Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 41 KR 6966/09 ER
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 133/10 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Das CFS/CFID-Syndrom (Chronic fatique Syndrom) kann nicht mit einer lebensbedrohlichen bzw. regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung auf eine Stufe gestellt werden.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 6. Januar 2010 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin verfolgt mit ihrer Beschwerde das Ziel weiter, von der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung eine (ambulante) Infusions¬therapie durch Prof. Dr. med. d. in Düsseldorf als Sachleistung zur Verfügung gestellt zu bekommen.
Die 1959 geborene Antragstellerin, die unter einem CFS/CFID-Syndrom (Chronic fatigue Syndrom oder chronisches Erschöpfungssyndrom) leidet, beantragte mit Schreiben vom 3. Mai 2009, bei der An¬tragsgegnerin am 12. Mai 2009 eingegangen, die Übernahme ihrer "privatärztlichen Behandlungs¬kosten einschließlich der Kosten für Medikamente, Laboruntersuchungen und Fahrten". Dem Antrag waren auf den 22. April 2009 datierte vorläufige Therapiepläne des Prof. Dr. d. und des Dr. L. beigefügt. Am 6. Mai 2009 begann die Antragstellerin mit der Behandlung.
Die Antragsgegnerin holte darauf eine sozialmedizinische Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Thüringen e. V. (MDK), Dr. W., ein. Diese führt in ihrem Gutachten vom 29. Mai 2009 aus, dass die Versicherte annehme, am CFS/CFID-Syndrom erkrankt zu sein und aus diesem Grunde eine privatärztliche Behandlung in Düsseldorf für erforderlich halte. Vor¬gelegt werde ein vorläufiger Therapieplan, der eine Infusionstherapie mit intravenösen Immunglobulinen, Vitaminen und Spurenelementen vorsehe. Das chronische Erschöpfungssyn¬drom sei eine chronische Krankheit, die charakterisiert wer¬de durch eine lähmende geistige und körperliche Erschöpfung bzw. Erschöpfbarkeit sowie durch eine spezifische Kombination weiterer Symptome. Eine allgemein anerkannte ursächliche Behandlung des CFS/CFID-Syndroms gäbe es zurzeit nicht. Aus diesem Grund existierten auch keine allge¬meinen Therapieempfehlungen. Die Behandlung solle daher individuell und symptombezogen erfolgen. Es sei aber nicht anzunehmen, dass ohne die beantragte Infusionsbehandlung eine Verschlimmerung des Gesundheitszustandes mit Todesfolge oder eine schwere irreversible Behinderung oder Pflegebedürftigkeit eintrete. Eine lebensbedrohliche Erkrankung könne derzeit nicht festgestellt werden. Die von der Antragstellerin beantragte Behandlungsmethode sei nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss beraten worden.
Die Antragsgegnerin lehnte daraufhin mit Bescheid vom 8. Juni 2009 den Kostenübernahmeantrag der Antragstellerin ab. Eine Kos¬tenübernahme für die beantragte Infusionstherapie sei nicht möglich, da diese Behandlungs- bzw. Diagnostikmethode im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nicht zur Verfügung stehe.
Mit dem hiergegen gerichteten Widerspruch trug die Antragstellerin im Wesentlichen vor, konventionelle Behandlungsmethoden stünden nicht zur Verfügung. Die infolge der Infusionstherapie bereits eingetretenen Behandlungserfolge würden bestätigen, dass die Er¬krankung aufgehalten werde. Damit handele es sich jedenfalls um eine vertretbare Therapie, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet werden könne. Außerdem legte sie ein ärztliches Attest des Prof. Dr. d. vom 3. August 2009 vor, indem dieser die Diagnose "CFS/CFID-Syndrom (ICD 10: G 93.3)" stellte und ausführte, dabei handele es sich "um eine schwere lebensbeeinträchtigende Erkrankung".
Nach Beiziehung eines "G-2 Gutachten(s): Chronisches Müdigkeitssyndrom (CFS)/Untersu-chungs- und Behandlungskonzept von Dr. A. H. und Dr. M. d. B./ Sozial¬medizinische Expertengruppe Methoden- und Produktbewertung (SEG 7) der MDK-Gemeinschaft" des Medizinischen Dienstes der Spit¬zenverbände der Krankenkassen e.V. vom 29. Januar 2008 veranlasste die Antragsgegnerin eine weitere sozialmedizi¬nischen Stellungnahme des MDK (Dr. M.) vom 6. November 2009. Dieser kam in seinem Gutachten zum Ergebnis, dass die Übernahme der Behandlungskosten für die begonnene außervertragliche Behandlung weiterhin nicht empfohlen werden könne. Die bei der Behandlung neben Nahrungsergänzungsmitteln im Rahmen der Infusionstherapie verwendeten Immunglobuline und Antioxidantien seien nicht für die Behandlung des CFS/CFID-Syndroms zugelassen. Die Voraussetzungen für einen sogenannten off-label-Einsatz lägen nicht vor. Die schulmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten seien nicht ausgeschöpft. Beispielhaft seien die Durchführung einer stationären Rehabilitation oder auch eine Psychotherapie zu nennen. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2009 wies die Antragsgegnerin den Wider¬spruch der Antragstellerin zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, es läge keine akut lebensbedrohliche Erkrankung vor, außerdem gebe es Behandlungsalternativen
Hiergegen hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Gotha (SG) am 15. Januar 2010 Klage erhoben (Az.: S 38 KR 330/10). Bereits zuvor, mit am 9. Dezember 2009 beim SG eingegangenem Schriftsatz hat die Antragstellerin be¬antragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr entsprechend der Verordnung der behandelnden Ärzte die Infusionstherapie bei CFS/CFID-Syndrom zu finanzieren. Sie leide un¬zweifelhaft an einem CFS/CFID-Syndrom, wie das ärztliche Attest des Prof. Dr. d. B. vom 3. August 2009 bestätige. Dabei handele es sich um eine schwere lebensbeeinträchtigende Er¬krankung. Ambulante Behandlungsmöglichkeiten könnten nicht angeboten werden. Sie habe die am 6. Mai 2009 begonnene Behandlung bislang selbst finanziert, wo¬durch ihr Kosten in Höhe von ca. 48.000,00 EUR entstanden seien. Unter Berücksichtigung des nunmehr vorliegenden vorläufigen Therapieplanes vom 28. Oktober 2009 belaufe sich der Kostenaufwand pro Woche auf ca. l.549,65 EUR. Diese Kosten müssten voraussichtlich für wei¬tere 26 Wochen aufgewandt werden, sodass in diesem Umfang ein Anspruch auf Kostenübernahme bestehe. Ein Anordnungsgrund sei gegeben. Jede Verzögerung der Fortsetzung der Infusionstherapie bedeute eine gesundheitliche Gefährdung. Aufgrund der erschöpften finanziellen Möglichkeiten sei eine besondere Eilbedürftigkeit gegeben. Jede Woche ohne Therapie schade ihr.
