L 1 R 186/08

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 10 R 972/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 186/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 6. Mai 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger streitet mit der Beklagten über die Anerkennung der Zeit eines mit Promotion abgeschlossenen Forschungsstudiums als Anrechnungszeit.

Der 1949 geborene Kläger studierte ab 1. September 1968 an der Technischen Hochschule Otto von Guericke in M ... Mit Urkunde vom 1972 erhielt er nach Abschluss des Diplomverfahrens den akademischen Grad eines Diplom-Ingenieurs. Bereits ab Mai 1972 hatte er ein Forschungsstudium begonnen. Mit Urkunde vom 21. November 1979 erlangte er den akademischen Grad eines Doktor-Ingenieurs.

Am 6. Mai 2003 beantragte er die Klärung seines Versicherungsverlaufs. Mit Bescheid vom 16. Januar 2004 merkte die Beklagte den Zeitraum vom 1. September 1968 bis zum 17. Oktober 1972 als Zeit der Hochschulausbildung vor. Die Zeit vom 18. Oktober 1972 bis zum 31. August 1975 könne hingegen nicht als Anrechnungszeit vorgemerkt werden, weil sie nach Ablegung der Abschlussprüfung zurückgelegt worden sei. Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 17. Februar 2004 unter anderem mit der Begründung Widerspruch, die Promotion sei für ihn erforderlich gewesen, da er als Berufsziel eine Hochschullaufbahn angestrebt habe. Deshalb sei auch das Forschungsstudium anzuerkennen. Dieses habe sich unmittelbar an das Grund- und Fachstudium angeschlossen. Auch der Einigungsvertrag qualifiziere das Forschungsstudium als wissenschaftliches Ausbildungsverhältnis. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. August 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Das Hochschulstudium ende mit der Abschlussprüfung.

Am 13. September 2005 hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben und zur Begründung seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Außerdem hat er auf ein Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) verwiesen, wonach die Zeit eines in der DDR durchgeführten Forschungsstudiums nicht als Beitragszeit anerkannt werde könne (Urteil vom 23. März 1999 – B 4 RA 18/98 R – juris). Mit Gerichtsbescheid vom 6. Mai 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des BSG Anrechnungszeiten wegen Hochschulausbildung nur bis zu dem Zeitpunkt anzuerkennen seien, zu dem ein Abschluss erlangt werde, der dem Versicherten eine Berufstätigkeit erstmals ermögliche.

Gegen den ihm am 9. Mai 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 6. Juni 2008 Berufung bei dem SG eingelegt, das diese an das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt weitergeleitet hat. Aus dem Gesetzeswortlaut ergebe sich keine Begrenzung bis zu dem Zeitpunkt des Erhalts eines ersten Abschlusses, der zur Ausübung eines Berufs befähige. Dadurch werde sowohl einem negativen als auch einem positivem Verlauf des Studiums Rechnung getragen. Es sei durch die Rechtsprechung noch nicht entschieden, ob ein Forschungsstudium als Anrechnungszeit zu berücksichtigen sei. Es gebe nur eine Entscheidung zu der Zeit einer wissenschaftlichen Aspirantur (BSG, Urteil vom 24. Oktober 1996 – 4 RA 24/96). Ein Promotionsstudium diene der Gesellschaft insgesamt und müsse entsprechend berücksichtigt werden. Die Nichtanerkennung greife in das Grundrecht auf die freie Berufswahl ein. Außerdem werde das Leistungsprinzip verletzt. Das Problem verschärfe sich durch die nunmehr möglichen Master- und Bachelor-Studiengänge. Die Nichtanerkennung führe zu einer Benachteiligung bei der Gesamtleistungsbewertung, da belegbare Zeiten angenommen würden, obwohl diese nicht belegbar gewesen seien. Die Nichtanerkennung des Forschungsstudiums als Ausbildungszeit widerspreche auch dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs werde die Promotionsvorbereitung regelmäßig als Bestandteil der Berufsausbildung angesehen. Das Ziel eines Forschungsstudiums in der DDR habe in dem Erwerb des akademischen Grades "Doktor eines Wissenschaftszweiges" bestanden. Die Aufnahme des Forschungsstudiums sei noch während des normalen Hochschulstudiums erfolgt und es sei als Direktstudium unmittelbar weitergeführt worden. Während die sprachliche und gesellschaftswissenschaftliche Ausbildung in gemeinsamen Lehrveranstaltungen durchgeführt worden sei, sei die fachspezifische Ausbildung mehr individuell und unter Betreuung eines Hochschullehrers erfolgt. Die Aspirantur in der DDR sei mit einem Forschungsstudium in der DDR nicht vergleichbar gewesen. Die Aspirantur sei für bewährte Praxiskader bestimmt gewesen und der Aspirant sei nach seinem Status nicht Student, sondern dem Lehrkörper zugeordnet gewesen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 6. Mai 2008 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2005 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, den Zeitraum vom 18. Oktober 1972 bis zum 31. August 1975 als Anrechnungszeit der Hochschulausbildung vorzumerken.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 6. Mai 2008 zurückzuweisen.

