L 1 R 453/07

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 6 R 152/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 453/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 7. September 2007 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin macht einen Anspruch auf Feststellungen der Beklagten im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem wegen der Beschäftigung ihres am ... 1944 geborenen und am 20. Dezember 2003 verstorbenen Ehemannes Dr. E. M. (im Folgenden: Versicherter) geltend.

Der Versicherte, der zum Zeitpunkt seines Todes mit der Klägerin in einem gemeinsamen Haushalt lebte, erhielt nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung an der Fachschule für Landwirtschaft N. die Berufsbezeichnung "Staatlich geprüfter Landwirt" verliehen (Urkunde der Fachschule vom 30. Juli 1965). Außerdem war er ausweislich der Urkunde des Weiterbildungszentrums für Führungskader der sozialistischen Landwirtschaft H. vom 23. März 1973 nach erfolgreicher Teilnahme an einem postgradualen Studium berechtigt, die Berufsbezeichnung "Fachingenieur für sozialistische Betriebswirtschaft in der Landwirtschaft" zu führen. Durch Urkunde der Hochschule für Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften M. vom 2. Juni 1978 erwarb er schließlich den akademischen Grad "Diplom-Agraringenieurökonom". Vom 20. September 1965 bis zum 31. Dezember 1965 war er beim Bezirkslandwirtschaftsrat D. und anschließend vom 1. Januar 1966 bis zum 31. Mai 1971 beim Rat für landwirtschaftliche Produktion und Nahrungsgüterwirtschaft bzw. beim Rat des S. beschäftigt. Danach war er vom 1. Juni 1971 bis zum 10. Dezember 1973 Vorsitzender der LPG "F. E." H.-L. und vom 11. Dezember 1973 bis zum 31. Dezember 1990 Vorsitzender der LPG Pflanzenproduktion "E. T." B. sowie Leiter der Kooperativen Abteilung Pflanzenproduktion B ... Im Anschluss war er als Geschäftsführer bei der L.-C. B. für die L. mbH tätig. Mit Wirkung vom 1. März 1971 wurde der Versicherte ausweislich der Beitrittsbestätigung des Rates des S. vom 26. Februar 1971 in die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates (Zusatzversorgungssystem Nr. 19 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz – AAÜG) aufgenommen. Vom 1. Mai 1973 bis zum 30. Juni 1990 zahlte er Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR), ab 1. Januar 1985 für das Gesamteinkommen.

Am 27. Dezember 2001 stellte der Versicherte einen Antrag auf Feststellung von Zusatzversorgungsanwartschaften. Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 9. Dezember 2002 die Zeiträume vom 20. September 1965 bis zum 10. September 1968 sowie vom 1. Januar 1969 bis zum 31. Mai 1971 als Zeiten der Zugehörigkeit zur freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates fest. Am 19. Mai 2003 beantragte der Versicherte bei der Beklagten die Prüfung, ob ihm eine Zusatzversorgung aufgrund seines Hochschulabschlusses als Diplom-Agraringenieurökonom zustehe. Mit Bescheid vom 21. August 2003 lehnte die Beklagte die Feststellung weiterer Beschäftigungszeiten als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech; Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) ab und führte zur Begründung aus, die bei der LPG "F. E." bzw. bei der Kooperativen Abteilung Pflanzenproduktion ausgeübte Beschäftigung sei nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder einem gleichgestellten Betrieb ausgeübt worden, wie es die Versorgungsordnung bzw. die hierzu ergangene 2. Durchführungsbestimmung fordere.

Am 15. März 2004 beantragte die Klägerin erneut die Überführung von weiteren Zusatzversorgungsanwartschaften. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. Juni 2004 mit derselben Begründung wie im Bescheid vom 21. August 2003 ab. Dagegen legte die Klägerin am 16. Juni 2004 Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, der Versicherte habe eine Versorgungszusage in der Gestalt der Beitrittsbestätigung des Rates des S. vom 26. Februar 1971 erhalten. Er habe auch alle vom Bundessozialgericht (BSG) aufgestellten Voraussetzungen für eine Einbeziehung in die AVItech erfüllt. Er sei Ingenieur gewesen. Auch die betriebliche Voraussetzung sei gegeben, denn in seiner Funktion als Leiter der Kooperativen Abteilung Pflanzenproduktion sei er auch Leiter der Tier- und Pflanzenproduktion des Volkseigenen Gutes S. , mithin eines gleichgestellten Betriebes, gewesen. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2005 zurück. Zwar erfülle der Versicherte die persönliche Voraussetzung für die Einbeziehung in die AVItech, da er den Titel "Ingenieur" habe führen dürfen. Die betriebliche Voraussetzung sei im umstrittenen Zeitraum vom 1. Juni 1971 bis zum 30. Juni 1990 aber zu verneinen, da er während dieses Zeitraumes in einer Genossenschaft beschäftigt gewesen sei.

