L 6 B 156/08 KR

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 B 156/08 KR
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Beschwerde gegen einen Beschluss eines Sozialgerichts, in dem die Gewährung von Prozesskostenhilfe in einem Hauptsacheverfahren abgelehnt wird, ist auch dann zulässig, wenn im Hauptsacheverfahren der Berufungsstreitwert des § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG nicht erreicht wird
2. Eine restriktive Auslegung der Zulässigkeit von Rechtsmitteln und damit von wesentlichen Verfahrensrechten der Beteiligten erfordert eine klare Entsprechung im Wortlaut der Norm.
3. § 127 Abs. 2 S. 2 2. Halbsatz ZPO ist im sozialgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar.
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 20. Juni 2008 aufgehoben und ihm unter Beiordnung von Rechtsanwältin S. G., ...,., Prozesskostenhilfe ab dem 27. Mai 2008 ohne Ratenzahlung bewilligt. Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

Gründe:

I.

Der 1928 geborene Beschwerdeführer bezieht Leistungen nach der Pflegestufe III und ist stationär in einem Pflegeheim untergebracht. Er begehrte von der Beklagten die Zurverfügungstellung eines Multifunktionsrollstuhls mit Fixationseinrichtung, der laut Kostenvoranschlag insgesamt 586,14 EUR kostete. Nachdem die Beklagte dies mit Bescheid vom 18. Januar 2007 abgelehnt und der Widerspruch keinen Erfolg hatte, hat der Beschwerdeführer am 2. August 2007 Klage erhoben und am 28. September 2007 beantragt, ihm Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen. Mit Verfügungen vom 18. März 2008 hat die damals zuständige Vorsitzende der 13. Kammer von der Beklagten unter Hinweis auf eine Entscheidung des Sozialgerichts Münster vom 23. Juni 2005 eine weitere Stellungnahme erbeten und die Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers aufgefordert, hinsichtlich des PKH-Antrags weitere Unterlagen vorzulegen. Nach einem Kammerwechsel (nunmehr Zuständigkeit der 4. Kammer) hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 20. Mai 2008 einen Vergleich des Inhalts vorgeschlagen, dass sie nach Vorlage einer ärztlichen Verordnung die Kosten für einen standardgemäßen Pflegerollstuhl übernimmt und 50 v.H. der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers dem Grunde nach trägt. Am 27. Mai 2008 ist beim SG ein Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers mit zusätzlichen Unterlagen für das PKH- Verfahren eingegangen. Unter dem 17. Juni 2008 haben sie mitgeteilt, dass grundsätzlich mit dem Vergleichsangebot der Beklagten Einverständnis bestehe; hinsichtlich der Kosten sei der Kläger jedoch nur gewillt, die Hälfte der Kosten zu tragen, wenn eine positive Entscheidung über den PKH- Antrag erfolge; insoweit werde vor Abschluss des Vergleiches um eine Entscheidung über ihn gebeten. Mit Beschluss vom 20. Juni 2008 hat das SG den Antrag auf Gewährung von PKH abgelehnt. Es bestehe kein Anspruch auf Kostenübernahme. Der begehrte Multifunktionsrollstuhl mit Fixationseinrichtung diene nicht dazu, eine Behinderung auszugleichen, sondern sei als Pflegehilfsmittel anzusehen. Ein solches habe die Pflegeeinrichtung im Rahmen der stationären Pflege bereitzustellen.

