L 3 AL 2516/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 1288/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 2516/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. Mai 2010 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme eines abgeschlossenen Verfahrens.

Der am 18.01.1975 geborene Kläger stand mit Unterbrechungen im langjährigen Bezug von Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch. Er führte und führt deswegen vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) zahlreiche Rechtsstreitigkeiten gegen die Beklagte. Mit Beschluss vom 04.03.2010 verwies das SG einen Antrag des Klägers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes - S 11 AL 5327/09 ER -, soweit der Kläger Schadensersatz geltend gemacht hatte, an das Landgericht Karlsruhe und lehnte den Antrag im Übrigen ab. Eine hiergegen vom Kläger eingelegte Beschwerde wurde vom LSG mit Beschluss vom 29.04.2010 - L 12 AL 1383/10 ER-B - zurückgewiesen. Das LSG entschied dabei auch, dass die Verweisung zu Recht erfolgt sei.

Bereits am 15.03.2010 hat der Kläger in insgesamt 30 Verfahren, u.a. im Verfahren - S 11 5327/09 ER - im Wege einer "Nichtigkeitsklage" beantragt, festzustellen, dass die Beschlüsse nichtig seien. Er habe, so der Kläger begründend, den Vorsitzenden der zuständigen Kammer des SG wiederholt als befangen abgelehnt. Hierüber habe nach § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das LSG durch Beschluss zu entscheiden. Da der für befangen erachtete Vorsitzende jedoch selbst über die Anträge entschieden habe, liege offensichtlich ein Nichtigkeitsgrund i.S.d. § 579 Zivilprozessordnung (ZPO) vor.

Mit Beschluss vom 21.05.2010 hat das SG den Antrag des Klägers auf Wiederaufnahme des Verfahrens als unzulässig verworfen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG angeführt, der Antrag des Klägers sei rechtsmissbräuchlich. Ihm gehe es nicht um die Durchsetzung von Rechtspositionen, sondern, wie die von ihm allein im Jahr 2009 eingelegten 265 Verfahren bzw. die seit dem 01.01.2010 eingelegten 111 Verfahren zeigten, einzig darum, das Gericht mit möglichst vielen Rechtsstreitigkeiten zu befassen. Dies sei als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren.

Hiergegen hat der Kläger am 28.05.2010 "Berufung" eingelegt. Die Beschlüsse seien, so der Kläger zur Begründung, nicht durch den gesetzlichen Richter ergangen. Zuständig sei der 12. Senat des LSG. Auch sei über seinen Antrag im Wege eines Urteils zu entscheiden gewesen, weswegen die von ihm eingelegte Berufung nach dem Meistbegünstigungsprinzip das richtige Rechtsmittel sei. Seit dem 13.09.2011 befindet sich der Kläger in Untersuchungshaft.

Der Kläger beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. Mai 2010 aufzuheben und das Verfahren vor dem Sozialgericht Karlsruhe - S 11 AL 5327/09 ER - wieder aufzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrages verweist die Beklagte auf die aus ihrer Sicht überzeugenden Ausführungen im erstinstanzlichen Beschluss.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge, die Prozessakte des Verfahrens vor dem SG - S 11 AL 5327/09 ER - sowie die bei der Beklagten für den Kläger geführten Leistungsakten, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2012 wurden, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2012 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung führt für den Kläger nicht zum Erfolg, sie ist als unzulässig zu verwerfen.

Der Senat konnte über die Berufung entscheiden, obschon der Kläger zu der mündlichen Verhandlung am 08.02.2012 nicht erschienen ist. Der Kläger wurde ordnungsgemäß durch Übergabe der Ladung in der Justizvollzugsanstalt geladen und auf die Möglichkeit einer Entscheidung in seiner Abwesenheit hingewiesen. Der Umstand, dass sich der Kläger seit dem 13.09.2011 in Untersuchungshaft befindet, ändert hieran, wie der Senat bereits in seinen Urteilen vom 21.09.2011 u.a. in den Verfahren - L 3 AL 2514/10 -, - L 3 AL 2521/10 -, - L 3 AL 2641/10 - und vom 19.10.2011 u.a. in den Verfahren - L 3 AL 3913/11 -, - L 3 AL 3819/11 -, L 3 AL 3917/11 - entschieden hat, nichts. Der Kläger ist vielmehr, da sein persönliches Erscheinen nicht angeordnet war, wie jeder andere Prozessbeteiligte zu behandeln, dem das Erscheinen zur mündlichen Verhandlung freigestellt worden ist (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 21.06.1983 - 4 RJ 3/83 - veröffentlicht in juris).

