L 26 AS 1721/11 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
26
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 149 AS 8770/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 26 AS 1721/11 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. August 2011 wird aufgehoben. Der Klägerin wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin D gewährt. Beträge aus dem Vermögen oder Raten sind nicht zu zahlen. Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Prozesskostenhilfe für ein auf Gewährung höherer Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) für die Zeit vom 01. April bis zum 30. September 2011 gerichtetes Klageverfahren.

Die 19xx geborene Klägerin ist geschieden. Aufgrund eines am 07. April 2004 vor dem Amtsgericht P/W geschlossenen Vergleichs bezieht sie Ehegattenunterhalt in Höhe von 518,00 EUR, wovon 104,00 EUR auf den Altersvorsorgeunterhalt und 414,00 EUR auf den Elementarunterhalt entfallen. Den Betrag in Höhe von 104,00 EUR legt die Klägerin nach eigenem Bekunden nicht zur Altersvorsorge an, sondern hat ihn "bar zu Hause liegen". Unter der sich aus dem Rubrum ergebenden Anschrift bewohnt sie eine knapp 56 m² große Wohnung, für die ab September 2010 eine Bruttowarmmiete in Höhe von monatlich 476,16 EUR zu zahlen war. Aufgrund einer Gutschrift aus der Betriebskostenabrechnung reduzierte dieser Betrag sich für August 2011 auf 293,97 EUR. Ab dem 01. September 2011 beträgt die zu zahlende Bruttowarmmiete 472,54 EUR.

Mit Schreiben vom 23. August 2010 hatte der der Klägerin (ergänzende) Grundsicherungsleistungen gewährende Beklagte sie aufgefordert, ihre Unterkunftskosten zu senken, und angekündigt, ab dem 01. August 2011 für die Kosten der Unterkunft und Heizung nur noch den Richtwert in Höhe von 378,00 EUR zzgl. 10 %, mithin insgesamt 415,80 EUR zu berücksichtigen.

Mit Bescheid vom 25. Februar 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2011, dieser in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 26. März 2011, gewährte er ihr für die Zeit vom 01. April bis zum 31. Juli 2011 monatlich für die Kosten der Unterkunft und Heizung 347,69 EUR sowie für die Monate August und September 2011 je 291,80 EUR. Bei der Berechnung setzte er auf der Bedarfsseite neben dem Regelbedarf in Höhe von zuletzt 364,00 EUR für die Kosten der Unterkunft und Heizung bis Juli 2011 – unter Abzug einer Warmwasserpauschale – 471,69 EUR und ab dem 01. August 2011 415,80 EUR an. Diesem Bedarf stellte er durchgehend Einkommen in Höhe von 518,00 EUR gegenüber, das er um die Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR bereinigte.

Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin zum einen die weitere Berücksichtigung von Unterkunfts- und Heizkosten in Höhe von monatlich 478,16 EUR sowie die Anrechnung nur des Elementarunterhalts. Sie meint, der Altersvorsorgeunterhalt dürfe nicht angerechnet werden, da es sich hierbei um eine zweckbestimmte Einnahme handele. Jedenfalls genieße sie diesbezüglich Vertrauensschutz, da bisher stets nur 414,00 EUR angerechnet worden seien. Schließlich seien die ab dem 01. August 2011 für die Kosten der Unterkunft und Heizung angesetzten Kosten nicht zutreffend ermittelt. Außerdem habe sie erhebliche gesundheitliche Einschränkungen, sodass ein Wohnungswechsel von ihr nicht verlangt werden könne.

Die Bewilligung der von der Klägerin zugleich beantragten Prozesskostenhilfe hat das Sozialgericht Berlin mit Beschluss vom 17. August 2011 mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung abgelehnt. Der vom Beklagten für die Kosten der Unterkunft und Heizung angesetzte Betrag sei nicht zu gering. Auf der Grundlage der gewichteten Werte des Berliner Mietspiegels 2011 sowie der darin angegebenen durchschnittlichen Berliner Betriebskostenwerte sei für einen Einpersonenhaushalt eine Bruttokaltmiete von 318,00 EUR angemessen, während bei der Klägerin Kosten in Höhe von 431,54 EUR zzgl. 41,00 EUR Heizkosten anfielen. Anhaltspunkte dafür, dass im Falle der Klägerin eine Überschreitung des Betrages um 113,54 EUR angemessen sei, seien nicht ersichtlich. Soweit der Beklagte den Ehegattenunterhalt voll angerechnet habe, sei auch dies nicht zu beanstanden. § 11a Abs. 3 SGB II nähme in der aktuellen Fassung nur noch unter sehr viel engeren Voraussetzungen zweckbestimmte Leistungen an, die von der Anrechnung ausgenommen seien. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor.

