L 7 SO 540/12 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 5306/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 540/12 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 9. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die nach § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Sozialgericht Karlsruhe (SG) hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt.

Vorliegend sind streitgegenständlich nur die nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) gegen den Sozialhilfeträger gerichteten Ansprüche, über die das SG mit dem angefochtenen Beschluss entschieden hat. Das gegen den Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gerichtete Begehren wird bzw. wurde aufgrund des Trennungsbeschlusses des SG vom 28. Dezember 2011 in einem gesonderten Verfahren behandelt. Der Antragsteller bezieht sich mit dem am 13. Dezember 2011 beim SG gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf einen mit Schreiben vom 31. Oktober 2011 gestellten Antrag auf Gewährung von Taschengeld für die Dauer seiner Untersuchungshaft sowie einen mit Schreiben vom 5. Dezember 2011 gestellten Antrag auf Kostenübernahme für Fachliteratur/Fernschule/Technikerschule und Übernahme der Mietkosten für seine Wohnung. Den Antrag auf Kostenübernahme für Fachliteratur/Fernschule/Technikerschule lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 22. Dezember 2011 ab, während die übrigen Anträge noch nicht beschieden sind. Hinsichtlich des Antrags auf Taschengeld ist der Antragsteller mit Schreiben vom 7. Dezember 2011 aufgefordert worden, Stellung zu einer Arbeitsaufnahme während der Haft zu nehmen und seine Bankverbindung anzugeben. Eine Antwort auf dieses Schreiben ist den Akten nicht zu entnehmen

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit - wie hier - nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch im Hinblick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen. Die beiden Voraussetzungen stellen ein bewegliches System dar: Je nach Wahrscheinlichkeit des Erfolges in der Hauptsache können die Anforderungen an den Anordnungsgrund geringer sein. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

Soweit der Antragsteller einen vorläufigen Anspruch auf Gewährung von Taschengeld durchsetzen will, fehlt es bereits am Rechtschutzbedürfnis. Jede Rechtsverfolgung setzt ein Rechtsschutzbedürfnis (Rechtsschutzinteresse) voraus. Ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt u.a., wenn das angestrebte Ergebnis auf einfachere Weise erreicht werden kann (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage, Vorbemerkung vor § 51 Rdnr. 16a). Aus dem Verhalten und Vorbringen des Antragsgegners ist nicht einmal ansatzweise zu entnehmen, dass dieser grundsätzlich den Taschengeldanspruch bestreitet bzw. das Verfahren hinauszögert. Für die Inanspruchnahme des Gerichts gibt es damit keinen Grund bzw. keinen Bedarf. Vielmehr kann der Antragsteller die Entscheidung über die Leistung durch die von dem Antragsgegner gewünschte Mitwirkungshandlung selbst herbeiführen und dazu beitragen, dass er die begehrte Zahlung erhält bzw. die Voraussetzungen für eine inhaltliche Entscheidung des Antragsgegners geschaffen werden.

Hinsichtlich des Begehrens einer Übernahme von Kosten für Fachliteratur/ Fernschule/ Technikerschule fehlt es an einem Anordnungsanspruch, denn eine Rechtsgrundlage existiert insoweit nicht, worauf der Antragsgegner im Bescheid vom 22. Dezember 2011 zu Recht hinweist. Auch § 73 SGB XII greift nicht ein. Diese Öffnungsklausel ermöglicht es zwar in Fällen, die vom übrigen Sozialleistungssystem nicht erfasst werden, Hilfen zu erbringen und damit einen "Sonderbedarf" zu decken. Eine "sonstige Lebenslage", die den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigt, kommt jedoch nur in Betracht bei neuen, dem Gesetzgeber so überhaupt nicht bekannten Lebens- und Bedarfslagen und in Situationen, in denen durch Veränderung sozialer Verhältnisse neue Probleme entstanden sind (vgl. Berlit in LPK-SGB XII, 8. Auflage, § 73 Rdnr. 5); Konstellationen, die im Falle einer Untersuchungshaft ersichtlich nicht vorliegen. Im Übrigen scheidet ein Anordnungsanspruch auch aus, falls der Bescheid vom 22. Dezember 2011 - mangels Anfechtung - bindend (§ 77 SGG) geworden sein sollte, was nach der Aktenlage nicht auszuschließen ist (vgl. auch Schriftsatz des Antragsgegners vom 27. Dezember 2011 im SG-Verfahren S 11 AS 5082/11 - Bl. 15 der Akte des Senates -). Das an das SG u.a. mit "Widerspruch" überschriebene Schreiben des Antragstellers vom 6. Dezember 2011 kann jedenfalls nicht als Widerspruch gegen einen noch gar nicht ergangenen Bescheid vom 22. Dezember 2011 gewertet werden.

Soweit der Antragsteller die Übernahme von Mietkosten begehrt, verweist der Senat auf seine Entscheidung vom 14. September 2011 (L 7 AS 3029/11 ER-B). Anhaltpunkte, aus denen sich ergeben könnte, dass inzwischen ein Anordnungsgrund für eine vorläufige Regelung zur Frage der Übernahme von Kosten der Unterkunft vorliegen könnte, ergeben sich nicht und sind auch nicht vorgetragen. Insbesondere liegen keine Hinweise auf den drohenden Verlust der Wohnung vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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