L 4 R 605/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 24 R 790/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 605/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am 1954 in der Türkei geborene Kläger erlernte keinen Beruf. Nach Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland im Februar 1972 war er in verschiedenen ungelernten Tätigkeiten, namentlich als Metzgereiaushilfsarbeiter, als Pulverbeschichter in einer Metallfabrik sowie als Montagearbeiter, so auch zuletzt vom 01. Juni 2008 bis 28. Februar 2009, versicherungspflichtig beschäftigt. Seither ist der Kläger - mit Ausnahme einiger Monate Unterbrechung - bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend gemeldet, derzeit bei Bezug von Arbeitslosengeld II.

Der Kläger hatte erstmals im Jahr 1999 bei der Beklagten (damals Landesversicherungsanstalt Württemberg, inzwischen: Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg; im Folgenden einheitlich: die Beklagte) Antrag auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gestellt, den die Beklagte mit Bescheid vom 15. Februar 2000 abgelehnt hatte. Der Kläger hatte daraufhin erneut Antrag auf Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente im Juli 2000 gestellt, der mit Bescheid vom 16. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. Juni 2001 abgelehnt worden war. Die dagegen zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage hatte das SG mit Urteil vom 20. Dezember 2002 - S 11 RJ 2974/01 - abgewiesen. Dem hatte das nervenärztliche Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. B. vom 02. Oktober 2002 zugrundegelegen, der beim Kläger eine Dysthymia, eine Neurasthenie und Nikotin- und Schmerzmittelabusus diagnostiziert hatte, gleichwohl den Kläger jedoch noch für mindestens acht Stunden täglich erwerbstätig gehalten hatte. Im September 2003 hatte der Kläger einen weiteren Antrag auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung gestellt, den die Beklagte mit Bescheid vom 29. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. April 2004 abgelehnt hatte. Die hiergegen zum SG erhobene Klage (S 11 RJ 3298/04) hatte das SG mit Urteil vom 28. Januar 2005 auf der Grundlage des nervenärztlichen Gutachtens des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie und Chefarztes des Klinikums am W. Dr. H. vom 25. Oktober 2004 abgewiesen. Dr. H. hatte neurologischerseits degenerative Veränderungen der Wirbelsäule sowie psychiatrischerseits eine leichte depressive Symptomatik in Form einer Dysthymie diagnostiziert, den Kläger jedoch gleichwohl noch für mindestens acht Stunden täglich belastbar gehalten. Den weiteren Antrag des Klägers aus Juni 2007 über die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung hatte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Februar 2008 abgelehnt und sich hierbei auf ein von ihr eingeholtes Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. S. vom 16. Oktober 2007 gestützt, der eine länger zurückreichende depressive Symptomatik bei Dysthymie diagnostiziert sowie von aktuell vom Kläger berichteter überlagernder reaktiver Verstimmung bei sozialen und biographischen Belastungen berichtet hatte, die den Kläger jedoch nach seiner Auffassung nicht an der Verrichtung einer mindestens sechsstündigen täglichen Erwerbstätigkeit hinderten.

Am 12. Mai 2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut eine Rente wegen Erwerbsminderung. Er gab an, sich seit 2009 aufgrund einer psychischen Erkrankung und eines Herzklappenfehlers für erwerbsgemindert zu halten. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung des Klägers durch Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. P., die in ihrem Gutachten vom 04. Juni 2009 aufgrund einer Untersuchung des Klägers zwei Tage zuvor eine Aortenklappeninsuffizienz III. Grades ohne kardiale Insuffizienzzeichen und eine reaktive Verstimmung bei sozialsituativen Belastungen ohne depressive Symptome diagnostizierte. Die Angaben des Klägers über seine angebliche Leistungsminderung seien nicht nachvollziehbar. Der Kläger habe die letzten neun Monate seine Arbeit vollschichtig sechs Stunden und mehr ausführen können. Aufgrund des befristeten Arbeitsvertrags sei das Arbeitsverhältnis beendet worden. Arztbesuche und psychiatrische Therapien oder Psychotherapien würden vom Kläger seit längerem nicht mehr durchgeführt. Der letzte Arztbesuch liege laut Angaben des Klägers zwei Jahre zurück. Regelmäßige hausärztliche oder kardiologische Kontrollen seien in den letzten eineinhalb Jahren nicht mehr erfolgt. Unter Zusammenschau dieser Befunde sei von einem vollschichtigen Leistungsvermögen sechs Stunden täglich und mehr für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auszugehen. Mit Bescheid vom 09. Juni 2009 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag des Klägers ab. Sie führte aus, es fehle bereits am Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, da beim Kläger im maßgeblichen Zeitraum vom 12. Mai 2004 bis 11. Mai 2009 nur zwei Jahre und acht Kalendermonate mit entsprechenden Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung belegt seien. Außerdem bestehe auf der Grundlage des Gutachtens von Dr. P. auch keine Erwerbsminderung bzw. Berufsunfähigkeit.

