L 10 U 3638/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 5626/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 3638/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.06.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung weiterer Unfallfolgen sowie die Gewährung von Verletztengeld über den 28.05.2008 hinaus.

Der am 1947 geborene Kläger befindet sich nach seiner letzten Tätigkeit als Ermittler beim Sozialamt seit Juli 2007 im Ruhestand. Am 01.01.2008 nahm er eine bei der Beklagten versicherte Tätigkeit als selbstständiger Versicherungsmakler auf. Wegen der Folgen eines im Jahr 2005 erlittenen Verkehrsunfalls ist beim erkennenden Senat ein weiteres Verfahren des Klägers anhängig (L 10 U 156/09, zuvor SG Karlsruhe S 8 U 2605/07). Dort begehrt der Kläger die Feststellung von Unfallfolgen - im Wesentlichen eines HWS-Schleudertraumas nebst Begleitbeschwerden und einer psychotraumatischen Belastungsstörung - und die Gewährung von Verletztenrente.

Im Juli 2007 wurde beim Kläger am linken Knie eine Gonarthrose mit zweitgradigen Veränderungen und ein horizontal zur Unterfläche ziehender Riss des Innenmeniskushinterhorns diagnostiziert (Beurteilung des Magnetresonanztomographie[MRT]-Befunds durch Dr. R. Bl. 26 SG-Akte). Die aufgetretenen Beschwerden führte der Kläger auf die Durchführung eines Belastungs-EKG im Juni 2006 (s. Arztbrief Dr. B. Bl. 27 SG-Akte) zurück (Angaben des Klägers Bl. 25 SG-Akte). Der Kläger macht insoweit im Verfahren S 8 U 2605/07 einen (mittelbaren) Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall geltend. Das EKG sei zur Klärung der Frage, ob Brust- und Rückenbeschwerden vom Herzen kommen oder ob der Verkehrsunfall verantwortlich sei, erstellt worden. Wegen dieses Meniskusschadens führte der Kläger bei der gutachtlichen Untersuchung im Verfahren S 8 U 2605/07 durch die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie O.-P. am 03.03.2008 "Hüpfen links" nicht durch (Bl. 445 S 8 U 2605/07).

Am 23.04.2008 sprach der Kläger, der nach eigenen Angaben der Maklertätigkeit bis zum 22.04.2008 nachgegangen war (Bl. 27 VA), beim Facharzt für Orthopädie Dr. B. vor und gab - wie in seiner Unfallanzeige an die Beklagte vom 23.04.2008 - an, am 17.04.2008 bei der Arbeit auf das linke Knie gefallen zu sein. Dr. B. zeigte sich ein überwärmtes Gelenk mit medial verstrichener Kontur. Er diagnostizierte eine Knieprellung links (Ärztliche Unfallmeldung Bl. 1 VA). Der Facharzt für Chirurgie Dr. K. , den der Kläger am 25.04.2008 aufsuchte, bestätigte diese Diagnose (H-Arzt-Bericht Bl. 5 VA). Der Facharzt für Nuklearmedizin Dr. F. diagnostizierte auf der Grundlage der am 07.05.2008 durchgeführten MRT im Vergleich zur Voruntersuchung vom Juli 2007 eine progrediente, jetzt viertgradige komplexe Rissbildung im Hinterhorn des Innenmeniskus, eine vorbekannte medialseitig betonte Gonarthrose mit Gelenkspaltverschmälerung und ausgedünntem drittgradig reduziertem Knorpelbesatz (Bl. 22 VA).

Mit Bescheiden vom 25. und 30.06.2008 anerkannte die Beklagte eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bis zum 28.05.2008 und gewährte bis dahin Verletztengeld; darüber hinausgehende Entschädigungsleistungen lehnte sie ab. Gestützt auf die Stellungnahme ihres beratenden Arztes Dr. Sch. führte sie aus, der Kläger habe sich bei dem Ereignis vom 17.04.2008 eine Prellung des linken Knies zugezogen, welche nach den Einschätzungsempfehlungen der Gutachtenliteratur innerhalb von sechs Wochen ausheile. Die Zunahme des vorbestehenden Meniskusrisses entspreche am ehesten dem schicksalhaften Verlauf eines degenerativen Schadens. Eine Verschlimmerung durch das Ereignis könne, da weder eine traumatische Knochenmark-Kontusion (bone bruise) noch eine vermehrte Flüssigkeitsansammlung zu erkennen gewesen sei, andererseits eine deutliche verschleißbedingte Knorpelveränderung bestehe, nicht belegt werden.