Demgegenüber hat die Antragsgegnerin die Auffassung vertreten, es seien weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund erkennbar. Bei der strei¬tigen Infusionstherapie handele es sich um eine neue ambulante Behandlungsmethode i.S.d. § 135 Abs. l SGB V. Da der gemeinsame Bundesausschuss sich noch nicht mit der Infusions¬therapie beim chronischen Müdigkeitssyndrom befasst habe, wäre eine Kostenübernahme nur bei Vorliegen eines Systemmangels oder der Voraussetzungen aus dem Beschluss des Bun¬desverfassungsgerichtes vom 6. Dezember 2005 (Az.: l BvR 347/98) möglich. Die wesentlichen Merkmale beider Fallkonstellationen seien hingegen nicht erfüllt. Es läge keine notstandsähnli¬che Situation bzw. eine durch nahe Lebensgefahr gekennzeichnete individuelle Notlage vor. Der Antragstellerin stünden vertragsärztliche Behandlungsmaßnahmen, z.B. die Durchfüh¬rung einer stationären Rehabilitation bzw. einer Psychotherapie, zur Verfügung. Auch unter der Annahme, dass die beiden genannten Behandlungsalternativen nicht geeignet wären, fänden sich aber in internationalen Leitlinien durchaus das CFS/CFID-Syndrom betreffende Behandlungsempfehlungen, die auf den Ergebnissen anvisierter, kontrollierter und konzipierter Studien basierten. Nach den Ausführungen des G-2 Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen e. V. vom 29. Januar 2008 seien die klinische Relevanz des Untersuchungs¬konzeptes, das von der Arbeitsgruppe von bzw. um Dr. Hilgers und anderen, darunter auch von Herrn Dr. d. B., bei Verdacht auf ein CFS/CFID-Syndrom in individuell jeweils geringer Modifikation eingesetzt werde, wie auch die Wirksamkeit des auf den Ergebnissen dieser Diagnostik basierenden Therapiekonzeptes oder einzelner, über die Empfehlungen internationaler Leitlinien hinausge¬hender Bestandteile dieses Konzeptes nach übereinstimmenden Analysen der Datenlage in aktuellen HTA-Berichten (HTA: "Medizintechnik-Folgenabschätzung") nicht belegt. Darüber hinaus sei nicht klar, ob die Diagnose "CFS/CFID-Syndrom" als gesichert anzusehen sei. Da die streitgegenständliche Leistung auch bereits in An¬spruch genommen worden sei, sei ein Anordnungsgrund nicht ersichtlich.
Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 6. Januar 2010 abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es an einem Anordnungsanspruch fehle, da schon nicht zuverlässig festgestellt werden könne, ob die bei der Antragstellerin durch Prof. Dr. d. B. diagnostizierte Erkrankung "CFS/CFID-Syndrom" tatsächlich vorliege, so dass schon aus diesem Grund nicht beurteilt werden könne, ob die angewandte Therapie zweckmäßig und wirtschaftlich sei. Selbst wenn man jedoch vom Vorliegen dieser Krankheit ausgehe, könne im Rahmen eines gerichtlichen Eilverfahrens nicht zuverlässig festgestellt werden, dass es sich um zweckmäßige Behandlungsstrategien handele. Zudem sei diese Erkrankung nicht lebensbedrohlich. Welche konkreten Beeinträchtigungen die Antragstellerin erfahre, sei nicht ersichtlich. Außerdem liege auch kein Anordnungsgrund vor, da der Vortrag der Antragstellerin, jede Verzögerung bedeute eine gesundheitliche Gefährdung, durch nichts belegt sei. Auch der Hinweis auf die finanzielle Situation der Antragstellerin begründe keinen Anordnungsanspruch.
Mit ihrer am 11. Februar 2010 eingelegten Beschwerde gegen den ihren Bevollmächtigten am 11. Januar 2010 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin zur Begründung im Wesentlichen über ihr erstinstanzliches Vorbringen hinaus ergänzend ausgeführt, dass sich "der Umfang der Behandlungskosten im Sinne eines Minimalbedarfs für einen Monat" einschließlich der Kosten für Nahrungsergänzungsmittel auf 2.277,76 Euro belaufe. Auch die Charité in Berlin bestätige das Vorliegen der Diagnose "CFS/CFID-Syndrom". Die Erkrankung sei schwer und lebensbedrohlich, dies würden die Folgeerkrankungen des chronischen Erschöpfungssyndroms, wie z.B. Multiple Sklerose, Aids oder Krebs mit sich bringen. Zudem handele es sich bei der begehrten Infusionstherapie nicht um eine neue ambulante Behandlungsmethode, da die Medikamente alle kassenärztlich zugelassen seien. Durch einen Behandlungsabbruch verschlechtere sich ihr Gesundheitszustand "in nicht hinnehmbarer Weise". Aufgrund der erschöpften finanziellen Mittel habe sie im Dezember 2009 die private Behandlung bei Prof. Dr. d. B. abbrechen müssen. Während der Weiterbehandlung in Erfurt sei es in Folge eines Schocks durch toxische Wirkung zu einem Kreislaufzusammenbruch gekommen. Deshalb bestehe auch ein Anordnungsgrund. Die Antragstellerin hat neben einem Arztbericht der C. vom 7. Januar 2010 eine Schilderung ihrer Krankengeschichte, einen weiteren Therapieplan vom 22. Juli 2010, ein Gutachten nach Aktenlage des ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit E. vom 4. Juni 2010 sowie eine Blattsammlung mit medizinischen Aufsätzen zum Krankheitsbild " CFS/CFID-Syndrom " vorgelegt.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 6. Januar 2010 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig, längstens jedoch bis zum Eintritt der Rechtskraft einer Hauptsacheentscheidung, die weitere (ambulante) Infusions¬therapie durch Prof. Dr. d. B. als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie stützt sich zur Begründung im Wesentlichen auf die Ausführungen in ihrem Widerspruchsbescheid sowie im angefochtenen Beschluss des SGG. Darüber hinaus weist sie darauf hin, dass im Bericht der C. vom 7. Januar 2010 als Diagnose lediglich ein Verdacht auf ein CFS/CFID-Syndrom angegeben werde. Es werde weiterhin davon ausgegangen, dass bei der Antragstellerin keine lebensbedrohliche Erkrankung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorliege. Auch der ärztliche Dienst der Agentur für Arbeit E. sei in sozialmedizinischen Stellungnahme vom 4. Juni 2010 zu dem Ergebnis gekommen, dass aus ärztlicher Sicht eine Behandlung in einer Fachklinik bzw. die Einleitung eines Rehabilitationsverfahrens dringend angezeigt sei.
