Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Altenburg (FST)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 4 KR 1777/10
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 1159/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 4. August 2010 wird zurückgewiesen. Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar.
Gründe:
I.
Die Beschwerde richtet sich gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Altenburg (Az.: S 4 KR 1777/10). Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Versorgung mit einem Therapiedreirad hat.
Der 1998 geborene Kläger leidet u.a. an einer schweren komplexen Entwicklungsretardierung und symptomatischer Epilepsie infolge frühkindlicher Hirnschädigung. Er lebt wochentags in einer Behinderteneinrichtung, in der er betreut wird.
Er beantragte erstmals im Juni 2006 die Versorgung mit einem Therapiedreirad unter Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung der Dr. T. vom 23. Mai 2006. Diese lehnte die Beklagte nach Einholung eines Gutachtens des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Thüringen e.V. mit Bescheid vom 17. Oktober 2006 wegen fehlender Notwendigkeit ab. Im Juni 2008 beantragte der Kläger unter Vorlage einer Verordnung der KMG Rehabilitationszentrum S. GmbH vom 4. März 2008 die Versorgung mit einem Therapie-Tandem Copilot 3. Als Diagnosen werden dort genannt: Epilepsie mit komplettem fokalen Anfällen, komplette Entwicklungsretardierung, leichte Gangstörung, schwere psychomentale Retardierung. Als Begründung für die Verordnung werden genannt: Koordinationsschulung, Steigerung der Eigenaktivität, Gewichtsreduzierung, Förderung der Mobilität in allen Gelenken, Erhalt des Ist-Zustandes. Die Beklagte holte ein Gutachten des MDK vom 8. September 2008 ein, wonach das beantragte Therapie-Tandem nicht geeignet ist, sämtliche direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen. Der Kläger könne sich, da er nicht gehbehindert sei, in abgegrenzten Gebieten wie in Wohnräumen sowie in den Räumen der Schule selbstständig bewegen. Zusammenfassend werde festgestellt, dass für die Mobilisierung des Versicherten - mit dem Ziel der sportlichen Betätigung bei Übergewicht - auch ein handelsübliches Drei- oder Kinderfahrrad mit Stützrädern genutzt werden können. Mit Bescheiden vom 19. September und 13. Oktober 2008 lehnte die Beklagte die Erbringung eines Therapierades als Sachleistung ab.
Im Oktober 2009 beantragte er unter Vorlage einer Verordnung der Dr. T. vom 3. August 2009 über ein Therapiedreirad nach individueller Anpassung (Diagnosen: spastische Tetraplegie) und eines Kostenvoranschlages der ORTHOVITAL GmbH über ein Therapie-Dreirad-Tandem Copilot 3/26 im Sonderbau vom 8. Oktober 2009 in Höhe von 4.745,72 EUR die Versorgung mit einem solchen.
Mit Bescheid vom 15. Oktober 2009 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab und verwies auf ihre Bescheide vom 13. Oktober 2008, 19. September 2008 und 17. Oktober 2006, in denen die Ablehnung zur Kostenübernahme ausführlich begründet worden sei. Im Widerspruchsverfahren fragte die Beklagte bei Dr. T. an, ob der Kläger mit einem Therapiedreirad oder einem Therapie-Dreirad-Tandem versorgt werden solle, warum die Versorgung medizinisch erforderlich sei, ob sich neue medizinische Aspekte ergeben hätten und was mit dem Einsatz des Therapierades erreicht werden solle. In diesem Zusammenhang werde auch um Vorlage aktueller Befundberichte mit Angabe des Therapiezieles gebeten. Hierauf teilte Dr. T. mit Schreiben vom 12. Januar 2010 mit, der Kläger leide an einer seltenen Form der Epilepsie, die zu einem zunehmenden kognitiven Verlust führe. Aufgrund der notwendigen Medikamente komme es zur ständigen Gewichtszunahme. Auch die motorischen Funktionen würden immer schlechter. Besondere Probleme machten Aufgaben mit erhöhter Anforderung an die Koordination. Er müsse bei allem kontrolliert und überwacht werden. Deshalb sei ein Therapiedreirad als Tandem ein wichtiges Hilfsmittel, das die motorischen Funktionen fördern und der Gewichtszunahme entgegenwirken solle. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und verwies u ...a. auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21. November 2002 - Az.: B 3 KR 8/02 R.
Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, aufgrund seiner schweren geistigen Behinderung sei eine zielgerichtete Fortbewegung nicht möglich. Deshalb benötige er das Therapiedreirad. Nur so könnten Koordination und Motorik nicht nur verbessert, sondern geübt werden. Das Therapierad sei im vorliegenden Fall erforderlich, den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern bzw. auch eine Behinderung auszugleichen. Anderweitige Hilfsmittel gebe es insofern nicht. Soweit die Beklagte auf die Rechtsprechung des BSG verweise, sei festzustellen, dass diese Rechtsprechung sicherlich nicht mehr aktuell sei und es hier nicht um ein Therapietandem sondern um ein Therapiedreirad ginge, das von ihm selbst zu steuern sei. Eine regelmäßige Krankengymnastik sei nicht ausreichend.
Am 8. Juni 2010 hat der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt T. beantragt. Mit Beschluss vom 4. August 2010 hat das Sozialgericht (SG) die Gewährung von Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussichten abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, die Versorgung mit einem Therapie-Dreirad-Tandem sei nicht erforderlich, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen.
Hiergegen hat der Kläger Beschwerde eingelegt und vertritt die Ansicht, das SG müsse einen Gutachter befragen, ob der Erfolg der Krankenbehandlung durch den Einsatz des Therapie-Dreirad-Tandems gesichert sei. Dieses diene auch einer Integration in das familiäre Leben, da er an den Wochenenden bei seiner Mutter lebe und dadurch gemeinsame Fahrradausflüge eine große Bedeutung für das Familienleben darstellten.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 4. August 2010 aufzuheben und ihm unter Beiordnung von Rechtsanwalt W. T., A. d. B. 4,. A. Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Sozialgericht Altenburg (Az.: S 4 KR 1777/10) zu bewilligen.
Die Beklagte hat sich zu dem PKH-Antrag nicht geäußert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Beschwerdeakte sowie der beigezogenen Prozessakte samt PKH-Heft des Sozialgerichts Altenburg (Az.: S 4 KR 1777/10) Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH für das Verfahren vor dem SG.
Nach § 73 a Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Eine hinreichende Erfolgsaussicht liegt vor, wenn bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Klägers zum Erfolg führen kann. Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Standpunkt des Klägers nach dessen Sachdarstellung und den vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält, in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist und deshalb bei summarischer Prüfung für den Eintritt des angestrebten Erfolgs eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Dies ist hier nicht der Fall.
Nach § 33 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 SGB V ausgeschlossen sind. Anspruch auf Versorgung besteht nur, soweit das begehrte Hilfsmittel ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenversicherung nach § 12 Abs. 1 SGB V nicht bewilligen (vgl. BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010 - Az.: B 3 KR 5/10 R).
Es ist nach summarischer Prüfung nicht ersichtlich, dass die Beklagte dem Kläger ein Therapierad "zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" zur Verfügung stellen muss (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Alternative 3 SGB V).