Daraufhin haben die Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers mit Schriftsatz vom 4. Juli 2008 das Vergleichsangebot der Beklagten angenommen und gegen den ablehnenden PKH- Beschluss am 16. Juli 2008 Beschwerde erhoben und zur Begründung ausgeführt, die PKH- Beschwerde sei statthaft. Der Ausschlusstatbestand des § 172 Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) greife nicht ein. Der Statthaftigkeit der Beschwerde stehe darüber hinaus nicht entgegen, dass der Gegenstandswert der Hauptsache die Berufungssumme nicht erreiche. In § 172 Abs. 3 SGG seien die Tatbestände des Beschwerdeausschlusses für das sozialgerichtliche Verfahren abschließend normiert. Eine Anwendung von § 127 Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) über § 73a SGG komme deshalb nicht in Betracht. Entgegen den Ausführungen der ersten Instanz besitze die Rechtssache hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die früher zuständige Vorsitzende der 13. Kammer habe einen Hinweis erteilt, der seine Auffassung gestützt habe. Vor diesem Hintergrund habe sich die Beklagte bereiterklärt, einem Vergleich zuzustimmen. Erst mit Änderung der Zuständigkeit von der 13. zur 4. Kammer habe sich die Auffassung des Gerichts geändert. Da innerhalb eines Gerichts unterschiedliche Beurteilungen hinsichtlich der Erfolgsaussichten bestanden hätten, müsse eine hinreichende Erfolgsaussicht anerkannt werden. Darüber hinaus sei die Erfolgsaussicht zu bejahen, wenn die Beteiligten zum Vergleich bereit seien.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 20. Juni 2008 aufzuheben und ihm unter Beiordnung von Rechtsanwältin S. G., ..., ..., Prozesskostenhilfe ab dem 27. Mai 2008 ohne Ratenzahlung zu bewilligen.

Die Beklagte hat sich zum PKH- Antrag nicht geäußert.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Beschwerdeakte sowie der beigezogenen Prozessakte samt PKH- Heft des SG Altenburg (Az.: S 4 KR 2108/07) Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig; sie ist auch statthaft.

Die Zulässigkeit der Beschwerde folgt aus § 172 Abs. 1 SGG. Danach ist gegen Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen die Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht zulässig, soweit im SGG nichts anderes bestimmt ist. Ein gesetzlicher Ausschlusstatbestand im Sinne des § 172 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 SGG liegt nicht vor. § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG regelt nur den Ausschluss der Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG schließt die Möglichkeit der Beschwerde gegen Entscheidungen im PKH- Verfahren ausdrücklich nur aus, wenn das SG die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH- Gewährung verneint hat. Dies war hier nicht der Fall, da das SG seine Entscheidung mit den fehlenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache begründet hat. Ein Beschwerdeausschluss nach § 172 Abs. 3 Nr. 3 bzw. 4 SGG ist nicht ersichtlich.

Die Beschwerde ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil im Hauptsacheverfahren ein Hilfsmittel im Streit stand, welches nach dem Kostenvoranschlag Kosten nur in Höhe von 586,14 EUR verursacht hätte und deshalb der Berufungsstreitwert nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in Höhe von 750 Euro nicht erreicht wird. Weder ist eine Analogie zu § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG noch eine entsprechende Anwendung des § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig.

Es kann offenbleiben, ob die Voraussetzungen einer Analogie zu § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG, der einen Beschwerdeausschluss bei fehlender Berufungsmöglichkeit in der Hauptsache sowohl im Eilverfahren als auch in dem dazugehörigen PKH-Verfahren vorsieht, überhaupt erfüllt wären. Sie ist bereits deshalb nicht zulässig, weil eine restriktive Auslegung der Zulässigkeit von Rechtsmitteln und damit von wesentlichen Verfahrensrechten der Beteiligten eine klare Entsprechung im Wortlaut der Norm erfordert (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 10. August 2011 - Az.: L 5 KR 213/10 B PKH, zitiert nach Juris).

