S 13 SF 26/10 E

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Altenburg (FST)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 13 SF 26/10 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 701/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 12. April 2011 wird zurückgewiesen. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Ermäßigungstatbestand Nr. 7111 des Kostenverzeichnisses (KV) zum Gerichtskostengesetz (GKG) eingreift.

Im Hauptsacheverfahren (Az.: S 30 KR 3321/08) begehrte die Klägerin, eine selbständige Hebamme, von der Beschwerdeführerin die Begleichung erbrachter Leistungen in Höhe von 428,12 Euro einschließlich Verzugszinsen. Unter dem 4. März 2009 erklärte sich diese nach Abrechnung der Leistungen bereit, Verzugszinsen in Höhe von 17,50 Euro zu übernehmen; die Kostentragung lehnte sie ab. Nach Annahme des Anerkenntnisses entschied das Sozialgericht Altenburg mit Beschluss vom 1. Juli 2009, dass die Beklagte die außergerichtlichen Kosten der Klägerin und die Gerichtskosten zu tragen habe.

Unter dem 9. September 2009 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) die Kosten mit einer 1,0 Verfahrensgebühr nach Nr. 7111 KV (35,00 Euro) fest. Aufgrund einer Beanstandung der Bezirksrevisorin im Rahmen der Kostenprüfung forderte sie die Beschwerdeführerin am 1. Februar 2010 zu Entrichtung von insgesamt 3,0 Verfahrensgebühren nach Nr. 7110 KV auf.

Mit ihrer Erinnerung hat diese einen Beschluss des SG Gotha vom 18. Juni 2010 (Az.: S 38 SF 66/10 E) eingereicht, nach der die Kosten zu ermäßigen seien, weil § 101 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) keine Einigung über die Kosten voraussetze und Kostenentscheidungen in Verfahren, in denen das GKG Verwendung finde, obligatorisch seien. Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, einschlägig sei hier allein die Gebühr Nr. 7110 KV. Lediglich im Falle einer Erledigungserklärung nach § 197a Abs. 1 S. 1 (SGG) sei für die Ermäßigung Voraussetzung, dass keine Entscheidung über die Kosten ergehe. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass bei einer Beendigung durch Anerkenntnis die Verfahrensgebühr selbst dann zu vermindern sei, wenn ein Beschluss über die Kosten ergehe.

Mit Beschluss vom 12. April 2011 hat das Sozialgericht die Erinnerung zurückgewiesen und die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Eine Gebührenermäßigung komme nicht in Betracht, weil bereits der Wortlaut der Nr. 7111 KV verlange, dass das gesamte Verfahren einschließlich der Entscheidung über die Verfahrenskosten durch das angenommene Anerkenntnis beendet wurde. Dieses Ergebnis werde durch die weiteren Auslegungskriterien der Entstehungsgeschichte, der Systematik und des Sinn und Zwecks des Ermäßigungstatbestandes gestützt.

Gegen den am 19. April 2011 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin Beschwerde eingelegt und im Ergebnis ihre Begründung im Erinnerungsverfahren wiederholt.

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 12. April 2011 aufzuheben und den Kostenansatz auf 35,00 Euro festzusetzen.

Der Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist er in der Hauptsache auf den Beschluss der Vorinstanz.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Beschluss vom 19. Juli 2011) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt. Der Senatsvorsitzende hat das Verfahren dem Senat nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 14. September 2011 wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen.

II.

Die nach § 66 Abs. 2 S. 2 GKG vom Sozialgericht zugelassene und damit zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Zu Recht hatte die UKB auf Hinweis der Bezirksrevisorin unter dem 1. Februar 2010 ihren Kostenansatz vom 9. September 2009 (35,00 Euro) berichtigt und 3,0 Verfahrensgebühren bei einem Streitwert von 428,12 Euro (= 105,00 Euro) festgesetzt.

Der Senat schließt sich den Ausführungen der Vorinstanz an, dass hier keine Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 KV in Betracht kommt. Nach Nr. 7110 KV beträgt in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit die Gebühr nach § 34 GKG 3,0. Nach Nr. 7111 KV ermäßigt sie sich auf 1,0 bei Beendigung des Verfahrens durch 1. Zurücknahme der Klage a) vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung oder, b) wenn eine solche nicht stattfindet, vor Ablauf des Tages, an dem das Urteil oder der Gerichtsbescheid der Geschäftsstelle übermittelt wird, 2. Anerkenntnisurteil, 3. gerichtlichen Vergleich oder angenommenes Anerkenntnis oder 4. Erledigungserklärungen nach § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 161 Abs. 2 VwGO, wenn keine Entscheidung über die Kosten ergeht oder die Entscheidung einer zuvor mitgeteilten Einigung der Beteiligten über die Kostentragung oder der Kostenübernahmeerklärung eines Beteiligten folgt, es sei denn, dass bereits ein Urteil oder ein Gerichtsbescheid vorausgegangen ist.

