L 3 VG 4/07

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 31 VG 22/05
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 VG 4/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 8. Januar 2007 und es wird der Bescheid des Beklagten vom 29. November 2004 in der Gestalt des Widerpruchsbescheids vom 26. Januar 2005 und in der Fassung des angenommenen Teilanerkenntnisses vom 31. Mai 2006 sowie des Ausführungsbescheids vom 23. Mai 2007 aufgehoben. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist im Streit, ob weiterhin Rente nach dem Gesetz über die Entschädigung der Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz (OEG)) zu gewähren ist.

Der im XXXXX 1985 geborene, aus einer t. Familie stammende Kläger war am 23. November 1992 in M. durch einen vorsätzlichen Brandanschlag geschädigt worden. Zwei später rechtskräftig wegen Mordes verurteilte Täter hatten in der Nacht vom 22. auf den 23. November 1992 Molotowcocktails in zwei Häuser in M. geworfen. Während in dem Hause R. Straße niemand zu Schaden kam, starben in dem Haus in der M1, in dem der Kläger mit seiner Familie wohnte, die Großmutter des Klägers, seine zehnjährige Schwester und eine vierzehnjährige Cousine, die gerade aus der T. dort zu Besuch weilte. Der damals siebenjährige Kläger war dadurch den Flammen entkommen, dass ihn seine Großmutter in ein Stück Teppich gewickelt und in der Küche abgelegt hatte, wo ihn unter Atemschutz eindringende Rettungskräfte vorfanden. Die Großmutter war bei dem Versuch, auch die Schwester zu retten, zusammen mit dieser ums Leben gekommen, während die Mutter des Klägers, die aus dem Fenster des brennenden Hauses gesprungen war, schwerverletzt überlebte. Der Kläger wurde mit einer Rauchvergiftung und starker Unterkühlung sowie einem sich später entwickelnden fieberhaften Infekt im Städtischen Krankenhaus in M. vom 23. November bis zum 5. Dezember 1992 stationär behandelt.

Im März 1993 stellte der Kläger vertreten durch seine Eltern einen Antrag auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Der Beklagte holte ein Gutachten des Kinderarztes und Kinder- und Jugendpsychiaters Prof. Dr. K. ein, der die Auffassung vertrat, dass insgesamt von einer neurotischen Verarbeitung des erlebten traumatischen Ereignisses auszugehen sei. Das emotionale Erleben werde im Sinne des Selbstschutzes weitgehend in den Hintergrund gedrängt, äußerlich sichtbar seien psychosomatische Beschwerden wie Kopfschmerz und Magenschmerz. Als Bezeichnung der Schädigungsfolgen werde eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F 43.1) vorgeschlagen. Ihre Kriterien würden in Gestalt wiederholten Erlebens des Taumas in nächtlichen Träumen, Albträumen, Ein- und Durchschlafstörungen, nächtlichen Ängsten, Einnässen, Nachlassen der schulischen Leistungen, Konzentrationsschwäche, Tagträumereien und Merkschwäche erfüllt. Es handele sich um eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, wofür ein Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 anzusetzen sei.

Der Versorgungsärztliche Dienst des Beklagten stimmte der Einschätzung von Prof. Dr. K. grundsätzlich zu, hielt jedoch eine MdE von 30 vom Hundert für ausreichend. Daraufhin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 16. August 1995 fest, dass der Kläger durch die Gewalttat vom 23. November 1992 eine posttraumatische Belastungsstörung durch schädigende Einwirkung im Sinne des § 1 OEG erlitten habe. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage 30 vom Hundert. Die weiter erlittene Rauchvergiftung sei folgenlos abgeheilt. Ab 1. November 1992 werde dem Kläger eine Grundrente nach einer MdE von 30 vom Hundert gewährt.

Im Jahre 2003 leitete der Beklagte (zum wiederholten Male) ein Überprüfungsverfahren ein. Dabei gelangte der ärztliche Bericht über einen vierwöchigen stationären Aufenthalt des Klägers in der Medizinisch-psychosomatischen Klinik B. (Januar/Februar 2004) zu den Akten, in dem es heißt, er habe bei der Aufnahme angegeben, nachts schlecht schlafen zu können und das Licht und den Fernseher anlassen zu müssen, um überhaupt einschlafen zu können. Er wache wiederholt mit Angst auf und träume von dem erlittenen Brandanschlag. Zudem leide er unter ausgeprägten Konzentrationsstörungen, könne nur schwer ruhig sitzen und sei häufig in seiner Stimmung niedergedrückt. Auch habe er von wiederkehrenden Wutausbrüchen und Schlägereien berichtet, insbesondere in Situationen, in denen er sich beleidigt oder angegriffen fühle. Wenn er allein unterwegs sei, fühle er sich oft verfolgt. Häufig habe er Angst, dass ein solcher Anschlag wieder passiere, auch verspüre er häufig Trauer und Wut. Dabei falle es ihm schwer, seine Wut zu steuern. Mit der Familie oder Freunden könne er über seinen Zustand nicht sprechen. Durch das Miterleben eines Erdbebens in I. seien seine Beschwerden weiter verstärkt worden. Der Kläger sei auf einer Schwerpunktstation für depressive Störungen behandelt worden. Dabei habe er zunächst im Kontakt unruhig gewirkt, Schlafstörungen beklagt und zunehmend wiederholte Wut¬impulse mit Schlägereien in den Vordergrund gerückt. Unter der Förderung von Entspannungs- und Genussverhalten sei ein Rückgang der Unruhe beobachtbar gewesen, gleichzeitig habe er von einer deutlichen Verbesserung des Schlafverhaltens berichtet. Wegen starken Heimwehs habe der Kläger von einer Verlängerung der stationären Maßnahme abgesehen. Er sei in gebessertem Zustand entlassen worden.

