L 1 KR 13/12

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 18 KR 597/08
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 13/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Berufung gegen das Urteil eines Sozialgerichts hat nicht nur insoweit aufschiebende Wirkung, als
laufende Leistungen zum Lebensunterhalt für die Zeit vor Erlass des Urteils betroffen sind. Vielmehr meint 154
Abs. 2 SGG auch einmalige Erstattungen, soweit sie für die Zeit vor Erlass des Urteils des Sozialgerichts
bestimmt sind.
I. Der Antrag vom 24. Januar 2012 auf Aussetzung der Vollstreckung aus dem mit der Berufung angefochtenen Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 23. November 2011 wird verworfen.

II. Die Beklagte und Berufungsklägerin hat der Klägerin und Berufungsbeklagten die außergerichtlichen Kosten des Aussetzungsverfahrens zu erstatten.

Gründe:

Der Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts Dresden (SG) vom 24.01.2012 ist unzulässig.

Gemäß § 199 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann, wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat, d. Vorsitzende des Gerichts, das über das Rechtsmittel zu entscheiden hat, die Vollstreckung durch einstweilige Anordnung aussetzen. Die Statthaftigkeit des Antrags setzt hiernach voraus, dass das eingelegte Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat und ein vollstreckbarer Titel i. S. d. § 199 Abs. 1 SGG vorliegt.

Die gegen das Urteil des SG eingelegte Berufung der Beklagten und Berufungsklägerin (im Folgenden: Beklagte) hat jedoch gemäß § 154 Abs. 2 SGG aufschiebende Wirkung. Nach dieser Vorschrift haben die Berufung und die Beschwerde nach § 144 Abs. 1 eines Versicherungsträgers oder in der Kriegsopferversorgung eines Landes aufschiebende Wirkung, soweit es sich um Beträge handelt, die für die Zeit vor Erlass des angefochtenen Urteils nachgezahlt werden sollen. Diese Voraussetzungen liegen vor.

Die Beklagte ist als Träger der Sozialversicherung im Sinne von § 29 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) Versicherungsträger im Sinne des Gesetzes und hat Berufung eingelegt. Ferner ist sie zur Erstattung von Leistungen in Geld verurteilt worden, da sie mit dem Urteil des SG vom 23. November 2011 verpflichtet worden ist, der Klägerin und Berufungsbeklagten (im Folgenden: Klägerin) bis zur Höhe der bis zum 31.12.2007 geltenden Festbeträge die für die Beschaffung zweier Kontaktlinsen bereits verauslagten Kosten zu erstatten und es handelt sich hierbei um Beträge, die für die Zeit vor Erlass des angefochtenen Urteils nachgezahlt werden sollen.

Zwar meint § 154 Abs. 2 SGG vorrangig Verfahren, in welchen um laufende Leistungen (zum Lebensunterhalt) insbesondere eines Versicherungsträgers gestritten wird und berücksichtigt, dass § 154 SGG zwar den laufenden Unterhalt eines Leistungsempfängers sicherstellen soll, dies für in der Vergangenheit liegende Zeiträume jedoch nicht möglich ist (einhellige Meinung, vgl. Keller in Meyer-Ladewig u.a., Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 9. Auflage 2008, § 154 Rn. 3 m.w.N.). § 154 Abs. 2 SGG betrifft jedoch nicht nur laufende Geldzahlungen, sondern auch einmalige Erstattungen (a.a.O.), soweit sie - wie vorliegend - für die Zeit vor Erlass des Urteils bestimmt sind. Der Wortlaut der Vorschrift steht dem nicht entgegen; soweit sie von "Beträgen" spricht, können dies ebenso laufende wie einmalige Zahlungen sein. Auch Sinn und Zweck des § 154 Abs. 2 SGG sprechen nicht gegen diese Auslegung. Die Vorschrift regelt zwar eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass derjenige, der vor dem Sozialgericht gewonnen hat, die ihm zugesprochenen Leistungen auch dann erhält, wenn Berufung eingelegt wird. Sein Lebensunterhalt soll jedoch nur für die Zukunft sichergestellt werden (s. o.) und Nachzahlungen für die Zeit vor Urteilserlass sollen erst bei Rechtskraft erfolgen. Ein Grund, aufgrund dessen eine Zahlung, die einmalige Leistung betrifft, anders behandelt werden sollten als Nachzahlungen aus wiederkehrenden Leistungen, ist nicht ersichtlich (ebenso Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 22.08.2000 - L 6 KN 385/00 KR ER, Rn. 16 ff.).

Damit hat die von der Beklagten eingelegte Berufung aufschiebende Wirkung und die Beklagte hat die Rechtsposition, die ihr durch eine einstweilige Anordnung nach § 199 Abs. 2 SGG eingeräumt werden könnte, bereits inne. Damit fehlt ihrem Antrag auf Erlass einer solchen einstweiligen Anordnung das Rechtsschutzbedürfnis.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Da es sich bei dem Antragsverfahren nach § 199 Abs. 2 SGG um ein selbständiges Verfahren handelt, auf das grundsätzlich alle Vorschriften und Rechtsgrundsätze Anwendung finden , die für selbständige Verfahren gelten, war über die Kosten dieses Verfahrens gesondert zu entscheiden (so auch BSG, Beschluss vom 06.08.1999 - B 4 RA 25/98, RdNr. 36 m.w.N.).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

Klotzbücher Vizepräsidentin des Sächs. LSG
Rechtskraft
Aus
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