Sie erwidert: Der Wegfall der Formulierung "abgeschlossen" führe dazu, dass seitdem die der "Ausbildung" dienenden Zeiten der Hochschulausbildung auch dann als Hochschulausbildungsanrechnungszeit anerkennungs-/berücksichtigungsfähig seien, wenn im Rahmen der Studienzeiten kein akademischer Abschluss abgelegt worden sei. Der Wegfall bewirke jedoch nicht, dass nach dem Erwerb des ersten berufsqualifizierenden akademischen Abschlusses generell auch weitere Studienzeiten als Hochschulausbildungsanrechnungszeit anerkennungs-/berücksichtigungsfähig seien. Das Ergebnis, dass die Hochschulausbildungsanrechnungszeit mit dem ersten berufszugangseröffnenden Abschluss ende, begründe sich nicht nur daraus, dass es nach dem bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Recht auch auf den "Abschluss der Hochschulausbildung" angekommen sei. Denn maßgebend sei gewesen und sei auch nunmehr, dass nur solche Zeiten einer Hochschulausbildung den Tatbestand einer Anrechnungszeit im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) erfüllen, die der "Ausbildung" dienen würden, in denen also eine Berufsausbildung tatsächlich erfolgt sei. Insofern könne vom Vorliegen einer solchen Ausbildung grundsätzlich nur bis zu dem Zeitpunkt ausgegangen werden, solange mangels Ausbildungsabschluss der Zugang zur Berufswelt nicht möglich gewesen sei. Demzufolge werde das Ende einer Hochschulausbildung grundsätzlich durch die diese Ausbildung beendende Abschlussprüfung gesetzt. Deshalb bedeute die Ablegung bzw. der Erwerb des ersten Hochschulabschlusses generell den Endzeitpunkt der Anrechnungszeit, da damit grundsätzlich die Berufsausbildung beendet sei und ab diesem Zeitpunkt dem Versicherten der Weg ins Berufsleben erstmals eröffnet sei. Ob der im Rahmen der Hochschulausbildung erworbene Abschluss den Zugang zur Berufswelt eröffne, sei hierbei nicht nach dem Berufswunsch des Versicherten, sondern objektiv danach zu beurteilen, ob mit dem erreichten Abschluss die Möglichkeit der Aufnahme einer – rentenversicherungspflichtigen – Beschäftigung oder Tätigkeit bestehe. Diese Folgerungen würden unabhängig von der jeweils geltenden Fassung der Anrechnungszeitenregelung des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI gelten und damit auch nach der ab dem 1. Januar 1997 geltenden Fassung, die nicht mehr den Abschluss der Hochschulausbildung fordere und nur auf den Hochschulbesuch abstelle. Das Tatbestandsmerkmal "Besuch der Hochschule" stelle darauf ab, dass der Versicherte während der Zeit an der Hochschule zur Erlangung einer beruflichen Qualifikation ("Ausbildung") studiert habe, damit ihm der Weg ins Berufsleben eröffnet werde. Hochschulbesuch und Hochschulanrechnungszeit würden mit dem ersten berufszugangseröffnenden Abschluss enden. Allerdings könne im Einzelfall nach abgeschlossener Erstausbildung auch ausnahmsweise ein weiteres Studium Hochschulausbildung im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI sein, wenn es sich um eine von dem bereits abgeschlossenen Studium differente Ausbildung in einem anderen Studienfach handele. Der Besuch einer Hochschule, der eine Vertiefung, Erweiterung oder Spezialisierung der Fähigkeiten und Kenntnisse bezwecke, sei demgegenüber generell keine berücksichtigungsfähige Ausbildung. Aus diesem Grunde seien auch Promotionszeiten grundsätzlich nicht als Hochschulausbildung im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI berücksichtigungsfähig, wenn – wie hier – vor der Promotion (Dr.-P.) bereits eine andere Abschlussprüfung (Diplomprüfung) mit Erfolg abgelegt worden sei. Die Hochschulausbildung ende in diesen Fällen bereits mit dem Tag des Bestehens dieser Prüfung. Eine andere Beurteilung der Promotionszeiten könne sich dann ergeben, wenn die Promotion den ersten berufsqualifizierenden Abschluss darstelle, weil in dem im Rahmen der Hochschulausbildung absolvierten Studiengang entweder eine andere Abschlussprüfung nicht vorgesehen gewesen sei oder aber der Studierende sich entschlossen habe, eine an sich mögliche frühere Abschlussprüfung nicht abzulegen, sodass die (Berufs-) ausbildung tatsächlich erst mit der Prüfung im Promotionsverfahren geendet habe. Bei den hier vorliegenden Zeiten des Forschungsstudiums handele es sich um Promotionszeiten. Sie seien mit der Aspirantur vergleichbar, die nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 24. Oktober 1996 – 4 RA 121/95 – juris) und des Bundesverfassungsgerichts (Nichtannahmebeschluss vom 30. August 2000 – 1 BvR 319/98 – juris) nicht den Tatbestand einer im Sinne des SGB VI relevanten Zeit erfüllen würden. Mit dem Erwerb des "Diplom-Ingenieurs" sei der erste berufszugangseröffnende Abschluss abgelegt worden und es sei dem Kläger möglich gewesen, eine entsprechende Berufstätigkeit auszuüben.