Der Senat hat im Laufe des Beschwerdeverfahrens einen Befundbericht der C. vom 19. April 2010 beigezogen. Dort wird u.a. ausgeführt, dass die gestellten Diagnosen ("Verdacht auf Chronic Fatigue Sydrom sowie auf chronisch aktive Herpesinfektion") weder lebensbedrohlich noch tödlich sind.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des Antrags- bzw. Beschwerdeverfahrens, des Hauptsacheverfahrens (Az.: S 38 KR 330/10) sowie auf den Inhalt der Behördenakte Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist nach §§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft und zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Beschluss zu Recht entschieden, dass die Antragstellerin keinen Anspruch auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung hat.
Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechts¬verhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2, sog. Regelungs¬anordnung). Die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) gelten entsprechend (Satz 4).
Ein Anordnungsantrag ist begründet, wenn das Gericht auf Grund einer hinreichenden Tatsachenbasis durch Glaubhaftmachung (§ 86b Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO) und/oder im Wege der Amtsermittlung (§ 103 SGG) einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungs¬grund bejahen kann. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn das im Haupt¬sacheverfahren fragliche materielle Recht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Ein Anordnungsgrund ist zu bejahen, wenn es für den Antragsteller unzumutbar erscheint, auf den (rechtskräftigen) Abschluss des Hauptsacheverfahrens verwiesen zu werden. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verlangt dabei eine besondere Ausgestaltung, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Ist dem Gericht in einem solchen Fall eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl. z.B. Bundesverfassungsgericht &61500;BVerfG&61502;, Beschlüsse vom 12. Mai 2005 – Az.: 1 BvR 569/05, vom 29. November 2007 – Az.: 1 BvR 2496/07 und vom 25. Februar 2009 – Az.: 1 BvR 120/09, jeweils nach juris). Die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind dabei umfassend in die Abwägung einzustellen, denn die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen. Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 2009, a.a.O.). Das muss erst recht gelten, wenn es um das Leben als Höchstwert innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005 – Az.: 1 BvR 347/98, nach juris) geht.
Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung erfordern allerdings, dass das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon im vollen Umfang, wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter dem Vorbehalt einer entsprechenden Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren darf, was er sonst nur mit der Hauptsacheklage erreichen könnte (sog. Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache; vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Auflage 2003, § 123 Rdnr. 13 sowie Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 86b Rdnr. 31).
Im Hinblick auf das in Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) zum Ausdruck kommende Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes gilt dieses grundsätzliche Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung allerdings dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung notwendig erscheint, um die sonst zu erwartenden unzumutbaren und im Haupt¬sacheverfahren nicht mehr zu beseitigenden Nachteile für den Antragsteller zu vermeiden, und gleichzeitig ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache spricht (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 123 Rdnr. 14 m.w.N.). Für eine Ausnahme vom Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache bedarf es mit anderen Worten erhöhter Anforderungen an das Vorliegen sowohl des Anordnungsanspruchs (dazu unter b) als auch des Anordnungsgrundes (vgl. hierzu unter a).
a) Zu dem allein relevanten Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 123 Rdnr. 27) liegt hier zum einen ein für eine Ausnahme vom Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache erforderlicher qualifizierter Anordnungsgrund nicht vor.
Der Senat lässt es im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausdrücklich dahinstehen, ob die Antragstellerin tatsächlich an einem CFS/CFID-Syndrom leidet. Dies wird im Hauptsacheverfahren noch zu überprüfen sein, nachdem die entsprechende Diagnose vom C.C. für Innere Medizin und Dermatologie B. auch nach eingehender Untersuchung der Antragstellerin ausweislich des vom Senat eingeholten Befundbericht vom 19. April 2010 lediglich als Verdachtsdiagnose gestellt worden ist.
Selbst wenn man im Falle der Antragstellerin vom Vorliegen eines CFS/CFID-Syndroms ausgeht, ist darin keine lebensbedrohliche bzw. regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung zu sehen. Dies hat der bereits erwähnte Befundbericht der C. unter Ziffer 9 eindeutig klargestellt. Ohne Belang sind dagegen die von der Antragstellerin aufgezeigten schweren "Folgeerkrankungen". Der Senat hat bereits Zweifel daran, ob hierbei ein Zusammenhang mit dem CFS/CFID-Syndrom wissenschaftlich nachgewiesen ist. Jedenfalls aber liegt bei der Antragstellerin derzeit keine solche "Folgeerkrankung" vor.
Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass der Antragstellerin sonstige schwere, irreparable Nachteile drohen, würde sie auf eine Entscheidung in der Hauptsache verwiesen. Insbesondere fehlen jegliche objektive Hinweise darauf, dass sich ohne die sofortige Weiterführung der begehrten Behandlung die Erkrankung der Antragstellerin verschlimmert. Selbst der mit der Beschwerdebegründung vorgetragene Kreislaufzusammenbruch infolge eines Schocks durch toxische Wirkung im Rahmen der Weiterbehandlung belegt diese Verschlechterung nicht hinreichend, da dieser Kollaps nicht zwangsläufig mit dem Abbruch der begehrten Therapie zusammenhängen muss. Auch hierfür fehlen objektive Anhaltspunkte, so dass genauso gut die konkrete Art der Weiterbehandlung oder aber ein nur vorübergehender Schwächeanfall hierfür ursächlich sein kann. Die daneben geltend gemachte "zusätzliche Symptomatik" ist weder ärztlicherseits belegt, noch bestehen nach Überzeugung des Senats ausreichend Anhaltspunkte dafür, dass hierfür der Abbruch der begehrten Therapie ursächlich ist.
