Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 8 AS 349/11 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 676/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Begehrt der Leistungsberechtigte die Unterlassung einer Aufrechnung nach § 42a SGB II im einstweiligen Rechtsschutz (hier: Einstweilige Anordnung im Rahmen eines Verfahrens nach § 44 SGB X), so bemisst sich im Falle der Beschwerde gegen einen zurückweisenden Beschluss der Wert des Beschwerdegegenstandes allein nach der Gesamthöhe der Aufrechnungen im betreffenden Leistungszeitraum und nicht nach der Höhe des Darlehens, wenn nur der Leistungsbescheid, in dem die monatlichen Aufrechnungen selbst geregelt sind, der Prüfung in der Hauptsache unterliegt.
2. Zur Abgrenzung von Aufrechnungsberechtigung und Aufrechnungserklärung.
2. Zur Abgrenzung von Aufrechnungsberechtigung und Aufrechnungserklärung.
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 8. Dezember 2011 wird als unzulässig verworfen.
II. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
Die am 14. Dezember 2011 erhobene Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie sinngemäß beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 8. Dezember 2011 aufzuheben und im Wege der einstweiligen Anordnung der Antragsgegnerin vorläufig zu untersagen, das der Antragstellerin gewährte Kautionsdarlehen im Wege der Aufrechnung mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts i.H.v. monatlich 36,40 EUR zu tilgen,
ist unzulässig.
Nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der seit dem 1. April 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I Nr. 11, S. 444) ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Für Berufungen, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betreffen, muss der Beschwerdewert 750,00 EUR übersteigen, es sei denn, die Berufung betrifft wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGG). Wie u.a. aus der Formulierung "nicht zulässig wäre" folgt, hängt die Unzulässigkeit der Beschwerde nicht von den Voraussetzungen der Zulassung einer noch gar nicht der Überprüfung unterliegenden Berufung nach § 144 Abs. 2 SGG ab, sondern ist bereits bei Zulassungsbedürftigkeit ausgeschlossen (Hess. LSG, Beschluss vom 12. Januar 2009 L 7 AS 421/08 B ER – m.w.N. zum Streitstand).
Der Beschwerdewert beträgt 6 x 36,40 EUR = 218,40 EUR.
Zutreffend hat das Soziagericht den Streitgegenstand der Hauptsache, der einer einstweiligen Anordnung zugänglich ist, im Ergebnis allein in der mit Schreiben vom 2. November 2011 ausdrücklich beantragten Überprüfung des Bescheides vom 6. September 2011 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gesehen, der im Rahmen der Leistungsbewilligung die konkreten Aufrechnungen für die Monate September 2011 bis Februar 2012 regelt. Der Bescheid vom 30. August 2011, der die Darlehensbewilligung in Verwaltungsaktform in Höhe von 1.240,- EUR regelt, ist hingegen bestandskräftig und unterliegt nach der eindeutigen Formulierung des Antrages nicht der Überprüfung nach § 44 SGB X.
Eine erweiternde Auslegung des Rechtsschutzbegehrens ist auch aus anderen Gründen nicht geboten: Im Bescheid vom 30. August 2011 findet sich zur Aufrechnung lediglich die folgende Formulierung: "Die Rückzahlung erfolgt per Aufrechnung mit den laufenden Leistungen ab dem 01.09.11 in Raten von monatlich 36,40 EUR. Hinweis: Die Aufrechnung ist in den Bedarfsberechnungen an den Zahlungsempfänger INTERN-Bund und INTERN-Kommune zu erkennen." Hierbei handelt es sich noch nicht um die Aufrechnung selbst als Verfügung oder Ausübung eines Gestaltungsrechts, sondern nur um die Mitteilung, dass künftig aufgerechnet werde. Gegen eine Auslegung als Aufrechnungserklärung spricht zudem, dass die die Aufrechnungslage im Zeitpunkt der Abgabe der Aufrechnungserklärung vorliegen muss (§ 388 BGB analog). Es handelt sich auch nicht um eine Konkretisierung der Aufrechnungsbefugnis mit Regelungscharakter, da ein Regelungswillen ohne Regelungsbedarf nicht ohne Weiteres unterstellt werden kann. Die Aufrechnungsbefugnis im Sinne einer Ausgestaltung der Rückzahlungsverpflichtung des Darlehens als Verpflichtungsgeschäft im Sinne der §§ 488ff. BGB analog ist für Darlehensleistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende seit 1. April 2011 abschließend in § 42a SGB II geregelt und bedarf nach Auffassung des Senates grundsätzlich keiner darüber hinausgehenden verwaltungsaktförmigen Konkretisierung im darlehensgewährenden Bescheid. Auch die Bezifferung des Betrages der angekündigten Aufrechnung lässt noch nicht auf eine Regelungswillen schließen, da entgegen der früheren Rechtslage (siehe zur a. A. nach der früheren Rechtslage: LSG NRW, Beschluss vom 15. April 2009 - L 19 B 228/08 AS - juris) kein Ermessen hinsichtlich der Höhe der Aufrechnung mehr besteht. Es handelt sich vielmehr um eine bloße Mitteilung der Rechtslage. Der Streitgegenstand hat sich schließlich auch nicht mit dem Schreiben des Antragsgegners vom 16. November 2011 geändert, da dieses Schreiben entgegen der Auffassung der Antragstellerin keine Entscheidung über das Überprüfungsbegehren enthält.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde anfechtbar.
II. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
Die am 14. Dezember 2011 erhobene Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie sinngemäß beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 8. Dezember 2011 aufzuheben und im Wege der einstweiligen Anordnung der Antragsgegnerin vorläufig zu untersagen, das der Antragstellerin gewährte Kautionsdarlehen im Wege der Aufrechnung mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts i.H.v. monatlich 36,40 EUR zu tilgen,
ist unzulässig.
Nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der seit dem 1. April 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I Nr. 11, S. 444) ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Für Berufungen, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betreffen, muss der Beschwerdewert 750,00 EUR übersteigen, es sei denn, die Berufung betrifft wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGG). Wie u.a. aus der Formulierung "nicht zulässig wäre" folgt, hängt die Unzulässigkeit der Beschwerde nicht von den Voraussetzungen der Zulassung einer noch gar nicht der Überprüfung unterliegenden Berufung nach § 144 Abs. 2 SGG ab, sondern ist bereits bei Zulassungsbedürftigkeit ausgeschlossen (Hess. LSG, Beschluss vom 12. Januar 2009 L 7 AS 421/08 B ER – m.w.N. zum Streitstand).
Der Beschwerdewert beträgt 6 x 36,40 EUR = 218,40 EUR.
Zutreffend hat das Soziagericht den Streitgegenstand der Hauptsache, der einer einstweiligen Anordnung zugänglich ist, im Ergebnis allein in der mit Schreiben vom 2. November 2011 ausdrücklich beantragten Überprüfung des Bescheides vom 6. September 2011 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gesehen, der im Rahmen der Leistungsbewilligung die konkreten Aufrechnungen für die Monate September 2011 bis Februar 2012 regelt. Der Bescheid vom 30. August 2011, der die Darlehensbewilligung in Verwaltungsaktform in Höhe von 1.240,- EUR regelt, ist hingegen bestandskräftig und unterliegt nach der eindeutigen Formulierung des Antrages nicht der Überprüfung nach § 44 SGB X.
Eine erweiternde Auslegung des Rechtsschutzbegehrens ist auch aus anderen Gründen nicht geboten: Im Bescheid vom 30. August 2011 findet sich zur Aufrechnung lediglich die folgende Formulierung: "Die Rückzahlung erfolgt per Aufrechnung mit den laufenden Leistungen ab dem 01.09.11 in Raten von monatlich 36,40 EUR. Hinweis: Die Aufrechnung ist in den Bedarfsberechnungen an den Zahlungsempfänger INTERN-Bund und INTERN-Kommune zu erkennen." Hierbei handelt es sich noch nicht um die Aufrechnung selbst als Verfügung oder Ausübung eines Gestaltungsrechts, sondern nur um die Mitteilung, dass künftig aufgerechnet werde. Gegen eine Auslegung als Aufrechnungserklärung spricht zudem, dass die die Aufrechnungslage im Zeitpunkt der Abgabe der Aufrechnungserklärung vorliegen muss (§ 388 BGB analog). Es handelt sich auch nicht um eine Konkretisierung der Aufrechnungsbefugnis mit Regelungscharakter, da ein Regelungswillen ohne Regelungsbedarf nicht ohne Weiteres unterstellt werden kann. Die Aufrechnungsbefugnis im Sinne einer Ausgestaltung der Rückzahlungsverpflichtung des Darlehens als Verpflichtungsgeschäft im Sinne der §§ 488ff. BGB analog ist für Darlehensleistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende seit 1. April 2011 abschließend in § 42a SGB II geregelt und bedarf nach Auffassung des Senates grundsätzlich keiner darüber hinausgehenden verwaltungsaktförmigen Konkretisierung im darlehensgewährenden Bescheid. Auch die Bezifferung des Betrages der angekündigten Aufrechnung lässt noch nicht auf eine Regelungswillen schließen, da entgegen der früheren Rechtslage (siehe zur a. A. nach der früheren Rechtslage: LSG NRW, Beschluss vom 15. April 2009 - L 19 B 228/08 AS - juris) kein Ermessen hinsichtlich der Höhe der Aufrechnung mehr besteht. Es handelt sich vielmehr um eine bloße Mitteilung der Rechtslage. Der Streitgegenstand hat sich schließlich auch nicht mit dem Schreiben des Antragsgegners vom 16. November 2011 geändert, da dieses Schreiben entgegen der Auffassung der Antragstellerin keine Entscheidung über das Überprüfungsbegehren enthält.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde anfechtbar.
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