Die Gerichts- und Verwaltungsakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Die Zeit vom 18. Oktober 1972 bis zum 31. August 1975 kann nicht als Anrechnungszeit der Hochschulausbildung gem. § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI vorgemerkt werden. Der Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 2004 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 12. August 2005 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.

Gem. § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI stellt der Versicherungsträger, wenn er das Versicherungskonto geklärt hat, die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, durch Bescheid fest.

Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI in der seit dem 1. Januar 1997 geltenden Fassung sind Anrechnungszeiten Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung).

Hier fehlt es an der Voraussetzung des Besuches einer Hochschule zur Ausbildung im Sinne dieser Norm. Zwar absolvierte der Kläger das Forschungsstudium an der Technischen Hochschule Otto von Guericke in M. und damit an einer Hochschule. Der Besuch einer Hochschule zur Ausbildung (Hochschulbesuch im Sinne von § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI) endet aber grundsätzlich mit dem Erwerb eines ersten berufsqualifizierenden Abschlusses. Eine hieran anschließende Zeit eines sich auf den ersten Abschluss beziehenden Forschungsstudiums ist keine Anrechnungszeit mehr (vgl. Gürtner in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 66. Ergänzungslieferung 2010, Rdnr. 48, zur Promotion und Assistententätigkeit, m. w. N.). Dies ergibt sich aus der Auslegung der Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck und aus den Gesetzmaterialien.