Zusammengefasst ist für den Senat jedenfalls nicht erkennbar, weshalb die vorläufige Gewährung der begehrten Therapie für die Klägerin dringlich sein soll.
b) Zum anderen liegt im Falle der Antragstellerin aber auch kein qualifizierter Anordnungsanspruch vor, denn ein Erfolg ihres Begehrens in der Hauptsache ist nicht überwiegend wahrscheinlich.
Nach § 27 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst gemäß § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 i.V.m. § 28 Abs. 1 SGB V die (ambulante) ärztliche Krankenbehandlung. Von der gesetz¬lichen Krankenversicherung zu erbringende Leistungen müssen zudem ausreichend, zweck¬mäßig und wirtschaftlich sein (§ 12 Abs. 1 SGB V). Im Bereich der hier in Betracht kommenden ambulanten Behandlung dürfen nach § 135 Abs. 1 SGB V neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden grundsätzlich nur nach Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005, a.a.O.), der sich das Bundessozialgericht (BSG, vgl. z.B. Urteil vom 7. November 2006 – Az.: B 1 KR 24/06 R, nach juris) angeschlossen hat, ist dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen die Schaffung eines Prüfverfahrens zur Sicherung der Qualität der Leistungserbringung, im Interesse einer Gleichbehandlung der Versicherten und zum Zweck der Ausrichtung der Leistungen am Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit auch nicht verwehrt.
Der Senat kann sich nach dem derzeitigen Sach- und Streitsstand nicht die erforderliche Überzeugung davon verschaffen, dass die begehrte Therapie ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist, nachdem eine Empfehlung des GBA für die Krankheit der Klägerin offenkundig nicht vorliegt. Ob dieses Fehlen eventuell auf ein sogenanntes Systemversagen im Sinne der Rechtsprechung des BSG (vgl. hierzu z.B. Urteile vom 19. März 2002 – Az.: B 1 KR 36/00 R sowie vom 26. September 2006 – Az.: B 1 KR 3 /06, jeweils nach juris) zurück zu führen ist, kann der Senat im Rahmen des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht entscheiden.
Ein Systemversagen läge dann vor, wenn dem GBA ein Untätigbleiben bzw. eine verspätete Bearbeitung eines Antrags bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Anerkennung im Übrigen vorgeworfen werden könnte oder aber bei einer verzögerten oder unterbliebenen Antragstellung der hierzu berechtigten Institutionen, wenn dies auf willkürlichen oder sachfremden Gründen beruhte. In diesem Fall wäre eine Durchbrechung der vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen bzw. jetzt Gemeinsamen Bundesausschuss in dessen Richtlinien getroffenen oder unterlassenen Feststellungen zulässig.
Hier kann der Senat bereits nicht das "Vorliegen der Voraussetzungen für eine Anerkennung im Übrigen" feststellen, denn er kann nicht aus eigener Sachkunde entscheiden, ob die begehrte Infusions¬therapie die in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V genannten Voraussetzungen für eine Anerkennung, insbesondere deren Wirksamkeit, erfüllt. Hierzu bedürfte es einer Beweisaufnahme, etwa in Form der Einholung eines Gutachtens. Weil dies aber mit einem gegebenenfalls erheblichen Zeitaufwand verbunden und daher nicht mit dem Charakter eines einstweiligen Anordnungsverfahrens zu vereinbaren wäre, hätte eine solche Beweisaufnahme im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens zu erfolgen. Der Senat muss im vorliegenden Fall den Sachverhalt auch nicht ausnahmsweise bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vollständig aufklären, denn die Voraussetzungen, unter denen das BVerfG (vgl. Beschlüsse vom 12. Mai 2005 – Az.: 1 BvR 569/05, 29. November 2007 – Az.: 1 BvR 2496/07 und 25. Februar 2009 – Az.: 1 BvR 120/09, nach juris) dies verlangt, liegen hier nicht vor. Wie oben unter a) zum Anordnungsgrund bereits ausgeführt, drohen nämlich im Falle der Antragstellerin ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach Überzeugung des Senats gerade keine schweren und unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Insofern bedarf es daher vorliegend auch keiner, anstatt der vollständigen Sachverhaltsaufklärung zu treffenden Folgenabwägung.
Schließlich kann die Antragstellerin die begehrte Infusions¬therapie für sich auch nicht im Wege verfassungskonformer Auslegung nach den Maßstäben des Beschlusses des BVerfG vom 6. Dezember 2005 (a.a.O.) beanspruchen. Danach ist mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende medizinische Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Hier fehlt es nach Überzeugung des Senats einerseits, wie oben unter a) beim Anordnungsgrund bereits ausgeführt, an einer lebensbedrohlichen bzw. regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit.
Beim CFS/CFID-Syndrom handelt es sich andererseits auch nicht um eine "zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung" (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - Az.: B 1 KR 12/06 R, nach juris). Gemeint ist damit nicht "lediglich" - wie etwa für die Zulassung des Off-Label-Use von Medikamenten ausreichend - eine schwerwiegende Erkrankung. Das BSG (a.a.O.) führt hierzu aus: "Ohne einschränkende Auslegung ließen sich fast beliebig bewusst vom Gesetzgeber gezogene Grenzen überschreiten. Entscheidend ist, dass das vom BVerfG herangezogene Kriterium bei weiter Auslegung sinnentleert würde, weil nahezu jede schwere Krankheit ohne therapeutische Einwirkung irgendwann auch einmal lebensbedrohende Konsequenzen nach sich zieht. Das kann aber ersichtlich nicht ausreichen, das Leistungsrecht des SGB V und die dazu ergangenen untergesetzlichen Regelungen nicht mehr als maßgebenden rechtlichen Maßstab für die Leistungsansprüche der Versicherten anzusehen" und weiter: "Gerechtfertigt ist eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen daher nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird. Ähnliches kann für den ggf gleichzustellenden, nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gelten." Dem hat sich der erkennende Senat bereits in früheren Verfahren angeschlossen und ist im Falle der Antragstellerin überzeugt, dass das geltend gemachte CFS/CFID-Syndrom weder mit einem nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans noch einer herausgehobenen Körperfunktion einhergeht.
