L 11 AS 932/11 B PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AS 1704/09 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 932/11 B PKH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
wegen Prozesskostenhilfe
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 09.02.2010 (Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe) wird zurückgewiesen.



Gründe:


I.

Streitig sind Leistungen für Unterkunft und Heizung für Juni bis Dezember 2009 iHv insgesamt 1.770 EUR sowie von Januar bis Mai 2010 iHv monatlich 295 EUR.

Der Antragsteller (ASt) bezieht vom Antragsgegner (Ag) seit Juni 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Ausweislich einer Mietbescheinigung und eines Mietvertrages betrug die Miete für die angemietete Wohnung 200 EUR nebst 95 EUR für kalte Nebenkosten. Vermieterin ist die A. GmbH i.G. (V). Frau S., die Mutter des gemeinsamen Kindes M., hat ein Gewerbe mit dem Namen A. auf ihren Namen angemeldet, bei V ist sie Geschäftsführerin. Hinsichtlich des Mietobjektes wurde am 15.12.2008 von der K.Stiftung für S ein Erbbaurecht eingeräumt.

Für die Zeit von Juni bis einschließlich November 2009 bewilligte der Ag zunächst mit Bescheid vom 03.08.2009 dem ASt alleine vorläufig die Regelleistung. Die Höhe der zu übernehmenden Unterkunftskosten stünde noch nicht fest. Für den gleichen Zeitraum bewilligte der Ag dann der Bedarfsgemeinschaft des ASt mit S und M (ab dem 18.10.2009 nur für den ASt als Alleinstehenden) mit Bescheid vom 18.08.2009 idF der Änderungsbescheide vom 17.09.2009 und 21.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2009 Alg II ohne Berücksichtigung von Unterkunftskosten. Aufgrund der Gesamtumstände sei bis 18.10.2009 von einer eheähnlichen Gemeinschaft des ASt mit S auszugehen. Eine Anerkennung des Mietvertrages könne nicht erfolgen, da er nur dem Zweck diene, öffentliche Leistungen zu erhalten, die höher als der Erbpachtzins sind. Da der Erbbauzins nicht gezahlt worden sei, seien keine Unterkunftskosten entstanden. Auch hinsichtlich der Nebenkosten habe S angegeben, diese würden derzeit nicht von ihr gezahlt. Über die dagegen beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobene Klage (Az S 5 AS 1472/09) ist bislang noch nicht entschieden.

Mit Bescheid vom 23.11.2009 bewilligte der Ag an den ASt Alg II ohne Berücksichtigung von Unterkunftskosten für die Zeit von Dezember 2009 bis Mai 2010. Über den dagegen am 02.12.2009 eingelegten Widerspruch ist nach Aktenlage bislang nicht entschieden.

Für die Zeit von Juni bis November 2010 erfolgte durch den Ag wiederum nur eine Bewilligung der Regelleistung (Bescheid vom 17.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2010). Über die dagegen beim SG erhobene Klage (Az S 19 AS 1303/10) ist bislang ebenfalls nicht entschieden.

Bereits am 14.12.2009 hat der ASt beim SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Hinblick auf die Übernahme von Unterkunftskosten für Juni 2009 bis Dezember 2009 iHv 1.770 EUR sowie die Gewährung von laufenden Unterkunftskosten iHv 295 EUR monatlich ab Januar 2010 beantragt. Die Vermieterin habe mit Schreiben vom 14.10.2009 und Anwaltsschreiben vom 30.11.2009 die Mietrückstände geltend gemacht und mit einer fristlosen Kündigung gedroht. Der ASt müsse jederzeit mit der fristlosen Kündigung rechnen. Der abgeschlossene Mietvertrag sei zivilrechtlich wirksam. Die Miete könne tatsächlich erst gezahlt werden, wenn entsprechende Leistungen bewilligt würden.

Mit Beschluss vom 09.02.2010 hat das SG den Antrag abgelehnt. Hinsichtlich der Forderungen für die Zeit von Juni bis Dezember 2009 fehle es an einer Eilbedürftigkeit, da es dabei um zurückliegende Zeiträume gehe, die im Hauptsacheverfahren zu klären seien. Eine Kündigung des Mietverhältnisses durch S, die Mutter des gemeinsamen Sohnes, die gleichzeitig Geschäftsführerin der Vermieterin sei, drohe nicht. Es seien bislang auch - mit Ausnahme geringer Müllgebühren - weder Nebenkosten wie Grundsteuer, Wasser, Abwasser noch - mit Verweis auf einen Wasserschaden - der hälftige Erbbauzins gezahlt worden. Auch für die Zeit ab Dezember 2009 sei eine besondere Eilbedürftigkeit nicht nachgewiesen, da der Ag sich unmissverständlich bereit erklärt habe, nachgewiesene Nebenkosten zu übernehmen. Im Übrigen sei von einer eheähnlichen Gemeinschaft zwischen dem ASt und S auszugehen. Nach den aktenkundigen Wohnverhältnissen könne weder von zwei abgeschlossenen Wohnungen noch von gesonderten sanitären Einrichtungen ausgegangen werden. Zudem sei ungewöhnlicherweise der ASt, der nicht über eine Fahrerlaubnis verfüge, Versicherungsnehmer einer Kfz-Versicherung der S. Wenn auch mit unterschiedlichem zeitlichen Anteil würden die Beiden ein gemeinsames Kind betreuen, hätten länger als ein Jahr in der Vergangenheit zusammen gewohnt und seien auch zusammen umgezogen. Ein getrenntes Wirtschaften sei kaum erkennbar. Tatsächlich abgeschlossene Wohnungen fänden sich nicht, vielmehr gebe es einen gemeinsamen Briefkasten sowie eine gemeinsame Klingel. Es sei lediglich eine Waschmaschine vorhanden und offensichtlich schwierig für den ASt, ohne Führerschein von X. nach Y. zu kommen, um angeblich die Wäsche bei seiner Mutter waschen zu lassen.

