984 - 9 b RU 68/93 - zitiert nach juris; LSG Rheinland-Pfalz, Breithaupt 1982, 763). Bezogen auf Wegeunfälle ergibt sich hieraus, dass im Falle eines erwiesenen Antritts der beschäftigungsmotivierten Wegstrecke der Versicherungsträger für seine Behauptung, der Versicherte habe diese Strecke mit privater Handlungstendenz zurückgelegt, als anspruchsvernichtende Tatsache beweispflichtig ist. Erst nachdem der Versicherte den versicherten Weg verlassen hat, ändert sich die Beweislast. Kann er nicht den Nachweis dafür erbringen, dass seine Handlungstendenz trotz des bereits beschrittenen Abweges/Umweges ausschließlich auf das Erreichen des Tätigkeitsortes gerichtet ist, geht das non liquet zu seinen Lasten (vgl. auch Senatsurteil vom 15.04.2010 - L 6 U 3210/09 - NZS 2011, 186)

In Anwendung dieser Grundsätze liegt ein infolge der versicherten Tätigkeit erlittener Verkehrsunfall und mithin ein Arbeitsunfall des FH vor. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass FH auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle war, als sich der tödliche Unfall ereignete

Der Senat geht dabei von folgenden unstreitigen Umständen aus: FH war zunächst in H. von der gemeinsamen ehelichen Wohnung aufgebrochen, um zunächst seine Ehefrau nach Mannhein zu deren Arbeitsstelle zu fahren und im Anschluss daran zum Beschäftigungsort nach V., V.str. zu gelangen. Dass FH diese Zielsetzung verfolgt hat, ergibt sich in erster Linie aus dem Umstand, dass er bereits ca. 30 km gefahren war (H. – Mannheim 19 km, Mannheim – G.-H.-B.-Straße, V., 11 km), bevor er ungefähr 1,3 bis 1,5 km Fahrstrecke bzw. ca. 400 Meter Luftlinie von seinem Beschäftigungsort entfernt verunglückte. Weitere objektivierbare Tatsache ist die zeitliche Beziehung zwischen dem Unfallzeitpunkt und der arbeitsvertraglichen Verpflichtung für FH, um spätestens 7.30 Uhr mit der Arbeit zu beginnen. Auch wenn aus den Ermittlungsakten nicht hervorgeht, welcher Zeitraum zwischen dem Unfallereignis und der Benachrichtigung der Polizeistelle in V. gelegen hat, geht der Senat davon aus, dass dies nur wenige Minuten gewesen sein können und somit der Arbeitsbeginn für FH um 7.30 Uhr unmittelbar bevor stand, als er sich dem Unfallort näherte. Schließlich ist von maßgeblicher Bedeutung, dass FH in den vor dem Unfall liegenden sechs Monaten lediglich an drei Tagen die Arbeit um 7.31 Uhr angetreten hatte, an allen anderen Arbeitstagen aber spätestens um 7.30 Uhr anwesend gewesen ist. Aus den vorgelegten Zeitnachweisen der PSG ergibt sich, dass FH am 12.11.2007 um 7.13 Uhr und am 13.11.2007 um 7.28 Uhr seine Arbeit begonnen hatte. Für den Unfalltag selbst hat die PSG bestätigt, dass spätester Arbeitsbeginn für FH um 7.30 Uhr gewesen wäre und er einen späteren Beginn nicht angekündigt hatte. Für den Senat besteht daher kein vernünftiger Zweifel, dass FH auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle war, als sich der Unfall ereignete.

Eine den Versicherungsschutz ausschließende Wegeunterbrechung steht danach nicht fest. Denn erst wenn ein Weg eindeutig von der Arbeit wegführt, ist zu erörtern, ob ein den Arbeitsweg unterbrechender Umweg vorliegt. Dieses Stadium hat aber der festgestellte Weg des FH nicht erreicht. Nach dem gesamten Geschehensablauf (Unfallzeitpunkt, Nähe zum Arbeitsplatz, Pünktlichkeit des FH, weder bei Ehefrau noch Arbeitgeber andere Umstände bekannt) kann weder unterstellt noch angenommen werden, dass er zum Unfallzeitpunkt nicht mehr auf dem Weg zur Arbeit war.

