L 13 VG 18/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 9 VG 4/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 VG 18/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 24. März 2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte verpflichtet wird, als Schädigungsfolge Hirnschäden mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung festzustellen und eine Beschädigtenversorgung nach einer MdE/GdS von 100 ab dem 15. Juli 2004 zu gewähren. Der Beklagte hat dem Kläger auch dessen außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit der Berufung wendet sich der Beklagte gegen seine Verurteilung zur Feststellung von Schädigungsfolgen und Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) bzw. einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) - bis zum 20. Dezember 2007 geltende Bezeichnung - von 100 nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Der am 1936 geborene Kläger ist verheiratet und Rentner.

Am 5. Juni 2004 besuchte der Kläger als Zuschauer das Verbandsliga-Aufstiegsspiel zwischen F B und V W, das die Gäste mit 1:0 gewannen. Im Anschluss an das Spiel kam es in der Nähe von der von dem Zeugen M G seinerzeit betriebenen Gaststätte "F B", die der Kläger üblicherweise anlässlich des Besuches von Fußballspielen seines Heimatvereines aufsuchte, zu einer verbalen Auseinandersetzung mit dem 1968 geborenen Zeugen T R, der selbst Anhänger des Vereins V W ist. Aufgrund der von dem Zeugen R getätigten Äußerung "Lass mich in Ruhe, du Penner", soll der Kläger den Zeugen mit den Worten "Du musst eine Mutter als Hure haben" beschimpft haben, woraufhin der Zeugen R dem Kläger eine Ohrfeige mit der flachen Hand versetzte. Im Anschluss fiel der Kläger um und blieb regungslos und aus den Ohren blutend auf dem Betonboden liegen. Der bewusstlose Kläger wurde durch den Zeugen J K, der den Vorgang teilweise beobachtet hatte, erstversorgt und sodann durch den von diesem herbeigerufenen Notarzt in das E-v-B Krankenhaus, P, verbracht. In der Folgezeit befand sich der Kläger bis zum 15. Juli 2004 im C -Klinikum, Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie, und sodann bis zum 30. November 2004 in der Reha-Klinik G. Seit dem 30. November 2004 lebt der Kläger in der Pflegeeinrichtung " in P. Er erhält Leistungen der Pflegestufe III. Zu seinen Gunsten ist durch den Beklagten seit dem 24. August 2004 ein Grad der Behinderung von 100 anerkannt sowie die Merkzeichen "B", "G", "aG", und "H".

Das auf Veranlassung der Polizei gegen den Zeugen R eingeleitete Strafverfahren wurde mit Beschluss des Amtsgerichts P vom 14. Februar 2005 gemäß § 153 a Abs. 2 der Strafprozessordnung gegen Zahlung einer Geldbuße von 500,- EUR an den Kläger endgültig eingestellt.

Den zuvor gestellten Antrag des Klägers vom 15. Juli 2004 auf Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach dem OEG lehnte der Beklagte nach Beiziehung von medizinischen sowie polizei- und staatsanwaltschaftlichen (Ermittlungs-)Unterlagen mit Bescheid vom 8. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2006 ab. Der Gewährung einer Versorgung des Klägers als Opfer eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffes stünden Ausschlussgründe gemäß § 2 Abs. 1 OEG entgehen. Denn der Kläger habe zumindest eine für die Schädigung gleichwertige Ursache gesetzt, indem er den Angriff durch eine verbale, gewichtige Beleidigung herausgefordert habe. Die Ohrfeige sei nicht von einer solchen Intensität gewesen, dass äußere sichtbare Verletzungen bestanden hätten. Der Kläger sei zum Zeitpunkt der Tat alkoholisiert gewesen und dann aus nicht mehr aufklärbaren Gründen nach hinten gefallen und hätte sich dabei die schweren Verletzungen zugezogen.

Mit seiner vor dem Sozialgericht Potsdam am 7. März 2006 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Das Sozialgericht hat die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft P, das vom Amtsgericht P - Vormundschaftsgericht - eingeholte nervenärztliche Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H vom 2. Februar 2005, Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte, die Sozialversicherungsausweise des Klägers betreffend den Zeitraum von 1966 bis 1989 sowie bzgl. Vorerkrankungszeiten Unterlagen der und der kasse beigezogen und sodann im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11. Juni 2009 die Zeugen R, K und G vernommen.