Gemäß § 158 Satz 1 SGG ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen, wenn sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wurde.

Die Berufung an das Landessozialgericht findet gemäß § 143 SGG nur gegen Urteile der Sozialgerichte statt. Gegen andere Entscheidungen der Sozialgerichte findet hingegen gemäß § 172 Abs. 1 SGG die Beschwerde an das Landessozialgericht statt. Nach dem das SG im Wege eines Beschlusses über den Antrag des Klägers entschieden hat, ist gegen diesen, wie vom SG zutreffend im Rahmen der erteilten Rechtsmittelbelehrung angeführt, die Beschwerde zulässig. Die Berufung ist hingegen unstatthaft.

Soweit der Kläger das von ihm eingelegte Rechtsmittel der Berufung unter Hinweis auf das "Meistbegünstigungsprinzip" ausdrücklich als solche erhoben hat, führt dies nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Zwar ist dem Kläger insofern zuzugestehen, dass, wenn das Sozialgericht im Wege einer inkorrekten Entscheidungsform über einen Antrag entschieden hat, (auch) das Rechtsmittel zulässig ist, welches gegen eine Entscheidung im rechtlich zutreffenden Entscheidungswege statthaft wäre (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., Vor § 143, Rn. 14), jedoch hat das SG, anders als der Kläger vorbringt, über den zutreffend als Wiederaufnahmeantrag ausgelegten Antrag des Klägers in der korrekten Entscheidungsform entschieden.

Gemäß § 179 Abs. 1 SGG kann ein rechtskräftig beendetes Verfahren entsprechend den Vorschriften des Vierten Buches der ZPO wieder aufgenommen werden. Gemäß § 179 Abs. 1 SGG i.V.m. § 578 Abs. 1 ZPO kann dies im Wege einer Nichtigkeits- oder durch eine Restitutionsklage erfolgen. Nachdem der Kläger sein Begehren ausdrücklich im Wege einer "Nichtigkeitsklage" geltend gemacht hat, ist das Begehren, wie vom SG zutreffend unternommen, als Antrag auf Wiederaufnahme auszulegen. Die Nichtigkeitsklage findet hierbei nach § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO u.a. dann statt, wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war. Gemäß § 179 Abs. 1 SGG i.V.m. § 190 Abs. 1 ZPO wird die Hauptsache, insoweit sie von dem Anfechtungsgrund betroffen ist, von neuem verhandelt; das Verfahren wird mithin durch die (erfolgreiche) Wiederaufnahme in die alte Prozesslage zurückversetzt (vgl. Greger in Zoller, ZPO, 28. Aufl., § 590, Rn.8). Hieraus folgt, dass, soweit der Wiederaufnahmeantrag gegen einen Beschluss gerichtet ist, durch diesen kein Klage-, sondern wiederum ein Beschlussverfahren eingeleitet wird (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.03.1997 - 5 A 1/97 - und - 5 PKH 14/97 - veröffentlicht in juris; Straßfeld in Jansen, SGG, 2. Aufl. § 179, Rn. 11). Nachdem das SG im wiederaufzunehmenden Verfahren - S 11 AL 5327/09 ER - gesetzeskonform gemäß § 86b Abs. 4 SGG bzw. gemäß § 17a Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz im Wege eines Beschlusses entschieden hat, hat das SG über den Wiederaufnahmeantrag des Klägers rechtlich zutreffend wiederrum im Beschlusswege entschieden. Die Berufung ist mithin auch nicht nach dem vom Kläger angeführten Meistbegünstigungsprinzip statthaft.

Die Berufung des Klägers ist mithin unstatthaft und als unzulässig zu verwerfen.

Eine Umdeutung der Berufung in eine Beschwerde ist angesichts des eindeutig als "Berufung" bezeichneten Rechtsmittels nicht möglich (vgl. BSG, Urteil vom 20.05.2003 - B 1 KR 2501/R - veröffentlicht in juris).

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Entscheidung des SG, den Antrag des Klägers als unzulässig abzuweisen, nicht zu beanstanden ist. Die Wiederaufnahme eines rechtskräftig beendeten Verfahrens ist nur gegen instanzabschließende Endurteile, Sach- und Prozessurteile jeder Instanz, Gerichtsbescheide und instanzabschließende Beschlüsse, soweit diese auf einer Sachprüfung beruhen, statthaft (Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 179, Rn. 3, 3b). Hingegen ist die Wiederaufnahme gegen Beschlüsse, die in Verfahren nach §§ 86b Abs. 1 und Abs. 2 SGG ergangen sind, nicht möglich (Leitherer, a.a.O., § 179, Rn. 3b; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b, Rn. 20a).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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