Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Nordhausen (FST)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 16 R 7898/10 R
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 95/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Nachdem die Verrechnung als besonderer Fall der Aufrechnung bereits während des Insolvenzverfahrens zulässig ist (vgl. BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - Az.: B 5 RJ 18/03 R, BGH, Urteil vom 29. Mai 2008 - Az.: IX ZB 51/07), stehen einer Verrechnung während der sogenannten Wohlverhaltensphase i.S.d. Insolvenzrechts keine Gründe entgegen.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 15. Dezember 2010 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den mo¬natlichen Einbehalt eines Teiles seiner Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung durch die Antragsgegnerin seit dem 1. Oktober 2010 zugunsten der KKH-Allianz.
Mit Bescheid vom 20. April 2010 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller eine Ren¬te wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Ausübung einer knappschaftlich versicherten Be¬schäftigung in Höhe von 497,36 EUR ab dem 1. Juni 2010. Für die Zeit vom 1. Dezember 2009 bis zum 31. Mai 2010 ergab sich eine Nachzahlung in Höhe von 2.984,16 EUR. Hiervon erstatte¬te die Antragsgegnerin der knappschaftlichen Krankenversicherung einen Betrag in Höhe von 2.321,01 EUR, so dass ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von 663,15 EUR verblieb.
Die KKH-Allianz wandte sich zuletzt im Mai 2010 mit einem Verrechnungser¬suchen an die Antragsgegnerin. Der Antragsteller schulde ihr auf Grund des Betriebs der Fir¬ma Autohaus H., deren Inhaber der Antragsteller war, Gesamtsozialversicherungs¬beiträge in Höhe von 10.952,38 EUR einschließlich Säumniszuschlägen, Gebühren und Kosten. Daraufhin hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zu der beabsichtigten Verrechnung an und bat um Vorlage einer Bedarfsbescheinigung. Im Rahmen der Anhörung äußerte sich der Antragsteller nicht.
Mit Bescheid vom 28. Juli 2010 verrechnete die Antragsgegnerin ab dem 1. Oktober 2010 die laufende Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in einer Höhe von monatlich 248,36 EUR zuguns¬ten der KKH-Allianz. Darüber hinaus verrechnete die Antragsgegnerin die Nachzahlung aus dem Bescheid vom 20. April 2010 bis zu einem Betrag in Höhe von 331,57 EUR. Für die Nach¬zahlung sei eine Hilfebedürftigkeit des Antragstellers nicht relevant. Für die laufenden Geld¬leistungen habe der Antragsteller keine entsprechenden Nachweise vorgelegt.
Mit dem dagegen gerichteten Widerspruch vom 20. August 2010 führt der Antragsteller aus, dass das Verrechnungsersuchen der KKH-Allianz auf Grund des laufenden Insolvenzverfah¬rens zurückzuweisen sei. An diesem Insolvenzverfahren sei die Krankenkasse bereits beteiligt. Durch die Verrechnung erschleiche sie sich Leistungen gegenüber anderen Gläubigern. Bei der Verrechnung handele es sich um Vorteilsgabe gegenüber Dritten, diese verstoße daher gegen das Insolvenzgesetz. Darüber hinaus bestehe auch eine Unterhaltspflicht gegenüber seiner Tochter. Dieser müsse er einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 200,- EUR zahlen.
Mit Beschluss vom 20. August 2010 des Amtsgerichts Mühlhausen wurde das Insolvenzverfahren gegen den Antragsteller nach Durchführung der Schlussverteilung aufgehoben. Seitdem befindet sich der Antragsteller in der Wohlverhaltensphase.
Mit Widerspruchsbescheid vom 1. November 2010 wies die Antragsgegnerin den Wider¬spruch des Antragstellers zurück. Der Antragsteller habe nicht nachgewiesen, dass durch die monatliche Verrechnung Hilfebedürftigkeit im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) oder des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) eintrete. Darüber hinaus bleibe die Befugnis zur Verrechnung im Falle der Insolvenz grundsätzlich wirksam.