Sodann hat das Sozialgericht die Fachärztin für Gerichtliche Medizin Oberärztin Dr. M vom Binstitut für Rechtsmedizin mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens nach Aktenlage beauftragt. In ihrem Sachverständigengutachten vom 2. November 2010 gelangte die Sachverständige zu der Einschätzung, dass im Allgemeinen der Impuls einer Ohrfeige nicht ausreiche, um einen derart schweren Sturz eines erwachsenen Mannes zu erzeugen. Der Ohrfeige komme jedoch eine wesentliche Mitursache für den Sturz und den daraus resultierenden Gesundheitsschäden (Z. n. Schädel-Hirn-Verletzung II. bis III. Grades, schweres hirnorganisches Psychosyndrom mit Orientierungsstörungen und mnestsishen Störungen sowie Störungen der Kritik- und Urteilsfähigkeit und spastisch beinbetonte Lähmung aller Gliedmaßen - Tetraparese - sowie zumindest V. a. neuropsychologische Defizite im Sinne einer Sprechstörung – Aphasie - und einer Störung von Handlungen und Bewegungsabläufen - Apraxie -) zu. Wahrscheinlich sei der Sturz durch heftige Abwehr- und Ausweichreaktionen herbeibeführt worden. Weder das hohe Lebensalter noch die bereits bestandene Herzkrankheit, noch der leichte Alkoholisierungsgrad seien allein oder in Kombination geeignet, das schwere Sturzgeschehen mit seinen Folgen zu erklären. Insbesondere lägen auch keine Hinweise etwa auf eine akute kardiale Dekompensation mit plötzlicher Atemnot vor; Anzeichen für einen Schlaganfall, Herzinfarkt oder Synkopen gäbe es nicht. Der GdS sei mit 100 zu bewerten. In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 3. Februar 2011 hat die Sachverständige auf die gegen ihr Gutachten erhobenen Einwände des Beklagten ausgeführt, dass auch die detaillierten Ausführungen des Zeugen R in der mündlichen Verhandlung vom 11. Juni 2009 zu keiner anderen Einschätzung führen würden. Soweit der Zeuge R ausgeführt habe, der Kläger habe nach der Ohrfeige kurz innegehalten, um dann im selben Moment "wie vom Blitz getroffen, wie ein Brett, rückwärts, gerade und ungebremst" auf den Boden aufzuschlagen, sei diese Schilderung nicht geeignet, eine akute kardiale Dekompensation, die den schweren Sturz induziert habe, mit Wahrscheinlichkeit zu begründen.

Mit Urteil vom 24. März 2011 hat das Sozialgericht Potsdam den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 8. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2006 verurteilt, Schädigungsfolgen nach dem OEG festzustellen und dem Kläger Beschädigtenversorgung nach einer MdE bzw. einem GdS von 100 zu gewähren. Dem Anspruch nach § 1 OEG stünden keine Versagungsgründe nach § 2 Abs. 1 OEG entgegen. Auch wenn der Kläger den Zeugen R im Rahmen der Auseinandersetzung verbal provozierend beleidigt habe, stelle dieser Umstand im Vergleich zu der durch den Zeugen R begangenen Körperverletzung keine wesentliche, d. h. annährend gleichwertige, Ursache dar, die unter dem Gesichtspunkt der Mitverursachung zum Anspruchsausschluss führe. Die Gewährung einer Entschädigung sei auch nicht unbillig. Verbalbeleidigungen seien bei dem unter Fußballanhängern eher rauen Umgangston nicht sozialuntypisch. Der Kläger habe deswegen nicht damit rechnen müssen, Opfer einer Körperverletzung zu werden. Die Ohrfeige sei auch, wie die Sachverständige Dr. M überzeugend ausgeführt habe, wesentliche Ursache für den Sturz und den daraus resultierenden schwersten Gesundheitsschäden. Dass andere, annähernd gleichwertige bzw. überwiegend ereignisfremde Ursachen für den Eintritt der Schädigungsfolgen aus medizinischer Sicht auszuschließen seien, habe die Sachverständige ebenfalls überzeugend dargelegt. Nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen sei für die eingetretene Gesundheitsstörung eine MdE bzw. ein GdS von 100 zu gewähren.

Gegen das ihm am 2. Mai 2011 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 31. Mai 2011 Berufung eingelegt.