Dagegen hat die Klägerin am 14. Februar 2005 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben und vorgetragen, der Versicherte habe auch im umstrittenen Zeitraum der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates angehört. Denn er sei ab dem 1. Juni 1971 vom Rat für landwirtschaftliche Produktion und Nahrungsgüterwirtschaft in die ab diesem Zeitpunkt ausgeübten Tätigkeiten delegiert worden. Dies ergebe sich u. a. aus einem Bestätigungsschreiben des Kurt H. vom 23. November 1982 gegenüber dem Rat des S. und könne auch durch Zeugenaussagen nachgewiesen werden. Zumindest habe er während seiner Tätigkeit als Leiter der Kooperativen Abteilung Pflanzenproduktion B. vom 11. Dezember 1973 bis zum 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für eine Einbeziehung in die AVItech erfüllt. Ihm sei mit Urkunde vom 23. März 1973 das Recht zur Führung der Berufsbezeichnung Fachingenieur verliehen worden. Auch die betriebliche Voraussetzung sei gegeben. Die Leitungs-, Planungs- und Kontrolltätigkeit des Versicherten habe sich wesentlich auch auf das zur Kooperativen Abteilung Pflanzenproduktion gehörende Volkseigene Gut S. , einem gleichgestellten Betrieb, bezogen. Schlussendlich führe die Nichtberücksichtigung der Beitragszahlungen in die Zusatzrente zu einer Ungleichbehandlung und verstoße gegen Art. 1, 2 und 14 Grundgesetz (GG).

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 7. September 2007 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, selbst wenn ab dem 1. Juni 1971 eine Delegierung vorgelegen hätte, bestünde kein Anspruch auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates. Dies scheitere gemäß § 8 Abs. 7 der 2. Richtlinie zur Durchführung der Ordnung über die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates daran, dass der Versicherte im Anschluss an die Delegierung nie wieder eine Tätigkeit in einem Organ des Staatsapparates aufgenommen habe. Ein Anspruch auf fiktive Einbeziehung in die AVItech bestehe nicht, weil der Versicherte am 30. Juni 1990 weder in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens noch in einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen sei.

Gegen das ihm am 22. Oktober 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22. November 2007 Berufung eingelegt. Ergänzend und vertiefend trägt sie vor, es sei ausschließlich den geschichtlichen Umständen geschuldet gewesen, dass der Versicherte nicht mehr in den Staatsapparat habe zurückkehren können. Dies dürfe nicht zu rentenrechtlichen Nachteilen führen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 7. September 2007 und die Bescheide der Beklagten vom 21. August 2003 sowie vom 7. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihren Bescheid vom 9. Dezember 2002 dahingehend zu ändern, auch den Zeitraum vom 1. Juni 1971 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates (Zusatzversorgungssystem Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG),

hilfsweise, auch den Zeitraum vom 1. Mai 1973 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) mit den entsprechenden Entgelten festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 7. September 2007 zurückzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf das angefochtene Urteil.

Die Beteiligten sind darauf hingewiesen worden, dass nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats die Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem nur möglich ist, wenn zu Zeiten der DDR eine entsprechende schriftliche Versorgungszusage erteilt worden ist. Im Übrigen ist mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert worden, dass die persönliche Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung in die AVItech problematisch ist.

Die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Akten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

Die Klägerin ist als Sonderrechtsnachfolgerin aktiv legitimiert. Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) stehen fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tod des Versicherten u. a. dem Ehegatten zu, wenn dieser mit dem Versicherten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat. Dies ist der Fall. Die angefochtenen Bescheide begründen zwar keine unmittelbaren Ansprüche auf laufende Geldleistungen. Sie sind jedoch Grundlage der der Klägerin zustehenden Witwenrente. Hätte die Klägerin Erfolg, würde sich diese Rente möglicherweise erhöhen. Daraus folgt zugleich ihre Rechtsstellung als Sonderrechtsnachfolgerin im anhängigen Verfahren (LSG Brandenburg, Urteil vom 6. Oktober 2004 – L 2 RA 230/03 –, Rdnr. 21, juris).

Die Berufung ist unbegründet, weil die ablehnenden Bescheide der Beklagten vom 21. August 2003 sowie vom 7. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2005 rechtmäßig sind und die Klägerin nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschweren. Die Beklagte hat bei Erlass des Bescheides vom 9. Dezember 2002 weder das Recht zum Nachteil der Klägerin falsch angewendet noch ist sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, so dass sie keinen Anspruch auf einen für sie günstigeren Bescheid gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) hat.