Im Einzelnen:

Anrechnungszeiten sollen den Versicherten vor Nachteilen schützen, die dadurch eintreten, dass er unverschuldet daran gehindert war, eine pflichtversicherte Tätigkeit auszuüben und dadurch rentenstützend Pflichtbeiträge zu leisten (BSG, Urteil vom 22. September 1981 – 1 RA 37/80 – juris, Rdnr. 17 zu den zweckgleichen Ausfallzeiten nach § 36 des Angestelltenversicherungsgesetzes, AVG). Die Berücksichtigung von Zeiten ohne Beitragsleistung widerspricht als solche dem Versicherungsprinzip; sie stellt eine Solidarleistung der Versichertengemeinschaft dar, die auf staatlicher Gewährung als Ausdruck besonderer staatlicher Fürsorge beruht (BSG, Urteil vom 29. März 1990 – 4 RA 37/89 – juris, Rdnr. 15). Grundsätzlich konnte daher nach der Rechtsprechung zur bis zum 1. Januar 1997 geltenden Fassung des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI nur eine einzige erfolgreich abgeschlossene Hochschulausbildung als Ausbildungsausfallzeit berücksichtigt werden (BSG, a. a. O., Rdnr. 16). Die Rechtsprechung des BSG hat dieses Ergebnis unter anderem aus der Formulierung "Zeiten einer abgeschlossenen Hochschulausbildung" in § 36 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) AVG abgeleitet (siehe schon BSG, Urteil vom 18. September 1963 – 1 RA 166/60 – juris, Rdnr. 15). Der zum 1. Januar 1997 geänderte Wortlaut von § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI ändert die genannte Zweckrichtung nicht. Der Wegfall der Formulierung "abgeschlossen" führt – wie die Beklagte zu Recht ausführt – dazu, dass seitdem die der "Ausbildung" dienenden Zeiten der Hochschulausbildung auch dann als Hochschulausbildungsanrechnungszeit anerkennungs-/berücksichtigungsfähig sind, wenn im Rahmen der Studienzeiten kein akademischer Abschluss abgelegt worden ist. Der Wegfall der Formulierung "abgeschlossen" bewirkt jedoch nicht, dass nach dem Erwerb des ersten berufsqualifizierenden akademischen Abschlusses grundsätzlich auch weitere Zeiten als Hochschulausbildungsanrechnungszeit anerkennungs-/berücksichtigungsfähig sein sollen. Dies könnte anders zu beurteilen sein, wenn der Versicherte nach Abschluss eines ersten Studiums ein Zweitstudium in einem anderen Fachbereich und einem eigenständigen Studiengang absolviert, was hier nicht der Fall ist.

Obwohl § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI in der seit dem 1. Januar 1997 geltenden Fassung nach dem Wortlaut nur noch den "Besuch" voraussetzt, zeigen auch die Gesetzesmaterialien, dass der Gesetzgeber nicht generell jeden Besuch einer Hochschule als Hochschulausbildungsanrechnungszeit anerkennungs-/berücksichtigungsfähig gewertet wissen wollte. Durch den Wegfall der Formulierung "abgeschlossen" sollten Zeiten des Besuchs einer Fachschule oder Hochschule ohne Fachschul- oder Hochschulabschluss berücksichtigt werden. In Anbetracht der Verkürzung der anrechenbaren Zeiten erschien dem Gesetzgeber diese Regelung auch deshalb gerechtfertigt, weil das Erfordernis eines Fachschul- oder Hochschulabschlusses in der Vergangenheit immer wieder zu unbefriedigenden Ergebnissen, insbesondere bei krankheitsbedingter vorzeitiger Beendigung des Studiums geführt hat (Bundestagsdrucksache 13/4610, 22, 23 zu § 58 in der Fassung des Gesetzentwurfes zum Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz). Insoweit wird – wie der Kläger zu Recht herausstellt – sowohl einem negativen als auch einem positiven Verlauf des Studiums Rechnung getragen. Der Gesetzgeber hatte nicht die Absicht, mit seiner Gesetzesänderung über die "Ausbildung" hinausgehende weitere qualifizierende Fortbildungen und Abschlüsse ohne Beitragsleistung und entgegen dem Versicherungsprinzip durch eine solidarische Leistung der versicherten Gemeinschaft zu begünstigen. Die Zeit einer Aspirantur in der früheren DDR als eine Zeit der Qualifizierung als Hochschullehrer und Forscher ist damit keine Anrechnungszeit (geworden). Dies hat das BSG zur früheren Gesetzesfassung bestätigt (Urteil vom 24. Oktober 1996, a. a. O., hierzu auch Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 30. August 2000, a. a. O.). Eine andere Wertung folgt – wie dargestellt – auch nicht aus der Änderung des Wortlauts des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI.