Grundsätzlich fallen Maßnahmen oder Hilfen zur Bewegungsförderung nur ausnahmsweise in die Leistungszuständigkeit der Krankenkassen. Jedenfalls zur Krankenbehandlung i.S.v. §§ 27 Abs 1, 28 Abs. 1 Satz 1 SGB V gehören regelmäßig nur Maßnahmen mit Behandlungs- und Therapiecharakter, die einen eindeutigen Krankheitsbezug aufweisen. Bloß allgemeine Maßnahmen der Erhaltung und Förderung der Gesundheit genügen diesen Anforderungen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) demgegenüber nicht, selbst wenn sie von qualifizierten Fachkräften unter ärztlicher Betreuung und Überwachung durchgeführt werden. Demgemäß fällt Sport - anders als Krankengymnastik oder physikalische Therapie -, der in allgemeiner Weise den körperlichen und psychischen Zustand positiv beeinflussen soll und bei dem der medizinische Zweck nicht überwiegt, nicht unter den krankenversicherungsrechtlichen Behandlungsbegriff. Unabhängig von der Art der Behinderung weisen behinderte oder chronisch kranke Menschen eine ausgeprägte körperliche Inaktivität mit einer Vielzahl negativer Folgen auf, die mit dem Behindertensport angegangen werden sollen. Dementsprechend dient ärztlich verordneter Behindertensport in Gruppen nach der Rechtsprechung des BSG nicht unmittelbar der Therapie einer Krankheit, sondern soll wesentlich dazu beitragen, die körperliche Leistungsfähigkeit zu verbessern, Restfunktionen zu mobilisieren, die Ausdauer und Belastungsfähigkeit zu erhöhen und den Betroffenen bei der psychischen Bewältigung ihrer Krankheit und Behinderung sowie den Folgewirkungen zu helfen (vgl. BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010 - Az.: B 3 KR 5/10 R m.w.N, nach juris). Der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" i.S.v. § 33 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 SGB V dient ein bewegliches sächliches Mittel nach der Rechtsprechung des BSG allerdings dann, wenn es spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt wird, um zu ihrem Erfolg beizutragen. Eine unmittelbare Bedienung des Hilfsmittels durch den Arzt selbst ist dabei nicht zwingend erforderlich, so dass ein Hilfsmittel nicht schon deshalb nach § 33 Abs. 1 SGB V ausgeschlossen ist, weil die praktische Anwendung durch den Versicherten selbst erfolgt. Jedoch ist nicht jedwede gesundheitsfördernde Betätigung als "spezifischer Einsatz im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung" anzusehen. Keinen ausreichend engen Bezug zu einer konkreten Krankenbehandlung weisen nach den dargelegten Maßstäben demgemäß diejenigen gesundheitsförderlichen Maßnahmen auf, die (nur) allgemein auf die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, die Mobilisierung von Restfunktionen des behinderten Menschen, die Erhöhung der Ausdauer und Belastungsfähigkeit sowie die Hilfe bei der Krankheitsbewältigung zielen. Ein weitergehender spezifischer Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung i.S.v. § 27 Abs. 1 SGB V kommt daher nur solchen Maßnahmen zur körperlichen Mobilisation zu, die in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche und ärztlich angeleitete Leistungserbringer stehen und für die gezielte Versorgung i.S.d. Behandlungsziele des § 27 Abs. 1 SGB V als erforderlich anzusehen sind. Davon ist bei einer Hilfe zur körperlichen Betätigung - wie hier mit dem Therapierad - dann auszugehen, wenn der Versicherte aufgrund der Schwere der Erkrankung dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der Physikalischen Therapie hat, die durch das beanspruchte Hilfsmittel unterstützte eigene körperliche Betätigung diese Therapie entweder wesentlich fördert oder die Behandlungsfrequenz infolge der eigenen Betätigung geringer ausfallen kann und sich deshalb die Versorgung mit dem Hilfsmittel im Rahmen der Wahlmöglichkeit des Versicherten als wirtschaftlich darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010, a.a.O., m.w.N.). Ein komplexes therapeutisches krankheitsbezogenes Vorgehen, in dem das Therapierad neben weiteren therapeutischen Maßnahmen wie insbesondere einer regelmäßigen Krankengymnastik z.B. zur Förderung des ansonsten gefährdeten Erhalts der Gehfähigkeit eingesetzt wird und dies von den behandelnden Ärzten bei der Planung von Intensität und Häufigkeit der Krankengymnastik als weiteres Therapieelement berücksichtigt wird, ist aus der Stellungnahme der Dr. T. vom 12. Januar 2010 nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Gehfähigkeit des Klägers nach den Gutachten des MDK vom 11. Oktober 2006 und 8. September 2008 motorisch nicht derart beeinträchtigt, dass sich der Kläger in seinen Wohnräumen oder in den Räumen der Behinderteneinrichtung nicht selbständig bewegen könnte.
Das Therapierad ist insofern auch nicht "zum Behinderungsausgleich" (§ 33 Abs. 1 Alternative 3 SGB V) erforderlich (vgl. hierzu zusammenfassend: BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010, a.a.O.). Ebenso ist nicht ersichtlich, dass das Therapierad "zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung" (§ 33 Abs. 1 Alternative 2 SGB V) erforderlich ist.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Beschwerde richtet sich gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Altenburg (Az.: S 4 KR 1777/10). Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Versorgung mit einem Therapiedreirad hat.
