S 38 KR 1354/10

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Gotha (FST)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
38
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 38 KR 1354/10
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 1268/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 19. August 2010 wird zurückgewiesen. Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

Gründe:

I.

Die Beschwerde richtet sich gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Gotha. Dort stritten die Beteiligten über die Erstattung von Übernachtungskosten der Klägerin anlässlich der stationären Behandlung ihrer Tochter im Universitätsklinikum J., Klinik für Kinder- und Jugendmedizin (im Folgenden: Universitätsklinikum Jena) in Höhe von insgesamt 1.410,00 EUR.

Die Klägerin ist bei der Beklagten aufgrund des Bezuges von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) pflichtversichert. Ihre am 13. Juni 1992 geborene Tochter befand sich seit dem 8. April 2009 zur Durchführung einer Chemotherapie bei akuter Myeloischer Leukämie in der Universitätsklinik J. in stationärer Behandlung. In dem Zeitraum vom 28. Juli bis 4. September 2009 wurde auf die Transplantationsstation eine allogene Stammzelltransplantation vorgenommen. Die Klägerin übernachtete während der stationären Behandlung der Versicherten zeitweise in der Elternwohnung der Elterninitiative für krebskranke Kinder J. e.V., wofür ein Unkostenbeitrag in Höhe von 15,00 EUR pro Nacht erhoben wurde. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2009 reichte das Universitätsklinikum J. der Beklagten Rechnungen der Elterninitiative für krebskranke Kinder J. e.V. für den Zeitraum vom 14. April bis 27. September 2009 ein. Die lebensbedrohliche Erkrankung und die eingreifende Therapie hätten vor dem Hintergrund der im Vorfeld bekannten psychischen Probleme der Tochter eine außergewöhnliche psychische und physische Belastungssituation dargestellt. Aus medizinischer Sicht sei es zur psychischen Stabilisierung und damit zur Förderung des Genesungsprozesses notwendig gewesen, dass die Klägerin regelmäßig nach Jena gekommen sei und ihre Tochter für einige Stunden betreut habe. Auch im Zusammenhang mit der Stammzelltransplantation sei das Allgemeinbefinden der Tochter deutlich beeinträchtigt gewesen und es bestehe jederzeit die akute Gefahr des Auftretens von lebensbedrohlichen Komplikationen. Die kontinuierliche Anwesenheit bzw. Erreichbarkeit einer Begleitperson seien daher zur Förderung des Genesungsprozesses medizinisch dringend indiziert und habe gerade in dieser Zeit eine wichtige Säule der Gesamttherapie dargestellt, um den Behandlungserfolg nicht zu gefährden. Da die Mitaufnahme der Klägerin auf der Station aus räumlichen Gründen nicht möglich gewesen sei, habe diese außerhalb der Klinik übernachtet. Es werde um Übernahme dieser Kosten im Rahmen des § 11 Abs. 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) gebeten.

Nach Anhörung der Klägerin und Beiziehung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Thüringen e.V. vom 17. Juli 2009 lehnte die Beklagte am 2. Dezember 2009 die Erstattung von Übernachtungskosten als Begleitperson nach § 11 Abs. 3 SGB V ab. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 SGB V habe sie bereits bei hiermit im Zusammenhang stehenden anderen Leistungsanträgen (Fahrtkosten für Besuchszeiten und Haushaltshilfe) geprüft und nicht bestätigt. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens übersandte das Universitätsklinikum J. weitere Rechnungen der Elterninitiative für krebskranke Kinder J. e.V ... Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2010).

Am 25. Februar 2010 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Klage erhoben und die Bewilligung von PKH beantragt. Mit Gerichtsbescheid vom 19. August 2010 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen nach § 13 Abs. 3 SGB V für eine Kostenerstattung lägen nicht vor. Es fehle an dem Kausalzusammenhang zwischen den entstandenen Kosten und der Entscheidung der Beklagten. Mit Beschluss vom gleichen Tag hat das SG die Bewilligung von PKH wegen mangelnder Erfolgsaussichten abgelehnt.

