S 13 KR 37/07

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Magdeburg (SAN)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 13 KR 37/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die Krankenhausbehandlung des Patienten K., Fallnr ... weitere 1.008,25 Euro nebst 4 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 6. Februar 2007 zu zahlen. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Streitwert wird auf 1.008,25 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Zahlung weiterer Krankenhausbehandlungskosten streitig.

Der am ... 1961 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Patient K. befand sich in der Zeit vom 1. Juli bis 13. Juli 2006 bei der Klägerin in stationärer Behandlung.

Die Klägerin legte am 14. Juli 2006 Rechnung in Höhe von 2.833,49 Euro auf der Grundlage der DRG V62A. Die Beklagte glich zunächst den Rechnungsbetrag vollständig aus, kündigte jedoch mit Schreiben vom 14. Dezember 2006 die dann am 2. Januar 2007 erfolgte Aufrechnung eines Betrag in Höhe von 1.008,25 Euro im Rahmen einer Sammelrechnung an. Zur Begründung bezog sich die Beklagte auf eine Sozialmedizinische Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 14. November 2006 zur "Prüfung der Mindestmerkmale der OPS 8-985/Motivationsbehandlung Abhängigkeitskranker (qualifizierter Entzug) im Diakoniekrankenhaus E., Abteilung Innere Medizin", welches der MDK im Auftrag der AOK Sachsen-Anhalt anhand von Patientenunterlagen von 10 bei der Klägerin behandelten Patienten erstellte. Die hier streitige Behandlung war nicht Gegenstand dieser Stellungnahme. In dieser Stellungnahme heißt es, dass zum großen Teil Ansätze eines sozialen Assessments in den Akten erkennbar gewesen seien, zumindest zum Aufnahmetermin. Ein standardisiertes Assessment im suchtmedizinischen Bereich zum Aufnahme- und Entlassungszeitpunkt des Patienten sei in den Akten nicht vorhanden gewesen. Auch ein ausführlicher psychiatrischer Befund sei nicht erhoben worden. Es seien im Rahmen der Prüfung die einzelnen Mindestmerkmale der Komplexbehandlung mit der Klägerin durchgesprochen worden. Zum Merkmal "Behandlung durch ein multiprofessionell zusammengesetztes, systematisch supervidiertes Behandlungsteam" sei auszuführen, dass aus den Gesprächen und den Unterlagen hervorgehe, dass das Behandlungsteam in der Zusammensetzung der Professionen den Mindestmerkmalen gerecht werde. Leider seien keine psychologischen Psychotherapeuten im Team vorhanden, jedoch gäbe es genug Suchttherapeuten sowie Krankenpfleger mit suchtmedizinischer Zusatzausbildung. Zudem sei der Chefarzt der Psychiatrischen Klinik – Herr Dr. med. G. – täglich 30 Minuten auf der Station. Zusammenfassend sei ein multidisziplinäres Behandlungsteam vorhanden, systematische Supervisionen würden ab Ende November 2006 durchgeführt. Zu dem Mindestmerkmal "Somatische Entgiftung, differenzierte somatische und psychiatrische Befunderhebung mit Behandlung der Folge- und Begleiterkrankungen, Aufklärung über Abhängigkeitserkrankungen, soziale Stabilisierung, Motivierung zur Weiterbehandlung, Einleitung suchtspezifischer Anschlussbehandlungen" sei auszuführen, dass die somatische Entgiftung durchgeführt werde. Es erfolge auch eine differenzierte somatische Befunderhebung. Bezüglich der Erhebung des psychiatrischen Befundes würden nur wenige aussagekräftige Parameter erhoben, so dass ein individueller psychiatrischer Befund nicht vorliege. Es sei besprochen worden, dass es sinnvoll sei, einen ausführlichen psychiatrischen Befundbericht in Zusammenarbeit mit einem psychiatrischen Konsil zu erheben, wobei aussagefähige psychopathologische Parameter ausgesucht werden sollten. Die Behandlung der Folge- und Begleiterkrankungen werde aus internistischer und allgemeinmedizinischer Sicht durchgeführt. Auch sei eine Aufklärung über Abhängigkeitserkrankungen, soziale Stabilisierung, Motivierung zur Weiterbehandlung, Einleitung suchtspezifischer Anschlussbehandlungen aus den Unterlagen erkennbar gewesen. Der bei der Klägerin tätige Sozialpädagoge habe intensiven Kontakt zu weiterführenden Suchtberatungsstellen und Selbsthilfegruppen der Region und auch überregional. Die Patienten würden über die dortigen Therapien informiert. Angebote würden terminiert, Absprachen getätigt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass eine psychiatrische Befunderhebung nicht ausreichend durchgeführt werde. Zum Mindestmerkmal "Standardisiertes suchtmedizinisches und soziales Assessment zu Beginn der Behandlung und vor Entlassung" sei anzugeben, dass große Teile eines zu akzeptierenden sozialen Assessments vorhanden seien, dies jedoch nicht in standardisierter Form. Es liege eine sehr unterschiedliche Strukturierung vor. Zum Mindestmerkmal "Ressourcen- und lösungsorientiertes Therapiemanagement unter Einsatz differenzierter Therapieelemente in patientenbezogener Kombination von Gruppen- und Einzelarbeit mit mindestens drei Stunden pro Tag: Psycho-edukative Informationsgruppen, medizinische Informationsgruppen, Ergotherapie, Krankengymnastik, Bewegungstherapie, Entspannungsverfahren, Angehörigeninformation und Beratung, externe Selbsthilfegruppen, Informationsveranstaltungen von Einrichtungen des Suchthilfesystems" sei anzugeben, dass ein Therapieplan vorliege, in dem mindestens drei Stunden pro Tag komplextherapeutische Maßnahmen für den Patienten angeboten würden. Der Schwerpunkt der Behandlung liege auf der Gruppenarbeit. Es würden die genannten und empfohlenen Therapieelemente eingesetzt. Reguläre Angehörigeninformation und Beratung würden hingegen nicht durchgeführt. Hinsichtlich dieses Mindestmerkmales werde der Klägerin empfohlen, Entspannungsverfahren durch ausgebildete Therapeuten zu implementieren und regelmäßige Angehörigeninformationen zu installieren. Das letzte Mindestmerkmal "Eingliederung des Patienten in das bestehende regionale und stationäre Suchthilfesystem" werde durch die Klägerin erfüllt.