Gegen diesen ihr am 24. August 2011 zugestellten Beschluss richtet sich die am 14. September 2011 eingelegte Beschwerde der Klägerin, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt und für das sie ebenfalls die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Das Gericht habe weder beachtet, dass sie Vertrauensschutz bzgl. der nur teilweisen Anrechnung des Ehegattenunterhalts genieße, noch berücksichtigt, dass der ab Juni 2011 geltende Mietspiegel anzuwenden sei, aus dem sich andere Werte ergäben.

II.

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. August 2011 ist nach § 172 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft und im Übrigen zulässig, insbesondere schriftlich und fristgerecht eingelegt (§ 173 SGG). Sie ist auch begründet. Das Sozialgericht Berlin beurteilt die Sach- und Rechtslage im Ergebnis nicht zutreffend. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).

Als Bezieherin von (ergänzenden) Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) ist die Klägerin nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Auch erscheint die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig und bietet hinreichende Aussicht zumindest auf einen Teilerfolg.

Das angerufene Gericht beurteilt die Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO regelmäßig ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffes. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Verfahrens in der Sache treten zu lassen. Für die Annahme hinreichender Erfolgsaussicht reicht die "reale Chance zum Obsiegen" aus, nicht hingegen eine "nur entfernte Erfolgschance". Prozesskostenhilfe darf daher nur dann verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Sache fern liegend ist (BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 – 2 BvR 94/88 – zitiert nach juris, Rn. 26). Letzteres ist jedoch nicht der Fall.

Die positive Erfolgsaussicht ergibt sich bereits daraus, dass der Beklagte es bei der Umsetzung der zum 01. Januar 2011 in Kraft getretenen Änderungen des SGB II durch Änderungsbescheid vom 26. März 2011 versäumt hat, für die Monate April bis Juli 2011 die Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung in tatsächlich anfallender Höhe von 476,16 EUR zu berücksichtigen. Vielmehr hat er nur die Anpassung der Regelbedarfe umgesetzt, nicht aber beachtet, dass seit dem 01. Januar 2011 (vgl. § 77 Abs. 6 SGB II) die Energie, die auf die Heizung und die Erzeugung von Warmwasser fällt, nicht mehr zum Regelbedarf gehört. Der weiterhin erfolgte Abzug einer Warmwasserpauschale von den bei der Klägerin seinerzeit noch in tatsächlich anfallender Höhe zu berücksichtigenden Kosten für Unterkunft und Heizung ist mithin nicht rechtmäßig.

Soweit das Sozialgericht Berlin im Übrigen davon ausgegangen ist, dass die seitens der Klägerin geltend gemachten Aspekte keine Aussicht auf einen für sie erfolgreichen Ausgang des Verfahrens begründen, dürfte dies nicht zu beanstanden sein. Auch die Beschwerdebegründung rechtfertigt keine von der des Sozialgerichts abweichende Einschätzung. Zum einen hat das Sozialgericht bzgl. der Berechnung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung – entgegen dem klägerischen Vortrag – bereits auf den Mietspiegel 2011 abgestellt. Zum anderen kann die Klägerin sich bzgl. der Höhe des anzurechnenden Einkommens nicht auf Vertrauensschutzgrundsätze berufen. So wenig wie die in der Vergangenheit in zu geringem Umfang erfolgte Anrechnung von Einkommen einen Anspruch auf weitere ungerechtfertigte Begünstigung begründen kann, so wenig kann diese darauf gestützt werden, dass der Beklagte für den dem hiesigen Bewilligungsabschnitt vorangehenden den Umfang des angerechneten Einkommens letztlich aus formalen Gründen wieder reduzieren musste.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren kann keinen Erfolg haben. Weder bei dem auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gerichteten Antrags- noch bei dem entsprechenden Beschwerdeverfahren handelt es sich um Prozessführung im Sinne des § 114 ZPO (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Kommentar zur ZPO, 70. Aufl., 2012, § 127 Rn. 88, Geimer in Zöller, Kommentar zur ZPO, 28. Aufl., 2010, § 114 Rn. 3, Fischer in Musielak, Zivilprozessordnung, 8. Aufl., 2011, § 118 Rn. 7, jeweils m.w.N.).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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