Lediglich ergänzend sei angemerkt, dass der Senat sich auch keine Überzeugung davon verschaffen konnte, dass keine (schul-)medizinisch anerkannten Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Antragstellerin verfolgt mit ihrer Beschwerde das Ziel weiter, von der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung eine (ambulante) Infusions¬therapie durch Prof. Dr. med. d. in Düsseldorf als Sachleistung zur Verfügung gestellt zu bekommen.
Die 1959 geborene Antragstellerin, die unter einem CFS/CFID-Syndrom (Chronic fatigue Syndrom oder chronisches Erschöpfungssyndrom) leidet, beantragte mit Schreiben vom 3. Mai 2009, bei der An¬tragsgegnerin am 12. Mai 2009 eingegangen, die Übernahme ihrer "privatärztlichen Behandlungs¬kosten einschließlich der Kosten für Medikamente, Laboruntersuchungen und Fahrten". Dem Antrag waren auf den 22. April 2009 datierte vorläufige Therapiepläne des Prof. Dr. d. und des Dr. L. beigefügt. Am 6. Mai 2009 begann die Antragstellerin mit der Behandlung.
Die Antragsgegnerin holte darauf eine sozialmedizinische Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Thüringen e. V. (MDK), Dr. W., ein. Diese führt in ihrem Gutachten vom 29. Mai 2009 aus, dass die Versicherte annehme, am CFS/CFID-Syndrom erkrankt zu sein und aus diesem Grunde eine privatärztliche Behandlung in Düsseldorf für erforderlich halte. Vor¬gelegt werde ein vorläufiger Therapieplan, der eine Infusionstherapie mit intravenösen Immunglobulinen, Vitaminen und Spurenelementen vorsehe. Das chronische Erschöpfungssyn¬drom sei eine chronische Krankheit, die charakterisiert wer¬de durch eine lähmende geistige und körperliche Erschöpfung bzw. Erschöpfbarkeit sowie durch eine spezifische Kombination weiterer Symptome. Eine allgemein anerkannte ursächliche Behandlung des CFS/CFID-Syndroms gäbe es zurzeit nicht. Aus diesem Grund existierten auch keine allge¬meinen Therapieempfehlungen. Die Behandlung solle daher individuell und symptombezogen erfolgen. Es sei aber nicht anzunehmen, dass ohne die beantragte Infusionsbehandlung eine Verschlimmerung des Gesundheitszustandes mit Todesfolge oder eine schwere irreversible Behinderung oder Pflegebedürftigkeit eintrete. Eine lebensbedrohliche Erkrankung könne derzeit nicht festgestellt werden. Die von der Antragstellerin beantragte Behandlungsmethode sei nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss beraten worden.
Die Antragsgegnerin lehnte daraufhin mit Bescheid vom 8. Juni 2009 den Kostenübernahmeantrag der Antragstellerin ab. Eine Kos¬tenübernahme für die beantragte Infusionstherapie sei nicht möglich, da diese Behandlungs- bzw. Diagnostikmethode im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nicht zur Verfügung stehe.
Mit dem hiergegen gerichteten Widerspruch trug die Antragstellerin im Wesentlichen vor, konventionelle Behandlungsmethoden stünden nicht zur Verfügung. Die infolge der Infusionstherapie bereits eingetretenen Behandlungserfolge würden bestätigen, dass die Er¬krankung aufgehalten werde. Damit handele es sich jedenfalls um eine vertretbare Therapie, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet werden könne. Außerdem legte sie ein ärztliches Attest des Prof. Dr. d. vom 3. August 2009 vor, indem dieser die Diagnose "CFS/CFID-Syndrom (ICD 10: G 93.3)" stellte und ausführte, dabei handele es sich "um eine schwere lebensbeeinträchtigende Erkrankung".
Nach Beiziehung eines "G-2 Gutachten(s): Chronisches Müdigkeitssyndrom (CFS)/Untersu-chungs- und Behandlungskonzept von Dr. A. H. und Dr. M. d. B./ Sozial¬medizinische Expertengruppe Methoden- und Produktbewertung (SEG 7) der MDK-Gemeinschaft" des Medizinischen Dienstes der Spit¬zenverbände der Krankenkassen e.V. vom 29. Januar 2008 veranlasste die Antragsgegnerin eine weitere sozialmedizi¬nischen Stellungnahme des MDK (Dr. M.) vom 6. November 2009. Dieser kam in seinem Gutachten zum Ergebnis, dass die Übernahme der Behandlungskosten für die begonnene außervertragliche Behandlung weiterhin nicht empfohlen werden könne. Die bei der Behandlung neben Nahrungsergänzungsmitteln im Rahmen der Infusionstherapie verwendeten Immunglobuline und Antioxidantien seien nicht für die Behandlung des CFS/CFID-Syndroms zugelassen. Die Voraussetzungen für einen sogenannten off-label-Einsatz lägen nicht vor. Die schulmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten seien nicht ausgeschöpft. Beispielhaft seien die Durchführung einer stationären Rehabilitation oder auch eine Psychotherapie zu nennen. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2009 wies die Antragsgegnerin den Wider¬spruch der Antragstellerin zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, es läge keine akut lebensbedrohliche Erkrankung vor, außerdem gebe es Behandlungsalternativen
Hiergegen hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Gotha (SG) am 15. Januar 2010 Klage erhoben (Az.: S 38 KR 330/10). Bereits zuvor, mit am 9. Dezember 2009 beim SG eingegangenem Schriftsatz hat die Antragstellerin be¬antragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr entsprechend der Verordnung der behandelnden Ärzte die Infusionstherapie bei CFS/CFID-Syndrom zu finanzieren. Sie leide un¬zweifelhaft an einem CFS/CFID-Syndrom, wie das ärztliche Attest des Prof. Dr. d. B. vom 3. August 2009 bestätige. Dabei handele es sich um eine schwere lebensbeeinträchtigende Er¬krankung. Ambulante Behandlungsmöglichkeiten könnten nicht angeboten werden. Sie habe die am 6. Mai 2009 begonnene Behandlung bislang selbst finanziert, wo¬durch ihr Kosten in Höhe von ca. 48.000,00 EUR entstanden seien. Unter Berücksichtigung des nunmehr vorliegenden vorläufigen Therapieplanes vom 28. Oktober 2009 belaufe sich der Kostenaufwand pro Woche auf ca. l.549,65 EUR. Diese Kosten müssten voraussichtlich für wei¬tere 26 Wochen aufgewandt werden, sodass in diesem Umfang ein Anspruch auf Kostenübernahme bestehe. Ein Anordnungsgrund sei gegeben. Jede Verzögerung der Fortsetzung der Infusionstherapie bedeute eine gesundheitliche Gefährdung. Aufgrund der erschöpften finanziellen Möglichkeiten sei eine besondere Eilbedürftigkeit gegeben. Jede Woche ohne Therapie schade ihr.