Die Klägerin trat dem entgegen und führte aus, dass ein kontinuierlicher psychiatrisch/psychotherapeutischer Sachverstand vorhanden sei. Die Fachärzte für Innere Medizin mit Zusatzausbildung zur Suchtmedizinischen Grundversorgung, Fachpfleger und Sozialtherapeuten verfügten über eine langjährige Erfahrung in der Behandlung Suchtkranker. Diese würden kontinuierlich an den hausinternen Fortbildungen zu suchtmedizinischen Fragenstellungen teilnehmen, welche von den internen und externen Fachärzten für Psychiatrie/Psychotherapie gehalten würden. Ferner finde wöchentlich freitags eine Arztfortbildung statt. Das suchtmedizinische Behandlungskonzept liege dem MDK vor. Es sei von Fachärzten für Psychiatrie/Psychotherapie gemeinsam mit Internisten, Fachpflegern, Psychologen und Sucht- sowie Sozialtherapeuten erarbeitet. Die Internisten würden einen täglichen fachlichen Austausch mit fachärztlich psychiatrischer Beratung pflegen. Da eine kontinuierliche kollegiale Beratung stattfinde, werde auf das formelle Anfordern eines Konsils verzichtet. Hinsichtlich der systematischen Supervision sei es korrekt, dass erstmalig ab 29. November 2006 diese durch den ehemaligen Chefarzt, Dr. med. R., durchgeführt werde. Vorher sei es jedoch anders gelöst gewesen, so dass hier eventuell ein Missverständnis vorliege. Im Haus würden anerkannte Diplomsupervisoren arbeiten. Ferner sei die Fachaufsicht über die Therapeuten dem leitenden Therapeuten übertragen, was bereits das Organigramm zeige. Die Supervision der täglichen Arbeit erfolge durch den Chefarzt und den Oberarzt im Rahmen der Visite. Zudem würden mehrmals monatliche Teambesprechungen mit Supervision bei Problemfällen erfolgen. Hinsichtlich der differenzierten somatischen und psychiatrischen Befunderhebung verweise man auf das Dokumentationsblatt der Anamneseerhebung mit mehreren Elementen des psychiatrischen Status. Richtig sei, dass das schriftliche suchtmedizinische Assessment nicht in zusammengefasster Form vorgelegen habe. Vielmehr seien die einzelnen Elemente innerhalb der Dokumentation an verschiedenen Stellen geführt worden. Den Gedanken zur einheitlichen zusammengefassten Dokumentation habe man aufgenommen und für die Zukunft umgesetzt. Dies bedeute aber keinesfalls, dass für die zuvor behandelten Patienten die streitige OPS nicht erfüllt sei. Die Art der Dokumentation sei eine Obliegenheit der Klägerin, die selbst entscheiden könne, wie sie Patientendaten sammele und zur Behandlung zur Verfügung halte. Als Entspannungsverfahren würden regelmäßig fünfmal pro Woche die Musiktherapie inklusive Meditationsübungen durchgeführt. Ebenso werde täglich die Besinnung angeboten. Schließlich sei es völlig unverständlich, dass die Angehörigeninformation und Beratung nicht durchgeführt worden sein solle. Die Angehörigeninformation beginne am Aufnahmetag bei Eintreffen des Patienten und werde bei Besuchskontakten und extra Terminen durchgeführt. Zudem gäbe es eine Broschüre "Co-Abhängigkeit", die den Angehörigen überreicht werde. Diese Broschüre reichte die Klägerin zu den Akten. Auf diese wird ergänzend verwiesen. Die Voraussetzungen für eine Rechnungskürzung seien damit nicht gegeben. Die Beklagte zahlte gleichwohl nicht.

Mit ihrer am 6. Februar 2007 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt vor, die Abrechnung der DRG V62A sei bei der angewandten Form der Entgiftung zutreffend. Der Patient werde bei chronischer Alkoholabhängigkeit qualifiziert entgiftet, d.h. dass neben der rein somatischen Entgiftung mittels Medikamenten der Patient in ein umfangreiches Therapie- und Motivationsprogramm integriert werde. Die Beklagte jedenfalls habe substantiierte Einwendungen gegen den Zahlungsanspruch nicht erhoben. Die Klägerin jedenfalls erfülle die Mindestvoraussetzungen des OPS 8-985. Die Klägerin hat zur Untermauerung ihres Vortrages das Organigramm, die Wochenübersicht des Therapieplanes, das Formular Selbsthilfegruppe sowie das Informationsblatt für Angehörige zur Akte gereicht. Auf deren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

Die Beklagte zu verurteilen, an sie für die Krankenhausbehandlung des Patienten K., Fallnr ... weitere 1.008,25 Euro nebst 4 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 6. Februar 2007 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie wiederholt, dass lediglich die DRG V62B abzurechnen sei, da die OPS-Kriterien nicht erfüllt seien. Dies ergebe sich aus der Stellungnahme des MDK. Dabei handele es sich um gesicherte medizinische Erkenntnisse, welche das Vorhandensein der OPS-Kriterien widerlegen. Eine Einzelfallbewertung sei nicht nötig, da die Klägerin die Merkmale bereits grundsätzlich nicht erfülle. Insbesondere liege eine nicht ausreichende Befunderhebung vor. Hierzu gehörten auch nach den allgemeinen Regeln der psychiatrischen Grundbildung Aussagen zu Bewusstseinsstörungen, Orientierungsstörungen, Störung der Aufmerksamkeit, Auffassung und des Gedächtnisses, Störung der Intelligenz, formale und inhaltliche Denkstörungen, Wahrnehmungsstörungen, Ichstörungen etc ... Gerade diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt.

Am 24. Februar 2010 hat das Gericht mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage erörtert. Die im Anschluss daran erfolgten Vergleichsbemühungen verliefen ergebnislos, so dass ein gerichtliches Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben wurde.