In dem daraufhin eingeholten versorgungsärztlichen Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. vom 1. September 2004 heißt es über die vom Kläger gegenüber dem Gutachter gemachten eigenen Angaben: Die Krankheitssymptome hätten im Grunde genommen erst richtig begonnen, als die Familie nach der Renovierung des bei dem Anschlag beschädigten Hauses etwa 1996 dort wieder eingezogen sei. Damals hätten die Schlafstörungen richtig angefangen, auch Wutausbrüche, Nervenzusammenbrüche, Konzentrationsstörungen in der Schule usw. Das in I. miterlebte Erdbeben habe alles noch verschlimmert. Habe er schon zuvor nicht richtig schlafen können, habe er, wieder in Deutschland, dann gar nicht mehr schlafen können aus Angst vor einem möglichen Erdbeben hier. Seit 1994 habe er immer so ein psychisch bedingtes "Nasehochziehen". Das sei nach der letzten Kur noch schlimmer geworden. Bei der Kur in B. habe er sich deutlich besser gefühlt, nach der Entlassung sei es wieder wie früher gewesen. Weiter heißt es in dem Gutachten von Dr. H., eine Erklärung für die neuerliche Verstärkung der Symptome nach Rückkehr aus B. in die häusliche Situation lasse sich nicht finden. Im Laufe von mehr als einem Jahrzehnt nach dem Ereignis von 1992 habe sich ein Wandel hinsichtlich der Symptome wie auch der diagnostischen Einordnung der Befindlichkeitsstörung ergeben, wobei auch weitere Faktoren bei der Wandlung und Chronifizierungstendenz des Zustandes eine zunehmende Bedeutung gewonnen hätten. Aktuell bestünden beim Kläger noch eine Anpassungsstörung, Angst und depressive Reaktion gemischt. Diese seien aber nicht mehr überwiegend unmittelbar auf das Ereignis von 1992 zurückzuführen. Der Verlauf habe gezeigt, dass unter konsequenter Behandlung, sofern der Kläger kooperiere, durchaus eine gute Rückbildung und vorübergehende Stabilisierung zu erreichen gewesen sei. Der durch das Ereignis von 1992 bedingte Anteil der Gesundheitsstörung werde mit einer MdE von 20 vom Hundert bewertet. Als schädigungsunabhängige Gesundheitsstörung bestehe eine psychische Minderbelastbarkeit, für die ein GdB von 20 angenommen werde.

Nach Anhörung des Klägers stellte der Beklagte mit Bescheid vom 29. November 2004 den Versorgungsanspruch des Klägers nach dem OEG mit Wirkung vom 1. Februar 2005 neu fest und bezeichnete die Schädigungsfolgen nunmehr als "reaktive psychische Störung". Die MdE betrage hierfür weniger als 25 vom Hundert. Es sei eine wesentliche Änderung insofern eingetreten, als sich die Schädigungsfolge "posttraumatische Belastungsstörung" gebessert habe. Die beim Kläger bestehende psychische Störung bedinge zwar weiterhin insgesamt einen Grad der Behinderung von 30. Es habe jedoch eine Verschiebung der Wesensgrundlage stattgefunden. Das bedeute, dass für die noch bestehenden Gesundheitsstörungen (Anpassungsstörung, Angst und depressive Reaktion) zum Teil schädigungsunabhängige Faktoren von Bedeutung seien.

Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens (Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2005) hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben und unter Hinweis auf sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren vorgetragen, die Änderung der Diagnose in "Anpassungsstörung" ergebe keinen Sinn. Er leide weiterhin unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Es treffe nicht zu, dass deren Symptome bei ihm nicht mehr gegeben seien. Auch sei nicht von einer wesentlichen Besserung der festgestellten Schädigungsfolgen auszugehen. Eine Normalisierung des Schlafs genüge nicht. Er leide weiterhin unter schwerwiegenden Folgen der Schädigung, weshalb sein psychischer Zustand alles andere als stabil zu nennen sei. So zeige sich eine stets präsente Nervosität und Unruhe. Er sei nicht fähig, sich zu entspannen oder eine Gelassenheit mit Situationen zu entwickeln. Auch leide er unter einem infolge der Schädigung entwickelten Tic, der sich insbesondere in angespannten Situationen durch "ständiges Nasehochziehen" und gelegentliches "Schnäuben" äußere.

Das Sozialgericht hat den Kläger durch die Ärztin für Psychiatrie und Neurologie Dr. P. am 6. März 2006 ambulant untersuchen lassen, die in ihrem Gutachten vom 29. März 2006 ausgeführt hat, beim Kläger seien die notwendigen Kriterien für die Stellung der Diagnose "posttraumatische Belastungsstörung", nicht jedoch diejenigen einer Anpassungsstörung, als erfüllt anzusehen. Zu nennen seien anhaltende Erinnerungen an das Trauma bzw. anhaltendes Wiedererleben des traumatischen Ereignisses bei spezifischen Auslösern wie z.B. Brandgeruch, Martinshorn der Feuerwehr, Medienberichten über ähnliche Ereignisse und dergleichen, dann jeweils verbunden mit einer emotionalen Reaktion in Form von Angst, sowie anhaltendes Vermeidungsverhalten aufgrund bestehender Dunkelangst und von Verfolgungsängsten. Der Kläger fürchte dauernd, erneut Opfer eines neonazistischen Überfalls zu werden, dies auch getriggert durch immer wieder einmal auftretendes ausländerfeindliches Verhalten anderer ihm gegenüber. In diesem Zusammenhang sei auch auf eine erhöhte Reizbarkeit hinzuweisen mit Tendenz zu Wutausbrüchen. Schließlich bestünden anhaltend Konzentrationsstörungen bei insgesamt erhöhtem Erregungsniveau und sehr ausgeprägter psychomotorischer Unruhe mit Tendenz zur Selbstverletzung. Die anderslautende Beurteilung des Gutachters Dr. H. sei ebenso wenig nachvollziehbar wie die Einschätzung der Nervenärztin B1, die von einer Verschiebung der Wesensgrundlage ausgehe. Die gesamte psychische Symptomatik des Klägers sei vielmehr nach wie vor auf das Trauma von 1992 zurückzuführen. Das Erd¬beben in der T. habe lediglich zu einem eng umschriebenen spezifischen Vermeidungsverhalten geführt; andere durch das Erdbebenerlebnis verursachte psychische Beeinträchtigungen seien nicht feststellbar. Dies werde unter anderem daran deutlich, dass der Kläger dieses Ereignis bei der aktuellen Untersuchung mehr nebenbei erwähnt habe. Bei einer Betrachtung des Gesamtverlaufs, insbesondere bei einem Vergleich des aktuellen Untersuchungsergebnisses mit früher berichteten Symptomen und Befunden könne festgestellt werden, dass sich eine Besserung ergeben habe. Dies werde auch vom Kläger selbst so gesehen. Es betreffe vor allem die früher offenbar als quälend erlebten Schlafstörungen. Diese seien der führende Grund für die Durchführung der stationären Behandlung in B. gewesen. Durch die dortige Behandlung sei es zu einer deutlichen Verbesserung des Schlafverhaltens gekommen. Insbesondere habe der Kläger keine Albträume mehr. Auch angesichts der von ihm selbst angegebenen Alltagsaktivitäten sei eine stärker behindernde psychische Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht mehr feststellbar. Dies gelte ab März 2005, von welchem Zeitpunkt ab eine MdE von 20 vom Hundert bestehe, zuvor habe sie 30 vom Hundert betragen.

Auf der Grundlage des Gutachtenergebnisses hat sich der Beklagte bereit erklärt, den angefochtenen Bescheid vom 29. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2005 insoweit zu ändern, als die MdE nach dem OEG erst ab 1. März 2005 mit weniger als 25 vom Hundert bewertet werde. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen und die Klage im Übrigen weitergeführt.