Das Ergebnis, dass im Fall des Klägers die Anrechnungszeit der Hochschulausbildung am 17. Oktober 1972 endet, hängt nicht davon ab, ob sich hieran eine wissenschaftliche Aspirantur oder – wie hier – ein Forschungsstudium angeschlossen hat. Entscheidend ist vielmehr, dass er mit der Erlangung seines Diploms einen entsprechenden Beruf als Ingenieur ergreifen konnte. Entgegen der Auffassung des Klägers war die planmäßige wissenschaftliche Aspirantur auch weitgehend mit dem Forschungsstudium zu vergleichen. Der wesentliche Unterschied bestand darin, dass die wissenschaftliche Aspirantur für "bewährte Praxiskader" vorgesehen, also eine Form der postgradualen Weiterbildung für Akademiker aus der Praxis, und somit keine direkte Fortsetzung des Studienganges war. Sie hatte allerdings ebenfalls den Erwerb des akademischen Grades "Doktor eines Wissenschaftszweiges" zum Ziel. Ansonsten entsprach die – planmäßige – Aspirantur in ihrer Ausgestaltung weitgehend dem Forschungsstudium. Insoweit macht sich der Senat die Einschätzung des BSG in dessen Urteil vom 23. März 1999 (B 4 RA 18/98 R – juris – m.w.N.) zu eigen.

Von der vorliegenden Fallkonstellation könnten hingegen Sachverhaltskonstellationen abzugrenzen sein, in denen der Versicherte nach Abschluss eines ersten Studiums ein Zweitstudium in einem anderen Fachbereich und einem eigenständigen Studiengang absolviert. In einem solchen Fall dürfte es sich um einen Hochschulbesuch zur Ausbildung im Sinne von § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI handeln, und nicht um den – hier vorliegenden Fall – einer Vertiefung, Erweiterung und Spezialisierung der Fähigkeiten und Kenntnisse des bereits erworbenen berufsqualifizierenden Abschlusses (Forschungsstudium). Das Forschungsstudium dient – anders als das Zweitstudium – nicht der "Ausbildung im Rahmen eines Hochschulbesuchs". Vor dem Hintergrund dieser unterschiedlichen Sachverhaltskonstellation liegt auch kein Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vor. Dies gilt auch für die Fortsetzung eines Studiums nach dem sogenannten Bachelor bis zum Master. Diese Fortsetzung ist im Wesentlichen nicht mit dem Forschungs- und Promotionsstudium vergleichbar. Denn der Master entspricht dem früheren Magister, der regelmäßig erster berufsqualifizierender Abschluss war.