Herr Dr. med. P., Facharzt für Innere Medizin, hat im vorliegenden Verfahren ein Gutachten erstellt. Die ihm hierzu von der Klägerin übersandte Patientenakte betraf jedoch den Behandlungszeitraum 7. November bis 21. November 2006 und nicht den hier streitigen Zeitraum vom 1. bis 13. Juli 2006. Grundsätzlich hat er in seinem Gutachten vom 17. November 2010 angegeben, dass sich das Behandlungsteam der Patientendokumentation entnehmen lasse. Hinsichtlich der systematischen Supervision könnten keine Angaben aus der Patientenakte gewonnen werden, da diese das Team und nicht den Patienten betreffe. Die Supervision sei bei der Klägerin ein integraler Bestandteil und werde bereitgehalten. Die psychiatrische Befunderhebung berücksichtige alle relevanten psychopathologischen Parameter wie Orientierung, Bewusstsein, Kognition, Intellekt, Stimmung, Antrieb, Affekt, Suizidideen, formale Denkstörungen und beinhalte Gedankengänge, Sinnestäuschungen, Psychomotorik, Denkweise etc. Die psychiatrische Befunderhebung sei ärztliche Aufgabe, jedoch nicht eines Facharztes für Psychiatrie. Das suchtmedizinische Assessment sei adäquat mit allen notwendigen Parametern erhoben. Dies finde sich auch im Entlassungsbericht. Das Mindestmerkmal des Therapiemanagements erfülle die Klägerin deutlich über. Zu den Entspannungsverfahren gehöre auch die angebotene Besinnung. Betont werden müsse, dass es bei dem qualifizierten Entzug nicht um das Erlernen von Entspannungsverfahren gehen könne, sondern darum, erste Erfahrungen zu sammeln, dass Entspannung möglich sei und der Patient dies als wertvoll empfinden könne. Es gehe nicht um das Erlernen von Entspannungsverfahren sondern um das Kennenlernen von Entspannungsmöglichkeiten, um motiviert zu werden, diese in Zukunft auf dem suchttherapeutischen Weg einzubauen. Bei den folgenden Entwöhnungsbehandlungen gehe es dann um das Erlernen eines Entspannungsverfahrens. Die Entwöhnungsbehandlung dauere in der Regel deutlich über zwei Monate, während der qualifizierte Entzug oft nicht mehr als 14 Tage dauere. Die Angehörigeninformation sei nicht gesondert dokumentiert. Dies stehe jedoch im Einklang mit der Erfüllung des Mindestmerkmales, weil die Therapieelemente in patientenbezogener Kombination durchzuführen seien. Als Zeichen für ein besonderes Augenmerk aus die Angehörigeninformation und –beratung spreche die erstellte Broschüre, welche eine hohe Qualität bezüglich Informationsgehalt, Übersichtlichkeit, Akzeptanz und Motivierung aufweise. Schließlich seien alle Mindestmerkmale durch die Klägerin erfüllt, teilweise qualitativ deutlich übererfüllt.

Eine Stellungnahme der Beklagten hierzu ging dem Gericht nicht zu.

Das Gericht hat in drei weiteren Parallelverfahren ebenfalls Sachverständigengutachten eingeholt. In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht in diese eingeführt. Wegen der grundsätzlichen Ausführungen der MDK-Stellungnahme aus dem Jahr 2006, die zur Rechnungskürzung führten, werden die grundsätzlichen Ausführungen zu den Mindestmerkmales des OPS 8-985 der Gutachten im Folgenden ausgeführt.

Herr Dr. med. D., Chefarzt der Abteilung Innere Medizin des Krankenhauses Rh., hat in seinem Gutachten vom 21. September 2010 in dem Verfahren S 13 KR 57/07 ausgeführt. Die Klägerin erfülle die streitige OPS. Sie betreibe einen aufwendigen, prozess- und ergebnisqualifizierten sowie dokumentierten Behandlungsprozess. Den Akten sei ein multidisziplinär zusammengesetztes Team zu entnehmen unter entsprechender fachkundiger Leitung. Es finde eine mehrmals wöchentliche Konsiliartätigkeit eines Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie statt. Auch liege ein standardisiertes suchtmedizinisches und soziales Assessment vor. Dies sei in ausführlichster Weise, teils elektronisch, teils handschriftlich dokumentiert. Im Ergebnis sei die Abrechnung der DRG V62A korrekt. Hinsichtlich der hier streitigen Argumente handele es sich nicht um hinreichend relevante Punkte der streitigen OPS. Der Beklagten scheine es um eine bestimmte Dokumentationsform zu gehen, welche jedoch in den OPS-Kriterien nicht genannt sei. Der OPS stecke einen bestimmten Rahmen der Behandlungsform "qualifizierter Entzug" ab. Es sei festzustellen, dass bereits das Organigramm der Klägerin eine Supervision erkennen lasse. Zudem beinhalte die Patientenakte einen psychiatrischen Befund. Die dort genannten Parameter erfüllten weit die Erhebung psychiatrischer Befunde einer normalen internistischen Patientenaufnahme. Die wesentlichen Erhebungspunkte – Stimmung, Affekt, Antrieb, Suizidgedanken, Bewusstsein – seien vorhanden. Es sei zu erwähnen, dass der qualifizierte Entzug explizit und alleinig eine Behandlung internistischer Einrichtungen sei. Diese müssten nicht die vollen Kriterien psychiatrischer Kernkompetenz erfüllen. Die Art und Weise der psychiatrischen Befunderhebung werde in den OPS-Kriterien nicht genannt. Es liege auch ein standardisiertes Assessment vor. Es sei in den OPS-Kriterien hinsichtlich der Entspannungsverfahren auch nicht genannt, dass ausgebildete Therapeuten vorhanden sein müssten. Es bestünden zudem mehrere gleichberechtigte Entspannungsverfahren. Der OPS beschreibe wörtlich " in patientenbezogener Kombination " Dieser Punkt habe zentrale Bedeutung für das gesamte Konzept des qualifizierten Entzuges. Er entspreche im Wesentlichen den Konzepten der modernen, systemischen, psychotherapeutischen bzw. psychosomatischen Behandlungstechniken. Patientenbezogene Kombination meine eine individuelle, vom Behandler bzw. dem Behandlungsteam festgesetzte Haltung gegenüber dem Patienten und eine individuelle Verschreibung der im OPS genannten Einzel- bzw. Gruppenarbeiten in unterschiedlicher – hier beispielhaft und nicht dogmatisch gemeinter Form. Dies wolle heißen, dass die Art und Weise, wie die Behandlungskonzepte genau durchzuführen seien teilweise kaum beschreib- und festlegbar seien. Es solle lediglich eine und nicht eine bestimmte Art einer Technik bzw. Behandlung angeboten werden. Die angebotene Besinnung entspreche einer Entspannungsübung. Auch eine therapeutisch-begleitete Wanderung entspreche einer Entspannungsübung, so dass Entspannungsübungen von der Klägerin angeboten würden. Die in der Gerichtsakte enthaltene Informationsbroschüre "Co-Abhängigkeit" für Angehörige beinhalte einen Selbsttest und eine Kontaktadresse für einen Ansprechpartner bei der Klägerin. Angehörigeninformationen und Gespräche würden im Allgemeinen in jedem Krankenhaus durchgeführt, jedoch nicht dokumentiert, da dies auch in erheblichem Maße die Schweigepflicht der Therapeuten treffen. Der Behandlungsvertrag bestünde nur zu dem Patienten, nicht aber zu dessen Angehörigen. Teilweise werde Angehörigenberatung von den Patienten auch nicht gewünscht. Letztlich erfülle die Klägerin die Kriterien des OPS 8-985 und damit die der DRG V62A.