Er ist der Auffassung, dass das Sozialgericht die Umstände des Vorliegens eines Versagungsgrundes gemäß § 2 Abs. 1 OEG nicht ausreichend gewürdigt habe. Die von dem Kläger geäu-ßerte Beleidigung der Mutter des Zeugen R überschreite auch den im Fußballmilieu rauen Umgangston. Zudem könne der Wertung des Sozialgerichts, dass die Ohrfeige wesentliche Ursache für den Sturz und den Eintritt der Schädigungsfolgen sei, nicht gefolgt werden. Die Sachverständige Dr. M habe ausgeführt, dass die Ohrfeige eine Ursache für den Sturz und seine Folgen sei. Dass dieser Ursache eine überragende Bedeutung zukomme sei von der Sachverständigen nicht ausgeführt worden. Aus deren Gutachten ergäbe sich nicht, dass die Ohrfeige wesentlich zum Eintritt des Erfolges mitgewirkt habe. Unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen seien die Gründe für den Sturz letztlich unklar.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 24. März 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten und die Sitzungsniederschriften sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist zutreffend, denn der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 8. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2006 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung von Schädigungsfolgen und zwar in Form von Hirnschäden mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung und Gewährung einer Beschädigtenver-sorgung nach einer MdE bzw. einem GdS von 100 ab dem 15. Juli 2004, § 1 OEG i. V. m. §§ 30, 31 BVG. Die Berufung des Beklagten war daher mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die im Tenor des Senats genannten Schädigungsfolgen durch den Beklagten festzustellen und eine Beschädigtenversorgung ab Antragstellung am 15. Juli 2004 zu gewähren ist.

Der Kläger gehört nach den auch zwischen den Beteiligten unstrittigen Feststellungen des Sozialgerichts als Opfer eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person infolge der durch den Zeugen R am 5. Juni 2004 begangenen vorsätzlichen Körperverletzung nach §§ 223 ff. des Strafgesetzbuches zum Personenkreis des § 1 OEG, so dass ihm wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der hierdurch erlittenen Schädigung Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG gegen den Beklagten (vgl. § 4 OEG) zusteht.

Dem Anspruch stehen keine Versagungsgründe im Sinne des § 2 Abs. 1 OEG entgegen. Weder hat der Kläger als Geschädigter die Schädigung selbst (mit-)verursacht noch ist es aus sonstigen, insbesondere in dem eigenen Verhalten des Geschädigten liegenden Gründen unbillig, Entschädigung zu gewähren. Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts gemäß § 153 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Bezug und sieht daher von einer weiteren Darlegung in den Gründen ab. Das Berufungsvorbringen des Beklagten rechtfertigt eine andere Einschätzung nicht. Dabei kann letztlich dahinstehen, wer die Ursache für die verbale Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und dem Zeugen R gesetzt hat und welche Intensität die ausgetauschten Verbalbeleidigungen erreicht haben. Denn die vom Kläger vermeintlich geäußerte Beleidigung ist nicht nur annähernd vergleichbar mit dem alsdann von dem Zeugen R verübten Angriff auf die körperliche Unversehrtheit des Klägers. Durch diese begangene Körperverletzung ist der Auseinandersetzung eine neue und verschärfende Qualität gegeben worden. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Gewährung von staatlichen Entschädigungsleistungen daher auch nicht als unbillig.

Entgegen der Einschätzung des Berufungsvorbringens sind die festgestellten gesundheitlichen Schädigungen des Klägers auch durch den Angriff vom 5. Juni 2004 verursacht worden; sie führen zur Anerkennung von Schädigungsfolgen mit einer MdE bzw. einem GdS von 100 und Zahlung einer entsprechenden Beschädigtenversorgung.

Nach §§ 1 Abs. 1 Satz 1 OEG, 1 Abs. 3 Satz 1 BVG genügt zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Eine (hinreichende) Wahrscheinlichkeit in diesem Sinn ist dann gegeben, wenn nach der geltenden ärztlichen wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beitragen, sind sie versor-gungsrechtlich nur dann nebeneinander stehende Mitursachen, (und wie Ursachen zu werten) wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig sind.