Der Kläger, der über den 28.05.2008 hinaus arbeitsunfähig geschrieben wurde, erhob dagegen jeweils Widerspruch mit dem Ziel, weiter Verletztengeld zu erhalten. Zur Durchführung einer Arthroskopie begab er sich in das B. -Krankenhaus U ... Dem Operateur Dr. v. L. zeigte sich ein ausgeprägter degenerativ imponierender Innenmeniskusriss (Bl. 106 VA). Die histologische Untersuchung der vom Innenmeniskushinterhorn entnommenen Knorpelpartikel ergab eine degenerative Meniskopathie mit Zeichen einer beginnenden Aktivierung und Reparation (Bl. 107 VA).

Sodann erstellte der Leitende Arzt der Orthopädie/Unfallchirurgie des B. krankenhauses U. Dr. St. auf Veranlassung der Beklagten ein Zusammenhangsgutachten. Er führte aus, der vom Kläger geschilderte Unfallhergang (aus dem Gehen heraus im linken Kniegelenk eingeknickt; nach vorne gestürzt; versucht, sich während des Stures zu drehen, um nicht auf das vorgeschädigte Knie zu fallen; dabei das Knie verdreht; anschließend nach vorne gefallen und mit dem Knie auf dem Boden aufgeschlagen) erfülle nicht die Kriterien, die geeignet seien, einen vergleichsweise gesunden Körperteil in der eingetretenen Art und Weise zu schädigen. Die Zunahme des Befundes wäre ohne den Vorschaden so nicht feststellbar gewesen. Das vom Kläger angegebene Ereignis sei insoweit austauschbar. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen wären auf Grund des Vorschadens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit bei jeder alltäglichen Verrichtung eingetreten. Das angeschuldigte Ereignis habe keinen wesentlichen Ursachenbeitrag geliefert. Seitens des Unfalls vom 17.04.2008 bestünden keine wesentlichen Unfallfolgen mehr. Der Unfall habe zu einer Kniegelenksdistorsion und Prellung geführt. Die später erhobenen Befunde seien unfallunabhängig durch den Vorschaden und dessen schicksalhafte Weiterentwicklung bedingt. Er widersprach der Auffassung von Dr. K. , der zuletzt von einer richtungsweisenden Verschlimmerung durch das Ereignis ausgegangen war (Bl. 72 VA).

Gestützt auf das Gutachten von Dr. St. wies die Beklagte die vom Kläger erhobenen Widersprüche mit Widerspruchsbescheiden vom 25.11.2008 zurück.

Deswegen hat der Kläger am 22.12.2008 beim Sozialgericht Karlsruhe jeweils Klage erhoben und die weitere Gewährung von Verletztengeld bzw. die Gewährung von Verletztenrente beantragt. Das Sozialgericht hat beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Mit Gerichtsbescheid vom 16.06.2010 hat es die Klagen abgewiesen. Der im Mai 2008 festgestellte viertgradige Riss des Innenmeniskus und die weiteren über den 28.05.2008 fortbestehenden Gesundheitsstörungen seien nicht mit Wahrscheinlichkeit Folge des Sturzes am 17.04.2008. Der Sturz sei allein Ursache einer spätestens nach sechs Wochen abgeheilten Prellung gewesen. Hinsichtlich der Befundverschlechterung am Innenmeniskus komme ihm allenfalls die Bedeutung einer Gelegenheitsursache zu. Ein geeigneter Unfallhergang sei nicht nachgewiesen. Der Kläger habe gegenüber der Beklagten und den zunächst behandelnden Ärzten lediglich von einem Sturz auf das Knie berichtet. Dabei sei in der unfallmedizinischen Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, S. 620) anerkannt, dass der Sturz auf das nach vorn gebeugte Knie, einfaches Stolpern und Ausrutschen und das "Vertreten" jeweils ungeeignet seien, einen Meniskus zu zerreißen. Auch der Unfallschilderung gegenüber Dr. St. ließe sich keine Fixierung oder unphysiologische Drehbewegung - insoweit hat das Sozialgericht nach der unfallmedizinischen Literatur geeignete Ereignisabläufe dargestellt - entnehmen, so dass Dr. St. den ihm gegenüber geschilderten Geschehensablauf nachvollziehbar als für die Zerreißung eines gesunden Meniskus ungeeignet bezeichnet habe. Komme es gleichwohl im Rahmen eines ungeeigneten Geschehensablaufs zu einer Meniskusverletzung, seien - wie vorliegend - degenerative Veränderungen hierfür wesentliche Ursache. Zudem seien auf den MRT-Aufnahmen vom Mai 2008 keine Begleitverletzungen dokumentiert und der Kläger habe nach dem Unfall weiter gearbeitet, woraus keinerlei Indizwirkung für eine traumatische Verletzung abgeleitet werden könne. Damit bestehe weder Anspruch auf weiteres Verletztengeld noch auf Verletztenrente.