Ein Ausschluss der Beschwerde ergibt sich auch nicht aus den §§ 172 Abs. 1, 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz ZPO. In der Rechtsprechung der Landessozialgerichte ist seit Jahren umstritten, ob die Beschwerde gegen einen die Bewilligung von PKH wegen fehlender Erfolgsaussichten in der Hauptsache ablehnenden Beschluss nach § 127 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz ZPO ausgeschlossen ist, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht kraft Gesetzes zulässig ist (bejahend z.B. Thüringer LSG, Beschlüsse vom 30. Juni 2011 - Az.: L 9 AS 133/11 B und 14. Juli 2008 - Az.: L 7 B 19/08 AS; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. Juni 2009 - Az.: L 33 R 130/09 B PKH; Hessisches LSG, Beschluss vom 6. Juli 2009 - Az.: L 9 B 274/08 AS; verneinend z.B. Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 10. August 2011 - Az.: L 5 KR 213/10 B PKH; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Mai 2010 - Az.: L 7 AS 5876/09 B; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. März 2010 - Az.: L 6 AS 122/10 B, alle zitiert nach Juris).

Diese Vorschrift ist im sozialgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG bestimmt zwar, dass die Vorschriften der ZPO über die PKH im sozialgerichtlichen Verfahren "entsprechend " gelten, sodass sich in Verbindung mit § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO ein Beschwerdeausschluss ergeben würde. Die Anwendung hätte zur Folge, dass im sozialgerichtlichen Verfahren eine Beschwerde im PKH-Verfahren ausgeschlossen wäre, wenn auch im Hauptsacheverfahren die Berufung unzulässig wäre. Der Gesetzgeber hat jedoch mit § 172 Abs. 3 SGG eine eigenständige Regelung getroffen, in welchen Fällen die grundsätzlich zulässige Beschwerde (§ 172 Abs. 2 SGG) gegen Entscheidungen der Sozialgerichte ausgeschlossen ist. Die Formulierung "entsprechend" in § 73a Abs. 1 SGG bringt deutlich zum Ausdruck, dass die Vorschriften der Zivilprozessordnung lediglich insoweit heranzuziehen sind, wie nicht gesetzlich normierte Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens Abweichungen sachlich gebieten (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. März 2010 - Az.: L 6 AS 122/10 B, zitiert nach Juris). Eine vollständige entsprechende Anwendbarkeit des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist schon deshalb nicht möglich, weil diese Regelung in Verbindung mit § 511 ZPO nicht mit den Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens zu vereinbaren ist. Nach §§ 127 Abs. 2, 511 Abs. 2 ZPO ist die Statthaftigkeit einer Beschwerde von der Erreichung des Streitwertes der Hauptsache in Höhe von 600 EUR abhängig. Auch die Befürworter einer entsprechenden Anwendung des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO greifen nicht auf diesen Beschwerdewert zurück, sondern auf die Wertgrenze des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Auch ansonsten nimmt § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO in erheblichem Umfang Bezug auf weitere Regelungen der ZPO, die ersichtlich auf Besonderheiten des zivilgerichtlichen Verfahrens zugeschnitten sind. So ist z.B. in § 127 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz ZPO von der sofortigen Beschwerde die Rede. Der letzte Teilsatz des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO, der eine generelle Beschwerdemöglichkeit bei Ablehnung von PKH wegen Verneinung der persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen ermöglicht, findet wegen § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren ersichtlich keine Anwendung (vgl. Bienert, Der Beschwerdeausschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren und bei Ablehnung von PKH wegen fehlender Erfolgsaussichten in der Hauptsache, SGb 07/10, S. 401-405). Ferner ist zu beachten, dass die Beschwerde in den §§ 172 ff. SGG umfassend geregelt ist, so dass ein Anwendungsbereich für weitere Vorschriften nicht mehr eröffnet ist.