Demgegenüber hat die Antragsgegnerin die Auffassung vertreten, es seien weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund erkennbar. Bei der strei¬tigen Infusionstherapie handele es sich um eine neue ambulante Behandlungsmethode i.S.d. § 135 Abs. l SGB V. Da der gemeinsame Bundesausschuss sich noch nicht mit der Infusions¬therapie beim chronischen Müdigkeitssyndrom befasst habe, wäre eine Kostenübernahme nur bei Vorliegen eines Systemmangels oder der Voraussetzungen aus dem Beschluss des Bun¬desverfassungsgerichtes vom 6. Dezember 2005 (Az.: l BvR 347/98) möglich. Die wesentlichen Merkmale beider Fallkonstellationen seien hingegen nicht erfüllt. Es läge keine notstandsähnli¬che Situation bzw. eine durch nahe Lebensgefahr gekennzeichnete individuelle Notlage vor. Der Antragstellerin stünden vertragsärztliche Behandlungsmaßnahmen, z.B. die Durchfüh¬rung einer stationären Rehabilitation bzw. einer Psychotherapie, zur Verfügung. Auch unter der Annahme, dass die beiden genannten Behandlungsalternativen nicht geeignet wären, fänden sich aber in internationalen Leitlinien durchaus das CFS/CFID-Syndrom betreffende Behandlungsempfehlungen, die auf den Ergebnissen anvisierter, kontrollierter und konzipierter Studien basierten. Nach den Ausführungen des G-2 Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen e. V. vom 29. Januar 2008 seien die klinische Relevanz des Untersuchungs¬konzeptes, das von der Arbeitsgruppe von bzw. um Dr. Hilgers und anderen, darunter auch von Herrn Dr. d. B., bei Verdacht auf ein CFS/CFID-Syndrom in individuell jeweils geringer Modifikation eingesetzt werde, wie auch die Wirksamkeit des auf den Ergebnissen dieser Diagnostik basierenden Therapiekonzeptes oder einzelner, über die Empfehlungen internationaler Leitlinien hinausge¬hender Bestandteile dieses Konzeptes nach übereinstimmenden Analysen der Datenlage in aktuellen HTA-Berichten (HTA: "Medizintechnik-Folgenabschätzung") nicht belegt. Darüber hinaus sei nicht klar, ob die Diagnose "CFS/CFID-Syndrom" als gesichert anzusehen sei. Da die streitgegenständliche Leistung auch bereits in An¬spruch genommen worden sei, sei ein Anordnungsgrund nicht ersichtlich.
Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 6. Januar 2010 abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es an einem Anordnungsanspruch fehle, da schon nicht zuverlässig festgestellt werden könne, ob die bei der Antragstellerin durch Prof. Dr. d. B. diagnostizierte Erkrankung "CFS/CFID-Syndrom" tatsächlich vorliege, so dass schon aus diesem Grund nicht beurteilt werden könne, ob die angewandte Therapie zweckmäßig und wirtschaftlich sei. Selbst wenn man jedoch vom Vorliegen dieser Krankheit ausgehe, könne im Rahmen eines gerichtlichen Eilverfahrens nicht zuverlässig festgestellt werden, dass es sich um zweckmäßige Behandlungsstrategien handele. Zudem sei diese Erkrankung nicht lebensbedrohlich. Welche konkreten Beeinträchtigungen die Antragstellerin erfahre, sei nicht ersichtlich. Außerdem liege auch kein Anordnungsgrund vor, da der Vortrag der Antragstellerin, jede Verzögerung bedeute eine gesundheitliche Gefährdung, durch nichts belegt sei. Auch der Hinweis auf die finanzielle Situation der Antragstellerin begründe keinen Anordnungsanspruch.
Mit ihrer am 11. Februar 2010 eingelegten Beschwerde gegen den ihren Bevollmächtigten am 11. Januar 2010 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin zur Begründung im Wesentlichen über ihr erstinstanzliches Vorbringen hinaus ergänzend ausgeführt, dass sich "der Umfang der Behandlungskosten im Sinne eines Minimalbedarfs für einen Monat" einschließlich der Kosten für Nahrungsergänzungsmittel auf 2.277,76 Euro belaufe. Auch die Charité in Berlin bestätige das Vorliegen der Diagnose "CFS/CFID-Syndrom". Die Erkrankung sei schwer und lebensbedrohlich, dies würden die Folgeerkrankungen des chronischen Erschöpfungssyndroms, wie z.B. Multiple Sklerose, Aids oder Krebs mit sich bringen. Zudem handele es sich bei der begehrten Infusionstherapie nicht um eine neue ambulante Behandlungsmethode, da die Medikamente alle kassenärztlich zugelassen seien. Durch einen Behandlungsabbruch verschlechtere sich ihr Gesundheitszustand "in nicht hinnehmbarer Weise". Aufgrund der erschöpften finanziellen Mittel habe sie im Dezember 2009 die private Behandlung bei Prof. Dr. d. B. abbrechen müssen. Während der Weiterbehandlung in Erfurt sei es in Folge eines Schocks durch toxische Wirkung zu einem Kreislaufzusammenbruch gekommen. Deshalb bestehe auch ein Anordnungsgrund. Die Antragstellerin hat neben einem Arztbericht der C. vom 7. Januar 2010 eine Schilderung ihrer Krankengeschichte, einen weiteren Therapieplan vom 22. Juli 2010, ein Gutachten nach Aktenlage des ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit E. vom 4. Juni 2010 sowie eine Blattsammlung mit medizinischen Aufsätzen zum Krankheitsbild " CFS/CFID-Syndrom " vorgelegt.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 6. Januar 2010 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig, längstens jedoch bis zum Eintritt der Rechtskraft einer Hauptsacheentscheidung, die weitere (ambulante) Infusions¬therapie durch Prof. Dr. d. B. als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie stützt sich zur Begründung im Wesentlichen auf die Ausführungen in ihrem Widerspruchsbescheid sowie im angefochtenen Beschluss des SGG. Darüber hinaus weist sie darauf hin, dass im Bericht der C. vom 7. Januar 2010 als Diagnose lediglich ein Verdacht auf ein CFS/CFID-Syndrom angegeben werde. Es werde weiterhin davon ausgegangen, dass bei der Antragstellerin keine lebensbedrohliche Erkrankung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorliege. Auch der ärztliche Dienst der Agentur für Arbeit E. sei in sozialmedizinischen Stellungnahme vom 4. Juni 2010 zu dem Ergebnis gekommen, dass aus ärztlicher Sicht eine Behandlung in einer Fachklinik bzw. die Einleitung eines Rehabilitationsverfahrens dringend angezeigt sei.