Gegen den ihm am 02.07.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 28.07.2010 Berufung eingelegt. Er trägt vor, sich bei dem Ereignis unzweifelhaft einen Meniskusriss zugezogen zu haben. Es habe sich nicht nur um eine Prellung, sondern auch um ein Drehtrauma gehandelt. Die erst vier Monate später durchgeführte histologische Untersuchung sei nicht mehr geeignet gewesen, reparative von degenerativen Vorgängen zu unterscheiden. Zwar könne ein gesunder Meniskus nicht isoliert ohne Kapsel-Band-Verletzung zerreißen. Da jedoch in seinem Fall schon degenerative Veränderung vorlagen, dürfe eine anteilige Mitwirkung des Unfalls nicht verneint werden. Ferner sei es zwar möglich, dass es auch ohne ein Unfallereignis zu einer weiteren Rissbildung gekommen wäre. Der Zeitpunkt könne jedoch nicht sicher innerhalb einer Frist von drei Jahren terminiert werden. Damit liege eine richtungsgebende Verschlimmerung vor.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.06.2010 aufzuheben und unter Abänderung der Bescheide vom 25. und 30.06.2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25.11.2008 die Beklagte zu verurteilen, Verletztengeld über den 28.05.2008 hinaus bis zum 02.01.2009 sowie Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 25.06.2008 (Bl. 56 VA) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2008, mit dem die Beklagte bis zum 28.05.2008 die Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit infolge des Arbeitsunfalls vom 17.04.2008 anerkannte und darüberhinausgehende Entschädigungsleistungen ablehnte sowie der Bescheid vom 30.06.2008 (Bl. 65 VA) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2008 mit dem die Auszahlung des Verletztengeldes - über die Krankenkasse - für die Zeit vom 14.05. bis 28.05.2008 verfügt wurde. Im Ergebnis entschied die Beklagte mit diesen Bescheiden - jedenfalls auch - über die zeitlich bis zum 28.05.2008 befristete Gewährung von Verletztengeld und lehnte somit eine Gewährung dieser Leistung über den 28.05.2008 hinaus ab.

Der Kläger erstrebt damit zulässigerweise im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG die weitere Gewährung von Verletztengeld über den 28.05.2008 hinaus bis - wie zuletzt schriftsätzlich beantragt (Bl. 13 LSG-Akte) - zum 02.01.2009. Insoweit ist die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts unbegründet. Die Verschlimmerung des Meniskusschadens ist - wie vom Sozialgericht zutreffend ausgeführt - nicht als weitere Unfallfolge anzuerkennen. Dem entsprechend steht dem Kläger über den 28.05.2008 hinaus kein Verletztengeld wegen der auf diesen Meniskusschaden zurückzuführenden Beschwerden zu. Soweit der Kläger weiter arbeitsunfähig geschrieben war, beruhte dies somit nicht mehr rechtlich wesentlich auf den Folgen des Ereignisses vom 17.04.2008.

Soweit der Kläger des Weiteren sinngemäß die Gewährung von Verletztenrente begehrt, ist die Berufung ebenfalls unbegründet. Allerdings hätte das Sozialgericht die Klage insoweit bereits als unzulässig abweisen müssen, weil die streitgegenständlichen Bescheide hierüber, über die Frage der MdE und daraus folgender Entschädigungsleistung in Form von Verletztenrente, keine Entscheidung der Beklagten enthalten (vgl. - auch zum Nachfolgenden - BSG, Urteil vom 30.10.2007, B 2 U 4/06 R in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 5). Denn über die Gewährung von Entschädigungsleistungen ist vor Klageerhebung in einem Verwaltungsverfahren zu befinden, das mit einem Verwaltungsakt abschließt, gegen den die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig ist (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG). Im Übrigen ergäbe sich im Falle der Zulässigkeit dieser Klage kein anderes Ergebnis. Denn der vom Kläger angeschuldigte Sturz am 17.04.2008 führte - wie sogleich darzulegen ist - gerade nicht zu dauerhaften Folgen, insbesondere nicht mit Wahrscheinlichkeit zu einer Verschlimmerung des Meniskusschadens, wie dies der Kläger geltend macht.

Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids die hier maßgeblichen Rechtsgrundlagen hinsichtlich eines Anspruchs auf Verletztengeld (§§ 8, 45 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII) sowie die Kriterien der auf dem Gebiet des Unfallversicherungsrechts anzuwendenden Kausalitätslehre umfassend dargestellt und u.a. zutreffend ausgeführt, dass dem Sturz am 17.04.2008 hinsichtlich der Befundverschlechterung am Innenmeniskus allenfalls die Bedeutung einer Gelegenheitsursache zukommt. Der Senat sieht daher zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.

Zum Berufungsvorbringen des Klägers ist zu ergänzen:

Entgegen der Auffassung des Klägers ist für den Senat bereits nicht "unzweifelhaft", dass sich dieser am 17.04.2008 einen Meniskusriss - gemeint: die Verschlimmerung des unstreitig vorbestehenden Risses - zuzog. Es bestehen vielmehr durchgreifende Bedenken, ob der vom Kläger angegebene Sturz im naturwissenschaftlichen Sinn Ursache dieser Verschlimmerung war.

Bei der Prüfung des naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden ist zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Der naturwissenschaftliche Ursachenzusammenhang liegt hingegen vor, wenn das Unfallereignis nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Gesundheitsschaden entfiele (conditio sine qua non).

Hier fehlt es an Indizien, die auf eine (weitere) Substanzschädigung des Meniskus in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis hinweisen. Der Kläger arbeitete nach dem Sturz, ohne einen Arzt aufzusuchen, noch einige Tage weiter. Sowohl Dr. B. als auch Dr. K. diagnostizierten anlässlich der ersten Vorsprachen des Klägers lediglich eine Knieprellung. Dem Operateur Dr. v. L. zeigte sich ein degenerativ imponierender Innenmeniskusriss (Bl. 106 VA). Die histologische Untersuchung der entnommenen Knorpelpartikel ergab eine degenerative Meniskopathie des Innenmeniskushinterhorns. Auch wenn in der unfallmedizinischen Literatur auf die eingeschränkte Aussagekraft des histologischen Befunds bei längeren Zeitintervallen (bis zu zwei Monaten: sichere Aussage, zwei bis fünf Monate: Aussage mit Wahrscheinlichkeit, nach fünf Monaten: Aussage unsicher) hingewiesen wird (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 625, 627), ändert dies nichts an der Tatsache, dass der histologische Befund - wie der Operationsbericht - im vorliegenden Fall keinerlei Belege für eine traumatische Schädigung des Meniskus enthält. Im Übrigen erachtet es der Senat für durchaus naheliegend, dass es sich bei der im Mai 2008 im bildgebenden Verfahren festgestellten Verschlimmerung des Meniskusrisses - wie vom beratenden Arzt Dr. Sch. vertreten und auch von Dr. St. angesprochen - lediglich um das Zu-Tage-Treten des schicksalshaften Verlaufs eines bereits im Juli 2007 dokumentierten Schadensbildes handelte. Damit kann das Unfallereignis hinweg gedacht werden, ohne dass der Erfolg entfiele. Damit ist bereits der naturwissenschaftliche Ursachenzusammenhang nicht wahrscheinlich.

Doch selbst wenn hier - wie von Dr. St. letztlich wohl zu Grunde gelegt - der naturwissenschaftliche Zusammenhang bejaht wird, d.h. angenommen wird, dass der Sturz am 17.04.2008 zu einer Ausweitung des Meniskusriss führte, ist der Senat wie schon das Sozialgericht auf der Grundlage von dessen Gutachten davon überzeugt, dass dafür die degenerative Vorschädigung, die vom Kläger im Übrigen nicht in Abrede gestellt wird, von überragender Bedeutung war, mithin der Unfall keine rechtlich wesentliche Mitursache darstellte.

Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, auch zum gesamten Nachfolgenden). Sozialrechtlich ist allein relevant, ob (auch) das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. Wesentlich ist nicht gleichzusetzen mit gleichwertig oder annähernd gleichwertig. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange keine andere Ursache überragende Bedeutung hat. Ist jedoch eine Ursache gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist nur die erstgenannte Ursache wesentlich und damit Ursache im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als wesentlich anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als Gelegenheitsursache oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen Krankheitsanlage (egal, ob bislang stumm oder als Vorschaden manifest) zu vergleichen und abzuwägen ist (Problem der inneren Ursache), ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" (im Falle eines Vorschadens weiterer) akuter Erscheinungen aus ihr durch das Unfallereignis nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Gleiches gilt selbstverständlich, wenn die Erscheinung zu derselben Zeit ohne jede äußere Einwirkung aufgetreten wäre (siehe BSG, Urteil vom 02.02.1999, B 2 U 6/98 R). Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen.