Dagegen hat der Antragsteller am 5. November 2010 Klage vor dem Sozialgericht Nordhausen (SG) unter dem Aktenzeichen S 16 R 7883/10 erhoben. Zugleich hat der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragt und insofern geltend gemacht, dass die KKH-Allianz ihre Forderungen bereits im Rahmen des Insolvenzver¬fahrens zur Gläubigertabelle angemeldet habe und daher an diese Form der Geltendmachung gebunden sei. Zudem gelten die Pfändungsfreigrenzen der §§ 850 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) auch im Falle der Verrechnung.
Das SG hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung mit Beschluss vom 15. Dezember 2010 abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Verrechnung gemäß § 52 i.V.m. § 51 Abs. 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) vorliegen und eine Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen sei. Das Insolvenzverfahren habe keinen Einfluss auf die Verrechnung, insbesondere gelte die Pfändungsfreigrenze des § 850c ZPO nicht. Auch der Umstand, dass sich der Antragsteller in der Wohlverhaltensphase befinde, stehe einer Verrechnung nicht entgegen, da es sich dabei nicht um eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung handele. Es bestehe nach § 294 der Insolvenzordnung (InsO) kein generelles Aufrechnungsverbot. Die KKH-Allianz sei zudem nicht auf die Geltendmachung ihrer Forderungen im Rahmen des Insolvenzverfahrens beschränkt.
Gegen den seinen Bevollmächtigten am 27. Dezember 2010 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 17. Januar 2011 Beschwerde eingelegt und diese damit begründet, dass das SG die Frage der Ermessensausübung nicht geprüft habe. Zudem hat er nochmals seine Auffassung bekräftigt, dass "die Aufrechnung in der Wohlverhaltensphase analog § 294 Abs. 1 InsO" nicht zulässig sei.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 15. Dezember 2010 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage vom 5. November 2010 gegen den Bescheid vom 28. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. November 2010 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wiederholt sie ihr bisheriges Vorbringen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des Antrags- bzw. Beschwerdeverfahrens, des Hauptsacheverfahrens (Az.: S 16 R 7883/10) sowie auf den Inhalt der Behördenakte Bezug genommen.
II.
Die nach § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Das Gericht entscheidet bei dem Antrag nach § 86 b Abs. 1 SGG nach pflichtgemäßem Ermessen und auf Grund einer Interessenabwägung. Dabei sind im Rahmen einer summarischen Prüfung die öffentlichen und privaten Interessen und die Sach- und Rechtslage in der Hauptsache zu berücksichtigen. Auch hat das Gericht unter anderem die Erfolgsaussichten der Klage zu prüfen (vgl. Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: Oktober 2005, § 80 Rdnr. 252).
Bei der Ermessensausübung überwiegt unter Abwägung der wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten das Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin. Sie vertritt das Interesse der Versichertengemeinschaft an einem gesicherten und zeitnah zu realisierendem Beitragsaufkommen, dessen Fälligkeit sich konsequent nicht aus einem gesonderten Verwaltungsakt sondern aus dem Gesetz oder diesem entsprechenden Satzungsregeln (vgl. § 240 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V)) ergibt. Der Gesetzgeber hat (wie bei der Erhebung öffentlicher Abgaben und Kosten in § 80 Abs. 2 Nr. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)) durch den ausdrücklichen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage das öffentliche Interesse an einem Sofortvollzug höher eingeschätzt als das Privatinteresse an der vorläufigen Befreiung von der Leistungspflicht.
Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt nach § 86a Abs. 3 S. 2 SGG nur bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids in Betracht oder wenn die Vollziehung für den Pflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zufolge hätte. Nach der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte zu öffentlichen Abgaben und Kosten bestehen entsprechende Zweifel nur, wenn aufgrund der summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (vgl. Thüringer OVG in ThürVBl. 1998, 184, 185 m.w.N.). Dieser Rechtsprechung hat sich der Senat für die Fälle des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG angeschlossen (vgl. Senatsbeschluss vom 17. März 2003 – Az.: L 6 RJ 164/03 ER). Gründe für eine Änderung sind nicht ersichtlich (vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 9. Auflage 2008, § 86a Rdnr. 27a).