Gegen eine Anwendung des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO spricht zudem die Neufassung des § 172 Abs. 3 SGG, welche zum 1. Januar 2011 in Kraft getreten ist. Nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG n.F. ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre; dies gilt auch für Entscheidungen über einen PKH-Antrag im Rahmen dieser Verfahren. Der Gesetzgeber hat damit die Ausschlusstatbestände des § 172 Abs. 3 SGG um den Tatbestand des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO (Unterschreitung des Streitwertes in der Hauptsache) ergänzt, allerdings ausdrücklich nur hinsichtlich der Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Im Gesetzgebungsverfahren wurde der Vorschlag des Bundesrates, einen entsprechenden Beschwerdeausschluss auch für die Verfahren der Hauptsache vorzusehen, um hierdurch den Meinungsstreit in der Rechtsprechung über die Reichweite des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu beenden, nicht weiter verfolgt, obwohl die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung eine Prüfung des Vorschlages zugesagt hatte (vgl. BT - Drucks. 17/1684 S. 22/23/25). Wenn der Gesetzgeber aber in Kenntnis des Meinungsstreites in der Rechtsprechung bewusst eine Regelung nur für Eilverfahren trifft, kann nicht unterstellt werden, dass er hinsichtlich des Hauptsacheverfahrens davon ausgeht, dass eine gesetzliche Regelung aufgrund der entsprechenden Anwendung des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht erforderlich ist. Vielmehr hätte er dies auch für das Hauptsacheverfahren ausdrücklich regeln müssen. Wenn er sich entschieden hat, allein § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG um Fälle des einstweiligen Rechtsschutzes zu ergänzen, ist eine Erweiterung dieser Vorschrift ausgeschlossen (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 10. August 2011 - Az.: L 5 KR 213/10 B PKH, zitiert nach Juris). Die ausdrückliche Aufnahme des Beschwerdeverfahrens in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG kann auch nicht dadurch erklärt werden, dass § 127 Abs.2 ZPO direkt nur im Klageverfahren anwendbar ist und nach dem Willen des Gesetzgebers der Konvergenzgedanke auch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im Bereich des SGG gelten soll (so Thüringer LSG, Beschluss vom 30. Juni 2011 - Az.: L 9 AS 133/11 B). In den Fällen des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ist die Entscheidung des Sozialgerichts unanfechtbar, sodass in der Tat bei einer Statthaftigkeit der PKH-Beschwerde im Nebenverfahren mehr Rechtsschutz gewährt würde als in der Hauptsache. Anders ist es hingegen bei Hauptsacheverfahren. Die fehlende Berufungsfähigkeit beim Hauptsacheverfahren führt nicht zur Unanfechtbarkeit, weil den Beteiligten das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 145 SGG) als prozessuale Möglichkeit zur Durchsetzung der eigenen Rechtsposition verbleibt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Mai 2010 - Az.: L 7 AS 5876/09 B, zitiert nach Juris).

Damit hat der Gesetzgeber weitergehende Rechtsschutzmöglichkeiten im sozialgerichtlichen Verfahren bei geringeren Streitwerten geschaffen als im zivilgerichtlichen Verfahren und zum Ausdruck gebracht, dass den Rechtsschutzmöglichkeiten des Bürgers größeres Gewicht als im zivilgerichtlichen Verfahren beizumessen ist.

Die somit statthafte Beschwerde ist auch begründet. Der Beschwerdeführer hat Anspruch auf Bewilligung von PKH für das Verfahren vor dem SG.

Nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht liegt vor, wenn bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Beschwerdeführers zum Erfolg führen kann. Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Standpunkt des Beschwerdeführers nach dessen Sachdarstellung und den vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält, in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist und deshalb bei summarischer Prüfung für den Eintritt des angestrebten Erfolgs eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht.