Die Klägerin hat – unabhängig davon, dass zur Überzeugung des Senats die Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem nur möglich ist, wenn zu Zeiten der DDR eine entsprechende schriftliche Versorgungszusage erteilt worden ist, eine fiktive Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem der DDR, wie dies das BSG für möglich hält, also ausscheidet (vgl. Senatsurteil vom 24. März 2011 – L 1 R 254/08 – juris) – keinen Anspruch darauf, dass gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 AAÜG weitere Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem festgestellt werden. Denn selbst die vom BSG aufgestellten Voraussetzungen liegen nicht vor.

Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass auch der Zeitraum vom 1. Juni 1971 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates (Zusatzversorgungssystem Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG) mit den entsprechenden Entgelten festgestellt wird. Dies kann der Senat auch in der Sache prüfen. Er ist daran gebunden, dass das SG insoweit eine zulässige Klageänderung angenommen hat (§ 99 Abs. 4 SGG). Allerdings sind die Prozessvoraussetzungen, die auch hinsichtlich der geänderten Klage vorliegen müssen, deshalb sehr zweifelhaft, weil sich die Widerspruchsstelle der Beklagten nicht mit dem Zusatzversorgungssystem Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG befasst hat, sondern in ihrem Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2005 lediglich das Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG thematisiert hat. Insoweit fehlt es an dem grundsätzlich erforderlichen Vorverfahren, soweit es um das Zusatzversorgungssystem Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG geht. Allerdings prüft der Senat aus prozessökonomischen Gründen im Folgenden auch die Voraussetzungen des Zusatzversorgungssystems Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG, zumal sich die Beklagte diesbezüglich in der Sache eingelassen hat.

Der Versicherte unterfiel jedenfalls ab dem 1. Juni 1971 nicht mehr dem Geltungsbereich dieses Zusatzvorsorgungssystems. Dabei unterstellt der Senat zugunsten der Klägerin, dass der Versicherte vom Rat für landwirtschaftliche Produktion und Nahrungsgüterwirtschaft bzw. vom Rat des Saalkreises ab 1. Juni 1971 als Vorsitzender in die LPG "Freie Erde" H.-L. und vom 11. Dezember 1973 bis über den 30. Juni 1990 hinaus als Vorsitzender in die LPG Pflanzenproduktion "E. T." B. sowie als Leiter in die Kooperative Abteilung Pflanzenproduktion B. delegiert worden ist. Während dieser Zeit konnte eine Tätigkeit im Staatsapparat nur gemäß § 8 Abs. 7 der 2. Richtlinie zur Durchführung der Ordnung über die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates (2. FZAVR-StMitarb; abgedruckt in Aichberger II, Sozialgesetze, Ergänzungsband für die neuen Bundesländer, Gliederungsnummer 209) fingiert werden. Da die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt sind, kommt es nicht darauf an, ob der Klägerin entgegen gehalten werden müsste, dass die 2. FZAVR-StMitarb während des Bestehens der DDR nicht veröffentlicht wurde.

Gemäß § 8 Abs. 7 der 2. FZAVR-StMitarb konnte die bisherige Zeit der Tätigkeit und die Zeit der Delegierung als ununterbrochene Tätigkeit im Staatsapparat gerechnet werden, wenn Mitarbeiter nach dem 28. Februar 1971 bzw. nach zentral festgelegten Stichtagen für die Banken, Sparkassen und Versicherungen u. a. auf Grund von Beschlüssen oder anderen Entscheidungen zuständiger Organe in sozialistische Betriebe und Genossenschaften, staatliche Einrichtungen oder gesellschaftliche Organisationen zeitlich begrenzt delegiert wurden und zum Zeitpunkt der Delegierung noch keine 15jährige Tätigkeit im Staatsapparat erreicht war, sofern im Anschluss an die Delegierung wieder eine Tätigkeit in einem Organ des Staatsapparates aufgenommen wurde und der Mitarbeiter seine Beiträge zur Altersversorgung als Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung bei der Sozialversicherung hat anerkennen lassen und die freiwillige Zusatzrentenversicherung während der Zeit der Delegierung fortgesetzt hat. Der Versicherte hatte zum Zeitpunkt der Delegierung noch keine 15jährige Tätigkeit im Staatsapparat erreicht, so dass die Anwendung dieser Vorschrift grundsätzlich in Betracht käme. Allerdings hat er nach Beendigung seiner Beschäftigung in der LPG Pflanzenproduktion "E. T." B. bzw. in der Kooperativen Abteilung Pflanzenproduktion B. keine Tätigkeit in einem Organ des Staatsapparates aufgenommen, so dass es dahinstehen kann, ob die – unterstellte – Delegierung zeitlich begrenzt war. Der Hinweis der Klägerin auf den Systemwandel im Jahre 1990 führt insoweit nicht weiter, da für die Prüfung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Versorgungssystem an die tatsächlichen Verhältnisse anzuknüpfen ist und nicht an hypothetische Geschehensabläufe bei Fortbestand der DDR. Außerdem ist nicht sicher, dass der Versicherte bei Fortbestand der DDR erneut eine Tätigkeit in einem Organ des Staatsapparates aufgenommen hätte.