Zunächst liegt der Unfallort - die Kreuzung G.-H.-B.-Straße/L 3111 - auf einer der möglichen Wegstrecken zum Arbeitsplatz des FH. Das hat auch die Beklagte letztlich nicht bestritten. Ob eine andere als die von FH gewählte Wegstrecke kürzer gewesen wäre, ist nämlich rechtlich unbeachtlich (BSG, Urteil vom 11.09.2001 - B 2 U 34/00 R - SozR 3-2700 § 8 Nr. 9). Es kommt daher nicht darauf an, ob die Strecke, wenn FH nach der Abfahrt von der BAB 659 auf der L 3111 bis zum ersten Kreisel gefahren, dort aber die dritte Ausfahrt in die F.-E.-Straße genommen hätte, von dieser in die W.str. rechts und später in die F.-H.-Straße links und sodann in die V.str. rechts abgebogen wäre, ca. 500 Meter kürzer gewesen wäre. Auch die durch den Berufshelfer der Beklagten ermittelte kürzeste Wegstrecke über die L 3111 mit Abbiegen in die O. kann, da verbotswidrig, nicht als Alternative berücksichtigt werden. Der Senat entnimmt das der telefonischen Auskunft des PK K. vom 18.10.2011. Danach darf auf Höhe O. aus Richtung BAB 659 kommend lediglich von der L 3111 in die A.-F.-Straße nach rechts abgebogen werden, ein Kreisverkehr befindet sich dort nicht.

Die von FH gewählte Strecke war nur unbedeutend länger, diente aber nach der durch objektive Umstände gestützten Sicht des Versicherten dem Zurücklegen des Weges zum Tätigkeitsort (BSG a.a.O.). FH ist danach zwar nicht auf der L 3111 geblieben, sondern von dieser auf die direkt neben der L 3111 parallel verlaufende G.-H.-B.-Straße abgebogen, um auf dieser bis fast zu deren Ende zu bleiben und dann wieder auf die L 3111 aufzufahren. Der Senat stützt sich insoweit auf die Zeugenaussagen der beiden am Unfall beteiligten Lkw-Fahrer R. S. und M. Sch ... Der Senat hat auch keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben. Denn aufgrund der feststehenden Zeitpunkte des Erreichens des Klinikums Mannheim um 7.10 Uhr sowie des Eingangs der Unfallmeldung auf der Polizeidienststelle um 7.28 Uhr sind FH weniger als 18 Minuten für das Zurücklegen der Wegstrecke bis zum Unfallort verblieben (Zeitangabe nach www.maps.google.de 14 Minuten). Somit besteht zur Überzeugung des Senats keine andere Streckenalternative oder ein anderer Geschehensablauf.

Der aufgrund der von FH gewählten Fahrstrecke bedingte Umweg führt auch nicht zum Verlust des Versicherungsschutzes. Die Wegstrecke von der Wohnung zur Arbeitsstelle des FH beträgt bei der zeitschnellsten Route über die BAB 5 und BAB 659 sowie in V. über die F.-E.-Straße, W.str. 11,1 km. Der von FH in V. gewählte Weg über die L 3111, Industriestraße ist im Vergleich zur Streckenlänge insgesamt nur unerheblich länger und zwar unabhängig davon, ob direkt auf der L 3111 zum Ortsende V. gefahren oder die parallel verlaufende G.-H.-B.-Straße genutzt und damit ein ca. 50 Meter längerer Weg gewählt wird (vgl. den Kartenausschnitt mit Entfernungsangabe im angefochtenen Urteil, UA S. 3). Für FH bestand daher auch auf diesem Streckenabschnitt grundsätzlich Versicherungsschutz.

