L 5 KR 720/11 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 720/11 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung des Inhalts, dass die Antragsgegnerin verpflichtet wird, ihr eine molekularbiologische Sequenzierung der DNA-Struktur ihres Vaters L C (geboren 00.00.1950) zu gewähren, ist nicht be-gründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes voraus. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn der Antragsteller das Bestehen eines Rechtsverhältnisses glaubhaft macht, aus dem er eigene Ansprüche herleitet. Maßgeblich sind mithin grundsätzlich die Erfolgsaussichten in der Hauptsache (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 86b Rdn. 27 ff.). Ein Anordnungsgrund ist nur dann gegeben, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm unter Berücksichtigung der widerstreitenden öffentlichen Belange ein Abwarten bis zur Entscheidung der Hauptsache nicht zuzumuten ist.

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Antragstellerin hat weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Ansprüche der Antragstellerin auf Krankenbehandlung nach den §§ 27 ff. Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) scheiden von vornherein aus. Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Im vorliegenden Fall geht es aber nicht darum, eine Krankheit der Antragstellerin in diesem Sinne zu behandeln. Selbst wenn man davon ausginge, dass es vorliegend darum geht, eine Krankheit des ungeborenen Kindes der Antragstellerin (die wegen der wechselseitigen Abhängigkeit zwischen Mutter und Kind einer Erkrankung der Antragstellerin grundsätzlich gleichzustellen ist - vergl. Senatsurteil vom 10.03.2011, L 5 KR 177/10) zu erkennen, so kann dies hier dennoch nicht als Krankenbehandlung des ungeborenen Kindes beurteilt werden, weil die Erkennung des bei dem ungeborenen Kind möglicherweise vorliegenden Gendefekts - auf dem "Umweg" über die DNA-Untersuchung des Großvaters - allein darauf abzielt, gegebenenfalls dessen Leben zu beenden. Es liegt auf der Hand, dass dies nicht als Krankenbehandlung des ungeborenen Kindes oder der Antragstellerin qualifiziert wer-den kann.

Soweit die Antragstellerin geltend macht, die molekularbiologische Sequenzierung der DNA-Struktur ihres Vaters diene letztlich dazu, die Voraussetzungen für die Vornahme einer Abtreibung zu klären, könnte - möglicherweise - ein Anspruch der Antragstellerin aus § 24b SGB V in Betracht kommen. Aus Abs. 2 dieser Vorschrift ergibt sich, dass im Falle eines nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruchs nach § 218a Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB) alle Leistungen zu gewähren sind, die der Feststellung der Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch dienen (vergl. Schütze in: jurisPK § 24b SGB V Randnummer 50). Dabei kann der Senat es offen lassen, ob die DNA-Sequenzierung eines Dritten auch dann zu den zu gewährenden Leistungen zählt, wenn sich diese Untersuchung als das einzige Mittel darstellt, um die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch zu klären - was hier durchaus zweifelhaft sein könnte, weil es der Antragstellerin zuzumuten sein könnte, eine unmittelbare Untersuchung der DNA des Kindes vornehmen zu lassen. Ein derartiger Anspruch würde aber jedenfalls daran scheitern, dass die Antragstellerin das Vorliegen der Voraussetzungen der Vorschrift des § 218a Abs. 2 StGB (der hier allein in Betracht kommenden Indikation für einen nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch) nicht glaubhaft gemacht hat. Entscheidend ist insoweit u.a. das Ausmaß der "Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren"; keinesfalls reicht hierfür allein das (mögliche) Vorliegen einer Behinderung bei dem ungeborenen Kind aus (vergl. Schütze aaO Rdnr. 43 mit weiteren Nachweisen). Hinsichtlich der anzunehmenden Belastung bei der Antragstellerin sind aber keinerlei Tatsachen glaubhaft gemacht worden; vielmehr scheint die Antragstellerin - irrig - davon auszugehen, dass allein die reale Gefahr des Vorhandenseins eines genetischen Defekts bei ihrem ungeborenen Kind in ihrer Person die Voraussetzungen des § 218a Absatz 2 StGB begründet.

Soweit die Antragstellerin meint, der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversiche-rung sei verfassungskonform um die hier begehrte Leistung zu erweitern, es gebe ein "Recht auf ein gesundes Kind", vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Antragstellerin verkennt, dass auch das Leben ihres ungeborenen Kindes unter dem Schutz der Verfassung steht; es ist nicht ersichtlich, dass es Grundrechte der Antragstellerin gebieten, ihr seitens der gesetzlichen Krankenversicherung die Leistungen zu gewähren, die es ermöglichen, zu klären, ob bei ihrem Kind gesundheitliche Beeinträchtigungen vorliegen, allein mit dem Ziel, dessen Leben zu beenden.

Schließlich fehlt es auch an einem Anordnungsgrund. Die Antragstellerin hat nicht dargelegt und erst recht nicht glaubhaft gemacht, aus welchen Gründen ihr eine Vorfinanzierung der streitgegenständlichen DNA-Untersuchung nicht möglich ist. Nach den von der Antragstellerin eingelegten Unterlagen handelt es sich um Kosten in Höhe von rund 3.000,- Euro. Bei einer derartigen Höhe kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen sein, dass eine vorläufige Tragung seitens der Antragstellerin bis zur Beendigung des Hauptsacheverfahrens von vornherein ausgeschlossen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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