Die Klägerin hat auch keinen mit ihrem Hilfsantrag geltend gemachten Anspruch darauf, dass der Zeitraum vom 1. Mai 1973 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech (Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) mit den entsprechenden Entgelten festgestellt wird. Dem Versicherten war weder von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt worden noch war er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft hat in seinem Falle ebenfalls nicht stattgefunden. Auch die vom BSG aufgestellten Voraussetzungen für eine fiktive Einbeziehung liegen nicht vor.

Nach der Rechtsprechung des BSG hängt der Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung in die AVItech gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. I S. 844, VO-AVItech) i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech vom 24. Mai 1951 (GBl. I S. 487, 2. DB) von drei Voraussetzungen ab, die alle zugleich vorliegen müssen. Generell war dieses Versorgungssystem eingerichtet für

Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und

die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar

in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

Danach hatte der Versicherte am 1. August 1991 (dem Tag des Inkrafttretens des AAÜG) keinen fiktiven Anspruch auf eine Einbeziehung in das Versorgungssystem der AVItech, weil schon die persönliche Voraussetzung nicht erfüllt ist. Denn die Berechtigung, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB zu führen, war dem Versicherten nicht verliehen worden. Zu der ausdrücklich aufgeführten Gruppe der Ingenieure gehörte der Versicherte nicht. Zur Beantwortung der Frage, was unter der Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu verstehen ist, zieht das BSG die Verordnung über die Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" vom 12. April 1962 (IngVO-DDR; GBl. II S. 278) als faktisches Indiz heran (BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007 – B 4 RS 17/07 R – Rdnr. 29, juris).

Nach § 1 Abs. 1 IngVO-DDR waren zur Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" berechtigt:

in der Wortverbindung "Dr.-I. und "Dr.-I ... habil." Personen, denen dieser akademische Grad von einer deutschen Hochschule oder Universität vor 1945 oder den Hochschulen, Universitäten und Akademien der Deutschen Demokratischen Republik nach diesem Zeitpunkt verliehen wurde;

in der Wortverbindung "Dipl.-Ing." Personen, die den Nachweis eines ordnungsgemäß abgelegten technischen Abschlussexamens an einer deutschen Hochschule oder Universität vor 1945 oder den Hochschulen bzw. Universitäten der Deutschen Demokratischen Republik nach diesem Zeitpunkt erbringen können und denen das entsprechende Diplom verliehen wurde;

Personen, die den Nachweis eines abgeschlossenen technischen Studiums bzw. einer erfolgreich abgelegten Prüfung durch das Ingenieurzeugnis einer staatlich anerkannten deutschen Fachschule vor 1945 oder einer Fachschule der Deutschen Demokratischen Republik nach diesem Zeitpunkt erbringen können;

Personen, denen die Berufsbezeichnung "Ingenieur" aufgrund anderer gesetzlicher Bestimmungen zuerkannt wurde.

Im Übrigen galten die Bestimmungen des § 1 Abs. 1 Buchstaben b und c IngVO-DDR (nur noch) für die Berufsbezeichnung "Dipl.-Ing. Ök." und "Ing.-Ök." (§ 1 Abs. 2 IngVO-DDR).

Dem Versicherten ist ein den Anforderungen des § 1 IngVO-DDR i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB entsprechendes Diplom nicht verliehen worden, denn er hat nicht durch akademisches Studium in einem (ingenieur-)technischen Studiengang einen Studienabschluss an einer Universität, Hochschule oder Fachschule als Dr. I., Dipl.-Ing., Ingenieur oder Ingenieurökonom erworben. Er hat nach einem Studium an der Hochschule für Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften in Meißen den akademischen Grad eines Diplom-Agraringenieurökonoms erlangt. Damit hat er nicht wie erforderlich ein ingenieurtechnisches Studium absolviert und dementsprechend auch nicht die Berechtigung erlangt, den Titel eines Diplom-Ingenieurs nach § 1 Abs. 1 IngVO-DDR zu führen. Er hat als Diplom-Agraringenieurökonom auch keinen nach § 1 Abs. 2 IngVO-DDR dem Dipl.-Ing. gleichgestellten Titel eines Dipl.-Ing. Ök. oder Ing.-Ök. verliehen bekommen (LSG B.-Brandenburg, Beschluss vom 8. September 2008 – L 3 R 142/07 –, Rdnr. 40, juris).