Der Gewährung von PKH in diesem Verfahren steht nicht entgegen, dass nach Wegfall der Rechtshängigkeit auch im Beschwerdeverfahren grundsätzlich kein Raum mehr für eine PKH-Bewilligung ist (vgl. Senatsbeschluss vom 17. April 2008 - Az.: L 6 B 19/06 R). Grundsätzlich setzt die Bewilligung von PKH voraus, dass die Rechtsverfolgung noch beabsichtigt ist. Allerdings hatte der Beschwerdeführer vor Annahme des Vergleichs mit Schriftsatz vom 4. Juli 2008 alles ihm Zumutbare getan hat, um eine Entscheidung des Gerichts über seinen Prozesskostenhilfeantrag zu erreichen. In den Fällen, in denen es der Beschwerdeführer nicht zu vertreten hat, dass der Rechtsstreit endet, oder in denen er alles in seiner Macht Stehende getan hat, um eine endgültige Entscheidung über seinen Prozesskostenhilfeantrag herbeizuführen, ist es nicht gerechtfertigt, ihm allein deshalb eine Kostenlast aufzubürden, weil das Streitverfahren schneller beendet wurde als das Prozesskostenhilfeverfahren (Entscheidung noch offen gelassen im Senatsbeschluss vom 12. Juli 2007 - Az.: L 6 RJ 918/04).

Der Beschwerdeführer hat zwar die Erledigung des Rechtsstreits durch Annahme des Vergleichsvorschlags der Beklagten mit Schriftsatz vom 4. Juli 2008 mit herbeigeführt. Seine Prozessbevollmächtigte hatte jedoch alles Zumutbare getan, um vorher eine Entscheidung des Gerichts über den Prozesskostenhilfeantrag zu erreichen: sie hat die angeforderten PKH-Unterlagen mit Schriftsatz vom 27. Mai 2008 vorgelegt und mit weiterem Schriftsatz zum 18. Juni 2008 vor einer Entscheidung über die Annahme des Vergleichsvorschlags eine Entscheidung im PKH- Verfahren angemahnt. Dass diese negativ ausging, kann nicht zu seinen Lasten gehen. Dies würde im Ergebnis dazu führen, dass ihm das grundsätzlich zustehende Rechtsmittel der Beschwerde abgeschnitten würde.

Die hier somit ausnahmsweise ohne Rücksicht auf den Fortfall der Rechtshängigkeit gebotene sachliche Prüfung des Prozesskostenhilfeantrages führt zur Bewilligung von PKH. Hinsichtlich der Frage der Erfolgsaussichten ist auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife über den PKH- Antrag abzustellen. Der Senat hat in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht die Erkenntnisse zugrunde zu legen, die im Zeitpunkt der Beschlussfassung zur Verfügung standen. Daher kann eine zu Ungunsten des Beschwerdeführers erfolgte nachträgliche Veränderung der Sach- und Rechtslage nur dann zur Ablehnung seines Prozesskostenhilfeantrags führen, wenn sie sich bei rückschauender Betrachtung auch auf den Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Beantragung von PKH auswirkt. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Es lagen hinreichende Erfolgsaussichten sowohl zum Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Antragstellung als auch bei Annahme des Vergleichsangebots der Beklagten vor. Die früher zuständige 13. Kammer des SG hatte selbst durch ihren Hinweis vom 18. März 2008 unter Bezugnahme auf die beigefügte Entscheidung des Sozialgerichts Münster aus dem Jahre 2005 dem Klagebegehren Erfolgsaussichten beigemessen und damit den Rechtsstandpunkt des PKH begehrenden Beteiligten aufgrund der Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen mindestens für vertretbar gehalten. Durch die Änderung der Kammerzuständigkeit und die Annahme des Vergleichsvorschlags der Beklagten kann sich an dieser Einschätzung nichts ändern. In Ziffer 1 des Vergleichs hat diese dem Beschwerdeführer die Verschaffung eines standardgemäßen Pflegerollstuhls zugesagt. Begehrt hatte er die Kostenübernahme für einen Multifunktionsrollstuhl gemäß Kostenvoranschlag. Damit liegt der Sache nach faktisch ein überwiegendes Nachgeben der Beklagtenseite vor. Auch aus dieser Vergleichsbereitschaft der Beklagten lassen sich im prozesskostenhilferechtlichen Sinne die hinreichenden Erfolgsaussichten bejahen.

Die in §§ 114ff. ZPO näher geregelten persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen liegen nach den PKH- Unterlagen ebenfalls vor.

Kosten sind nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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