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 28. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. November 2010 bestehen auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht. Rechtsgrundlage für die Verrechnung ist § 52 SGB I. Danach kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Nach § 51 Abs. 2 SGB I kann der zuständige Leistungsträger mit Beitragsansprüchen gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, soweit der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird. Insoweit wird gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die Gründe des mit der Beschwerde angefochtenen Beschlusses des SG verwiesen.
Ergänzend wird im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen noch Folgendes ausgeführt:
Das SG hatte keinen Anlass die Ermessensausübung der Antragsgegnerin eingehender zu prüfen, da der Antragsteller im Rahmen der Anhörung keinerlei Gründe vorgetragen hat, die die Antragsgegnerin im Rahmen der Ermessensausübung hätte berücksichtigt können. Auch im Widerspruchsverfahren hat er lediglich pauschal vorgetragen, seiner Tochter Unterhalt in Höhe von monatlich 200,- Euro zu zahlen. Belege hierfür hat er weder im Widerspruchsverfahren noch im anschließenden gerichtlichen Verfahren vorgelegt. Zudem wurde die behauptete Unterhaltszahlung in der Bedarfsberechnung des Landratsamts Nordhausen vom 19. November 2010 und damit auch im Beschluss des SG bei der Frage der Hilfebedürftigkeit berücksichtigt. Sonstige im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigende Gründe hat der Antragsteller nicht vorgetragen, darauf hat die Antragsgegnerin im angefochtenen Bescheid vom 28. Juli 2010 auch hingewiesen.
Des Weiteren ist seiner Auffassung, dass "die Aufrechnung in der Wohlverhaltensphase analog § 294 Abs. 1 InsO" nicht zulässig sei, entgegenzutreten. Nachdem die Verrechnung als besonderer Fall der Aufrechnung bereits während des Insolvenzverfahrens zulässig ist (vgl. Bundessozialgericht &61500;BSG&61502;, Urteil vom 10. Dezember 2003 - Az.: B 5 RJ 18/03 R und Bundesgerichtshof &61500;BGH&61502;, Urteil vom 29. Mai 2008 - Az.: IX ZB 51/07, beide nach juris), stehen einer Verrechnung während der sogenannten Wohlverhaltensphase i.S.d. Insolvenzrechts im vorliegenden Fall keinerlei Gründe entgegen, zumal die Höhe des monatlichen Rentenauszahlungsanspruchs des Antragstellers unterhalb der Pfändungsfreigrenzen der §§ 850 ff. ZPO liegt und damit bereits nicht zur Insovenzmasse zählt (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. Juni 2009 - Az.: L 17 R 48/09, nach juris).
Schließlich bestehen mangels entsprechender Angaben des Antragstellers keine Anhaltspunkte für eine besondere Härte.
Insofern sieht der Senat nach dem derzeitigen Sachstand keinen Anlass für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Damit überwiegt das öffentliche Interesse an der Einziehung der unbestrittenen Forderung. Dass Beitragszahlungen zeitnah geleistet werden, liegt im Interesse der Versichertengemeinschaft. Unbeachtlich ist dabei letztlich, dass fraglich ist, ob die zur Verrechnung neben den Beiträgen und Säumniszuschlägen angemeldeten Verwaltungsgebühren zu den Beitragsansprüchen i.S.d. § 51 Abs. 2 SGB I zählen, die allein verrechnet werden dürfen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. Oktober 2010 - Az.: L 8 R 605/10 B, nach juris). Da es sich hierbei nur um einen vernachlässigbaren Teil der gesamten zur Verrechnung anstehenden Gesamtsumme (32,- Euro im Vergleich zu 10.920,- Euro) handelt, der zudem nach § 51 Abs. 2 SGB I tatsächlich nur zur Hälfte verrechnet wird, unterbleibt eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung des diese Verwaltungsgebühren und Kosten des Beitragseinzugs betreffenden Teils der Klage des Antragstellers. Ihm ist insoweit zuzumuten, seinen Anspruch nachträglich im Klageverfahren geltend zu machen.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den mo¬natlichen Einbehalt eines Teiles seiner Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung durch die Antragsgegnerin seit dem 1. Oktober 2010 zugunsten der KKH-Allianz.