Dagegen hat der ASt Beschwerde beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt (L 11 AS 1022/11 B ER).

In einem weiteren Beschluss vom 09.02.2010 hat das SG auch die vom ASt beantragte Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) mit dem Hinweis auf die fehlenden Erfolgsaussichten in der Sache abgelehnt.

Gegen diesen Beschluss hat der ASt die vorliegende Beschwerde beim LSG eingelegt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte des Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG den Antrag auf Bewilligung von PKH abgelehnt.

Nach § 73a Abs 1 SGG iVm § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält PKH ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (vgl BSG, Urteil vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R - juris - Rn 26 = SozR 3-1500 § 62 Nr 19). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit (vgl Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl, § 73a Rn 7) ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Obsiegens des PKH- Beantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen. Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen sind nicht im PKH-Verfahren zu entscheiden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können (vgl BVerfG, Beschluss vom 14.07.1993 - 1 BvR 1523/92 - juris - Rn 21 = NJW 1994, 241f). PKH muss jedoch nicht schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als "schwierig" erscheint (vgl BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 - Rn 29 - juris = BVerfGE 81, 347ff). Ist dies dagegen nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen der fehlenden Erfolgsaussichten ihres Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (vgl BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07 - juris - Rn 23 = NJW 2008, 1060ff).

Streitgegenstand sind Unterkunftskosten im Hinblick auf den vom Bewilligungsbescheid vom 18.08.2009 idF der Änderungsbescheide vom 17.09.2009 und 21.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2009 umfassten Zeitraum von Juni bis einschließlich November 2009 und bezüglich dem Bescheid vom 23.11.2009 hinsichtlich der Zeit von Dezember 2009 bis Mai 2010 (maßgeblich ist insofern der Gegenstand eines entsprechenden Hauptsacheverfahrens, das dem Eilverfahren zugrunde liegen könnte, vgl Beschluss des Senats vom 25.05.2011 - L 11 AS 328/11 B ER). Im Zeitpunkt des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung lag eine Leistungsbewilligung für die Zeit ab Juni 2010 noch nicht vor und konnte deshalb auch (noch) nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes sein. Der entsprechende Bewilligungsbescheid vom 17.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2010 ist insofern auch nicht Gegenstand der früheren Rechtsschutzverfahren geworden (zur fehlenden Anwendungsmöglichkeit von § 86 SGG bzw § 96 SGG bei Bewilligungsbescheiden für Folgezeiträume vgl die ständige Rechtsprechung des BSG, zB Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 9/06 R - SozR 4-4300 § 428 Nr 3, Urteil vom 16.05.2007 - B 11b AS 29/06 R - juris, Urteil vom 05.09.2007 - B 11b AS 15/06 R - BSGE 99, 47 = SozR 4-4200 § 11 Nr 5). Für diesbezügliche Leistungen bedurfte es damit zunächst eines (weiteren) Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem SG, dem ein mögliches Hauptsacheverfahren mit dem Leistungszeitraum ab Juni 2010 zugrunde liegen würde. Eine Entscheidung des SG im bisherigen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes liegt insofern nicht vor.

Der ASt hat deutlich gemacht, es gehe ihm alleine um die Unterkunftskosten, womit er den Streitgegenstand zulässigerweise beschränkt hat (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1; BSG, Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 5/07 R - SozR 4-4200 § 24 Nr 1; BSG, Urteil vom 06.12.2007 - B 14/7b AS 62/06 R).

Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Hinblick auf den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Übernahme der Unterkunftskosten ist nicht gegeben. Wie das SG bereits insofern zutreffend ausgeführt hat, bestehen erhebliche Zweifel daran, dass der ASt tatsächlich der behaupteten Mietzinsforderung ausgesetzt gewesen ist. Insoweit ist von einer weiteren Begründung abzusehen und auf die Gründe des Beschlusses des SG vom 09.02.2010 im Hinblick auf die Ablehnung des Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz zu verweisen, § 142 Abs 2 Satz 3 SGG analog. Im Beschwerdeverfahren wurde vom ASt auch nichts vorgetragen, was die Annahmen des SG widerlegen könnte.

Ergänzend ist darauf zu verweisen, dass eine Eilbedürftigkeit auch deshalb nicht gegeben ist, da jedenfalls noch keine Räumungsklage erhoben worden war und unklar ist, ob eine solche überhaupt von S erhoben wird. Selbst im Fall einer Räumungsklage enthalten § 22 Abs 8 und Abs 9 SGB II idF des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl I 453) - zuvor bereits § 22 Abs 5 und 6 SGB II aF - Regelungen zur Sicherung der Unterkunft (vgl LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.08.2009 - L 18 AS 1308/09 B ER, L 18 AS 1309/09 B PKH - juris - unter Bezug auf einen - nicht veröffentlichten - Beschluss des BVerfG vom 30.03.2007 - 1 BvR 535/07). Im Übrigen wird nach § 569 Abs 3 Nr 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die auf Mietrückstand gestützte Kündigung unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a Abs 1 BGB befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. Ein irreparabler Schaden für den ASt drohte insofern nicht.

Mangels hinreichender Erfolgsaussicht des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens hat das SG den Antrag auf Bewilligung von PKH damit zu Recht abgelehnt. Die Beschwerde war folglich zurückzuweisen.
Rechtskraft
Aus
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