Mit Urteil vom 8. Januar 2007 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Abänderung der angefochtenen Bescheide und des angenommenen Teilanerkenntnisses verpflichtet, die Schädigungsfolge als "Restzustand einer posttraumatischen Belastungsstörung" neu zu bezeichnen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es, hinsichtlich der Bezeichnung der Schädigungsfolge sei die Kammer der Ansicht, dass diese als Restzustand einer posttraumatischen Belastungsstörung zu bezeichnen sei. Sie schließe sich den Ausführungen der Sachverständigen Dr. P. an. Unabhängig davon, ob ursprünglich das Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung vorgelegen habe oder nicht, leide der Kläger mittlerweile nicht mehr unter Flashbacks oder Intrusionen durch belastende Albträume. Damit erscheine die Bezeichnung der Schädigungsfolge als Restzustand einer posttraumatischen Belastungsstörung angemessen. Über den Februar 2005 hinaus habe der Kläger keinen Anspruch mehr auf Gewährung einer Grundrente. Der Beklagte habe die MdE zu Recht in Anwendung von § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) auf weniger als 25 vom Hundert herabgesetzt. Gegenüber den Verhältnissen, die dem Bescheid vom 16. August 1995 zugrunde gelegen hätten, habe sich der gesundheitliche Zustand des Klägers wesentlich verbessert. Die vorliegenden Beeinträchtigungen rechtfertigten es nicht mehr, noch von einer stärker behindernden Störung mit wesentlichen Einschränkungen der Erlebnis- und Ge¬staltungsfähigkeit auszugehen. Die Beurteilung der noch verbliebenen Schädigungsfolgen mit einer MdE von 30 vom Hundert komme damit nach den maßgeblichen Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit nicht (mehr) in Betracht. Vielmehr bestehe bei dem Kläger nur noch eine leichtere psychovegetative/psy¬chische Störung, die nach den Anhaltspunkten mit einer MdE von bis zu 20 vom Hundert zu bewerten sei. Die Kammer sei mit der Sachverständigen Dr. P. der Ansicht, dass es durch den Wegfall der vom Kläger als sehr quälend empfundenen Schlafstörungen zu einer wesentlichen Besserung der Schädigungsfolgen gekommen sei. Auch der Umstand, dass der Kläger mittlerweile im Dunkeln einschlafen könne, deute auf ein Nachlassen der psychischen Beeinträchtigung und eine allmähliche Überwindung der Traumafolgen hin. Berücksichtige man weiter, dass er sozial gut integriert sei, eine Freundin und Freunde habe, sich sportlich betätige und eine Berufsausbildung absolviere, könne nicht mehr von einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ausgegangen werden. Auch der Zeitpunkt der Herabsetzung der MdE ab dem 1. März 2005 sei nicht zu beanstanden. Bei der im März 2006 stattfindenden Untersuchung durch Dr. P. habe der Kläger angegeben, seit etwa einem Jahr nicht mehr unter Albträumen zu leiden. Nach alledem habe er keinen Anspruch auf die Gewährung einer Grundrente über den 28. Februar 2005 hinaus. Denn nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG i.V.m. §§ 9 Nr. 3, 31 Abs. 1, 31 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) werde eine Grundrente erst ab einer MdE von 25 vom Hundert gewährt.

Das Urteil ist dem Kläger am 20. April 2007 zugestellt worden. Am 18. Mai 2007 hat er Berufung eingelegt, zu deren Begründung er ausführt, die Bewertung der Schädigungsfolge aus dem Brandanschlag sei mit einer MdE von weniger als 25 vom Hundert zu niedrig bemessen. Er leide seit dem Anschlag unter einer vielschichtigen psychischen und psychosomatischen Symptomatik im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung. Zu Unrecht gehe das Sozialgericht davon aus, es handele sich nur noch um einen Restzustand einer solchen Störung. Er sei durch fortwährende und extrem ausgeprägte Unruhezustände belastet, die sich durch nervöses Wackeln mit den Beinen sowie ein nervöses Husten, Räuspern und Schniefen äußerten. Dieser Tic trete in Zeitabständen von 45 bis 60 Sekunden auf und sei psychosomatisch bedingt. Darunter leide er sehr. Zeitweise und bei hoher Anspannung trete der Tic in einer Stärke auf, die den gesamten Körper erschüttere und zu unwillkürlichen Arm- und Beinbewegungen führe. Der Versuch, dies unter Kontrolle zu bringen, führe zu einer noch erheblicheren Belastung. Seit dem Brandanschlag sei er nahezu unfähig allein zu sein. Er vermeide es, sich allein in seiner Wohnung aufzuhalten oder abends allein auf die Straße zu gehen. So habe er seine jetzige Ehefrau in der Verlobungszeit abends nicht nach Hause bringen können, weil er Angst davor gehabt habe, den Rückweg alleine zurücklegen zu müssen. Auch sei er nicht imstande, längere Zeit ohne vertraute Menschen zu verbringen, weshalb er die psychosomatische Kur in B. nicht verlängert habe. Die Tatsache, dass er darum bemüht sei, ein weitgehend normales Leben zu führen, berechtige nicht zu der Annahme, dass ihm dies auch gelinge. Zwar sei er sozial gut integriert. Dies sei jedoch der Tatsache geschuldet, dass er über einen sehr stützenden und integrativen Freundeskreis verfüge. Wenn es im Urteil des Sozialgerichts heiße, er leide nicht mehr unter Flashbacks oder Intrusionen durch belastende Albträume, so gehe das Sozialgericht fälschlich davon aus, dass Intrusionen nur als Albträume vorliegen könnten. Diese könnten auch in anderer Form auftreten. Schon aus dem Tatbestand des Urteils ergebe sich, dass er nach wie vor unter Intrusionen in verschiedener Form leide, etwa indem sich bei spezifischen Auslösern wie Brandgeruch oder Rauchwolken Erinnerungen an den Aufenthalt im brennenden Haus oder Ängste wieder aufdrängten. Eine wesentliche Besserung der gesundheitlichen Verhältnisse sei nicht eingetreten. Das Nachlassen der Schlafstörungen allein könne eine Herabsetzung der MdE nicht begründen. Es bestehe mit der posttraumatischen Belastungsstörung eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, die nach den Anhaltspunkten eine MdE von mindestens 30 vom Hundert bedinge. Es werde angeregt, eine Begutachtung auf dem Gebiet der Psychotraumatologie durchführen zu lassen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 8. Januar 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2005 und in der Fassung des angenommenen Teilanerkenntnisses vom 31. Mai 2006 sowie des Ausführungsbescheids vom 23. Mai 2007 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angegriffene Entscheidung und seinen Bescheid.