Der Senat hat im Laufe des Beschwerdeverfahrens einen Befundbericht der C. vom 19. April 2010 beigezogen. Dort wird u.a. ausgeführt, dass die gestellten Diagnosen ("Verdacht auf Chronic Fatigue Sydrom sowie auf chronisch aktive Herpesinfektion") weder lebensbedrohlich noch tödlich sind.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des Antrags- bzw. Beschwerdeverfahrens, des Hauptsacheverfahrens (Az.: S 38 KR 330/10) sowie auf den Inhalt der Behördenakte Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist nach §§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft und zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Beschluss zu Recht entschieden, dass die Antragstellerin keinen Anspruch auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung hat.
Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechts¬verhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2, sog. Regelungs¬anordnung). Die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) gelten entsprechend (Satz 4).
Ein Anordnungsantrag ist begründet, wenn das Gericht auf Grund einer hinreichenden Tatsachenbasis durch Glaubhaftmachung (§ 86b Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO) und/oder im Wege der Amtsermittlung (§ 103 SGG) einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungs¬grund bejahen kann. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn das im Haupt¬sacheverfahren fragliche materielle Recht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Ein Anordnungsgrund ist zu bejahen, wenn es für den Antragsteller unzumutbar erscheint, auf den (rechtskräftigen) Abschluss des Hauptsacheverfahrens verwiesen zu werden. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verlangt dabei eine besondere Ausgestaltung, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Ist dem Gericht in einem solchen Fall eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl. z.B. Bundesverfassungsgericht &61500;BVerfG&61502;, Beschlüsse vom 12. Mai 2005 – Az.: 1 BvR 569/05, vom 29. November 2007 – Az.: 1 BvR 2496/07 und vom 25. Februar 2009 – Az.: 1 BvR 120/09, jeweils nach juris). Die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind dabei umfassend in die Abwägung einzustellen, denn die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen. Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 2009, a.a.O.). Das muss erst recht gelten, wenn es um das Leben als Höchstwert innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005 – Az.: 1 BvR 347/98, nach juris) geht.
Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung erfordern allerdings, dass das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon im vollen Umfang, wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter dem Vorbehalt einer entsprechenden Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren darf, was er sonst nur mit der Hauptsacheklage erreichen könnte (sog. Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache; vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Auflage 2003, § 123 Rdnr. 13 sowie Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 86b Rdnr. 31).
Im Hinblick auf das in Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) zum Ausdruck kommende Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes gilt dieses grundsätzliche Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung allerdings dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung notwendig erscheint, um die sonst zu erwartenden unzumutbaren und im Haupt¬sacheverfahren nicht mehr zu beseitigenden Nachteile für den Antragsteller zu vermeiden, und gleichzeitig ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache spricht (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 123 Rdnr. 14 m.w.N.). Für eine Ausnahme vom Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache bedarf es mit anderen Worten erhöhter Anforderungen an das Vorliegen sowohl des Anordnungsanspruchs (dazu unter b) als auch des Anordnungsgrundes (vgl. hierzu unter a).
a) Zu dem allein relevanten Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 123 Rdnr. 27) liegt hier zum einen ein für eine Ausnahme vom Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache erforderlicher qualifizierter Anordnungsgrund nicht vor.
Der Senat lässt es im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausdrücklich dahinstehen, ob die Antragstellerin tatsächlich an einem CFS/CFID-Syndrom leidet. Dies wird im Hauptsacheverfahren noch zu überprüfen sein, nachdem die entsprechende Diagnose vom C.C. für Innere Medizin und Dermatologie B. auch nach eingehender Untersuchung der Antragstellerin ausweislich des vom Senat eingeholten Befundbericht vom 19. April 2010 lediglich als Verdachtsdiagnose gestellt worden ist.
Selbst wenn man im Falle der Antragstellerin vom Vorliegen eines CFS/CFID-Syndroms ausgeht, ist darin keine lebensbedrohliche bzw. regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung zu sehen. Dies hat der bereits erwähnte Befundbericht der C. unter Ziffer 9 eindeutig klargestellt. Ohne Belang sind dagegen die von der Antragstellerin aufgezeigten schweren "Folgeerkrankungen". Der Senat hat bereits Zweifel daran, ob hierbei ein Zusammenhang mit dem CFS/CFID-Syndrom wissenschaftlich nachgewiesen ist. Jedenfalls aber liegt bei der Antragstellerin derzeit keine solche "Folgeerkrankung" vor.
Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass der Antragstellerin sonstige schwere, irreparable Nachteile drohen, würde sie auf eine Entscheidung in der Hauptsache verwiesen. Insbesondere fehlen jegliche objektive Hinweise darauf, dass sich ohne die sofortige Weiterführung der begehrten Behandlung die Erkrankung der Antragstellerin verschlimmert. Selbst der mit der Beschwerdebegründung vorgetragene Kreislaufzusammenbruch infolge eines Schocks durch toxische Wirkung im Rahmen der Weiterbehandlung belegt diese Verschlechterung nicht hinreichend, da dieser Kollaps nicht zwangsläufig mit dem Abbruch der begehrten Therapie zusammenhängen muss. Auch hierfür fehlen objektive Anhaltspunkte, so dass genauso gut die konkrete Art der Weiterbehandlung oder aber ein nur vorübergehender Schwächeanfall hierfür ursächlich sein kann. Die daneben geltend gemachte "zusätzliche Symptomatik" ist weder ärztlicherseits belegt, noch bestehen nach Überzeugung des Senats ausreichend Anhaltspunkte dafür, dass hierfür der Abbruch der begehrten Therapie ursächlich ist.