Mit Bescheid vom 20. April 2010 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller eine Ren¬te wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Ausübung einer knappschaftlich versicherten Be¬schäftigung in Höhe von 497,36 EUR ab dem 1. Juni 2010. Für die Zeit vom 1. Dezember 2009 bis zum 31. Mai 2010 ergab sich eine Nachzahlung in Höhe von 2.984,16 EUR. Hiervon erstatte¬te die Antragsgegnerin der knappschaftlichen Krankenversicherung einen Betrag in Höhe von 2.321,01 EUR, so dass ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von 663,15 EUR verblieb.
Die KKH-Allianz wandte sich zuletzt im Mai 2010 mit einem Verrechnungser¬suchen an die Antragsgegnerin. Der Antragsteller schulde ihr auf Grund des Betriebs der Fir¬ma Autohaus H., deren Inhaber der Antragsteller war, Gesamtsozialversicherungs¬beiträge in Höhe von 10.952,38 EUR einschließlich Säumniszuschlägen, Gebühren und Kosten. Daraufhin hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zu der beabsichtigten Verrechnung an und bat um Vorlage einer Bedarfsbescheinigung. Im Rahmen der Anhörung äußerte sich der Antragsteller nicht.
Mit Bescheid vom 28. Juli 2010 verrechnete die Antragsgegnerin ab dem 1. Oktober 2010 die laufende Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in einer Höhe von monatlich 248,36 EUR zuguns¬ten der KKH-Allianz. Darüber hinaus verrechnete die Antragsgegnerin die Nachzahlung aus dem Bescheid vom 20. April 2010 bis zu einem Betrag in Höhe von 331,57 EUR. Für die Nach¬zahlung sei eine Hilfebedürftigkeit des Antragstellers nicht relevant. Für die laufenden Geld¬leistungen habe der Antragsteller keine entsprechenden Nachweise vorgelegt.
Mit dem dagegen gerichteten Widerspruch vom 20. August 2010 führt der Antragsteller aus, dass das Verrechnungsersuchen der KKH-Allianz auf Grund des laufenden Insolvenzverfah¬rens zurückzuweisen sei. An diesem Insolvenzverfahren sei die Krankenkasse bereits beteiligt. Durch die Verrechnung erschleiche sie sich Leistungen gegenüber anderen Gläubigern. Bei der Verrechnung handele es sich um Vorteilsgabe gegenüber Dritten, diese verstoße daher gegen das Insolvenzgesetz. Darüber hinaus bestehe auch eine Unterhaltspflicht gegenüber seiner Tochter. Dieser müsse er einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 200,- EUR zahlen.
Mit Beschluss vom 20. August 2010 des Amtsgerichts Mühlhausen wurde das Insolvenzverfahren gegen den Antragsteller nach Durchführung der Schlussverteilung aufgehoben. Seitdem befindet sich der Antragsteller in der Wohlverhaltensphase.
Mit Widerspruchsbescheid vom 1. November 2010 wies die Antragsgegnerin den Wider¬spruch des Antragstellers zurück. Der Antragsteller habe nicht nachgewiesen, dass durch die monatliche Verrechnung Hilfebedürftigkeit im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) oder des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) eintrete. Darüber hinaus bleibe die Befugnis zur Verrechnung im Falle der Insolvenz grundsätzlich wirksam.