Das Berufungsgericht hat den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. mit der ambulanten Untersuchung und schriftlichen Begutachtung des Klägers beauftragt. Dr. L. hat den Kläger am 19. und 27. Februar 2009 jeweils in Gegenwart von dessen Ehefrau untersucht. Dem Untersucher gegenüber hat der Kläger seine Beschwerden mit Konzentrationsstörungen und einem chronischen Hustenreiz angegeben. Er stehe mitten in der Nacht auf und könne dann nicht mehr schlafen. Er habe auch das Gefühl, dass ihm sämtliche Knochen wehtun würden. Um dies zu unterdrücken, mache er nachts unwill-kürliche Bewegungen. Er kaue auch auf den Händen und Knöcheln und verletze sich, um diesen Husten zu unterdrücken. Am Tage könne er manchmal kaum atmen, als ob er Viren habe. Um dies zu unterdrücken, würde er sich Schläge gegen den Kopf zufügen. Der chronische Hustenreiz sei in der Nase. Er führe ihn auf den Brandanschlag zurück. Trotzdem würden ihn die Menschen akzeptieren. Schwierig sei es nur, wenn er im Restaurant Gästen gegenüberstehe und wie wild umherhuste. Sonst gehe es gut. Weitere Beeinträchtigungen habe er nicht. Auf der Grundlage einer Fragebogenerhebung (Spitzer 2001) hat der Kläger gegenüber Dr. L. von immer wiederkehrenden oder sich aufdrängenden unruhigen Gedanken und Erinnerungen berichtet, die in zeitlichen Abständen aufträten. Dies geschehe insbesondere am Jahrestag, wenn er wie jedes Jahr mit der Familie nach M. fahre. Derzeit komme es häufiger zu Erinnerungen an den Brandanschlag, weil er aktuell einen Dokumentarfilm über den Anschlag drehe, in welchem er der Hauptdarsteller sei. Die Erinnerungen seien sehr belastend, weil er seine damals zwölf Jahre alte Schwester so vermisse. Auch habe er schlimme Schlafstörungen, die immer wieder mitten in der Nacht kämen. Es seien Albträume, in denen der Prophet frage, ob er ins Feuer wolle. Wenn er hingegen viel arbeite, dann habe er keine Träume. Er versuche das wegzudrängen und habe Angst, im Traum Verbrannte zu sehen. Allerdings sei das noch nicht passiert. An das Ereignis erinnere er sich insbesondere, wenn "solche Leute" draußen seien. Natürlich sei er sehr aufgewühlt. Auslösende Ereignisse seien etwa Glatzköpfe. Dann werde er ängstlich und aggressiv und er habe das Gefühl, seine Gefühle spielten dann verrückt. Es sei wie ein Druck, der herausgelassen werden wolle. Es sei ein Teil seines Lebens, was da geschehen sei. Letztlich seien sie deswegen aus M. weggezogen, um den Ort zu meiden. Er selbst gehe sehr ungern nach M. zurück und wolle von sich aus nicht wieder dorthin. Nur seine Familie wolle dies. Er erinnere sich insbesondere daran, dass seine Oma ihn gerettet, sie ihr Leben für ihn geopfert habe. Alle hätten ihn davor geschützt, dass er "das", dass er seine tote Großmutter gesehen habe. Wegen seines Hustens und Schnupfens traue er sich nicht zu, neue Menschen kennen zu lernen. Seit dem Anschlag habe er diesen Schnupfen. Er sei aber seit 5 – 6 Jahren schlimmer geworden. Ein anderer Zusammenhang als mit dem Brand vom 23. November 1992 komme für ihn nicht infrage. Die Schlafstörungen seien unangenehm, sehr unangenehm. Er sei dauernd aggressiv und innerlich reizbar und schlage sich selber. Er sei wie eine laufende Bombe; wenn er böse angeguckt werde, dann denke er im Kopf, wie er das dem Mann heimzahlen könne. Umsetzen werde er das aber nicht. Auch die Konzentrationsstörungen seien ganz extrem. Er sei misstrauisch geworden, abends habe er einfach Angst vor Geistern. Wenn er allein zuhause sei, dann sei die Angst groß. Es sei dann gut, dass seine Frau da sei, dann fühle er sich geschützt. Alleine schlafen könne er nicht. Er sei schreckhaft und nervös geworden, so, dass er sich selbst verletze. Dort (an der Oberseite des rechten Grundfingers und an der Oberseite des linken Zeigefingers wie Dr. L. durch Einsichtnahme festgestellt hat) beiße er sich und nehme dabei Haut heraus. Auch schlage er sich selber. In der Berufsschule sei das so heftig gewesen, dass er befürchtet habe, sein Herz bleibe stehen. Er habe geschwitzt und gezittert als er "davon" in seiner neuen Klasse in der Berufsschule erzählt habe. Dort habe zu Beginn jeder aufstehen und von sich berichten müssen. Dr. L. fand den Kläger am Untersuchungstage bewusstseinsklar und in allen Qualitäten vollständig orientiert bei gedrückter Körperhaltung, ernstem und angestrengtem Gesichtsausdruck, scheu, zurückhaltend, verhalten und anfänglich distanziert. Es bestünden ausgeprägte ticartige Störungen mit einem Schnäuzen und Nasehochziehen. Grundstimmung und Gesamtverfassung des affektiv freudlos und unlebendig wirkenden Probanden seien niedergeschlagen, verhärmt und gedrückt mit angestrengten und belastet wirkenden Zügen. Dahinter spürbar seien innerlich bewegte und erregte affektive Impulse, welche im Rahmen der Untersuchungssituation gut integriert, angemessen unterdrückt und zurückgehalten worden seien. Das Antriebsverhalten sei gebunden, zurückhaltend und wie gebremst gewesen. Im Selbstwertgefühl sei der Proband verunsichert und beeinträchtigt, wie unfrei, geprägt durch schmerzlich belastende, beschwerende Erinnerungen gewesen, gegen welche in tapfer anmutender Weise angegangen werde. Die Primärpersönlichkeit sei depressiv strukturiert mit verletzbaren und empfindlich-sensiblen Zügen. Im Erleben dominierten Wiedererinnerungen, Konzentrationsstörungen, eine Selbstverletzungstendenz, Schlafstörungen, zeitweise einsetzende Albträume, unterdrückte Wut- und Hassgefühle und Vermeidungsreaktionen. Demgegenüber hätten sich in der klinisch-psychiatrischen Untersuchung keine ausgeprägten Störungen der intellektuellen Funktionen gezeigt. Zusammenfassend gelangt Dr. L. ausgehend von diesen Befunden zu dem Ergebnis, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das erlittene Trauma bei dem Probanden zu einer posttraumatischen Belastungsstörung geführt habe. Deren heute noch bestehende Restsymptome seien im Wesentlichen Schlafstörungen und Wieder¬erinnerungen bei der Konfrontation mit dem Trauma sowie vereinzelte Albträume. Die Selbstwahrnehmung sei wesentlich bestimmt von den Folgen des erlittenen Traumas für sich und die Familie. Die autodestruktiven Impulse (Selbstverletzungstendenzen) seien als Auswirkung der Folgen des Traumas zu bewerten. Insgesamt präge das Trauma das Denken und Fühlen des Probanden als ein das weitere Leben bestimmendes Ereignis mit weitreichenden Auswirkungen auf wesentliche Bereiche im Verlauf seines zukünftigen Lebenswegs. Der Umgang mit dem Trauma und dessen Verarbeitung erfolge aus psycho¬dynamischer Sicht durch eine expansive, nach außen gerichtete Abwehr, wenn etwa das Trauma wiederholt mit dem Ziel thematisiert werde, dass das Geschehene nicht in Vergessenheit geraten und die Erinnerung an die Verstorbenen wach bleiben solle. Die psychosoziale Leistungsfähigkeit sei beeinträchtigt gewesen und sei dies noch immer. Trotz seiner Lebendigkeit, seiner Zugänglichkeit und seinem guten Aktivitätsmuster wirke der Proband erkennbar betroffen, traurig und befangen angesichts der hohen Identifizierung mit dem Trauma und dessen Folgen für sich und die Familie. Beurteilend meint der medizinische Sachverständige, es handele sich unter Zugrundelegung der Anhaltspunkte um eine stärker behindernde Störung, welche weiterhin eine deutliche Einschränkung der Erlebnis-und Gestaltungsfähigkeit im täglichen Leben begründe. Die MdE sei mit 30 vom Hundert anzunehmen. Die festgestellten ticartigen Symptome stellten eine so genannte Ticstörung mit chronischen motorischen und vokalen Reaktionen dar. Derartige Tics begännen gewöhnlich im jugendlichen Alter von etwa sieben Jahren, träten vermehrt bei Jungen auf, hörten nicht selten zu Beginn des Erwachsenenalters auf, blieben aber bei schwererer Verlaufsform auch im Erwachsenenalter bestehen. Die Ursachen einer solchen Störung seien nicht bekannt. Seltene Ursachen seien organische Schädigungen im Bereich entsprechender Hirnareale. Ein Zusammenhang mit dem Brandanschlag sei nach psychiatrischen Kriterien unwahrscheinlich, zumal nach den Angaben des damals behandelnden Krankenhauses keine ernsthaften Schädigungen mit bleibenden körperlichen Folgen vorgelegen hätten.

Gegenüber der Einschätzung von Dr. L. vertritt der Beklagte unter Hinweis auf die Stellungnahme seiner Ärztin für Neurologie und Psychiatrie B1 vom 20. April 2009 die Auffassung, bei der übereinstimmend festgestellten Restsymptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung handele es sich lediglich um eine leichte psychische Störung. Dies ergebe sich daraus, dass der Kläger sozial gut integriert sei, eine Berufsausbildung mache, sich sportlich betätigte, insgesamt gut kontaktfähig sei und der Beschäftigung mit dem traumatisierenden Ereignis nicht aus dem Weg gehe. Die MdE sei danach lediglich mit 20 vom Hundert einzuschätzen.

Auf den Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Berufungsgericht den Arzt für Psychiatrie A. mit der Untersuchung und Begutachtung des Klägers beauftragt. Jener stellt in seinem schriftlichen Gutachten vom 2. Juli 2010 die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10 F 43.1) sowie einer rezidivierenden depressiven Störung in gegenwärtig mittelschwerer Episode (ICD 10 F 32.2 und F 32.3). Des Weiteren bestehe eine Ticstörung, welche "definitiv" im Sinne einer dissoziativen Störung auf das Trauma zurückzuführen sei. Die MdE betrage unter Berücksichtigung der Ticstörung 30 -40 vom Hundert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der ausweislich der Sitzungsniederschrift zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gemachten Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und im Übrigen zulässig, namentlich fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.

Sie ist auch begründet. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) war der Beklagte nicht berechtigt, die MdE für die Schädigungsfolge "posttraumatische Belastungsstörung" unter gleichzeitiger Änderung deren Bezeichnung auf unter 25 vom Hundert mit Wirkung ab 1. März 2005 festzustellen und die gewährte Rente zu entziehen, weil die hierfür erforderliche wesentliche Änderung der Verhältnisse in Gestalt einer entsprechenden Veränderung des durch Bescheid vom 16. August 1995 nach Art und Umfang anerkannten Leidens nicht festgestellt werden kann.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung – hierum handelt es sich bei der Feststellung der Schädigungsfolge und der Höhe der MdE sowie der Gewährung einer Rente – vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. An diesen Voraussetzungen fehlt es. Unzutreffend ist der Beklagte davon ausgegangen, dass seit dem 1. März 2005 bei dem Kläger anstelle einer "posttraumatischen Belastungsstörung" nur noch eine "reaktive psychische Störung" vorliegt und der Grad der MdE aufgrund der Folgen der Schädigung nur noch unter 25 vom Hundert beträgt, so dass die Zahlung der Opferrente nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG i.V.m. §§ 9 Nr. 3, 31 Abs. 1 BVG mit diesem Zeitpunkt entfällt. Unzutreffend ist aber auch das Sozialgericht bei seiner das Vorgehen des Beklagten im Wesentlichen billigenden Entscheidung davon ausgegangen, dass die Schädigungsfolge seit dem 1. März 2005 mit "Restzustand einer posttraumatischen Belastungsstörung" richtig bezeichnet ist. Vielmehr leidet der Kläger unverändert an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Die MdE aufgrund dieser Schädigungsfolge beträgt auch noch immer 30 vom Hundert, so dass auch insoweit eine wesentliche Änderung nicht eingetreten ist.