Herr Dr. med. Th. R. – Facharzt für Innere Medizin – hat in seinem Gutachten vom 3. November 2010 in dem Verfahren S 13 KR 67/07 zu den Mindestmerkmalen des hier streitigen OPS ausgeführt, dass zunächst zwei Typen bei den Mindestmerkmalen zu unterscheiden seien. Zum einen die Merkmale, die eine entsprechende Abteilung ihrer Struktur nach erfüllen müsse, die jedoch nicht in jedem Behandlungsfall dokumentiert werden müssten, da sie für den einzelnen Behandlungsfall nicht relevant seien. Zum anderen die patientenbezogenen Merkmale, deren Erfüllung in jedem Einzelfall vorliegen müsse und die anhand der Dokumentation nachprüfbar sein sollten. Es finde sich neben einer hinreichend differenzierten psychiatrischen Befunderhebung auch ein ausführliches und standardisiertes suchtmedizinisches Assessments. Daneben seien testpsychologische Untersuchungen bestehend aus dem Beck’schen Depressionsinventar, der psychiatrischen Symptomcheckliste SCL-90-R sowie einem Test zur Überprüfung der Gedächtnisleistung. Diese Verfahren dienten bei der Klägerin offensichtlich zur zusätzlichen standardisierten Abklärung eventuell vorhandener psychiatrischer Komorbiditäten. Bei dem Merkmal "systematische Supervision" handele es sich um Strukturmerkmal und nicht um ein patientenbezogenes Merkmal, so dass die Dokumentation im Einzelfall in der Patientenakte weder notwendig noch sinnvoll sei. Klar sei, dass eine regelmäßige externe Supervision erst ab November 2006 stattgefunden habe. Dies heiße jedoch nicht, dass vorher keinerlei Supervision stattgefunden habe. Eine vorher durchgeführte Supervision ergäbe sich bereits durch die Zertifizierung nach pcc/KTQ und dem Organigramm der Klägerin, das einen Supervisionsbeauftragten enthalte. Die vorgetragenen Maßnahmen wie Fallkonferenzen, Teambesprechungen, Chefarztvisiten seien zudem eine Form von interner Supervision. Der OPS schreibe überdies in seinen Merkmalen die Form der Supervision nicht speziell fest. Den Streitpunkt der Angehörigeninformation lasse der OPS in seiner Ausgestaltung offen. Überdies bestünden wegen der ausführlichen Informationsbroschüre keine Zweifel an der Aussage der Klägerin, diese werde an die Angehörigen weitergegeben, auch wenn dies nicht explizit dokumentiert sei. Hinsichtlich des Streitpunktes "Entspannungsverfahren" stellten sich zwei grundsätzliche Fragen. Zum einen, ob hierunter nur etablierte Verfahren wie z.B. die progressive Muskelrelaxion nach Jacobsen oder das autogene Training gemeint seien und meine Punkt vier des OPS, dass alle genannten Therapieelemente eingesetzt werden müssten. Zur letzteren Frage gehe aus der Formulierung des OPS nicht hervor, in welchem Umfang und in welcher Form die Kombination der einzelnen Elemente vorgenommen werden sollten, noch dass alle zwingend vorhanden sein müssten. Die entscheidende Charakterisierung bestünde in dem Begriff "lösungsorientiertes Therapiemanagement". Hinsichtlich der Notwendigkeit von Entspannungsverfahren sei darauf hinzuweisen, dass es sich bei der qualifizierten Entzugsbehandlung um eine Akutkrankenbehandlung handele, deren Dauer in der Regel bei 10 bis 14 Tagen liege. Der Platz der klassischen Entspannungsverfahren liege eher im Bereich der Entwöhnungsbehandlung, da es sich bei diesen Verfahren um erlernbare Techniken handele, die Menschen nach einer Einübungsphase von meist 8 bis 10 Therapiesitzungen in die Lage versetzen sollten, diese selbstständig anzuwenden und eine körperliche und geistige Entspannung zu erreichen. Dies sei in einem Zeitraum von 10 bis 14 Tagen bei anfangs noch unter Medikamenten stehenden Patienten nicht erreichbar. Das Zeitkriterium von wenigsten drei Stunden pro Tag werde ebenfalls erfüllt. Insgesamt erfülle die Klägerin die Kriterien des OPS 8-985, so dass die Abrechnung der DRG V62A korrekt sei.