Gegen den Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 4. Oktober 2010 Berufung eingelegt und gegen den Beschluss vom 19. August 2010 am 6. Oktober 2010 Beschwerde erhoben. Ihr Rechtsanspruch auf Kostenübernahme richte sich ausschließlich nach § 11 Abs. 3 SGB V und nicht nach § 13 Abs. 3 SGB V. Für Nebenleistungsansprüche, die aus § 11 Abs. 3 SGB V resultierten, bestehe keine vorherige Kostenantragspflicht bei der Beklagten. Allein aus dem Umstand, dass es im Universitätsklinikum J. aus organisatorischen Gründen zu einer ausgegliederten Unterbringung komme, erfolge die separate Abrechnung über die Elterninitiative krebskranker Kinder J. e.V ... Für sie sei nicht ersichtlich gewesen, dass es eines Antrages auf Kostenübernahme bedürfe, zumal sie im Sinne des § 11 Abs. 3 SGB V mit in die Klinik aufgenommen worden sei. Das Gutachten des MDK vom 17. Juli 2009 sei keine taugliche Entscheidungsgrundlage.

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 19. August 2010 aufzuheben und ihr unter Beiordnung von Rechtsanwalt M. H.,., 99 ... M. , Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Sozialgericht Gotha (Az.: S 38 KR 1354/10) zu bewilligen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf ihr erstinstanzliches Vorbringen sowie die Gründe des Beschlusses vom 19. August 2010.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beschwerde- und Gerichtsakte (Az.: L 6 KR 1260/10) sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung war.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Beschwerdeführerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung der begehrten PKH.

Nach § 73 a Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht liegt vor, wenn bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung zum Erfolg führen kann. Dies ist hier nicht der Fall.

Es kann dahinstehen, ob die Klägerin aktiv legitimiert ist, den Anspruch auf Zahlung von Übernachtungskosten geltend zu machen. § 11 SGB V regelt die Leistungsansprüche der Versicherten, die bei stationärer Behandlung auch die aus medizinischen Gründen notwendige Mitaufnahme einer Begleitperson umfassen (Abs. 3).

Es fehlt jedenfalls an den tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 11 Abs. 3 SGB V. Die Klägerin ist nicht als Begleitperson der Versicherten - ihrer Tochter - in das Universitätsklinikum J. mit aufgenommen worden. Dies ergibt sich aus den Schreiben des Universitätsklinikums J. vom 29. Oktober 2009 und vom 15. Juli 2011. Eine Mitaufnahme einer Begleitperson auf der Transplantationsstation war aus räumlichen und hygienischen Gründen grundsätzlich nicht möglich. Die Klägerin war deshalb außerhalb der Klinik im Elternhaus der Elterninitiative krebskranker Kinder J. e.V. untergebracht. Eine Unterbringung außerhalb der stationären Einrichtung genügt nach dem Wortlaut des § 11 Abs. 3 SGB V grundsätzlich nicht (vgl. Höfler in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand: 1. April 2011, § 11 Rn. 22, Wagner in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, Stand: März 2011, § 11 Rn. 10; a.A. Noftz in Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch SGB V, Stand: 25. August 2011, § 11 Rn. 57).

Ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Übernachtungskosten außerhalb der stationären Einrichtung ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt der so genannten Stellvertreterleistung. An seiner früheren Rechtsprechung, nach der die Krankenkasse gegebenenfalls eine im Gesetz nicht vorgesehene Leistung zu erbringen hatte, wenn diese an die Stelle einer anderen dem Versicherten zustehenden Leistung trat und die Stellvertreterleistung geeigneter oder billiger als die originär geschuldete Leistung war (vgl. BSG in SozR 2200 § 182 Nr. 82 - Begleitperson zur ambulanten Therapie anstelle von stationärer Behandlung) hat das BSG nicht festgehalten, weil der jetzige § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB V den Umfang der zur Krankenbehandlung gehörenden Leistungen bewusst abschließend regelt. Die Krankenkassen sind damit auf die dort genannten Leistungen beschränkt; außerhalb etwaiger Modellvorhaben nach § 63 Abs. 2 SGB V können neue oder andersartige Leistungen nur vom Gesetzgeber eingeführt werden (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 2002 - Az.: B 1 KR 22/01 R m.w.N., nach juris).

Da die Klägerin anlässlich der stationären Behandlung der Versicherten nicht in das Universitätsklinikum J. mit aufgenommen wurde, erübrigt sich die Prüfung, ob sie aus medizinischen Gründen notwendig war.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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