Auch die weiteren Einwände des Klägers führen zu keinem anderen Ergebnis. Mit dem Einigungsvertrag wurde unter anderem geregelt, dass die Stipendienanordnung vom 29. Juni 1990 (GBl. I Nr. 53 S. 1079) über den 2. Oktober 1990 hinaus in Kraft blieb (Anlage II Kap XVI Sachgebiet A - Ausbildungsförderung). Das BSG hat daraus gefolgert, dass das Forschungsstudium ein wissenschaftliches Ausbildungs- und kein Beschäftigungsverhältnis gewesen ist (BSG, Urteil vom 23. März 1999 – B 4 RA 18/98 R – juris, Rdnr. 33). Damit wird aber in keiner Weise eine Aussage zu der Anerkennung des Forschungsstudiums als Hochschulausbildungsanrechnungszeit getroffen. Der Einwand, dass die Nichtanerkennung das Leistungsprinzip verletze, geht ebenfalls fehl. Anrechnungszeiten werden als beitragfreie Zeiten dem Grunde nach gerade unabhängig von einer erbrachten Beitragsleistung dem Versicherten gutgeschrieben. Sie widerspiegeln nicht die Leistung eines Versicherten, sondern sind Ausdruck besonderer staatlicher Fürsorge (BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1981 – 1 BvR 874/77 u. a. – juris, Rdnr. 108). Dieser Fürsorgegedanke rechtfertigt eine größere Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung und rentenrechtlichen Bewertung der Ausbildungsanrechnungszeiten als bei auf Beiträgen beruhenden Berechnungsgrößen (BSG, Urteil vom 2. März 2010 – B 5 KN 1/07 R – juris, Rdnr. 31). Dass sich die Nichtanerkennung des Forschungsstudiums als Anrechnungszeit auch bei der Gesamtleistungsbewertung nach §§ 71 ff. SGB VI wegen § 72 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 SGB VI auswirkt, muss der Kläger hinnehmen, ohne dass deshalb ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG vorliegt. Sofern der Kläger bildungs- und wirtschaftspolitische Gründe für eine weitergehende Bewertung von Ausbildungszeiten anführt, ist darauf hinzuweisen, dass die Ausbildung vorwiegend dem Bereich der Eigenverantwortung des Einzelnen zuzuordnen ist, deren Honorierung dem System der Rentenversicherung eher fremd ist, weil es grundsätzlich an den Eintritt in das Arbeitsleben anknüpft (BSG, a. a. O., Rdnr. 34). Es ist allgemein nicht Aufgabe des Solidarsystems der gesetzlichen Rentenversicherung, dafür zu sorgen, dass promovierte Ingenieure dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Dies wäre allenfalls eine Aufgabe des Gesetzgebers, soweit hierfür überhaupt ein Bedarf besteht.

Es liegt auch kein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG vor. Durch § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI wird bereits nicht in den Schutzbereich der Norm eingegriffen. Art. 12 Abs. 1 GG soll vor Eingriffen in das Ob und Wie der Berufsausübung schützen und unterwirft Regelungen über die in einer Person liegenden Voraussetzungen (z. B. Studienabschluss) und objektive Regelungen (z. B. Begrenzung der Anzahl von Apotheken in einem bestimmten Gebiet) für den Berufszugang der verfassungsrechtlichen Kontrolle. Regelungen, die nur reflexartig die Berufswahl bzw. Berufsausübung beeinflussen, stellen nur dann einen Eingriff in den Schutzbereich dar, wenn sie berufsregelnde Tendenz aufweisen (Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 11. Aufl., Art. 12, Rdnr. 15). Die Nichtanerkennung von Ausbildungszeiten regelt weder das Ob und Wie der Berufsausübung noch den objektiven oder subjektiven Berufszugang. § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI regelt auch sonst in keiner Weise die Ausübung eines Ingenieurberufs.

Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Frage der Kindergeldberechtigung während eines Forschungsstudiums des Kindes sagt nichts zu der Anerkennung von Ausbildungsanrechnungszeiten, unabhängig davon, ob der Kläger aus einem "Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung" als einem möglichen Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips überhaupt subjektive Ansprüche herleiten könnte.

Im Ergebnis hat damit das SG zu Recht festgestellt, dass der Kläger am 17. Oktober 1972 mit der Erlangung des akademischen Grades "Diplom-Ingenieur" sein Studium im rentenrechtlichen Sinne insoweit abgeschlossen hatte, dass die Fortführung des Forschungsstudiums keine Anrechnungszeit im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI mehr war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Hinsichtlich der Auslegung des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI in der ab dem 1. Januar 1997 geltenden Fassung erscheint klärungsbedürftig, ob die Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung grundsätzlich weiterhin mit der Ablegung des ersten berufszugangseröffnenden Abschlusses endet und inwieweit Ausnahmetatbestände greifen können.
Rechtskraft
Aus
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