Frau Dr. med. N., Fachärztin für Innere Medizin, Geriatrie und Suchtmedizinische Grundversorgung hat in ihrem Gutachten vom 8. Dezember 2010 zu dem Verfahren S 13 KR 147/07 ausgeführt, dass es sich bei dem qualifizierten Entzug um eine Motivationsbehandlung handele, die im Wesentlichen darauf abziele, einen Patienten in der Phase der Akutentgiftung bei entsprechend hoch gelagertem Leistungsdruck auf seine Suchtproblematik anzusprechen. Ziel sei es, eine ausreichende Krankheitsakzeptanz aufzubauen, eine ausreichende Krankheitseinsicht und eine Veränderungsmotivation für eine Entwöhnungsmaßnahme zu erreichen. Der qualifizierte Entzug sei insofern eine Therapievorbereitung auf eine Entwöhnung im Sinne auch einer seelischen Entgiftung. Die hierfür notwendigen Mittel des Krankenhauses seien neben der Möglichkeit für eine umfassende internistische Diagnostik und Therapie die Vorhaltung eines leitenden Arztes mit suchtmedizinischer Grundversorgung, von Sozialtherapeuten, suchttherapeutische zusatzqualifizierten Krankenpflegekräften, Sozialarbeitern, Ergotherapeuten etc. Die Durchführung des qualifizierten Entzuges erfordere die Vorschaltung bzw. begleitende Durchführung einer medikamentösen, somatischen Entgiftung, um den Patienten zu einer Trinkpause zu führen und zur Teilnahme am strukturierten Therapieprogramm zu befähigen. Der qualifizierte Entzug sei in typischer Weise durchgeführt worden durch ein multidisziplinär zusammengesetztes Team, durch die Kombination von Gruppen- und Einzeltherapie ergänzt durch weitere differenzierte Therapieangebote. Das strukturierte Therapieprogramm sei den individuellen Bedürfnissen des Patienten angepasst. Die Klägerin gehe in der Sicherstellung des psychiatrischen und psychotherapeutischen Sachverstandes deutlich über die Anforderungen der Mindestmerkmale hinaus, z.B. durch die mehrmals wöchentliche Präsenz eines Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie. Die Motivationsbehandlung selbst obliege primär dem in der Prozedur definierten Behandlungsteam und bedürfe in speziellen Fällen wie psychiatrischer Komorbidität der psychiatrischen Einschätzung und Mitbehandlung. Es sei durch den behandelnden Internisten ein psychopathologischer Befund erhoben worden. Die Erhebung eines mindestens orientierenden psychischen Befundes sei Teil einer internistischen Aufnahmeuntersuchung. Es bestünde bei der Klägerin auch eine regelhafte Supervision des Behandlungsteams im klassischen Sinne aber auch durch eine entsprechende Fortbildungs- und Besprechungskultur. Bei der Durchführung eines standardisierten suchtmedizinischen und sozialen Assessments beinhalteten die Mindestmerkmale der Motivationsbehandlung Abhängigkeitskranker keine Forderung bezüglich der Art, des Umfangs, der Häufigkeit oder der beteiligten Berufsgruppen bei der Durchführung des Assessments. Die umfangreichen Angaben im Entlassungsbericht ließen auf eine ausreichende Durchführung im Sinne standardisierter suchtmedizinischer und sozialer Assessmentverfahren schließen. Die Therapiedokumentation sei umfangreich und ausreichend. Weiterhin seien die einzelnen Therapieelemente in den Mindestmerkmalen inhaltlich nicht definiert. Die Ausgestaltung des Therapiemanagements sei jeder durchführenden Einrichtung freigestellt und werde im Einzelnen durch die Art der Einrichtung, die örtlichen Gegebenheiten und Ausstattung sowie den individuellen Bedarf des Patienten bestimmt. Insgesamt erfülle die Klägerin die Voraussetzungen des streitigen OPS.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie das Vorbringen der Beteiligten auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Gutachten aus den Verfahren S 13 KR 57/07, S 13 KR 67/07 und S 13 KR 147/07 verwiesen. Diese haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als (echte) Leistungsklage gemäß § 54 Absatz 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Die Klage eines Krankenhausträgers auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gegen eine Krankenkasse betrifft einen so genannten Parteienrechtsstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch einen Verwaltungsakt nicht ergehen muss und hier auch nicht ergangen ist. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, eine Klagefrist nicht einzuhalten (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteile vom 17. Mai 2002 – BSGE 86, 166, 167; vom 13. Dezember 2001 – Az.: B 3 KR 11/01 R, B 3 KR 54/01 R, B 3 KR 31/01 R sowie vom 28. Mai 2003 – Az.: B 3 KR 10/02 R).

Seitens der Klägerin ist auch die bei Zahlungsklagen grundsätzlich erforderliche Bezifferung des Anspruchs erfolgt. Betrifft ein Zahlungsanspruch einen abgeschlossenen Vorgang aus der Vergangenheit, ist er zur Vermeidung eines ansonsten im Raum stehenden zusätzlichen Streits über die Höhe des Anspruchs konkret zu beziffern (BSGE 83, 254, 263 = SozR 3-2500 § 37 Nr 1 zu Kostenerstattungsansprüchen); es muss also grundsätzlich ein bestimmter (bezifferter) Zahlungsantrag gestellt und dargelegt werden, wie sich dieser Betrag im Einzelnen zusammensetzt. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt.

Die Klage ist auch vollumfänglich begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Rechtsanspruch auf Zahlung der geltend gemachten weiteren Behandlungskosten für die Behandlung des Patienten K. in Höhe von 1.008,25 Euro, da die Abrechnung der DRG V62A gerechtfertigt war.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten restlichen Vergütungsanspruch der Klägerin ist § 109 Absatz 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) in Verbindung mit der jeweils zur Zeit der Behandlung gültigen Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht dabei – unabhängig von einer Kostenzusage – unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, denn der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert mit dem Sachleistungsanspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung. Dies ist ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (vgl. BSGE 86, 166, 168 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 1; Urteil vom 28. Mai 2003 – Az.: B 3 KR 10/02 R).

Die Klägerin betreibt ein nach § 108 Nr. 2 SGB V zugelassenes Plankrankenhaus, so dass nach § 109 Absatz 1 Satz 2 SGB V ein Versorgungsvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten fingiert wird. Ein Sicherstellungsvertrag nach § 112 SGB V besteht zwischen den Beteiligten nicht. Insofern verbleibt als vertragliche Regelung nur die Budget- und Entgeltvereinbarung.