Dagegen hat der Antragsteller am 5. November 2010 Klage vor dem Sozialgericht Nordhausen (SG) unter dem Aktenzeichen S 16 R 7883/10 erhoben. Zugleich hat der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragt und insofern geltend gemacht, dass die KKH-Allianz ihre Forderungen bereits im Rahmen des Insolvenzver¬fahrens zur Gläubigertabelle angemeldet habe und daher an diese Form der Geltendmachung gebunden sei. Zudem gelten die Pfändungsfreigrenzen der §§ 850 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) auch im Falle der Verrechnung.
Das SG hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung mit Beschluss vom 15. Dezember 2010 abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Verrechnung gemäß § 52 i.V.m. § 51 Abs. 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) vorliegen und eine Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen sei. Das Insolvenzverfahren habe keinen Einfluss auf die Verrechnung, insbesondere gelte die Pfändungsfreigrenze des § 850c ZPO nicht. Auch der Umstand, dass sich der Antragsteller in der Wohlverhaltensphase befinde, stehe einer Verrechnung nicht entgegen, da es sich dabei nicht um eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung handele. Es bestehe nach § 294 der Insolvenzordnung (InsO) kein generelles Aufrechnungsverbot. Die KKH-Allianz sei zudem nicht auf die Geltendmachung ihrer Forderungen im Rahmen des Insolvenzverfahrens beschränkt.
Gegen den seinen Bevollmächtigten am 27. Dezember 2010 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 17. Januar 2011 Beschwerde eingelegt und diese damit begründet, dass das SG die Frage der Ermessensausübung nicht geprüft habe. Zudem hat er nochmals seine Auffassung bekräftigt, dass "die Aufrechnung in der Wohlverhaltensphase analog § 294 Abs. 1 InsO" nicht zulässig sei.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 15. Dezember 2010 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage vom 5. November 2010 gegen den Bescheid vom 28. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. November 2010 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wiederholt sie ihr bisheriges Vorbringen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des Antrags- bzw. Beschwerdeverfahrens, des Hauptsacheverfahrens (Az.: S 16 R 7883/10) sowie auf den Inhalt der Behördenakte Bezug genommen.
II.
Die nach § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Das Gericht entscheidet bei dem Antrag nach § 86 b Abs. 1 SGG nach pflichtgemäßem Ermessen und auf Grund einer Interessenabwägung. Dabei sind im Rahmen einer summarischen Prüfung die öffentlichen und privaten Interessen und die Sach- und Rechtslage in der Hauptsache zu berücksichtigen. Auch hat das Gericht unter anderem die Erfolgsaussichten der Klage zu prüfen (vgl. Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: Oktober 2005, § 80 Rdnr. 252).
Bei der Ermessensausübung überwiegt unter Abwägung der wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten das Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin. Sie vertritt das Interesse der Versichertengemeinschaft an einem gesicherten und zeitnah zu realisierendem Beitragsaufkommen, dessen Fälligkeit sich konsequent nicht aus einem gesonderten Verwaltungsakt sondern aus dem Gesetz oder diesem entsprechenden Satzungsregeln (vgl. § 240 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V)) ergibt. Der Gesetzgeber hat (wie bei der Erhebung öffentlicher Abgaben und Kosten in § 80 Abs. 2 Nr. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)) durch den ausdrücklichen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage das öffentliche Interesse an einem Sofortvollzug höher eingeschätzt als das Privatinteresse an der vorläufigen Befreiung von der Leistungspflicht.
Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt nach § 86a Abs. 3 S. 2 SGG nur bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids in Betracht oder wenn die Vollziehung für den Pflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zufolge hätte. Nach der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte zu öffentlichen Abgaben und Kosten bestehen entsprechende Zweifel nur, wenn aufgrund der summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (vgl. Thüringer OVG in ThürVBl. 1998, 184, 185 m.w.N.). Dieser Rechtsprechung hat sich der Senat für die Fälle des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG angeschlossen (vgl. Senatsbeschluss vom 17. März 2003 – Az.: L 6 RJ 164/03 ER). Gründe für eine Änderung sind nicht ersichtlich (vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 9. Auflage 2008, § 86a Rdnr. 27a).