Der 1998 geborene Kläger leidet u.a. an einer schweren komplexen Entwicklungsretardierung und symptomatischer Epilepsie infolge frühkindlicher Hirnschädigung. Er lebt wochentags in einer Behinderteneinrichtung, in der er betreut wird.
Er beantragte erstmals im Juni 2006 die Versorgung mit einem Therapiedreirad unter Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung der Dr. T. vom 23. Mai 2006. Diese lehnte die Beklagte nach Einholung eines Gutachtens des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Thüringen e.V. mit Bescheid vom 17. Oktober 2006 wegen fehlender Notwendigkeit ab. Im Juni 2008 beantragte der Kläger unter Vorlage einer Verordnung der KMG Rehabilitationszentrum S. GmbH vom 4. März 2008 die Versorgung mit einem Therapie-Tandem Copilot 3. Als Diagnosen werden dort genannt: Epilepsie mit komplettem fokalen Anfällen, komplette Entwicklungsretardierung, leichte Gangstörung, schwere psychomentale Retardierung. Als Begründung für die Verordnung werden genannt: Koordinationsschulung, Steigerung der Eigenaktivität, Gewichtsreduzierung, Förderung der Mobilität in allen Gelenken, Erhalt des Ist-Zustandes. Die Beklagte holte ein Gutachten des MDK vom 8. September 2008 ein, wonach das beantragte Therapie-Tandem nicht geeignet ist, sämtliche direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen. Der Kläger könne sich, da er nicht gehbehindert sei, in abgegrenzten Gebieten wie in Wohnräumen sowie in den Räumen der Schule selbstständig bewegen. Zusammenfassend werde festgestellt, dass für die Mobilisierung des Versicherten - mit dem Ziel der sportlichen Betätigung bei Übergewicht - auch ein handelsübliches Drei- oder Kinderfahrrad mit Stützrädern genutzt werden können. Mit Bescheiden vom 19. September und 13. Oktober 2008 lehnte die Beklagte die Erbringung eines Therapierades als Sachleistung ab.
Im Oktober 2009 beantragte er unter Vorlage einer Verordnung der Dr. T. vom 3. August 2009 über ein Therapiedreirad nach individueller Anpassung (Diagnosen: spastische Tetraplegie) und eines Kostenvoranschlages der ORTHOVITAL GmbH über ein Therapie-Dreirad-Tandem Copilot 3/26 im Sonderbau vom 8. Oktober 2009 in Höhe von 4.745,72 EUR die Versorgung mit einem solchen.
Mit Bescheid vom 15. Oktober 2009 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab und verwies auf ihre Bescheide vom 13. Oktober 2008, 19. September 2008 und 17. Oktober 2006, in denen die Ablehnung zur Kostenübernahme ausführlich begründet worden sei. Im Widerspruchsverfahren fragte die Beklagte bei Dr. T. an, ob der Kläger mit einem Therapiedreirad oder einem Therapie-Dreirad-Tandem versorgt werden solle, warum die Versorgung medizinisch erforderlich sei, ob sich neue medizinische Aspekte ergeben hätten und was mit dem Einsatz des Therapierades erreicht werden solle. In diesem Zusammenhang werde auch um Vorlage aktueller Befundberichte mit Angabe des Therapiezieles gebeten. Hierauf teilte Dr. T. mit Schreiben vom 12. Januar 2010 mit, der Kläger leide an einer seltenen Form der Epilepsie, die zu einem zunehmenden kognitiven Verlust führe. Aufgrund der notwendigen Medikamente komme es zur ständigen Gewichtszunahme. Auch die motorischen Funktionen würden immer schlechter. Besondere Probleme machten Aufgaben mit erhöhter Anforderung an die Koordination. Er müsse bei allem kontrolliert und überwacht werden. Deshalb sei ein Therapiedreirad als Tandem ein wichtiges Hilfsmittel, das die motorischen Funktionen fördern und der Gewichtszunahme entgegenwirken solle. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und verwies u ...a. auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21. November 2002 - Az.: B 3 KR 8/02 R.
Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, aufgrund seiner schweren geistigen Behinderung sei eine zielgerichtete Fortbewegung nicht möglich. Deshalb benötige er das Therapiedreirad. Nur so könnten Koordination und Motorik nicht nur verbessert, sondern geübt werden. Das Therapierad sei im vorliegenden Fall erforderlich, den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern bzw. auch eine Behinderung auszugleichen. Anderweitige Hilfsmittel gebe es insofern nicht. Soweit die Beklagte auf die Rechtsprechung des BSG verweise, sei festzustellen, dass diese Rechtsprechung sicherlich nicht mehr aktuell sei und es hier nicht um ein Therapietandem sondern um ein Therapiedreirad ginge, das von ihm selbst zu steuern sei. Eine regelmäßige Krankengymnastik sei nicht ausreichend.
Am 8. Juni 2010 hat der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt T. beantragt. Mit Beschluss vom 4. August 2010 hat das Sozialgericht (SG) die Gewährung von Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussichten abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, die Versorgung mit einem Therapie-Dreirad-Tandem sei nicht erforderlich, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen.
Hiergegen hat der Kläger Beschwerde eingelegt und vertritt die Ansicht, das SG müsse einen Gutachter befragen, ob der Erfolg der Krankenbehandlung durch den Einsatz des Therapie-Dreirad-Tandems gesichert sei. Dieses diene auch einer Integration in das familiäre Leben, da er an den Wochenenden bei seiner Mutter lebe und dadurch gemeinsame Fahrradausflüge eine große Bedeutung für das Familienleben darstellten.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 4. August 2010 aufzuheben und ihm unter Beiordnung von Rechtsanwalt W. T., A. d. B. 4,. A. Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Sozialgericht Altenburg (Az.: S 4 KR 1777/10) zu bewilligen.
Die Beklagte hat sich zu dem PKH-Antrag nicht geäußert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Beschwerdeakte sowie der beigezogenen Prozessakte samt PKH-Heft des Sozialgerichts Altenburg (Az.: S 4 KR 1777/10) Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH für das Verfahren vor dem SG.
Nach § 73 a Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Eine hinreichende Erfolgsaussicht liegt vor, wenn bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Klägers zum Erfolg führen kann. Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Standpunkt des Klägers nach dessen Sachdarstellung und den vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält, in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist und deshalb bei summarischer Prüfung für den Eintritt des angestrebten Erfolgs eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Dies ist hier nicht der Fall.
Nach § 33 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 SGB V ausgeschlossen sind. Anspruch auf Versorgung besteht nur, soweit das begehrte Hilfsmittel ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenversicherung nach § 12 Abs. 1 SGB V nicht bewilligen (vgl. BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010 - Az.: B 3 KR 5/10 R).
Es ist nach summarischer Prüfung nicht ersichtlich, dass die Beklagte dem Kläger ein Therapierad "zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" zur Verfügung stellen muss (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Alternative 3 SGB V).