Nach § 109 Absatz 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit der Pflegesatzvereinbarung ist eine Krankenkasse nur dann zur Zahlung der vereinbarten Entgelte verpflichtet, wenn die Versorgung im Krankenhaus nach § 39 SGB V erforderlich war. Nach § 39 SGB V wird die Krankenhausbehandlung vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht. Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsergebnis nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann.

Die Krankenhausbehandlung des Patienten K. war hier notwendig. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Insoweit bedarf es einer weitergehenden Auseinandersetzung mit dieser Problematik hier nicht.

Streitig ist vorliegend vielmehr, ob die Klägerin berechtigt war, eine Abrechnung anhand der DRG-V62A aufgrund der Erfüllung der Mindestmerkmale des OPS 8-985, mithin der Durchführung eines qualifizierten Entzuges, vorzunehmen. Dies ist zur Überzeugung der Kammer zu bejahen.

Bei der Klägerin handelt es sich um ein Fachkrankenhaus auf den Gebieten der Inneren Medizin, psychotherapeutischen Medizin, Psychiatrie und Rehabilitation Sucht. Sie führt unter Anderem suchtmedizinische Komplexbehandlungen durch, wobei im Streit steht, ob sie die Voraussetzungen für die Abrechenbarkeit des Qualifizierten Entzuges erfüllt. Grundsätzlich betreibt die Klägerin seit den 70er Jahren Suchttherapie und Qualifizierten Entzug.

Der streitige OPS 8-985 verlangt die Erfüllung nachfolgender Mindestmerkmale:

Behandlung durch ein multiprofessionell zusammengesetztes, systematisch supervidiertes Behandlungsteam;

Somatische Entgiftung, differenzierte somatische und psychiatrische Befunderhebung mit Behandlung der Folge- und Begleiterkrankungen, Aufklärung über Anhängigkeitserkrankungen, soziale Stabilisierung, Motivierung zur Weiterbehandlung, Einleitung suchtspezifischer Anschlussbehandlungen;

Standardisiertes suchtmedizinisches und soziales Assessment zu Beginn der Behandlung und vor Entlassung

Ressourcen- und lösungsorientiertes Therapiemanagement unter Einsatz differenzierter Therapieelemente in patientenbezogener Kombination von Gruppen- und Einzelarbeit mit mindestens drei Stunden pro Tag: psychoedukative Informationsgruppen, medizinische Informationsgruppen, Ergotherapie, Krankengymnastik, Bewegungstherapie, Entspannungsverfahren, Angehörigeninformation und –beratung, externe Selbsthilfegruppen, Informationsveranstaltungen von Einrichtungen des Suchthilfesystems

Eingliederung des Patienten in das bestehende regionale ambulante und stationäre Suchthilfesystem.

Zu (1):

Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Klägerin über multiprofessionell zusammengesetztes Behandlungsteam verfügt. Dies geht bereits aus der grundsätzlichen Stellungnahme des MDK vom 14. November 2006 hervor. Der MDK stellt fest, dass das Behandlungsteam in der Zusammensetzung der Professionen den Mindestmerkmalen gerecht wird. So haben der Chefarzt und der Oberarzt neben ihrer internistischen Fachkunde die Zusatzqualifikation der Suchtmedizinischen Grundversorgung. Des Weiteren hält die Klägerin zahlreiche Suchttherapeuten, zwei Krankenpfleger mit suchtmedizinischer Zusatzqualifikation, Sozial-, Ergo- und Physiotherapeuten vor. Soweit der MDK bedauert, dass keine psychologischen Psychotherapeuten im Team vorhanden seien, ist festzustellen, dass der OPS ein solches Erfordernis nicht vorsieht. Dies liegt unter anderem auch darin begründet, dass es sich bei dem qualifizierten Entzug um eine rein internistische Behandlung handelt. Darüber hinaus bedient sich die Klägerin – ohne dass es der OPS erfordert – täglich begleitenden psychiatrischen/psychotherapeutischen Sachverstandes. Der Chefarzt der Psychiatrischen Klinik steht der Klägerin täglich auf der Station zur Verfügung, so dass jederzeit bei Feststellung psychiatrischer Komorbiditäten ein psychiatrisches Konsil abgefordert und eine weitergehende Diagnostik und Behandlung eingeleitet werden können.

Für die Kammer steht auch fest, dass die Klägerin das Merkmal der systematischen Supervision erfüllt. Richtig ist, dass eine externe Supervision erst ab November 2006 bei der Klägerin durchgeführt wird. Dies hat die Klägerin auch nicht in Abrede gestellt. Nicht richtig ist indes jedoch die Schlussfolgerung der Beklagten hieraus, dass in streitigen Behandlungszeitraum keine Supervision stattgefunden hat. Der OPS enthält keine Ausführungen dazu, wie die Supervision auszugestalten ist. Auch das DIMDI streicht heraus, dass eine Definition eines supervidierten Behandlungsteams nicht vorliegt. Dass die Klägerin auch im streitigen Zeitpunkt Supervisoren vorgehalten hat, ergibt sich bereits aus dem zur Akte gereichten Organigramm. Zudem hat die Klägerin in ihrer Stellungnahme zu den Ausführungen des MDK klargestellt, dass hier ggf. ein Missverständnis seitens der Beklagten vorliegt. Sie hat glaubhaft dargetan, dass anerkannte Supervisoren im Haus arbeiten, die tägliche Supervision durch den Chefarzt und den Oberarzt im Rahmen der täglichen Visiten erfolge, ferner Fortbildungen und freitägliche Arztbesprechungen, Fallkonferenzen und gemeinsame interdisziplinäre Visitenauswertungen sowie mehrmals monatliche Teambesprechungen mit Supervision bei Problemfällen stattfinden. Die Kammer hat hieran keine Zweifel. Die Beklagte ist diesen Ausführungen auch nicht hinreichend entgegengetreten. Schließlich ist den Ausführungen von Herrn Dr. med. Th. R. zu folgen, der nach Auffassung der Kammer richtigerweise ausführt, dass es sich um ein Strukturmerkmal und nicht um ein patientenbezogenes OPS-Merkmal handelt und insofern eine Dokumentation in der einzelnen Patientenakte nicht notwendig ist. Dies bestätigt letztlich auch Dr. med. P., der ebenfalls der Auffassung ist, dass die Supervision das Team und nicht den Patienten betrifft. Strukturell jedenfalls erfüllt die Klägerin diese Voraussetzung hinreichend. Die Kammer hat keine Bedenken, die Ausführungen der weiteren Sachverständigen und auch des Herrn Dr. med. P. auch in diesem Verfahren zu verwerten, obwohl diese Gutachten nicht den vorliegenden Behandlungsfall betreffen, denn es handelt sich dabei um grundsätzliche Erwägungen zur Erfüllung der Mindestmerkmale des hier streitigen OPS 8-985. Die Beklagte hat ihrerseits die Rechnungskürzungen völlig losgelöst vom Behandlungsfall aufgrund einer grundsätzlichen anhand von 10 Patientenakten erstellten Stellungnahme des MDK durchgeführt, so dass sie sich auch die grundsätzlichen Ausführungen der Sachverständigengutachten der Parallelverfahren entgegenhalten lassen muss.