Selbst wenn die Verlängerung um 500 bzw. 550 Meter nicht unbedeutend wäre, würde das nach der Rechtsprechung des BSG zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn auch für eine nicht nur unbedeutend längere Wegstrecke besteht dann Versicherungsschutz, wenn die Verlängerung der Wegstrecke nach der durch objektive Umstände gestützten Sicht des Versicherten dem Zurücklegen des Weges nach bzw. von dem Tätigkeitsort dient (BSG a.a.O.). Das ist dann der Fall, wenn der Versicherte den Umweg einschlägt, um auf einer besseren Wegstrecke oder auf einer weniger verkehrsreichen Straße zu fahren (BSG, Urteil vom 25.02.1976 - 8 RU 80/75 - SozR 2200 § 550 Nr. 10).

Der Senats hat keinen Zweifel daran, dass FH diese Wegstrecke, die immer noch zum Arbeitsort führte, nur gewählt hat, weil sich aus seiner Sicht zumindest die Möglichkeit einer Zeitersparnis ergab. Das belegen die Aussagen der Klägerin und ihrer Schwester. Diese haben in der mündlichen Verhandlung vor dem SG übereinstimmend bestätigt, dass es sich FH zum Hobby gemacht hatte, auf dem schnellsten und kürzesten Weg von A nach B zu kommen. Somit diente die eingeschlagene Wegstrecke nach der durch objektive Umstände gestützten Sicht des FH dem Zurücklegen des Weges nach bzw. von dem Tätigkeitsort. Dem steht auch nicht entgegen, dass nach den Angaben von M. Sch. am Unfalltag kein intensiver Verkehr auf der L 3111 in Richtung Ortsende V. geherrscht hat. Denn an der Kreuzung L 3111/G.-H.-B.-Straße ist nur für die L 3111 eine Ampelanlage eingerichtet, die Zufahrt von der G.-H.-B.-Straße auf die L 3111 erfolgt jedoch ohne Ampel. Somit bestand für FH ein hinreichender Grund dafür, zur Zeitersparnis den alternativen Weg über die G.-H.-B.-Straße zu wählen, zumal der dadurch bedingte Umweg nur geringfügig ist.

In diesem Zusammenhang ist die von der Klägerin im Senatstermin geäußerte Vermutung, der Kläger habe gerade den Lkw des Zeugen Sch. "überholen" wollen, was nur mit der gewählten Streckenalternative möglich gewesen sei, keineswegs von vornherein abwegig. Denn schließlich war auch der Zeuge Sch. mit seinem Lkw von der BAB 659 abgebogen und befuhr die L 3111 in Richtung V. zu annähernd derselben Zeit wie FH. Mit der Wahl dieser für den Senat eindeutigen Wegstrecke hat FH somit seine Absicht nach außen kund getan, auf zeitlich schnellstem Weg zu seiner Arbeitsstelle gelangen zu wollen.

Ebenso wenig hat sich FH zum Zeitpunkt des Unfalls schließlich, als er wieder in die L 3111 einbog, auf einem nicht versicherten Abweg befunden. Ein den Versicherungsschutz ausschließender Abweg kann - wie oben ausgeführt - frühestens dann angenommen werden, sobald der zur Arbeitsstelle führende Weg verlassen worden ist. FH hatte seinen Weg zur Arbeit jedoch noch nicht verlassen, als sein Pkw vom Lkw des Zeugen Sch. erfasst worden ist.