Dies zu Grunde gelegt folgt der Senat der Einschätzung des Sozialgerichts auch insoweit, als dass durch die Ohrfeige die wesentliche Ursache für den Sturz und den anschließenden Eintritt der Schädigungsfolgen gesetzt worden, wie sie durch die Sachverständige Dr. M in ihrem Gutachten in einzelnen beschrieben werden. Das Sozialgericht hat sich zur Begründung des ursächlichen Zusammenhangs im Wesentlichen auf das Gutachten der Sachverständigen Dr. M gestützt, die auch zur Überzeugung des Senats schlüssig und nachvollziehbar dargelegt hat, dass durch den Schlag ins Gesicht der Sturz und dadurch die erheblichen Schädigungsfolgen maßgeblich verursacht worden sind. Die Sachverständige hat dabei insbesondere in Auswertung der vorliegenden medizinischen Erkenntnisse überzeugend ausgeführt, dass andere Ursa-chen wie das Lebensalter des Klägers, der leichte Alkoholisierungsgrad zur Zeit des schädigenden Ereignisses sowie die vorbestehende Herzerkrankung mangels akuter Dekompensation oder sonstiger Anzeichen wie Schlaganfall, Herzinfarkt oder Synkopen nicht geeignet sind, das schwere Sturzgeschehen zu erklären. Sie sind mithin jeweils für sich betrachtet in Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges nicht annährend gleichwertig. Dem steht nicht die Aussage des Zeugen R in seiner Vernehmung durch das Sozialgericht entgegen, wonach der Kläger erst nach einem heftigen Pusten und kurzem Innehalten "wie vom Blitz getroffen wie ein Brett rückwärts gerade und ungebremst" auf den Boden aufgeschlagen sei. Auch ein solches Geschehen als wahr unterstellt, lässt zur Überzeugung des Senats den Schluss auf eine zumindest gleichwertige Ursache für den Eintritt des Erfolges nicht zu. Denn auch insoweit hat die Sachverständige Dr. M in ihrer ergänzenden Stellungnahme ausgeführt, dass ein derartiger Geschehensablauf nicht geeignet ist, eine kardiale Dekompensation mit Wahrscheinlichkeit zu begründen. Sie hat mithin zum Ausdruck gebracht, dass nicht von einer zumindest gleichgewichtigen Ursache ausgegangen werden kann. Ob sich das Geschehen auch tatsächlich so, wie von dem Zeugen R beschrieben, abgespielt hat, kann angesichts dessen dahinstehen. Entscheidend ist allein, dass durch die Ohrfeige die wesentliche Ursache gesetzt wurde und dass andere zumindest gleichwertige Ursachen zum Erfolg nicht beigetragen haben. Dies steht in Auswertung des Sachverständigengutachtens und mangels anderweitiger medizinischer Erkenntnisse, die Anlass böten, die Feststellungen und Bewertungen der Sachverständigen in Zweifel zu ziehen, auch zur Überzeugung des Senats fest.

Die den Sturz auslösende Ohrfeige hat zu Schädigungsfolgen geführt, die mit einer MdE bzw. einem GdS von 100 ab Antragstellung am 15. Juli 2004 zu bewerten sind. Gemäß §§ 1 Abs. 1 Satz 1 OEG, 30 Abs. 1 Satz 1 BVG ist die MdE bzw. der GdS nach den allgemeinen Auswir-kungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensberei-chen zu beurteilen. Die MdE bzw. der GdS ist gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 BVG nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Bei der Beurteilung der MdE bzw. des GdS sind vorliegend für die Zeit bis zum 31. Dezember 2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" in ihrer jeweils geltenden Fassung (hier für die Zeit ab Antragstellung am 15. Juli 2004 die Fas-sungen der AHP 2004, 2005 und zuletzt 2008) zu beachten, die für die Zeit ab dem 1. Januar 2009 - auf der Grundlage des § 30 Abs. 17 BVG - durch die Anlage zu § 2 der Versorgungs-medizinverordnung vom 10. Dezember 2008 (VersMedV), zuletzt geändert durch Verordnung vom 28. Oktober 2011, abgelöst worden sind. Die auf den Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft fußenden AHP haben normähnlichen Charakter und sind nach ständiger Rechtsprechung wie untergesetzliche Normen heranzuziehen, um eine möglichst gleichmäßige Handhabung der in ihnen niedergelegten Maßstäbe im gesamten Bundesgebiet zu gewährleisten (BSG, Urteil vom 12. Juni 2003 – B 9 VG 1/02 RBSGE 91, 107), weshalb sich der Senat für die Zeit bis zum 31. Dezember 2008 auf die genannten AHP stützt. Für die Zeit ab 1. Januar 2009 ist für die Verwaltung und die Gerichte die Anlage zu § 2 VersMedV maßgeblich.

Hiervon ausgehend ist im Fall des Klägers eine MdE bzw. ein GdS von 100 ab dem 15. Juli 2004 gerechtfertigt. Nach Teil A Nr. 26.3 AHP 2004, 2005, 2008, S. 41, bzw. Teil B Nr. 3.1.1 sowie Nr. 3.1.2 der Anlage zu § 2 VersMedV, S. 36, sind Hirnschäden mit schwerer Leis-tungsbeeinträchtigung bzw. schwere Hirnschäden mit einer MdE bzw. einem GdS von 70 bis 100 zu bewerten. Der Senat folgt der Einschätzung der Sachverständigen Dr. M, dass die infolge des tätlichen Angriffes erlittenen Schädigungsfolgen mit schwersten Störungen, wie sie von ihr in ihrem Gutachten beschrieben werden, einen Schädigungsgrad erreichen, der mit dem Maximalwert von 100 zu bewerten ist. Dieser Bewertung ist auch der Beklagte nicht entgegengetreten.

Die Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach einer MdE bzw. einem GdS von 100 folgt aus § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG; § 31 BVG.

Angesichts vorstehender Ausführungen war die Berufung mit den aus dem Tenor des Senats ersichtlichen Maßgaben zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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