Die Ermäßigung nach Nr. 7111 Nr. 3 KV setzt bereits nach dem Wortlaut eine Beendigung des "gesamten Verfahrens" voraus, was regelmäßig auch die Entscheidung über die Verfahrenskosten beinhaltet (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 7. April 2011 - Az.: 1 A 10065/09 und OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. August 2007 - Az.: 18 A 2612/06 zu Nr. 5124 KV GKG; OLG Köln, Beschluss vom 27. August 1997 - Az.: 17 W 95/97, alle nach juris). Auf die §§ 101 Abs. 2, 197a Abs. 1 S. 1 SGG, die hinsichtlich der Kostenermäßigung keine Bedeutung haben, kommt es entgegen der Ansicht des SG Gotha im Beschluss vom 18. Juni 2010 (Az.: S 38 SF 66/10 E) offensichtlich nicht an; ebenso ist es für die Ermäßigung bedeutungslos, ob in Verfahren, in denen das GKG gilt, eine Kostenentscheidung obligatorisch ist. Im vorliegenden Fall wurde das Verfahren jedenfalls erst mit dem Beschluss vom 1. Juli 2009 zur Kostentragung beendet.

Eine analoge Anwendung der Nr. 7111 KV kommt nicht in Betracht, denn sie setzt eine - hier nicht vorhandene - planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes voraus (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1989 - Az.: III ZR 64/88 = BGHZ 108, 268 ff.), die es erforderlich machen oder rechtfertigen könnte, die Ermäßigung entsprechend anzuwenden. Unvollständig ist das Gesetz nicht. Vielmehr hat der Gesetzgeber bewusst eine Regelung getroffen, dass nur in den im Gesetz ausdrücklich genannten Fällen eine Ermäßigung eintritt.

Dass er das Problem erkannt hat, zeigt sich in der Gesetzesbegründung. Insoweit verweist sie zu Nr. 7111 KV auf Nr. 5111 KV (BT-Drucksache 15/1971 S. 173). Danach entspricht diese in ihrer Struktur und bezüglich der Höhe Nr. 1211 KV (BT-Drucksache 15/1971 S. 170). Nach der Begründung des Gesetzesentwurfs zu Nr. 1211 KV (BT-Drucksache 15/1971 S. 159) soll die entsprechende Ermäßigung nur erfolgen, wenn durch den Eintritt des Ermäßigungstatbestands das gesamte Verfahren erledigt wird. Nur dann entfällt der einer Abfassung eines Urteils vergleichbare richterliche Arbeitsaufwand bei der abschließenden Verfahrensentscheidung.

Die Ansicht der Beschwerdeführerin, auf die fehlende Kostenentscheidung komme es nach dem Wortlaut der Nr. 7111 Nr. 4 KV nur bei einer Erledigungserklärung nach § 197a Abs. 1 S. 1 SGG an, verkennt nicht nur den Wortlaut sondern auch den Sinn der Vorschrift. Die im zivilgerichtlichen Verfahren geltende entsprechende Nr. 1211 KV entspricht im Wesentlichen Nr. 1211 KV in der Fassung bis 30. Juni 2004 (= a.F.). Die neue Nr. 4 wurde in Nr. 1211 KV (und entsprechend in die Nrn. 7111, 5111 KV) aufgenommen, um die zu Nr. 1211 KV a.F. in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage zu klären, ob Erledigungserklärungen in die Begünstigung einzubeziehen waren, wenn entweder eine Entscheidung über die Kosten nicht ergeht, weil die Parteien auf eine Kostenentscheidung verzichten oder die Entscheidung einer zuvor dem Gericht mitgeteilten (außergerichtlichen) Einigung der Parteien in der Kostenfrage bzw. der Erklärung einer Partei, die Kosten übernehmen zu wollen, folgt (BT-Drucksache 15/1971 S. 159). Dies unterstreicht zusätzlich den Sinn der Ermäßigungstatbestände, den richterlichen Arbeitsaufwand für die abschließende Verfahrensentscheidung zu vermeiden.

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 66 Abs. 3 S. 3 GKG).
Rechtskraft
Aus
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