Die Beklagte will das zwar den beiden Zeugenaussagen der Lkw-Fahrer entnehmen. Diese haben aber nicht ein durch Tatsachen belegtes Abbiegen des FH nach links beschreiben können. FH hat sich danach zunächst zum Unfallzeitpunkt nicht auf der Gegenfahrbahn (Richtung Autobahn) von dem Arbeitsplatz wegführend befunden. Dass FH den Blinker nach links gesetzt hat, haben beide Fahrer ebenfalls nicht beobachtet, obwohl es zur Unfallzeit noch dämmrig und die Kreuzung nicht beleuchtet war. Sie haben vielmehr aus ihrer subjektiven Sicht geschildert, dass FH nach links habe fahren wollen. Hierbei handelt sich indessen nicht um eine eigene Wahrnehmung. Zu der Schlussfolgerung, FH habe nach links abbiegen wollen, sind sie vielmehr nur gelangt, weil sie aus dem Schaden des gegnerischen Unfallfahrzeugs geschlossen haben, dass der Pkw des FH nach links abbiegend erfasst worden sein muss. Nachträgliche Schlussfolgerungen eines Zeugen beweisen aber nicht konkrete Tatsachen. Denn Gegenstand der Beweiserhebung eines Zeugen sind ausschließlich konkrete Wahrnehmungen über vergangene Tatsachen und Zustände (vgl. statt vieler Thomas/Putzo, Kommentar zur ZPO, 32. Aufl. 2011, Vorbem. § 373 Rdnr. 1).

Dessen ungeachtet hat FH, selbst wenn er zum Unfallzeitpunkt nach links abgebogen wäre, den Arbeitsweg noch nicht eindeutig verlassen. Aufgrund der Einlassungen der beiden Lkw-Fahrer Sch. und Sch. im Ermittlungs- sowie im Verwaltungsverfahren und ihrer Zeugenaussagen vor dem SG steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Pkw von FH noch nicht die von Richtung Süden her sehend rechte Fahrspur der L 3111 überquert hatte, als es zum Zusammenstoß mit dem Lkw des Zeugen Sch. kam. Die rechte Fahrspur der L 3111 gehörte jedoch noch zum versicherten Arbeitsweg des FH, denn sie liegt in Zielrichtung seiner Arbeitsstelle. Im Ermittlungsverfahren hat der Lkw-Fahrer Sch. schriftlich unter dem 19.12.2007 erklärt, der aus Richtung Autobahn kommende Lkw habe nach links ausweichen müssen, bevor er in die linke Seite des Pkws von FH geprallt sei. Bereits dies spricht dafür, dass FH noch nicht den Mittelstreifen der L 3111 mit seinem Pkw erreicht hatte. Anderenfalls hätte ein Ausweichen nach links keinen Sinn gehabt, zur Kollisionsvermeidung hätte der Lkw nach rechts ausweichen müssen. Auch die skizzenhaften Darstellungen der beiden Lkw-Fahrer in den ihnen von der Beklagten übersandten Lichtbildern vom Unfallort, die im Berufungsverfahren im Urkundenbeweis zu verwerten sind, bestätigen, dass der Pkw von FH noch auf der rechten Seite der L 3111 vom Lkw des Fahrers Sch. erfasst worden ist (Bl. 140, 141, 143, 144 d VA). Im Rahmen seiner Aussage vor dem SG hat der Zeuge Sch. ausdrücklich angegeben, der Unfall habe direkt am Anfang der Einmündung in die D.-W.-Allee auf seiner Fahrbahn stattgefunden. Der Senat hat keinen Anlass die insoweit übereinstimmenden Aussagen der Zeugen Sch. und Sch. in Zweifel zu ziehen. Einer erneuten Vernehmung der Zeugen im Berufungsverfahren bedurfte es daher nicht (BSG, SozR 3-1500 § 128 Rdnr. 12; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 157 Rdnr. 2 c).

Befand sich der Pkw von FH in räumlich-gegenständlicher Hinsicht im Moment des Unfalls noch auf dem zur Arbeitsstelle führenden Weg, bestand noch Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Ob FH nach links hat abbiegen wollen und ob dies durch einen Wechsel in seiner Handlungstendenz veranlasst war, ist daher vorliegend nicht entscheidungserheblich. Da sich FH zur Überzeugung des Senats noch auf der Strecke zum Tätigkeitsort befand und diese nicht unterbrochen hatte, als er verunfallte, ist dessen Motivlage nicht zu erörtern. Ob im Falle der Nichterweislichkeit privater Motive bei durch objektivierbare Tatsachen begründeter hoher Wahrscheinlichkeit für eine den inneren Zurechnungszusammenhang zur versicherten Tätigkeit bestätigenden Motivation eine Beweislastumkehr zu Lasten des Versicherungsträgers eintritt (im Ergebnis so Senatsurteil vom 15.04.2010 - L 6 U 3210/09 – a.a.O.) oder auch dann den Versicherten die objektive Beweislast für einen Ausnahmetatbestand trifft (so Bayerisches LSG, Urteil vom 27.05.2009 - L 2 U 213/08) kann daher vorliegend offen bleiben. Entscheidungserheblich wäre die Frage nur dann, wenn FH bereits das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges zum Ort der Tätigkeit unterbrochen hätte. Dies ist jedoch wie ausgeführt nicht der Fall.