Grundsätzlich fallen Maßnahmen oder Hilfen zur Bewegungsförderung nur ausnahmsweise in die Leistungszuständigkeit der Krankenkassen. Jedenfalls zur Krankenbehandlung i.S.v. §§ 27 Abs 1, 28 Abs. 1 Satz 1 SGB V gehören regelmäßig nur Maßnahmen mit Behandlungs- und Therapiecharakter, die einen eindeutigen Krankheitsbezug aufweisen. Bloß allgemeine Maßnahmen der Erhaltung und Förderung der Gesundheit genügen diesen Anforderungen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) demgegenüber nicht, selbst wenn sie von qualifizierten Fachkräften unter ärztlicher Betreuung und Überwachung durchgeführt werden. Demgemäß fällt Sport - anders als Krankengymnastik oder physikalische Therapie -, der in allgemeiner Weise den körperlichen und psychischen Zustand positiv beeinflussen soll und bei dem der medizinische Zweck nicht überwiegt, nicht unter den krankenversicherungsrechtlichen Behandlungsbegriff. Unabhängig von der Art der Behinderung weisen behinderte oder chronisch kranke Menschen eine ausgeprägte körperliche Inaktivität mit einer Vielzahl negativer Folgen auf, die mit dem Behindertensport angegangen werden sollen. Dementsprechend dient ärztlich verordneter Behindertensport in Gruppen nach der Rechtsprechung des BSG nicht unmittelbar der Therapie einer Krankheit, sondern soll wesentlich dazu beitragen, die körperliche Leistungsfähigkeit zu verbessern, Restfunktionen zu mobilisieren, die Ausdauer und Belastungsfähigkeit zu erhöhen und den Betroffenen bei der psychischen Bewältigung ihrer Krankheit und Behinderung sowie den Folgewirkungen zu helfen (vgl. BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010 - Az.: B 3 KR 5/10 R m.w.N, nach juris). Der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" i.S.v. § 33 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 SGB V dient ein bewegliches sächliches Mittel nach der Rechtsprechung des BSG allerdings dann, wenn es spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt wird, um zu ihrem Erfolg beizutragen. Eine unmittelbare Bedienung des Hilfsmittels durch den Arzt selbst ist dabei nicht zwingend erforderlich, so dass ein Hilfsmittel nicht schon deshalb nach § 33 Abs. 1 SGB V ausgeschlossen ist, weil die praktische Anwendung durch den Versicherten selbst erfolgt. Jedoch ist nicht jedwede gesundheitsfördernde Betätigung als "spezifischer Einsatz im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung" anzusehen. Keinen ausreichend engen Bezug zu einer konkreten Krankenbehandlung weisen nach den dargelegten Maßstäben demgemäß diejenigen gesundheitsförderlichen Maßnahmen auf, die (nur) allgemein auf die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, die Mobilisierung von Restfunktionen des behinderten Menschen, die Erhöhung der Ausdauer und Belastungsfähigkeit sowie die Hilfe bei der Krankheitsbewältigung zielen. Ein weitergehender spezifischer Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung i.S.v. § 27 Abs. 1 SGB V kommt daher nur solchen Maßnahmen zur körperlichen Mobilisation zu, die in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche und ärztlich angeleitete Leistungserbringer stehen und für die gezielte Versorgung i.S.d. Behandlungsziele des § 27 Abs. 1 SGB V als erforderlich anzusehen sind. Davon ist bei einer Hilfe zur körperlichen Betätigung - wie hier mit dem Therapierad - dann auszugehen, wenn der Versicherte aufgrund der Schwere der Erkrankung dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der Physikalischen Therapie hat, die durch das beanspruchte Hilfsmittel unterstützte eigene körperliche Betätigung diese Therapie entweder wesentlich fördert oder die Behandlungsfrequenz infolge der eigenen Betätigung geringer ausfallen kann und sich deshalb die Versorgung mit dem Hilfsmittel im Rahmen der Wahlmöglichkeit des Versicherten als wirtschaftlich darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010, a.a.O., m.w.N.). Ein komplexes therapeutisches krankheitsbezogenes Vorgehen, in dem das Therapierad neben weiteren therapeutischen Maßnahmen wie insbesondere einer regelmäßigen Krankengymnastik z.B. zur Förderung des ansonsten gefährdeten Erhalts der Gehfähigkeit eingesetzt wird und dies von den behandelnden Ärzten bei der Planung von Intensität und Häufigkeit der Krankengymnastik als weiteres Therapieelement berücksichtigt wird, ist aus der Stellungnahme der Dr. T. vom 12. Januar 2010 nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Gehfähigkeit des Klägers nach den Gutachten des MDK vom 11. Oktober 2006 und 8. September 2008 motorisch nicht derart beeinträchtigt, dass sich der Kläger in seinen Wohnräumen oder in den Räumen der Behinderteneinrichtung nicht selbständig bewegen könnte.
Das Therapierad ist insofern auch nicht "zum Behinderungsausgleich" (§ 33 Abs. 1 Alternative 3 SGB V) erforderlich (vgl. hierzu zusammenfassend: BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010, a.a.O.). Ebenso ist nicht ersichtlich, dass das Therapierad "zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung" (§ 33 Abs. 1 Alternative 2 SGB V) erforderlich ist.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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