Die innere Ursache muss bei dieser Prüfung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen, die bloße Möglichkeit einer inneren Ursache genügt nicht (BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 34/03 R). Dies gilt auch für das Ausmaß der inneren Ursache (BSG, Urteil vom 06.12.1989, 2 RU 7/89). Demgegenüber ist für die Beurteilung, ob das Unfallgeschehen bloße Gelegenheitsursache war, ob ein alltägliches Ereignis etwa zu derselben Zeit zum selben Erfolg geführt hätte, Wahrscheinlichkeit notwendig; die bloße Möglichkeit genügt auch hier nicht (BSG Urteil vom 04.12.1991, 2 RU 14/91). Dies bedeutet, dass die Grundlagen der Beurteilung, ob das Unfallereignis bloße "Gelegenheitsursache" war, im Sinne des Vollbeweises feststehen müssen, die Kausalitätsfrage ist wieder nach Wahrscheinlichkeit zu beurteilen. Ist eine erhebliche Vorschädigung der durch den Unfall betroffenen Körperstelle, die eine Schädigung durch ein alltägliches Ereignis ermöglicht hätte oder ohne äußere Einwirkung zu der in Rede stehenden strukturellen Schädigung geführt hätte, nicht nachgewiesen, geht dies nach dem im Sozialrecht geltenden, oben dargelegten Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der Beklagten (BSG, Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 23/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 22).

Für den Senat nachvollziehbar geht Dr. St. davon aus, dass das Sturzereignis austauschbar war und dass die Verschlimmerung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ohnehin auf Grund des Vorschaden in absehbarer Zeit auch bei jeder alltäglichen Verrichtung eingetreten wäre - der Sturz mithin nur eine sog. Gelegenheitsursache darstellte.

Dabei legte Dr. St. seiner Bewertung des Ursachenzusammenhangs sogar zugunsten des Klägers einen Sturzablauf zu Grunde, der in keiner Weise nachgewiesen ist. Das vom Kläger gegenüber Dr. St. und zuletzt auch in der Berufungsbegründung geschilderte "Drehmoment" steht in Widerspruch zu seinen gegenüber Dr. B. , Dr. K. und der Beklagten gemachten Angaben. Mehrmals gab der Kläger zeitnah zum Sturzereignis - auch im Rahmen der eigenen Unfallmeldung und des detaillierten Fragbogens der Beklagten - nur an, auf das Knie gefallen zu sein. Von einem Drehmoment war nicht die Rede. Vom Vorliegen eines solchen kann sich der Senat angesichts dessen nicht überzeugen. Damit ist der Senat in Abweichung zum Gutachten von Dr. St. auch nicht davon überzeugt, dass sich der Kläger am 17.04.2006 neben der von den erstbehandelnden Ärzten diagnostizierten Prellung zusätzlich eine Kniegelenksdistorsion zuzog.

Dass die Verschlimmerung des Meniskusriss - wie von Dr. St. angenommen - in absehbarer Zeit auch durch ein alltägliches Ereignis hätte eintreten können, wird für den Senat dadurch bestätigt, dass der Kläger das erstmalige Zu-Tage-Treten des (noch weniger ausgeprägten) Meniskusriss selbst auf eine Belastung beim Radfahren im Rahmen eines Belastungs-EKG zurückführt und wenige Wochen vor dem hier streitgegenständlichen Ereignis es im Rahmen einer gutachtlichen Untersuchung ablehnte, auf dem linken Bein zu hüpfen. Selbst wenn das Radfahren und das (kurze) Hüpfen auf einem Bein keine vom Kläger damals alltäglich durchgeführten Bewegungsabläufe gewesen sein sollten, handelt es sich bei beiden Abläufen, die hier insbesondere nicht unkontrolliert, lang oder über die Maßen schwer waren, um objektiv alltägliche Belastungen. Gerade die Verweigerung des Hüpfens auf dem linken Bein im März 2008, die vom Kläger - wenige Wochen vor dem streitgegenständlichen Ereignis - ausdrücklich unter Hinweis auf die bei ihm vorliegende Meniskusschädigung erfolgte, belegt eindrücklich, dass die Vorschädigung den Kläger einschränkte und er selbst bei einer geringen körperlichen Belastung eine in absehbarer Zeit - und nicht erst nach Ablauf der vom Kläger angesprochenen Frist von drei Jahren - eintretende Verschlechterung befürchtete. Damit bestehen für den Senat keine Zweifel, dass der Vorschaden für die nach dem Sturz vom April 2008 festgestellte Ausweitung des Meniskusschadens - einen, wie ausgeführt, nicht wahrscheinlichen naturwissenschaftlichen Kausalzusammenhang unterstellt - von überragender Bedeutung war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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