Die weiteren anspruchsbegründenden Voraussetzungen sind unstreitig erfüllt. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des SG nach eigener Prüfung durch den Senat verwiesen und auf eine nochmalige Darstellung zur Vermeidung von Wiederholungen verzichtet (§ 153 Abs. 2 SGG).

Weiterer Ermittlungen bedurfte es trotz der hilfsweise gestellten Beweisanträge nicht. Diese waren vielmehr abzulehnen.

Soweit die erneute Vernehmung der bereits vor dem SG als Zeugen vernommenen Lkw-Fahrer Sch. und Sch. beantragt worden ist, war dem nicht nachzukommen, da der Senat seine Entscheidung gerade auf die Einlassungen beider Zeugen stützt. Nicht Beweis zu erheben war darüber, ob FH "zum Unfallzeitpunkt im Begriff war, nach links abzubiegen", da es sich hierbei nicht um eine entscheidungserhebliche Frage handelt. Denn FH verunfallte noch auf der versicherten Wegstrecke. Beweisanträge, die auf die Aufklärung rechtlich unerheblicher Tatsachen gerichtet sind, sind abzulehnen.

Soweit die Beiziehung der vollständigen Unterlagen des Ingenieurbüros E., F. und S. über die Besichtigung und Vermessung der Unfallstelle beantragt worden ist, ist der Antrag unzulässig. Der Antrag ist bereits zu unbestimmt, denn es fehlt an einer genauen, datumsmäßig bestimmten Angabe, welche Unterlagen beigezogen werden sollen. Darüber hinaus hat der Senat bereits die Ermittlungsakten beigezogen und zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht, in denen sich der Untersuchungsbericht des genannten Ingenieurbüros vom 11.01.2008 mit den beigefügten (14) Lichtbildern befindet. Sollte mit dem Antrag zum Ausdruck gebracht worden sein, es gebe weitere vom Untersuchungsauftrag erfasste Unterlagen, die aber nicht Gegenstand der Ermittlungsakte seien, so wäre der auf Beiziehung dieser weiteren Unterlagen gerichtete Antrag rechtsmissbräuchlich. Von einer Rechtsmissbräuchlichkeit ist dann auszugehen, wenn die Bezeichnung der Tatsachen zwar in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet werden, gleichwohl aber nur aufs Geradewohl gemacht sind. Bei solchen gleichsam "ins Blaue" aufgestellten Behauptungen ist ein Beweisantrag rechtsmissbräuchlich (BSGE 77, 140, 144; Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.12.1994 - 7 ZR 140/93 - NJW-RR 1995, 722 ff.). Es fehlt an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass der der Staatsanwaltschaft vorgelegte Untersuchungsbericht nicht vollständig ist, da der Auftragsumfang gerade nicht die Anfertigung einer Unfallskizze umfasste, sondern die Besichtigung und Vermessung der Unfallstelle. Der Auftrag beinhaltete nur die Überprüfung der Verkehrssicherheit, insbesondere der Brems- und Lenkanlage des Pkw H., sowie Besichtigung und Vermessung der Unfallstelle (Bl. 32 d. Ermittlungsakte). Wie sich aus dem Schreiben des Oberstaatsanwalts A. vom 18.02.2008 ergibt, hat dieser gerade das Fehlen einer solchen Unfallskizze moniert (Bl. 61 d. Ermittlungsakte). Aus welchen Gründen die Beklagte zu der Annahme gelangt, es könnten weitere Unterlagen des Ingenieurbüros vorliegen, vermochte deren Sitzungsvertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht näher darzulegen.