Die Kammer tritt auch den Ausführungen der Beklagten in den Parallelverfahren entgegen, sie hätte im Rahmen der Begutachtung keinen psychiatrischen Sachverstand, sondern lediglich Internisten herangezogen. Hierzu ist zunächst erneut festzuhalten, dass es sich bei dem Qualifizierten Entzug um eine rein internistische Behandlung in einer internistischen Abteilung handelt, so dass die Begutachtung des Behandlungsfalls zur Überzeugung der Kammer auch durch Fachärzte für Innere Medizin durchzuführen ist. Zum anderen hat die Kammer im vorliegenden Verfahren die Beklagte gebeten mitzuteilen, ob Einwände gegen die Beauftragung der vier benannten Sachverständigen bestehen. Solche hat die Beklagte nicht erhoben.

Zu (2):

Die Klägerin erfüllt nach Auffassung der Kammer auch dieses Mindestmerkmal. Nicht bestritten wird von der Beklagten die Erfüllung dieses Merkmals in Bezug auf die somatische Entgiftung, die somatische Befunderhebung mit Behandlung der Folge- und Begleiterkrankungen, die Aufklärung über Abhängigkeitserkrankungen, die soziale Stabilisierung, Motivierung zur Weiterbehandlung und Einleitung suchtspezifischer Anschlussbehandlungen. Insofern erübrigen sich Ausführungen hierzu. Einzig streitig ist die Frage der psychiatrischen Befunderhebung. Die Kammer erachtet für den vorliegenden Behandlungsfall diesen Befund für ausreichend erhoben. Zunächst ist zu bewerten, was der OPS mit der Formulierung "differenzierte somatische und psychiatrische Befunderhebung" für Anforderungen stellt. Die Art und Weise, wie die psychiatrische Befunderhebung erfolgen soll, ist in den OPS-Kriterien nicht genannt. Insofern kann diese nicht genau definiert und der Rahmen der Erhebung nicht klar abgesteckt werden. Die Kammer geht in der Bewertung dieses Kriteriums davon aus, dass das "differenziert" wie auch wörtlich dargestellt vor die Worte "somatisch" und "psychiatrisch" als Ganzes zu stellen ist. Dass heißt, dass eine Differenzierung in der Befunderhebung dahingehend zu erfolgen hat, dass sowohl somatische als auch psychiatrische Befunde zu erheben sind. Die Kammer versteht das Merkmal nicht so, dass eine differenzierte somatische und eine differenzierte psychiatrische Befunderhebung ggf. unter Zuhilfenahme diverser Testverfahren zu erfolgen hat. Vielmehr – und nur so kann die psychiatrische Befunderhebung in einer internistischen Abteilung verstanden werden – kommt es lediglich auf die klassische Erhebung psychiatrischer Befunde im Rahmen einer internistischen Patientenaufnahme an, also Angaben zu Kognition, Gedächtnis, Stimmung, Affekt, Antrieb, Suizidgedanken, Bewusstsein etc ... Diese Parameter sind im vorliegenden Behandlungsfall erhoben worden. Dies ergibt sich bereits aus dem Entlassungsbericht. Hier sind exemplarisch im Rahmen des Aufnahmebefundes genannt: getrübte Bewusstseinslage, depressiv, psychomotorisch verlangsamt sowie weiter: mangelnde Kritikfähigkeit, Tendenz zur Selbstüberschätzung. Dass die Klägerin im vorliegenden Behandlungsfall kein psychiatrisches Konsil angefordert und auch keine psychometrischen Testverfahren durchgeführt hat, hat die Klägerin nach Auffassung der Kammer in eigener ärztlicher Verantwortung eingeschätzt, die hier nicht zu beanstanden ist. Schließlich ist der Patient physisch und psychisch stabilisiert entlassen worden ist.

Zu (3):

Die Klägerin erfüllt des Weiteren das Kriterium des standardisierten suchtmedizinischen und sozialen Assessment zu Beginn der Behandlung und vor Entlassung. Auch hier enthielt der OPS eine Definition dieses Assessments nicht, so dass zu fragen ist, wann das Kriterium als erfüllt anzusehen ist. Die Beklagte meint, die Klägerin werde diesem Assessment zeitlich erst nach dem Behandlungsfall gerecht, in dem sie standardisierte Bögen entworfen hat, die nunmehr Teil der Patientenakte und klar auf das geforderte Assessment schließen lassen. Die Beklagte meint also, es kommt auf die standardisierte Dokumentation der erhobenen Daten und Befunde an. So eng vermag die Kammer dieses Mindestmerkmal nicht auslegen. Die Kammer versteht hierunter vielmehr die standardisierte Erhebung der erforderlichen Parameter, nicht die standardisierte, vordruckartige Dokumentation derselben. Letztere mag zwar wünschenswert sein und die Nachvollziehbarkeit vereinfachen, sie ist gleichwohl nicht zwingend erforderlich. Schließlich lässt bereits der Entlassungsbericht den Behandlungspfad klar erkennen, womit ebenfalls das standardisierte Assessment untermauert wird.

