L 5 AS 12/12 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 15 AS 2795/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 12/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes im Rahmen der Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) ein "ungekürztes Wohngeld" i.H.v. 520,00 EUR/Monat.

Der Antragsteller und seine Familie beziehen als Bedarfsgemeinschaft vom Antrags- und Beschwerdegegner Leistungen nach dem SGB II. Der Antragsteller ist Miteigentümer eines selbst bewohnten Hausgrundstücks. Als Kosten der Unterkunft (KdU) werden vom Antragsgegner die monatlich anfallenden Hauslasten sowie die Heizkosten übernommen. Der Antragsteller hatte bereits in der Vergangenheit mehrfach ohne Erfolg einen zusätzlichen Betrag i.H.v. 520,00 EUR/Monat für pauschalierte Wohnungserhaltungskosten bzw. als fiktive Mietzahlung verlangt (vgl. Beschlüsse des erkennenden Senats vom 7. Oktober 2009, L 5 AS 118/09 B ER und vom 14. September 2010, L 5 AS 224/10 B ER).

Mit Bescheid vom 25. Juli 2011 sowie den Änderungsbescheiden vom 21. und 23. August 2011, 25. September sowie 23. und 26. Oktober 2011 bewilligte der Antragsgegner der Bedarfsgemeinschaft Leistungen für die Zeit vom 1. August 2011 bis 31. Januar 2012 und legte dabei KdU in unterschiedlicher Höhe zugrunde. Ferner berücksichtigte der Antragsgegner ab Oktober 2011 Heizkosten gesondert.

Bereits am 17. August 2011 hat der Antragsteller einen weiteren Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Magdeburg gestellt und ausdrücklich die Verpflichtung des Antragsgegners zur ungekürzten Auszahlung von Wohngeld beantragt. In dem Bescheid vom 25. Juli 2011 fehlten rund 520,00 EUR Wohngeld.

Das Sozialgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 28. November 2011 abgelehnt. Es hat den Antrag gemäß § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dahingehend ausgelegt, dass der Antragsteller nicht Wohngeld, sondern höhere Leistungen für die KdU nach dem SGB II begehre. Er habe keinen Anspruch auf weitere 520,00 EUR/Monat gemäß § 22 Abs. 1 SGB II glaubhaft gemacht. Unerheblich sei, ob dieser Betrag als Mietwert, als Pauschale für Erhaltungsaufwendungen oder als Teilbetrag für Sanierungskosten angesehen werde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Gegen den ihm am 6. Dezember 2011 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 2. Januar 2012 Beschwerde beim erkennenden Senat eingelegt und wiederum die ungekürzte Auszahlung von Wohngeld begehrt. Gemäß § 5 SGB II und §§ 7, 8 Wohngeldgesetz (WoGG) gelte ein Leistungsausschluss für ihn nicht. Ferner hat er um Hinzuziehung eines Verwaltungsgerichts und um "Klärung meines Begehrens zu S 15 AS 2795/11 ER an ein Verwaltungsgericht" gebeten. Darüber hinaus hat er ein "Adhäsionsverfahren Schadensersatz wegen Rechtsbeugung Täuschung (§ 263 StGB Betrug) und Falschberatung" beantragt.

Der Antragsteller beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,

den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 28. November 2011 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihm vorläufig weitere 520,00 EUR/Monat zu bewilligen sowie Schadensersatz zu zahlen, hilfsweise ein Verwaltungsgericht hinzuzuziehen, weiter hilfsweise das Verfahren an ein Verwaltungsgericht zu verweisen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verweist auf den angefochtenen Beschluss.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verwaltungsverfahren sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten und Beiakten Bezug genommen. Die Verwaltungsakten und die Gerichtsakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen.

II.

1. Die Beschwerde ist form- und fristgerecht erhoben gemäß § 173 Satz 1 SGG. Sie ist auch statthaft i.S.v. § 172 Abs. 1, Abs. 3 Ziffer 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG. Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt hier 750,00 EUR. Erkennbar begehrt der Antragsteller für den im Bewilligungsbescheid vom 25. Juli 2011 geregelten Bewilligungszeitraum vom 1. August 2011 bis 31. Januar 2012 monatlich 520,00 EUR mehr Leistungen.