Auch die Anträge auf Einholung eines verkehrstechnischen Sachverständigengutachtens waren abzulehnen. Soweit damit die exakte Stelle des Zusammenstoßes zwischen dem von dem Zeugen Sch. gefahrenen Lkw und dem Pkw des FH ermittelt und die Fahrtrichtung des Pkw geklärt werden soll, handelt es sich um einen nicht zulässigen Beweisermittlungsantrag. Es gehört zur Substantiierungspflicht, einen bestimmten Beweisantrag zu stellen. Es genügt unter diesem Gesichtspunkt nicht, dass vom Gericht mittels eines Antrags die Beschaffung von Material verlangt wird, aus dem sich die zu behauptende und zu beweisende Tatsache erst ergeben soll (vgl. Dawin in Schoch/Sch.-Aßmann/Pietzner, Kommentar zur VwGO, § 86 Rdnr. 92). Gerade dies wird mit dem gestellten Antrag indes bezweckt. Die Beklagte stellt nicht etwa die Tatsache unter Beweis, dass der Pkw des FH bereits auf der in Richtung Autobahn führenden Fahrspur zum Zeitpunkt des Unfalls gewesen wäre, sondern bemüht sich mit dem Beweisantrag zunächst um weitere Fakten. Ausfluss des Substantiierungsgebots ist des Weiteren, dass die Tatsache vom Antragsteller mit einem gewissen Maß an Bestimmtheit i. S. von Nachdrücklichkeit als wahr und als mit dem angegebenen Beweismittel beweisbar behauptet wird. Deshalb ist eine aufs Geradewohl aufgestellte Behauptung nicht ausreichend. Vielmehr bedarf es tatsächlicher, eine Vermutung oder ein Fürmöglichhalten rechtfertigende Anhaltspunkte (Bundesverwaltungsgericht Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 39; Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 16. Auflage 2009, § 86 Rdnr. 18a). Unterstellt, die Beklagte hätte unter Beweis gestellt, dass FH mit seinem Pkw zum Zeitpunkt des Unfalls bereits auf der Gegenfahrspur der L 3111 gewesen wäre, fehlte es an jeglichen diese Annahme rechtfertigenden Anhaltspunkten. Weder haben die Zeugen sich dahingehend eingelassen, sondern andere, dem widersprechende Angaben gemacht, noch befinden sich in den Verwaltungs- oder Ermittlungsakten Unterlagen, die es erlaubten, eine solche Behauptung ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Dies dürfte auch der Grund dafür sein, dass der Vertreter der Beklagten das Beweisthema nicht entsprechend formuliert und die Beklagte in den zurückliegenden vier Jahren keinerlei Aufklärungsbemühungen in dieser Richtung unternommen hat. Schließlich dürfte es mangels erforderlicher Bezugspunkte auch kaum möglich sein, ohne Unfallskizze, ohne Inaugenscheinnahme des Pkws des FH und der beteiligten Lkw, lediglich anhand der gefertigten Lichtbilder von den Fahrzeugen im Nachhinein eine exakte Ortsbestimmung hinsichtlich des Kollisionspunktes vorzunehmen. Insoweit handelt es sich auch um ein ungeeignetes Beweismittel.

Soweit mit dem Sachverständigengutachten Beweis dafür erbracht werden soll, dass ein Ausscheren nach links die Geschwindigkeit des Pkw von FH bei einem angenommenen Rechtsabbiegen nicht erhöht, sondern verlangsamt hätte, ist der Antrag ebenfalls nicht hinreichend bestimmt. Es erschließt sich nämlich nicht der Sinn dieser Behauptung im Hinblick auf das Berufungsbegehren der Beklagten. Darüber hinaus könnte diese Behauptung als wahr unterstellt werden, ohne dass dies Auswirkung auf die getroffene Entscheidung hätte.

Die Berufung der Beklagten war daher insgesamt zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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