Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 1497/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 1314/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 27. Januar 2011 aufgehoben und der Antragstellerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Ju. für das Klageverfahren S 3 AS 1497/10 ab 22. März 2011 ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt; im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 SGG), auch im Übrigen zulässig und überwiegend begründet. Das SG hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) zwar zu Recht mit Beschluss vom 27. Januar 2011 abgelehnt; mit der im Anschluss hieran am 22. März 2011 vorgelegten Klagebegründung -die auch im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen ist- besteht aber eine hinreichende Erfolgsaussicht.
Nach § 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO erhält ein Beteiligter auf Antrag PKH, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist - wie in den Tatsacheninstanzen der Sozialgerichtsbarkeit - eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht vorgeschrieben, wird auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet, wenn diese Vertretung erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO). Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung des § 114 ZPO dem aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gebot entsprechen soll, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen. Daher dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden; hinreichende Erfolgsaussicht ist z. B. zu bejahen, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der die PKH begehrenden Partei ausgehen wird (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 29. September 2004 - 1 BvR 1281/04, Beschluss vom 14. April 2003 - 1 BvR 1998/02 und Beschluss vom 12. Januar 1993 - 2 BvR 1584/92 - alle veröffentlicht in Juris; Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 - SozR 3-1500 § 62 Nr. 19, veröffentlicht auch in Juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7a m.w.N.) Wirft der Rechtsstreit hingegen eine Rechtsfrage auf, die in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, aber klärungsbedürftig ist, liegt hinreichende Erfolgsaussicht ebenfalls vor; in diesem Fall muss PKH bewilligt werden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7b unter Hinweis auf die Rspr. des BVerfG).
Dem von der Klägerin geltend gemachten Mehrbedarf für notwendige Arztbesuche kann die Erfolgsaussicht nach Vorlage der Klagebegründung nicht abgesprochen werden. Gem. § 21 Abs. 6 SGB II ist ein Mehrbedarf anzuerkennen, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Dies kann auch ein krankheits- oder behinderungsbedingter, erhöhter Mobilitätsbedarf sein, z. B. für Arztbesuche (vgl. Münder, Kommentar zum SGB II, 4. Auflage, § 21 SGB II Rdnr. 43 m.w.N.). Die Klägerin hat hierzu in der Klagebegründung detailliert vorgetragen, es seien häufige Facharztbesuche in der Umgebung ihres Wohnsitzes (Al.) notwendig gewesen. Ihre Hausärztin habe sie u.a. wegen chronischer Erkrankungen an Fachärzte überwiesen. Sie hat die einzelnen Behandlungstage und Orte der Fachärzte benannt. Eine hinreichende Erfolgsaussicht für den geltend gemachten Anspruch ist damit gegeben, zumal -nach Vorlage einer Erklärung über die Befreiung von der ärztlichen Schweigepflicht- Ermittlungen zur Unabweisbarkeit des geltend gemachten Bedarfes erforderlich erscheinen -ohne dass Anhaltspunkte dafür bestehen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der Antragstellerin ausgehen werden- und die rechtlichen Maßstäbe -auch in Ansehung der Ansprüche der Antragstellerin gegen die gegebenenfalls beizuladende Krankenkasse (vgl. § 60 SGB V)- noch nicht (auch höchstrichterlich) geklärt sind. Die Rechtsverfolgung erscheint auch nicht mutwillig; eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich. Die Antragstellerin ist auch bedürftig im Sinne der Vorschriften der PKH.
Die nachträglich vorgelegte Klagebegründung ist im Beschwerdeverfahren auch zu berücksichtigen. Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates auch für das Beschwerdegericht der Eintritt der -erstinstanzlichen- Bewilligungsreife der für die Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht maßgebende Zeitpunkt (beispielhaft Beschluss vom 27. Februar 2009, L 13 AS 4995/08 PKH-B, veröffentlich in Juris) und dieser tritt regelmäßig (bereits) mit der Vorlage der vollständigen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse samt Belegen und der Anhörung des Gegners ein. Hiernach müsste die Beschwerde gegen den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen werden, da das SG noch zum (späteren) Zeitpunkt seiner Entscheidung zu Recht eine hinreichende Erfolgsaussicht verneint hat. Doch sind im Beschwerdeverfahren -zugunsten des Beteiligten- neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, wozu auch neuer Vortrag gehört, gem. § 202 SGG i.V.m. § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage, § 176 SGG Rdnr. 4; speziell zur PKH Thomas/Putzo, Kommentar zur ZPO, 32. Auflage, § 127 Rdnr. 3 m.w.N.; Zöller, Kommentar zur ZPO, 29. Auflage, § 127 Rdnr. 34; unklar Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 5. Auflage, Rdnr. 895 einerseits und Rdnr. 897 andererseits) zu berücksichtigen. Der neue Vortrag muss somit Beachtung finden. Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung ist danach zu bejahen (s.o.). Da eine hinreichende Erfolgsaussicht erst mit dem neuen Angriffsmittel durch den Vortrag in der erst im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vorgelegten Klagebegründung eingetreten ist, kann PKH aber erst ab diesem Zeitpunkt bewilligt werden, so dass die unbeschränkt erhobene Beschwerde teilweise unbegründet ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 SGG), auch im Übrigen zulässig und überwiegend begründet. Das SG hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) zwar zu Recht mit Beschluss vom 27. Januar 2011 abgelehnt; mit der im Anschluss hieran am 22. März 2011 vorgelegten Klagebegründung -die auch im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen ist- besteht aber eine hinreichende Erfolgsaussicht.