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 28. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. November 2010 bestehen auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht. Rechtsgrundlage für die Verrechnung ist § 52 SGB I. Danach kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Nach § 51 Abs. 2 SGB I kann der zuständige Leistungsträger mit Beitragsansprüchen gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, soweit der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird. Insoweit wird gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die Gründe des mit der Beschwerde angefochtenen Beschlusses des SG verwiesen.
Ergänzend wird im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen noch Folgendes ausgeführt:
Das SG hatte keinen Anlass die Ermessensausübung der Antragsgegnerin eingehender zu prüfen, da der Antragsteller im Rahmen der Anhörung keinerlei Gründe vorgetragen hat, die die Antragsgegnerin im Rahmen der Ermessensausübung hätte berücksichtigt können. Auch im Widerspruchsverfahren hat er lediglich pauschal vorgetragen, seiner Tochter Unterhalt in Höhe von monatlich 200,- Euro zu zahlen. Belege hierfür hat er weder im Widerspruchsverfahren noch im anschließenden gerichtlichen Verfahren vorgelegt. Zudem wurde die behauptete Unterhaltszahlung in der Bedarfsberechnung des Landratsamts Nordhausen vom 19. November 2010 und damit auch im Beschluss des SG bei der Frage der Hilfebedürftigkeit berücksichtigt. Sonstige im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigende Gründe hat der Antragsteller nicht vorgetragen, darauf hat die Antragsgegnerin im angefochtenen Bescheid vom 28. Juli 2010 auch hingewiesen.
Des Weiteren ist seiner Auffassung, dass "die Aufrechnung in der Wohlverhaltensphase analog § 294 Abs. 1 InsO" nicht zulässig sei, entgegenzutreten. Nachdem die Verrechnung als besonderer Fall der Aufrechnung bereits während des Insolvenzverfahrens zulässig ist (vgl. Bundessozialgericht &61500;BSG&61502;, Urteil vom 10. Dezember 2003 - Az.: B 5 RJ 18/03 R und Bundesgerichtshof &61500;BGH&61502;, Urteil vom 29. Mai 2008 - Az.: IX ZB 51/07, beide nach juris), stehen einer Verrechnung während der sogenannten Wohlverhaltensphase i.S.d. Insolvenzrechts im vorliegenden Fall keinerlei Gründe entgegen, zumal die Höhe des monatlichen Rentenauszahlungsanspruchs des Antragstellers unterhalb der Pfändungsfreigrenzen der §§ 850 ff. ZPO liegt und damit bereits nicht zur Insovenzmasse zählt (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. Juni 2009 - Az.: L 17 R 48/09, nach juris).
Schließlich bestehen mangels entsprechender Angaben des Antragstellers keine Anhaltspunkte für eine besondere Härte.
Insofern sieht der Senat nach dem derzeitigen Sachstand keinen Anlass für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Damit überwiegt das öffentliche Interesse an der Einziehung der unbestrittenen Forderung. Dass Beitragszahlungen zeitnah geleistet werden, liegt im Interesse der Versichertengemeinschaft. Unbeachtlich ist dabei letztlich, dass fraglich ist, ob die zur Verrechnung neben den Beiträgen und Säumniszuschlägen angemeldeten Verwaltungsgebühren zu den Beitragsansprüchen i.S.d. § 51 Abs. 2 SGB I zählen, die allein verrechnet werden dürfen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. Oktober 2010 - Az.: L 8 R 605/10 B, nach juris). Da es sich hierbei nur um einen vernachlässigbaren Teil der gesamten zur Verrechnung anstehenden Gesamtsumme (32,- Euro im Vergleich zu 10.920,- Euro) handelt, der zudem nach § 51 Abs. 2 SGB I tatsächlich nur zur Hälfte verrechnet wird, unterbleibt eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung des diese Verwaltungsgebühren und Kosten des Beitragseinzugs betreffenden Teils der Klage des Antragstellers. Ihm ist insoweit zuzumuten, seinen Anspruch nachträglich im Klageverfahren geltend zu machen.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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