Zu (4):

Hinsichtlich des vierten zu erfüllenden Mindestmerkmals stehen zwischen den Beteiligten lediglich die Elemente "Entspannungsverfahren" sowie Angehörigeninformation und –beratung im Streit. Die Beklagte moniert unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen des MDK, dass die Klägerin keine Entspannungsverfahren anbietet bzw. durchführt. Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die durchgeführte Besinnung bzw. therapeutisch begleitete Wanderungen nicht unter die vom streitigen OPS erforderlichen Entspannungsverfahren zu fassen sind, da es sich nicht um klassische Entspannungsverfahren wie progressive Muskelrelaxion nach Jacobsen oder das autogene Training handele. In der letzten Stellungnahme des MDK heißt es stets "Entspannungsverfahren im engeren Sinn". Dies entspricht nicht dem Wortlaut des OPS und kann auch nicht so verstanden werden. Der OPS gibt schlicht das Wort "Entspannungsverfahren" wieder. Er definiert diese nicht und er benennt auch keine konkret durchzuführenden Verfahren. Der OPS enthält keine bestimmte Art einer Technik und Behandlung. Die Kammer folgt schließlich den Ausführungen des Sachverständigen Herr Dr. med. D., wonach in der Besinnung und den therapeutisch begleiteten Wanderungen sehr wohl ein Entspannungsverfahren im Rahmen des qualifizierten Entzuges zu sehen ist. Dies liegt insbesondere darin begründet, dass die vom MDK benannten Entspannungsverfahren im engeren Sinn bereits vom zeitlichen Umfang des Erlernens dieser Verfahren nicht im Rahmen des in der Regel um die 14 Tage dauernden qualifizierten Entzuges realisierbar sind, sondern es vielmehr um das erste Herantasten an ein Gefühl von Entspannung geht. Die Patienten sollen nach medikamentöser Entgiftung zunächst einmal daran herangeführt werden, dass sich der Körper physisch und psychisch überhaupt entspannen kann, erlernen, was Entspannung heißt. Erst im nachfolgenden Prozess, der sich anschließenden Rehabilitation können sie dann an das Erlernen der klassischen Entspannungsverfahren herangeführt werden, denn hierbei handelt es sich um erlernbare Techniken, die Patienten nach einer Einübungsphase von acht bis zehn Therapiesitzungen in die Lage versetzen sollen, diese selbstständig anzuwenden (So auch Dr. med. P., dessen Ausführungen die Kammer zustimmt). Dies ist für die Kammer nachvollziehbar im Rahmen des qualifizierten Entzuges schlicht nicht erreichbar. Zudem kann die Kammer diesem Mindestmerkmal keine zwingende Forderung entnehmen, dass sämtliche benannten Therapieelemente stets kumulativ erfüllt sein müssen. Die Kammer vermag keinen Ansatz erkennen zur zwingenden Zusammensetzung der Therapieelemente in Häufigkeit und Umfang. Dies begründet sich insbesondere darin, dass es ausdrücklich heißt " ressourcen- und lösungsorientiertes Therapiemanagement unter Einsatz differenzierter Therapieelemente in patientenbezogener Kombination ". Kernpunkt des Ganzen ist mithin der Patient, auf dessen Krankheitspersönlichkeit die Therapie abgestimmt werden soll. Das kann heißen, dass alle Therapieelemente zum Einsatz kommen können, aber nicht müssen. Soweit die Natur und das Krankheitsbild des Patienten ggf. jedoch Anhaltspunkte dafür geben, dass die eine oder andere Behandlung nicht erfolgversprechend durchzuführen ist, so kann nicht verlangt werden, dass man diese gleichwohl durchzuführen hat. Dies wird auch aus dem Wort "Kombination" deutlich. Die Therapieelemente sind folglich anhand der Patientenstruktur zu kombinieren, um das gewünschte Ziel – mithin lösungsorientiert – zu erreichen. Das Kombinieren stellt damit klar, dass aus einer Auswahl von Elementen das mutmaßlich Optimale zusammengestellt und angewendet wird, was im Umkehrschluss gegen die zwingende Erfüllung aller Elemente spricht. Unter Berücksichtigung obiger Ausführungen sind damit Entspannungsverfahren angeboten und durchgeführt worden. Die Möglichkeit des Kombinierens wird auch bei der streitigen Angehörigeninformation und Beratung deutlich. Wäre dies ein zwingend durchzuführendes Element, würde bei Vorliegen aller weiteren Voraussetzungen die Abrechenbarkeit ja bereits dann scheitern, wenn der betreffende Patient keine Angehörigen hat, solche nicht greifbar oder erinnerlich sind oder diese aber nicht zu einer Zusammenarbeit mit der Klägerin bereit sind. Dies kann vom OPS so nicht gewollt sein. Schließlich ist die Kammer ebenso der Auffassung, dass davon auszugehen ist, dass die Angehörigen – soweit diese vorhanden sind und im Rahmen des stationären Aufenthaltes des Patienten begleitend auftreten – über die sehr ausführliche Broschüre und auch Gesprächen hinreichend informiert werden. Zugleich erachtet auch die Kammer eine Dokumentation der Zusammenarbeit mit Angehörigen sowie die Übergabe der Broschüre in der Akte des Patienten nicht für zwingend, da es keine patientenbezogene Dokumentation ist. Schließlich ist hier darauf hinzuweisen, dass der Patient ausweislich des Arztbriefes vom 21. Juli 2006 nur den Bezugstherapeuten als einzige Vertrauensperson angegeben hat und sich dieser zur Zeit im Urlaub befindet. Dies dürfte eine fehlende Einbindung von Angehörigen erklären.

Die Erfüllung des fünften Mindestmerkmals ist zwischen den Beteiligten unstreitig, so dass sich weitere Ausführungen hierzu erübrigen.

Die Klägerin jedenfalls erfüllt zur Überzeugung der erkennenden Kammer die Kriterien des OPS 8-985 und damit der Abrechenbarkeit der DRG V62A.

Der Anspruch auf die Prozesszinsen ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung des § 291 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 2006 - B 3 KR 6/05 R).

Die Beklagte war daher antragsgemäß zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Absatz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt.

Die Streitwertentscheidung beruht auf § 197 a Absatz 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 52 Absatz 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Höhe des Streitwertes ergibt sich aus dem im Klageantrag bezifferten Geldleistungsbetrag – mithin nach der geltend gemachten Klageforderung in Höhe von 1.008,25 Euro.
Rechtskraft
Aus
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