Nach § 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO erhält ein Beteiligter auf Antrag PKH, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist - wie in den Tatsacheninstanzen der Sozialgerichtsbarkeit - eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht vorgeschrieben, wird auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet, wenn diese Vertretung erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO). Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung des § 114 ZPO dem aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gebot entsprechen soll, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen. Daher dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden; hinreichende Erfolgsaussicht ist z. B. zu bejahen, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der die PKH begehrenden Partei ausgehen wird (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 29. September 2004 - 1 BvR 1281/04, Beschluss vom 14. April 2003 - 1 BvR 1998/02 und Beschluss vom 12. Januar 1993 - 2 BvR 1584/92 - alle veröffentlicht in Juris; Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 - SozR 3-1500 § 62 Nr. 19, veröffentlicht auch in Juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7a m.w.N.) Wirft der Rechtsstreit hingegen eine Rechtsfrage auf, die in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, aber klärungsbedürftig ist, liegt hinreichende Erfolgsaussicht ebenfalls vor; in diesem Fall muss PKH bewilligt werden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7b unter Hinweis auf die Rspr. des BVerfG).
Dem von der Klägerin geltend gemachten Mehrbedarf für notwendige Arztbesuche kann die Erfolgsaussicht nach Vorlage der Klagebegründung nicht abgesprochen werden. Gem. § 21 Abs. 6 SGB II ist ein Mehrbedarf anzuerkennen, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Dies kann auch ein krankheits- oder behinderungsbedingter, erhöhter Mobilitätsbedarf sein, z. B. für Arztbesuche (vgl. Münder, Kommentar zum SGB II, 4. Auflage, § 21 SGB II Rdnr. 43 m.w.N.). Die Klägerin hat hierzu in der Klagebegründung detailliert vorgetragen, es seien häufige Facharztbesuche in der Umgebung ihres Wohnsitzes (Al.) notwendig gewesen. Ihre Hausärztin habe sie u.a. wegen chronischer Erkrankungen an Fachärzte überwiesen. Sie hat die einzelnen Behandlungstage und Orte der Fachärzte benannt. Eine hinreichende Erfolgsaussicht für den geltend gemachten Anspruch ist damit gegeben, zumal -nach Vorlage einer Erklärung über die Befreiung von der ärztlichen Schweigepflicht- Ermittlungen zur Unabweisbarkeit des geltend gemachten Bedarfes erforderlich erscheinen -ohne dass Anhaltspunkte dafür bestehen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der Antragstellerin ausgehen werden- und die rechtlichen Maßstäbe -auch in Ansehung der Ansprüche der Antragstellerin gegen die gegebenenfalls beizuladende Krankenkasse (vgl. § 60 SGB V)- noch nicht (auch höchstrichterlich) geklärt sind. Die Rechtsverfolgung erscheint auch nicht mutwillig; eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich. Die Antragstellerin ist auch bedürftig im Sinne der Vorschriften der PKH.
Die nachträglich vorgelegte Klagebegründung ist im Beschwerdeverfahren auch zu berücksichtigen. Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates auch für das Beschwerdegericht der Eintritt der -erstinstanzlichen- Bewilligungsreife der für die Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht maßgebende Zeitpunkt (beispielhaft Beschluss vom 27. Februar 2009, L 13 AS 4995/08 PKH-B, veröffentlich in Juris) und dieser tritt regelmäßig (bereits) mit der Vorlage der vollständigen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse samt Belegen und der Anhörung des Gegners ein. Hiernach müsste die Beschwerde gegen den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen werden, da das SG noch zum (späteren) Zeitpunkt seiner Entscheidung zu Recht eine hinreichende Erfolgsaussicht verneint hat. Doch sind im Beschwerdeverfahren -zugunsten des Beteiligten- neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, wozu auch neuer Vortrag gehört, gem. § 202 SGG i.V.m. § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage, § 176 SGG Rdnr. 4; speziell zur PKH Thomas/Putzo, Kommentar zur ZPO, 32. Auflage, § 127 Rdnr. 3 m.w.N.; Zöller, Kommentar zur ZPO, 29. Auflage, § 127 Rdnr. 34; unklar Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 5. Auflage, Rdnr. 895 einerseits und Rdnr. 897 andererseits) zu berücksichtigen. Der neue Vortrag muss somit Beachtung finden. Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung ist danach zu bejahen (s.o.). Da eine hinreichende Erfolgsaussicht erst mit dem neuen Angriffsmittel durch den Vortrag in der erst im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vorgelegten Klagebegründung eingetreten ist, kann PKH aber erst ab diesem Zeitpunkt bewilligt werden, so dass die unbeschränkt erhobene Beschwerde teilweise unbegründet ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved