Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 34 AS 144/09
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 52/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Bei einer Versagung der beantragten Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussichten der Klage ist eine Beschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren auch dann zulässig, wenn der Wert der Beschwer einen Betrag von 750,00 Euro nicht erreicht.
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 10. Januar 2011 aufgehoben und der Klägerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt S , K , bewilligt. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein vor dem Sozialgericht anhängiges Klagverfahren, in dem die Absenkung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Alg II) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) wegen eines von dem Beklagten als Meldeversäumnis bewerteten Ereignis am 20. Mai 2009 streitig ist.
Die am 1956 geborene und im Leistungsbezug des Beklagten stehende Klägerin war seit 5. Februar 2009 laufend arbeitsunfähig krank.
Mit Schreiben vom 11. Mai 2009 forderte der Beklagte die Klägerin auf, am 20. Mai 2009 um 8.30 Uhr bei ihm zu einem Gespräch über ihr Bewerberangebot bzw. ihre berufliche Situation vorzusprechen. Das Schreiben enthielt folgenden Hinweis:
Sollten Sie am oben genannten Termin arbeitsunfähig erkrankt sein, erscheinen Sie bitte am ersten Tag, an dem Sie wieder arbeitsfähig sind. Bitte teilen Sie uns umgehend mit, wenn Sie am oben genannten Termin arbeitsunfähig sind. Die Arbeitsunfähigkeit ist durch eine ärztliche Bescheinigung nachzuweisen.
Dem Schreiben war eine Rechtsfolgenbelehrung beigefügt.
Die Klägerin, die am 19. Mai 2009 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis 25. Mai 2009 eingereicht hatte, erschien zu diesem Termin nicht, sprach jedoch am selben Vormittag gegen 10.38 Uhr bei der Leistungsabteilung vor, um eine Beihilfe für die Anschaffung einer Waschmaschine zu beantragen.
Nach Anhörung der Klägerin, in der sie auf die ihrer Meinung nach ausreichende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verwies, senkte der Beklagte das Alg II der Klägerin für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 2009 um 10 v. H. der maßgebenden Regelleistung (359,00 EUR) ab und hob die Bewilligung für diesen Zeitraum gemäß § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) insoweit auf (Bescheid vom 9. Juni 2009). Zur Begründung machte er geltend, dass die Klägerin trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen zu dem Meldetermin am 20. Mai 2009 ohne wichtigen Grund nicht erschienen sei. Sie habe den Termin aufgrund der Arbeitsunfähigkeit bei der Fallmanagerin nicht wahrgenommen, sei jedoch am selben Tag am Kundentresen erschienen.
Mit ihrem dagegen am 17. Juni 2008 eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass sie der festen Meinung gewesen sei, dass sie im Krankheitsfalle den Meldetermin nicht wahrzunehmen brauche. Dies sei ihr erst im Anschluss an den Meldetermin von dem Beklagten mitgeteilt worden. Dass ein ergänzendes Attest eines Arztes, das ihre fehlende Geh- und Reisefähigkeit bzw. Bettlägerigkeit bestätige, vorgelegt werden müsse, habe sie nicht gewusst.
Mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, dass es zwar zutreffend sei, dass grundsätzlich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung genüge, um einen wichtigen Grund für das Meldeversäumnis nachzuweisen. Ihr komme aber letztlich nur eine Indizwirkung zu. Eine gesetzliche Regelung, die besage, dass bei Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zwingend ein wichtiger Grund anzuerkennen sei, existiere hingegen nicht. Dies gelte vor allem dann nicht, wenn der Hilfebedürftige durch sein eigenes Verhalten nachweise, dass er trotz seiner Erkrankung durchaus in der Lage sei, persönlich das Jobcenter aufzusuchen. Die Klägerin habe durch ihre persönliche Vorsprache am Vormittag des 20. Mai 2009 gezeigt, dass sie hierzu fähig gewesen sei. Es hätte sich ihr dann auch aufdrängen müssen, dass sie den Meldetermin um 8.30 Uhr ebenfalls hätte wahrnehmen können.
Mit ihrer am 7. Oktober 2009 beim Sozialgericht Schleswig eingegangenen und mit Beschluss vom 13. November 2009 an das Sozialgericht Kiel verwiesenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Sanktion und macht geltend, dass in der Vergangenheit wiederholt Meldetermine wegen ihrer Arbeitsunfähigkeit verschoben worden seien. Der Beklagte habe in diesem Zusammenhang zu keinem Zeitpunkt von ihr die Vorlage einer besonderen Bescheinigung über die krankheitsbedingte Unfähigkeit zur Wahrnehmung des Termins verlangt. Insbesondere sei sie nie darauf hingewiesen worden, dass bei Versäumung des Meldetermins wegen Krankheit ein besonderes Attest benötigt werde, aus dem hervorgehe, dass sie nicht geh- bzw. reisefähig sei. Sie sei deswegen auch nicht ausreichend über die Rechtsfolgen der Meldepflichtverletzung belehrt worden. Aus der im Meldeaufforderung beigefügten Rechtsfolgenbelehrung ergebe sich zwar die gesetzliche Absenkungsfolge bei Nichterscheinen, sie habe daraus aber nicht erkennen können, dass eine ärztlich bestätigte Arbeitsunfähigkeit keinen hinreichenden Grund dafür darstelle, den Termin nicht wahrzunehmen.
Die Klägerin hat die Gewährung von PKH beantragt.
Das Sozialgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 10. Januar 2011 mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Auf die Gründe des Beschlusses wird verwiesen.
Gegen diesen am 12. Januar 2011 zugestellten Beschluss richtet sich die am 14. Februar 2011 beim Sozialgericht Kiel eingelegte Beschwerde, über die das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht entscheidet. Die Klägerin macht geltend, dass sie gegenüber dem Beklagten lediglich so gehandelt habe, wie es ihr in der Einladung aufgegeben worden sei. Im Übrigen habe das Sozialgericht den Beteiligten mit Verfügung vom 10. Mai 2010 einen Vergleichsvorschlag unterbreitet. Hierzu habe das Gericht Erwägungen geäußert, die zumindest eine hinreichende Aussicht des Klagbegehrens begründeten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten und auf die Gerichtsakte verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Insbesondere greifen die Ausschlussgründe nach § 172 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht ein, da es sich vorliegend weder um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes handelt (Nr. 1), noch das Gericht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint hat (Nr. 2).
Obwohl der Beschwerdewert unter 750,00 EUR liegt, ist die im September 2010 erhobene Beschwerde auch statthaft. Dies folgt aus §§ 172 Abs. 1, 3, 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze (BGBl I 2010, S. 1127) vom 5. August 2010.
Nach § 172 Abs. 1 SGG findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Eine "andere Bestimmung" im Sinne dieses Gesetzes ist für Beschwerden gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe allein § 172 Abs. 3 Nr. 1 und 2 SGG. Für eine entsprechende Anwendung des § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) ist deshalb seit der Änderung zum 11. August 2010 kein Raum mehr.
Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:
In der vom 1. April 2008 bis 10. August 2010 geltenden Fassung war die Beschwerde ausgeschlossen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre (Nr. 1) sowie gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint hat (Nr. 2). Daraus wurde in der Rechtsprechung (so auch vom erkennende Senat mit Beschluss vom 4. November 2009 – L 6 B 50/09 AS PKH -) teilweise gefolgert, dass in entsprechender Anwendung des § 127 Abs. 2 ZPO die Beschwerde gegen einen die Gewährung von Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussichten ablehnender Beschluss sowohl im Hauptsacheverfahren als auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen sei, wenn die Berufung in der Hauptsache nicht ohne Zulassungsentscheidung zulässig sei, weil sie den Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 SGG nicht erreicht. Da hier über einen Wert von 483,39 EUR gestritten wird, wäre die Beschwerde danach ausgeschlossen.
Der Gesetzgeber hat jedoch weiteren Regelungsbedarf gesehen und § 172 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz 2 SGG in der seit 11. August 2010 geltenden Fassung dahingehend ergänzt, dass die Beschwerde gegen Entscheidungen über einen Prozesskostenhilfeantrag im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen ist, wenn in der Hauptsache die Beschwerde nicht zulässig wäre. Damit hat der Gesetzgeber eine detaillierte und auch fallgruppendifferenzierte Regelung der Statthaftigkeit der Beschwerden gegen Prozesskostenhilfe-Ablehnungen getroffen, so dass die entsprechende Anwendung einer rechtsschutzeinschränkenden zivilprozessualen Regelung ausgeschlossen ist (vgl. dazu ausführlich den Beschluss des 2. Senats des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 4. Oktober 2011 L 2 SB 124/11 B PKH -; im Ergebnis ebenso: 5. Senat des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts, Beschluss vom 10. August 2011 – L 5 KR 213/10 B PKH; a. A.: Schleswig-Hol¬steinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 30. Mai 2011 L 3 AL 65/11 B PKH; Beschluss vom 9. Mai 2011 L 11 AS 33/11 B PKH, Beschluss vom 9. Mai 2011 - L 9 SO 29/11 B PKH ). Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber bei Ablehnung von Prozesskostenhilfe die Beschwerdemöglichkeit weiter einschränken wollte, ergeben sich auch nicht auch aus den Gesetzesmaterialien. Denn obwohl der Bundesrat in seiner am 7. Mai 2010 beschlossenen Stellungnahme zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung vorgeschlagen hatte, einen entsprechenden Beschwerdeausschuss auch für die Verfahren der Hauptsache einzuführen, um hierdurch den in der Rechtsprechung über die Reichweite des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO geführten Meinungsstreit zu beenden (vgl. BR-Drucksache 152/10 [Beschluss, S. 5]), ist dieser Vorschlag nicht im Gesetzgebungsverfahren aufgegriffen worden. Gleichzeitig ist der Gegenäußerung der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 17/1684, S. 26) zu entnehmen, dass die Bundesregierung den Vorschlag im weiteren Gesetzgebungsverfahren prüfen wird. Daraus kann nur geschlossen werden, dass der Meinungsstreit durch den Gesetzgeber nunmehr in die andere Richtung beendet worden ist, als vom Bundesrat befürwortet (vgl. 5. Senat des Schleswig-Holsteinisches Landessozialgerichts, a.a.O., m.w.N.)
Eine Differenzierung zwischen Entscheidungen über Prozesskostenhilfe im Eilverfahren und Hauptsacheverfahren, die jeweils den Beschwerdewert nicht übersteigen, ist auch sachlich gerechtfertigt. Während im Eilverfahren die Beschwerde in der Sache ausgeschlossen ist und eine andere PKH-Entscheidung des Landessozialgerichts etwa zu den Erfolgsaussichten nur der Einheitlichkeit der Rechtsprechung widersprechen würde, ist bei Hauptsacheentscheidungen, die den Beschwerdewert nach § 144 Abs. 1 SGG nicht übersteigen, die Möglichkeit der Zulassung der Beschwerde durch das Sozialgericht oder die Zugangsmöglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde zum Landessozialgericht eröffnet. Insofern bestehen im Hauptsacheverfahren anders als im Eilverfahren auch bei niedrigen Streitwerten materielle Überprüfungsmöglichkeiten des Landessozialgerichts.
Die Beschwerde der Klägerin ist auch begründet.
Gemäß § 73a SGG in Verbindung mit § 114 ZPO ist Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn ein Beteiligter nach seinen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Hinreichende Erfolgsaussicht ist dann anzunehmen, wenn das Gericht aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage den Rechtsstandpunkt des Antragstellers für zumindest vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Dabei dürfen die Anforderungen an die tatsächlichen und rechtlichen Erfolgsaussichten nicht überspannt werden (vgl. Philippi in: Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 114 Rdn. 19 m. w. N.; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Kel¬ler/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 73 Rdn. 6a m. w. N.). Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit hat (BSG, Urteil vom 17. Februar 1998 – B 13 RJ 83/97 R -, zitiert nach juris). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 73a Rn. 7a) ist aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Obsiegens des Klägers ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen. Dabei müssen letzte Zweifel an der rechtlichen Beurteilung nicht ausgeschlossen werden, denn eine endgültige und abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten ist in der Regel nicht möglich und auch nicht notwendig (Peters/Sauter/ Wolf, SGG, 4. Aufl., § 73a Ziff. 13.2a).
Unter Beachtung dieser Grundsätze hat die Klägerin einen Anspruch auf die Bewilligung von PKH, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg. Bei summarischer Betrachtung ist ein Obsiegen der Klägerin zumindest genauso wahrscheinlich wie ein Unterliegen. Denn vorliegend bestehen Zweifel daran, ob durch das Nichterscheinen der Klägerin zum Meldetermin am 20. Mai 2009 eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten ist. Nur dann könnte aber eine Absenkung der für die Klägerin maßgebenden Regelleistung um 10 v. H. für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 2009 gerechtfertigt sein.
Der Beklagte hatte die Klägerin mit Schreiben vom 11. Mai 2009 aufgefordert, sich am 20. Mai 2009 bei ihm zu melden, um ihr Bewerberangebot bzw. ihre berufliche Situation zu besprechen. Es handelte sich hierbei um eine Aufforderung zur persönlichen Meldung nach § 59 SGB II in Verbindung mit § 309 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 bis 4 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Dieser Meldeaufforderung ist die Klägerin nicht nachgekommen. Kommt der erwerbsfähige Hilfebedürftige trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden ( ...), nicht nach und weist er keinen wichtigen Grund für sein Verhalten nach, wird das Alg II ( ...) in einer ersten Stufe um 10 v. H. des für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt (§ 31 Abs. 2 SGB II). Voraussetzung ist danach eine hinreichend bestimmte Aufforderung, die es dem Hilfebedürftigen ermöglicht, das ihm abverlangte Verhalten zu erkennen (zu diesem Erfordernis Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, 3. Aufl. 2009, § 31 Rn. 26; vgl. Völzke in Hauck/Noftz/Völzke, SGB II, K § 59 Rn. 15, Stand August 2008). Der Hilfebedürftige muss aufgrund der Meldeaufforderung zweifelsfrei und selbstverantwortlich darüber entscheiden können, ob er der Einladung Folge leisten will und er muss beurteilen können, ob für ein Nichterscheinen wichtige Gründe vorliegen (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 9. November 2010 – B 4 AS 27/10 R -, zitiert nach juris).
Das Sozialgericht wird zu prüfen haben, ob die Meldeaufforderung diesen Bestimmtheitserfordernissen genügt. Hieran bestehen erhebliche Bedenken. Denn die Meldeaufforderung beschränkte sich auf die Wiedergabe des Gesetzestextes mit dem Hinweis nach § 309 Abs. 3 Satz 2 SGB III, dass die Klägerin, sollte sie am 11. Mai 2009 arbeitsunfähig erkrankt sein, am ersten Tag, an dem sie wieder arbeitsfähig sei, bei dem Beklagten erscheinen solle. Dass die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einen wichtigen Grund für das Nichterscheinen darstellt, wird in der Meldeaufforderung zwar nicht explizit genannt. Es spricht aber vieles dafür, dass die Klägerin auch unter Zugrundelegung eines objektiven Empfängerhorizontes den Hinweis so verstehen konnte, dass die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am 19. Mai 2009 einen wichtigen Grund für ihr Nichterscheinen begründete. In diesem Zusammenhang wird auch zu berücksichtigen sein, ob der Beklagte in der Vergangenheit die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als wichtigen Grund für das Nichterscheinen der Klägerin zu Meldeterminen nach § 59 SGB II anerkannt hat.
Darüber hinaus wird das Sozialgericht auch zu prüfen haben, ob die Meldeaufforderung mit einer ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung versehen war. Die Wirksamkeit einer solchen Rechtsfolgenbelehrung setzt nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II zuständigen Senate des BSG voraus, dass sie im Einzelfall konkret, richtig und vollständig ist und zeitnah im Zusammenhang mit dem jeweils geforderten Verhalten erfolgt, sowie dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in verständlicher Form erläutert, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich aus der Weigerung des geforderten Verhaltens für ihn ergeben, wenn für diese kein wichtiger Grund vorliegt. Diese strengen Anforderungen ergeben sich aus der Funktion der Rechtsfolgenbelehrung, den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen hinreichend über die gravierenden Folgen des § 31 SGB II zu informieren und ihn in allgemeiner Form vorzuwarnen; denn nur eine verständliche Rechtsfolgenbelehrung kann die mit den Sanktionen verfolgte Zweckbestimmung, das Verhalten des Hilfebedürftigen zu steuern, verwirklichen (BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 – B 14 AS 53/08 R – und Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 30/09 R , jeweils zitiert nach juris). Die vorliegende Rechtsfolgenbelehrung bezieht sich ausdrücklich nur auf die konkreten Rechtsfolgen bei Meldeversäumnis. Hinweise darauf, wann für eine Pflichtverletzung ein wichtiger Grund vorliegt, enthält sie dagegen nicht. Insoweit bleibt zu prüfen, ob die Rechtsfolgenbelehrung den von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen genügt.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung erscheint nach Vorstehendem auch nicht mutwillig; die Klägerin erfüllt auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfebewilligung.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein vor dem Sozialgericht anhängiges Klagverfahren, in dem die Absenkung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Alg II) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) wegen eines von dem Beklagten als Meldeversäumnis bewerteten Ereignis am 20. Mai 2009 streitig ist.
Die am 1956 geborene und im Leistungsbezug des Beklagten stehende Klägerin war seit 5. Februar 2009 laufend arbeitsunfähig krank.
Mit Schreiben vom 11. Mai 2009 forderte der Beklagte die Klägerin auf, am 20. Mai 2009 um 8.30 Uhr bei ihm zu einem Gespräch über ihr Bewerberangebot bzw. ihre berufliche Situation vorzusprechen. Das Schreiben enthielt folgenden Hinweis:
Sollten Sie am oben genannten Termin arbeitsunfähig erkrankt sein, erscheinen Sie bitte am ersten Tag, an dem Sie wieder arbeitsfähig sind. Bitte teilen Sie uns umgehend mit, wenn Sie am oben genannten Termin arbeitsunfähig sind. Die Arbeitsunfähigkeit ist durch eine ärztliche Bescheinigung nachzuweisen.
Dem Schreiben war eine Rechtsfolgenbelehrung beigefügt.
Die Klägerin, die am 19. Mai 2009 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis 25. Mai 2009 eingereicht hatte, erschien zu diesem Termin nicht, sprach jedoch am selben Vormittag gegen 10.38 Uhr bei der Leistungsabteilung vor, um eine Beihilfe für die Anschaffung einer Waschmaschine zu beantragen.
Nach Anhörung der Klägerin, in der sie auf die ihrer Meinung nach ausreichende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verwies, senkte der Beklagte das Alg II der Klägerin für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 2009 um 10 v. H. der maßgebenden Regelleistung (359,00 EUR) ab und hob die Bewilligung für diesen Zeitraum gemäß § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) insoweit auf (Bescheid vom 9. Juni 2009). Zur Begründung machte er geltend, dass die Klägerin trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen zu dem Meldetermin am 20. Mai 2009 ohne wichtigen Grund nicht erschienen sei. Sie habe den Termin aufgrund der Arbeitsunfähigkeit bei der Fallmanagerin nicht wahrgenommen, sei jedoch am selben Tag am Kundentresen erschienen.
Mit ihrem dagegen am 17. Juni 2008 eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass sie der festen Meinung gewesen sei, dass sie im Krankheitsfalle den Meldetermin nicht wahrzunehmen brauche. Dies sei ihr erst im Anschluss an den Meldetermin von dem Beklagten mitgeteilt worden. Dass ein ergänzendes Attest eines Arztes, das ihre fehlende Geh- und Reisefähigkeit bzw. Bettlägerigkeit bestätige, vorgelegt werden müsse, habe sie nicht gewusst.
Mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, dass es zwar zutreffend sei, dass grundsätzlich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung genüge, um einen wichtigen Grund für das Meldeversäumnis nachzuweisen. Ihr komme aber letztlich nur eine Indizwirkung zu. Eine gesetzliche Regelung, die besage, dass bei Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zwingend ein wichtiger Grund anzuerkennen sei, existiere hingegen nicht. Dies gelte vor allem dann nicht, wenn der Hilfebedürftige durch sein eigenes Verhalten nachweise, dass er trotz seiner Erkrankung durchaus in der Lage sei, persönlich das Jobcenter aufzusuchen. Die Klägerin habe durch ihre persönliche Vorsprache am Vormittag des 20. Mai 2009 gezeigt, dass sie hierzu fähig gewesen sei. Es hätte sich ihr dann auch aufdrängen müssen, dass sie den Meldetermin um 8.30 Uhr ebenfalls hätte wahrnehmen können.
Mit ihrer am 7. Oktober 2009 beim Sozialgericht Schleswig eingegangenen und mit Beschluss vom 13. November 2009 an das Sozialgericht Kiel verwiesenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Sanktion und macht geltend, dass in der Vergangenheit wiederholt Meldetermine wegen ihrer Arbeitsunfähigkeit verschoben worden seien. Der Beklagte habe in diesem Zusammenhang zu keinem Zeitpunkt von ihr die Vorlage einer besonderen Bescheinigung über die krankheitsbedingte Unfähigkeit zur Wahrnehmung des Termins verlangt. Insbesondere sei sie nie darauf hingewiesen worden, dass bei Versäumung des Meldetermins wegen Krankheit ein besonderes Attest benötigt werde, aus dem hervorgehe, dass sie nicht geh- bzw. reisefähig sei. Sie sei deswegen auch nicht ausreichend über die Rechtsfolgen der Meldepflichtverletzung belehrt worden. Aus der im Meldeaufforderung beigefügten Rechtsfolgenbelehrung ergebe sich zwar die gesetzliche Absenkungsfolge bei Nichterscheinen, sie habe daraus aber nicht erkennen können, dass eine ärztlich bestätigte Arbeitsunfähigkeit keinen hinreichenden Grund dafür darstelle, den Termin nicht wahrzunehmen.
Die Klägerin hat die Gewährung von PKH beantragt.
Das Sozialgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 10. Januar 2011 mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Auf die Gründe des Beschlusses wird verwiesen.
Gegen diesen am 12. Januar 2011 zugestellten Beschluss richtet sich die am 14. Februar 2011 beim Sozialgericht Kiel eingelegte Beschwerde, über die das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht entscheidet. Die Klägerin macht geltend, dass sie gegenüber dem Beklagten lediglich so gehandelt habe, wie es ihr in der Einladung aufgegeben worden sei. Im Übrigen habe das Sozialgericht den Beteiligten mit Verfügung vom 10. Mai 2010 einen Vergleichsvorschlag unterbreitet. Hierzu habe das Gericht Erwägungen geäußert, die zumindest eine hinreichende Aussicht des Klagbegehrens begründeten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten und auf die Gerichtsakte verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Insbesondere greifen die Ausschlussgründe nach § 172 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht ein, da es sich vorliegend weder um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes handelt (Nr. 1), noch das Gericht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint hat (Nr. 2).
Obwohl der Beschwerdewert unter 750,00 EUR liegt, ist die im September 2010 erhobene Beschwerde auch statthaft. Dies folgt aus §§ 172 Abs. 1, 3, 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze (BGBl I 2010, S. 1127) vom 5. August 2010.
Nach § 172 Abs. 1 SGG findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Eine "andere Bestimmung" im Sinne dieses Gesetzes ist für Beschwerden gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe allein § 172 Abs. 3 Nr. 1 und 2 SGG. Für eine entsprechende Anwendung des § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) ist deshalb seit der Änderung zum 11. August 2010 kein Raum mehr.
Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:
In der vom 1. April 2008 bis 10. August 2010 geltenden Fassung war die Beschwerde ausgeschlossen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre (Nr. 1) sowie gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint hat (Nr. 2). Daraus wurde in der Rechtsprechung (so auch vom erkennende Senat mit Beschluss vom 4. November 2009 – L 6 B 50/09 AS PKH -) teilweise gefolgert, dass in entsprechender Anwendung des § 127 Abs. 2 ZPO die Beschwerde gegen einen die Gewährung von Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussichten ablehnender Beschluss sowohl im Hauptsacheverfahren als auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen sei, wenn die Berufung in der Hauptsache nicht ohne Zulassungsentscheidung zulässig sei, weil sie den Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 SGG nicht erreicht. Da hier über einen Wert von 483,39 EUR gestritten wird, wäre die Beschwerde danach ausgeschlossen.
Der Gesetzgeber hat jedoch weiteren Regelungsbedarf gesehen und § 172 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz 2 SGG in der seit 11. August 2010 geltenden Fassung dahingehend ergänzt, dass die Beschwerde gegen Entscheidungen über einen Prozesskostenhilfeantrag im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen ist, wenn in der Hauptsache die Beschwerde nicht zulässig wäre. Damit hat der Gesetzgeber eine detaillierte und auch fallgruppendifferenzierte Regelung der Statthaftigkeit der Beschwerden gegen Prozesskostenhilfe-Ablehnungen getroffen, so dass die entsprechende Anwendung einer rechtsschutzeinschränkenden zivilprozessualen Regelung ausgeschlossen ist (vgl. dazu ausführlich den Beschluss des 2. Senats des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 4. Oktober 2011 L 2 SB 124/11 B PKH -; im Ergebnis ebenso: 5. Senat des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts, Beschluss vom 10. August 2011 – L 5 KR 213/10 B PKH; a. A.: Schleswig-Hol¬steinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 30. Mai 2011 L 3 AL 65/11 B PKH; Beschluss vom 9. Mai 2011 L 11 AS 33/11 B PKH, Beschluss vom 9. Mai 2011 - L 9 SO 29/11 B PKH ). Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber bei Ablehnung von Prozesskostenhilfe die Beschwerdemöglichkeit weiter einschränken wollte, ergeben sich auch nicht auch aus den Gesetzesmaterialien. Denn obwohl der Bundesrat in seiner am 7. Mai 2010 beschlossenen Stellungnahme zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung vorgeschlagen hatte, einen entsprechenden Beschwerdeausschuss auch für die Verfahren der Hauptsache einzuführen, um hierdurch den in der Rechtsprechung über die Reichweite des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO geführten Meinungsstreit zu beenden (vgl. BR-Drucksache 152/10 [Beschluss, S. 5]), ist dieser Vorschlag nicht im Gesetzgebungsverfahren aufgegriffen worden. Gleichzeitig ist der Gegenäußerung der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 17/1684, S. 26) zu entnehmen, dass die Bundesregierung den Vorschlag im weiteren Gesetzgebungsverfahren prüfen wird. Daraus kann nur geschlossen werden, dass der Meinungsstreit durch den Gesetzgeber nunmehr in die andere Richtung beendet worden ist, als vom Bundesrat befürwortet (vgl. 5. Senat des Schleswig-Holsteinisches Landessozialgerichts, a.a.O., m.w.N.)
Eine Differenzierung zwischen Entscheidungen über Prozesskostenhilfe im Eilverfahren und Hauptsacheverfahren, die jeweils den Beschwerdewert nicht übersteigen, ist auch sachlich gerechtfertigt. Während im Eilverfahren die Beschwerde in der Sache ausgeschlossen ist und eine andere PKH-Entscheidung des Landessozialgerichts etwa zu den Erfolgsaussichten nur der Einheitlichkeit der Rechtsprechung widersprechen würde, ist bei Hauptsacheentscheidungen, die den Beschwerdewert nach § 144 Abs. 1 SGG nicht übersteigen, die Möglichkeit der Zulassung der Beschwerde durch das Sozialgericht oder die Zugangsmöglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde zum Landessozialgericht eröffnet. Insofern bestehen im Hauptsacheverfahren anders als im Eilverfahren auch bei niedrigen Streitwerten materielle Überprüfungsmöglichkeiten des Landessozialgerichts.
Die Beschwerde der Klägerin ist auch begründet.
Gemäß § 73a SGG in Verbindung mit § 114 ZPO ist Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn ein Beteiligter nach seinen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Hinreichende Erfolgsaussicht ist dann anzunehmen, wenn das Gericht aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage den Rechtsstandpunkt des Antragstellers für zumindest vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Dabei dürfen die Anforderungen an die tatsächlichen und rechtlichen Erfolgsaussichten nicht überspannt werden (vgl. Philippi in: Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 114 Rdn. 19 m. w. N.; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Kel¬ler/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 73 Rdn. 6a m. w. N.). Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit hat (BSG, Urteil vom 17. Februar 1998 – B 13 RJ 83/97 R -, zitiert nach juris). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 73a Rn. 7a) ist aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Obsiegens des Klägers ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen. Dabei müssen letzte Zweifel an der rechtlichen Beurteilung nicht ausgeschlossen werden, denn eine endgültige und abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten ist in der Regel nicht möglich und auch nicht notwendig (Peters/Sauter/ Wolf, SGG, 4. Aufl., § 73a Ziff. 13.2a).
Unter Beachtung dieser Grundsätze hat die Klägerin einen Anspruch auf die Bewilligung von PKH, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg. Bei summarischer Betrachtung ist ein Obsiegen der Klägerin zumindest genauso wahrscheinlich wie ein Unterliegen. Denn vorliegend bestehen Zweifel daran, ob durch das Nichterscheinen der Klägerin zum Meldetermin am 20. Mai 2009 eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten ist. Nur dann könnte aber eine Absenkung der für die Klägerin maßgebenden Regelleistung um 10 v. H. für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 2009 gerechtfertigt sein.
Der Beklagte hatte die Klägerin mit Schreiben vom 11. Mai 2009 aufgefordert, sich am 20. Mai 2009 bei ihm zu melden, um ihr Bewerberangebot bzw. ihre berufliche Situation zu besprechen. Es handelte sich hierbei um eine Aufforderung zur persönlichen Meldung nach § 59 SGB II in Verbindung mit § 309 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 bis 4 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Dieser Meldeaufforderung ist die Klägerin nicht nachgekommen. Kommt der erwerbsfähige Hilfebedürftige trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden ( ...), nicht nach und weist er keinen wichtigen Grund für sein Verhalten nach, wird das Alg II ( ...) in einer ersten Stufe um 10 v. H. des für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt (§ 31 Abs. 2 SGB II). Voraussetzung ist danach eine hinreichend bestimmte Aufforderung, die es dem Hilfebedürftigen ermöglicht, das ihm abverlangte Verhalten zu erkennen (zu diesem Erfordernis Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, 3. Aufl. 2009, § 31 Rn. 26; vgl. Völzke in Hauck/Noftz/Völzke, SGB II, K § 59 Rn. 15, Stand August 2008). Der Hilfebedürftige muss aufgrund der Meldeaufforderung zweifelsfrei und selbstverantwortlich darüber entscheiden können, ob er der Einladung Folge leisten will und er muss beurteilen können, ob für ein Nichterscheinen wichtige Gründe vorliegen (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 9. November 2010 – B 4 AS 27/10 R -, zitiert nach juris).
Das Sozialgericht wird zu prüfen haben, ob die Meldeaufforderung diesen Bestimmtheitserfordernissen genügt. Hieran bestehen erhebliche Bedenken. Denn die Meldeaufforderung beschränkte sich auf die Wiedergabe des Gesetzestextes mit dem Hinweis nach § 309 Abs. 3 Satz 2 SGB III, dass die Klägerin, sollte sie am 11. Mai 2009 arbeitsunfähig erkrankt sein, am ersten Tag, an dem sie wieder arbeitsfähig sei, bei dem Beklagten erscheinen solle. Dass die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einen wichtigen Grund für das Nichterscheinen darstellt, wird in der Meldeaufforderung zwar nicht explizit genannt. Es spricht aber vieles dafür, dass die Klägerin auch unter Zugrundelegung eines objektiven Empfängerhorizontes den Hinweis so verstehen konnte, dass die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am 19. Mai 2009 einen wichtigen Grund für ihr Nichterscheinen begründete. In diesem Zusammenhang wird auch zu berücksichtigen sein, ob der Beklagte in der Vergangenheit die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als wichtigen Grund für das Nichterscheinen der Klägerin zu Meldeterminen nach § 59 SGB II anerkannt hat.
Darüber hinaus wird das Sozialgericht auch zu prüfen haben, ob die Meldeaufforderung mit einer ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung versehen war. Die Wirksamkeit einer solchen Rechtsfolgenbelehrung setzt nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II zuständigen Senate des BSG voraus, dass sie im Einzelfall konkret, richtig und vollständig ist und zeitnah im Zusammenhang mit dem jeweils geforderten Verhalten erfolgt, sowie dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in verständlicher Form erläutert, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich aus der Weigerung des geforderten Verhaltens für ihn ergeben, wenn für diese kein wichtiger Grund vorliegt. Diese strengen Anforderungen ergeben sich aus der Funktion der Rechtsfolgenbelehrung, den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen hinreichend über die gravierenden Folgen des § 31 SGB II zu informieren und ihn in allgemeiner Form vorzuwarnen; denn nur eine verständliche Rechtsfolgenbelehrung kann die mit den Sanktionen verfolgte Zweckbestimmung, das Verhalten des Hilfebedürftigen zu steuern, verwirklichen (BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 – B 14 AS 53/08 R – und Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 30/09 R , jeweils zitiert nach juris). Die vorliegende Rechtsfolgenbelehrung bezieht sich ausdrücklich nur auf die konkreten Rechtsfolgen bei Meldeversäumnis. Hinweise darauf, wann für eine Pflichtverletzung ein wichtiger Grund vorliegt, enthält sie dagegen nicht. Insoweit bleibt zu prüfen, ob die Rechtsfolgenbelehrung den von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen genügt.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung erscheint nach Vorstehendem auch nicht mutwillig; die Klägerin erfüllt auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfebewilligung.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
SHS
Saved