Zusammengefasst ist für den Senat jedenfalls nicht erkennbar, weshalb die vorläufige Gewährung der begehrten Therapie für die Klägerin dringlich sein soll.
b) Zum anderen liegt im Falle der Antragstellerin aber auch kein qualifizierter Anordnungsanspruch vor, denn ein Erfolg ihres Begehrens in der Hauptsache ist nicht überwiegend wahrscheinlich.
Nach § 27 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst gemäß § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 i.V.m. § 28 Abs. 1 SGB V die (ambulante) ärztliche Krankenbehandlung. Von der gesetz¬lichen Krankenversicherung zu erbringende Leistungen müssen zudem ausreichend, zweck¬mäßig und wirtschaftlich sein (§ 12 Abs. 1 SGB V). Im Bereich der hier in Betracht kommenden ambulanten Behandlung dürfen nach § 135 Abs. 1 SGB V neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden grundsätzlich nur nach Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005, a.a.O.), der sich das Bundessozialgericht (BSG, vgl. z.B. Urteil vom 7. November 2006 – Az.: B 1 KR 24/06 R, nach juris) angeschlossen hat, ist dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen die Schaffung eines Prüfverfahrens zur Sicherung der Qualität der Leistungserbringung, im Interesse einer Gleichbehandlung der Versicherten und zum Zweck der Ausrichtung der Leistungen am Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit auch nicht verwehrt.
Der Senat kann sich nach dem derzeitigen Sach- und Streitsstand nicht die erforderliche Überzeugung davon verschaffen, dass die begehrte Therapie ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist, nachdem eine Empfehlung des GBA für die Krankheit der Klägerin offenkundig nicht vorliegt. Ob dieses Fehlen eventuell auf ein sogenanntes Systemversagen im Sinne der Rechtsprechung des BSG (vgl. hierzu z.B. Urteile vom 19. März 2002 – Az.: B 1 KR 36/00 R sowie vom 26. September 2006 – Az.: B 1 KR 3 /06, jeweils nach juris) zurück zu führen ist, kann der Senat im Rahmen des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht entscheiden.
Ein Systemversagen läge dann vor, wenn dem GBA ein Untätigbleiben bzw. eine verspätete Bearbeitung eines Antrags bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Anerkennung im Übrigen vorgeworfen werden könnte oder aber bei einer verzögerten oder unterbliebenen Antragstellung der hierzu berechtigten Institutionen, wenn dies auf willkürlichen oder sachfremden Gründen beruhte. In diesem Fall wäre eine Durchbrechung der vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen bzw. jetzt Gemeinsamen Bundesausschuss in dessen Richtlinien getroffenen oder unterlassenen Feststellungen zulässig.
Hier kann der Senat bereits nicht das "Vorliegen der Voraussetzungen für eine Anerkennung im Übrigen" feststellen, denn er kann nicht aus eigener Sachkunde entscheiden, ob die begehrte Infusions¬therapie die in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V genannten Voraussetzungen für eine Anerkennung, insbesondere deren Wirksamkeit, erfüllt. Hierzu bedürfte es einer Beweisaufnahme, etwa in Form der Einholung eines Gutachtens. Weil dies aber mit einem gegebenenfalls erheblichen Zeitaufwand verbunden und daher nicht mit dem Charakter eines einstweiligen Anordnungsverfahrens zu vereinbaren wäre, hätte eine solche Beweisaufnahme im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens zu erfolgen. Der Senat muss im vorliegenden Fall den Sachverhalt auch nicht ausnahmsweise bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vollständig aufklären, denn die Voraussetzungen, unter denen das BVerfG (vgl. Beschlüsse vom 12. Mai 2005 – Az.: 1 BvR 569/05, 29. November 2007 – Az.: 1 BvR 2496/07 und 25. Februar 2009 – Az.: 1 BvR 120/09, nach juris) dies verlangt, liegen hier nicht vor. Wie oben unter a) zum Anordnungsgrund bereits ausgeführt, drohen nämlich im Falle der Antragstellerin ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach Überzeugung des Senats gerade keine schweren und unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Insofern bedarf es daher vorliegend auch keiner, anstatt der vollständigen Sachverhaltsaufklärung zu treffenden Folgenabwägung.
Schließlich kann die Antragstellerin die begehrte Infusions¬therapie für sich auch nicht im Wege verfassungskonformer Auslegung nach den Maßstäben des Beschlusses des BVerfG vom 6. Dezember 2005 (a.a.O.) beanspruchen. Danach ist mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende medizinische Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Hier fehlt es nach Überzeugung des Senats einerseits, wie oben unter a) beim Anordnungsgrund bereits ausgeführt, an einer lebensbedrohlichen bzw. regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit.
Beim CFS/CFID-Syndrom handelt es sich andererseits auch nicht um eine "zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung" (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - Az.: B 1 KR 12/06 R, nach juris). Gemeint ist damit nicht "lediglich" - wie etwa für die Zulassung des Off-Label-Use von Medikamenten ausreichend - eine schwerwiegende Erkrankung. Das BSG (a.a.O.) führt hierzu aus: "Ohne einschränkende Auslegung ließen sich fast beliebig bewusst vom Gesetzgeber gezogene Grenzen überschreiten. Entscheidend ist, dass das vom BVerfG herangezogene Kriterium bei weiter Auslegung sinnentleert würde, weil nahezu jede schwere Krankheit ohne therapeutische Einwirkung irgendwann auch einmal lebensbedrohende Konsequenzen nach sich zieht. Das kann aber ersichtlich nicht ausreichen, das Leistungsrecht des SGB V und die dazu ergangenen untergesetzlichen Regelungen nicht mehr als maßgebenden rechtlichen Maßstab für die Leistungsansprüche der Versicherten anzusehen" und weiter: "Gerechtfertigt ist eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen daher nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird. Ähnliches kann für den ggf gleichzustellenden, nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gelten." Dem hat sich der erkennende Senat bereits in früheren Verfahren angeschlossen und ist im Falle der Antragstellerin überzeugt, dass das geltend gemachte CFS/CFID-Syndrom weder mit einem nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans noch einer herausgehobenen Körperfunktion einhergeht.
Lediglich ergänzend sei angemerkt, dass der Senat sich auch keine Überzeugung davon verschaffen konnte, dass keine (schul-)medizinisch anerkannten Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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