2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die begehrte einstweilige Anordnung mit dem Ziel der vorläufigen Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung weiterer 520,00 EUR/Monat abgelehnt.

a. Es kann offen bleiben, ob das Sozialgericht Magdeburg als zuständiges Gericht i.S. § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG entschieden hat. Es hat hier eine Angelegenheit der Grundsicherung für Arbeitsuchende angenommen, obwohl der Antragsteller seinen Anspruch aus Bestimmungen des WoGG herleitet, für das der Verwaltungsrechtsweg eröffnet wäre.

Eine Verweisung an das zuständige Verwaltungsgericht durch den Senat wäre nach § 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) unzulässig. Danach prüft das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidende Gericht grundsätzlich nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Eine Ausnahme gilt dann, wenn über eine Rüge der Unzuständigkeit im erstinstanzlichen Verfahren nicht gemäß § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG entscheiden worden ist.

Unerheblich ist, ob die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs ausdrücklich oder nur stillschweigend bejaht wird, oder ob sie auf einer falschen rechtlichen Würdigung beruht oder übersehen wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 18. September 2008, V ZB 40/08 (14 f.); juris). Es ist nur dann keine Entscheidung in der Hauptsache i.S.v. § 17a Abs. 5 GVG erfolgt, wenn eine Unzulässigkeit der Klage mit fehlender Rechtswegzuständigkeit begründet wird (BSG, Beschluss vom 20. Oktober 2010, B 13 R 63/10 (28); juris). Diese Regelung gilt auch für Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 9. Aufl., § 51 Rdnr. 71).

Das Sozialgericht hat hier eine Entscheidung i.S.v. § 17a Abs. 5 GVG getroffen. Es hat auf der Grundlage einer Auslegung des Begehrens des Antragstellers als Antrag auf weitere Leistungen gemäß § 22 Abs. 1 SGB II seine Zuständigkeit angenommen. Eine Rüge der sachlichen Unzuständigkeit hat im erstinstanzlichen Verfahren keiner der Beteiligten erhoben.

b. Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrunds (also die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), als auch eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweg genommen werden.

Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Ein Anordnungsanspruch und -grund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 86b Rn. 16b).

Unter Anwendung dieser Maßstäbe ist die sozialgerichtliche Entscheidung nicht zu beanstanden. Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Hinsichtlich der bewilligten Leistungen für die KdU hat er nicht vorgetragen, dass diese nicht den tatsächlichen Aufwendungen entsprächen. Vielmehr begehrt eine zusätzliche, unabhängig von den tatsächlichen Aufwendungen zu bewilligende Leistung. Insoweit sieht der Senat von weiteren Ausführungen ab und verweist auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses sowie auf seine bereits genannten Vorentscheidungen.

Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Leistungen nach dem WoGG glaubhaft gemacht.

Der Antragsgegner ist schon nicht sachlich zuständig für die Gewährung von Leistungen nach dem WoGG. Nach § 3 Abs. 5 Nr. 1 Allgemeine Zuständigkeitsverordnung des Landes Sachsen-Anhalt zur Ausführung von Bundesrecht sind dies Landkreise, kreisfreie Städte und Gemeinden ab 20.000 Einwohner.

Als Bezieher von Leistungen nach dem SGB II ist der Antragsteller aber auch gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 WoGG von Leistungen nach dem WoGG ausgeschlossen. Es greift auch nicht die Ausnahme nach § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 WoGG. Die Leistungen nach dem SGB II werden ihm vom Antragsgegner nicht darlehensweise bewilligt. Sie werden laufend in Erfüllung seiner originären Leistungspflicht erbracht; eine nachrangige Leistungsverpflichtung des Antragsgegners liegt nicht vor (§ 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 WoGG).

3. Eine Beiladung des zuständigen Verwaltungsgerichts kommt nicht in Betracht. Nach § 75 SGG können nur andere Personen oder Behörden beigeladen werden.

4. Die beantragte Verweisung an ein zuständiges Verwaltungsgericht ist gemäß § 17a Abs. 2 GVG ausgeschlossen, da der Rechtsweg durch den Senat hier nicht zu überprüfen ist (s.o.).

5. Für die - erstmals im Beschwerdeverfahren - geltend gemachten Schadensersatzansprüche hat der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch und -grund glaubhaft gemacht.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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