Der medizinische Sachverständige Dr. L. hat bei seiner Untersuchung psychopathologische Befunde erhoben, welche die Annahme tragen, dass der Geschädigte bis zum heutigen Tage an Restsymptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Diese treten in Gestalt von Schlafstörungen und Wiedererinnerungen und vereinzelten Albträumen sowie in Gestalt einer wesentlichen Bestimmung der Selbstwahrnehmung durch die Folgen des erlittenen Traumas zutage und prägen insgesamt sein Fühlen und Handeln, bestimmen entscheidend seinen Lebensweg und beeinträchtigen seine psychosoziale Leistungsfähigkeit. Der erkennende Senat hat keinen Anlass, die Richtigkeit der erhobenen Befunde zu bezweifeln. Diese Befunde tragen nach der Einschätzung von Dr. L., welcher der Senat ebenfalls folgt, die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung noch immer. Lediglich die Symptomatik ist gegenüber dem Ursprungszustand eingeschränkt. Nicht gerechtfertigt ist es bei dieser Sachlage, lediglich einen Restzustand einer posttraumatischen Belastungsstörung festzustellen, weil dies den Eindruck erweckt, die Diagnose habe sich gegenüber der Ausgangsdiagnose geändert. Der Senat teilt auch die von Dr. L. aus den erhobenen Befunden abgeleitete Einschätzung, dass die noch vorhandenen Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit des Klägers noch immer deutlich einschränken. Hieran sieht sich der Senat anders als der Beklagte – auch nicht durch den Umstand gehindert, dass der Kläger mittlerweile wieder in einer Berufsausbildung steht und eine eigene Familie gegründet hat. Nach allgemeiner Erfahrung kann auch ein Mensch mit psychischen Schädigungen in Abhängigkeit von dem Ausmaß der Schädigung am sozialen Leben teilnehmen. Bestätigt wird dies durch den Wortlaut von Nummer 26.3 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht, Unterpunkt "Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen" (jetzt Abschnitt B 3.7 der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung) und die dort vorgegeben Abstufungen. Allen dort beschriebenen Geschädigten verbleiben Ressourcen, die sie zur Teilnahme am sozialen Leben befähigen. Allerdings sind es umso weniger, je höher der Grad der Schädigung ist. Wie der medizinische Sachverständige Dr. L. festgestellt hat, nutzt der Kläger die ihm verbliebenen psychischen Ressourcen für sein "normales" Leben und unternimmt hierfür besondere Anstrengungen. Damit erweisen sich Familie und Beruf lediglich als stabilisierende Faktoren in einem von der Störung noch immer in Teilen bestimmten Leben. Der bei dem Kläger nach der Begutachtung durch Dr. L. noch immer festzustellende bestimmende Einfluss des schädigenden Ereignisses auf seine psychosoziale Leistungsfähigkeit und damit auf die gesamte Lebensgestaltung ergibt unverändert die Annahme von Schädigungsfolgen in rentenberechtigender Höhe. Ein Widerspruch zu der von allen angehörten medizinischen Sachverständigen festgestellten Besserung des gesundheitlichen Zustandes besteht auch insoweit nicht. Denn die Besserung erweist sich als von lediglich geringem Ausmaß und ist damit ihrerseits nicht wesentlich. So sind nach den im Berufungsverfahren getroffenen Feststellungen die Schlafstörungen keinesfalls dauerhaft und substantiell gebessert, Wiedererinnerungen und Albträume treten, wenn auch verringert, noch immer auf. Im Übrigen rechtfertigte die Schädigungsfolge in der ursprünglich anerkannten Form nach den Fest¬stellungen von Prof. Dr. K. vom 8. Dezember 1994 durchaus eine höhere MdE als 30 vom Hundert. Dem ist lediglich die Beklagte ohne nähere Begründung nicht gefolgt und der Bescheid erlangte Bestandskraft und ist auch im Übrigen nicht im Streit. Für die Frage, ob in den gesundheitlichen Verhältnissen seit der Erstfeststellung eine wesentliche Änderung eingetreten ist, kann aber nicht außer Betracht bleiben, dass nach ärztlicher Einschätzung der Grad der MdE seinerzeit jedenfalls in einem Bereich oberhalb von 30 vom Hundert anzusiedeln war. Dies rechtfertigt ohne weiteres die Feststellung, dass die MdE auch gegenwärtig noch immer 30 vom Hundert beträgt, auch wenn von einer erfolgten leichten Besserung auszugehen ist.

Bei dieser Beurteilung bleibt die festgestellte Ticstörung, die entgegen der Auffassung des Sachverständigen A. und mit den für den Senat überzeugenden Ausführungen des Neurologen und Psychiaters Dr. L. schon deshalb nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit als unmittelbare oder mittelbare Folge des Ereignisses vom 23. November 1992 angesehen werden kann, weil ihre Ursache auch wenn insoweit vieles auf eine organische Schädigung bestimmter Hirnareale hindeutet letztlich in der medizinischen Wissenschaft noch nicht bekannt ist, außer Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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