Auch die Berechtigung des Versicherten, die Bezeichnung "Fachingenieur für sozialistische Betriebswirtschaft in der Landwirtschaft" führen zu dürfen, beinhaltet nicht das Recht, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" im Sinne von § 1 Abs. 1 der 2. DB i.V.m. der IngVO-DDR zu führen. Zwar werden nach § 5 IngVO-DDR auch Wortverbindungen mit dem Begriff "Ingenieur" zur Kennzeichnung einer speziellen Tätigkeit erfasst. Dies setzt aber nach dem klaren Wortlaut voraus, dass die Berechtigung zum Führen der Berufsbezeichnung "Ingenieur" nach §§ 1, 2 und 3 IngVO-DDR vorliegt. Die Bezeichnung "Fachingenieur" ist aber weder durch § 1 Abs. 2 IngVO-DDR noch nach § 1 der 2. DB zur Verordnung über die Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" vom 10. Mai 1963 (GBl. II S. 365) dem Titel "Ingenieur" gleichgestellt worden. Die in postgradualen Studiengängen erworbenen beruflichen Bezeichnungen ersetzen auch nach dem Sprachgebrauch der DDR am 30. Juni 1990 nicht ein Hoch- oder Fachschulstudium. Die bei einem postgradualen Studium erworbenen Abschlüsse sind Zusatzqualifikationen, die bei Weiterbildungsmaßnahmen erworben wurden. Sie vermitteln den Absolventen aber keinen Ingenieurstitel i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB (BSG a.a.O., Rdnr. 38 ff.).

Die Klägerin kann sich auf nicht mit Erfolg auf die Bescheinigung der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau – Fachschule H. – des Landes S.-A. vom 29. März 2004 berufen, wonach das Studium mit dem Abschluss "Staatlich geprüfter Landwirt" der Ausbildung zum Agraringenieur entsprochen habe. Denn nach der Rechtsprechung des BSG waren nur die Absolventen eines Studiengans der technischen Wissenschaft befugt, den Titel Diplom-Ingenieur zu führen. Die Absolventen der Agrarwissenschaften durften nur dann diesen Titel führen, wenn sie einen Abschluss in den Fachrichtungen Mechanisierung der Landwirtschaft oder Lebensmitteltechnologie besaßen. Die anderen Absolventen aus dem Bereich Agrarwissenschaften durften demgegenüber "lediglich" die Berufsbezeichnung Diplom-Agraringenieur führen. Die Berufsbezeichnung "Ingenieur" ist dem in anderen Studiengängen vergebenen Titel "Diplom-Agraringenieur" also nicht gleichzusetzen (BSG, a.a.O., Rdnr. 36). Abgesehen davon ersetzt eine von öffentlichen Stellen nach 1990 bescheinigte Gleichstellung bzw. Gleichwertigkeit von Abschlüssen nicht den Titel als solchen.

Da der Versicherte demnach schon nicht die persönliche Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung in das Versorgungssystem der AVItech erfüllte, kann die Berufung auch insoweit keinen Erfolg haben. Insbesondere ist es unerheblich, ob die betriebliche Voraussetzung erfüllt ist, weil der Versicherte in seiner Funktion als Leiter der Kooperativen Abteilung Pflanzenproduktion auch Leiter der Tier- und Pflanzenproduktion des Volkseigenen Gutes S. , also ggf. eines gleichgestellten Betriebes, gewesen ist.

Schließlich liegt auch kein Verstoß gegen das Grundgesetz wegen der behaupteten Nichtberücksichtigung von Beitragszahlungen in die Zusatzrente vor. Denn dem Witwenrentenbescheid vom 27. Februar 2004 kann entnommen werden, dass die zur FZR gezahlten Beiträge bis zur für alle Versicherten geltenden allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wurden. Abgesehen davon müssten Einwendungen gegen die Rentenberechnung in einem Verfahren gegen den Rentenversicherungsträger geltend gemacht werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG bestehen nicht. Insbesondere weicht der Senat nicht in entscheidungserheblicher Weise von der Rechtsprechung des BSG ab.
Rechtskraft
Aus
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