Der Kläger legte hiergegen am 30. Juni 2009 Widerspruch ein und machte geltend, dass er in der Zeit vom 09. August bis 02. November 1999, vom 01. Januar 2005 bis 15. Januar 2006, vom 01. Februar bis 30. April 2007, vom 01. Juli 2007 bis 31. Mai 2008 sowie seit dem 01. März 2009 laufend arbeitsuchend gemeldet gewesen sei. Zudem könne er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten, was seine Ärzte auch bestätigen würden. Die Beklagte holte daraufhin einen ärztlichen Befundbericht bei der den Kläger behandelnden Allgemeinmedizinerin Dr. M.-H. sowie Auskünfte zu rentenrechtlich relevanten Zeiten mit Leistungsbezug bei der Agentur für Arbeit Waiblingen, bei der ARGE Rems-Murr-Kreis sowie bei der IKK Baden-Württemberg und Hessen ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2010 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss sodann den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Unter Berücksichtigung des medizinischen Untersuchungsergebnisses im Ausgangsverfahren und nach Würdigung sämtlicher vorhandener medizinischer Unterlagen liege volle bzw. teilweise Erwerbsminderung beim Kläger nicht vor. Berufsschutz genieße der Kläger nicht. Als ungelernter Arbeiter könne er vielmehr sozial und medizinisch zumutbar auf sämtliche ungelernten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verwiesen werden. Darüber hinaus seien auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung nicht erfüllt. Im maßgeblichen Zeitraum vom 12. Mai 2004 bis 11. Mai 2009 lägen nur 32 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen vor. Die vom Kläger geltend gemachten Zeiten der Arbeitslosigkeit könnten nicht als Anrechnungszeiten anerkannt werden. Über die vom Kläger geltend gemachten Zeiten liege keine Meldung bei der Agentur für Arbeit vor bzw. sei eine versicherte Beschäftigung nicht unterbrochen gewesen.

Am 08. Februar 2010 erhob der Kläger zum SG Klage. Er trug vor, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten könne. Er erhalte momentan auch ansonsten keinerlei Unterstützung. Wegen seiner Krankheiten könne er keine Beschäftigung mehr finden.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Im Verlauf des Klageverfahrens teilte sie jedoch mit, dass eine erneute Prüfung ergeben habe, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen unter Berücksichtigung eines am 12. Mai 2009 eingetretenen Leistungsfalls mit 40 Kalendermonaten an Pflichtbeiträgen doch erfüllt seien. Gleichwohl hielt sie ihren ablehnenden Bescheid für rechtmäßig, weil der Kläger aus medizinischen Gründen keinen Anspruch auf eine Rentengewährung habe.

Das SG hörte die den Kläger behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Si. (Auskunft vom 06. Juni 2010) gab an, den Kläger selbst nie gesehen zu haben. Die letzte Behandlung durch seine Kollegin Dr. Ko. datiere aus Dezember 2006. Allgemeinmedizinerin Dr. M.-H. berichtete in ihrer Auskunft vom 28. Juni 2010 über eine einmalige Behandlung des Klägers im Mai 2009. Der Kläger habe damals unter einer starken Depression, einer Aorteninsuffizienz, einem Lendenwirbelsäulensyndrom und einem arteriellen Hypertonus gelitten. Sein maßgebliches Leiden liege auf psychiatrischem und kardiologischen Fachgebiet. Orthopäde Dr. He. teilte in seiner Auskunft vom 05. Juli 2010 mit, den Kläger zuletzt im September 2009 im Rahmen einer Akkupunkturbehandlung gesehen zu haben. Der Kläger leide im Wesentlichen an einem Druckschmerz am Ansatz des Supraspinatus am linken Schultergelenk sowie an einem Druck- und Rotatationsschmerz der Lendenwirbelsäule ohne Bewegungsdefizit. Er stimme mit der Leistungsbeurteilung von Dr. P. im Gutachten vom 04. Juni 2009 überein. Internist Dr. G. gab an (Auskunft vom 19. Juli 2010), beim Kläger bestehe eine Undichtigkeit der Aortenklappe ohne Operationsindikation. Eine kardial beschwerdefreie Belastung sei bis 125 Watt möglich. Der Kläger könne seiner Meinung nach leichte bis mittelschwere Tätigkeiten bis zu sechs Stunden täglich verrichten. Seine Leistungsfähigkeit werde nur bedingt kardial beeinträchtigt. Im Vordergrund stünden vom Kläger angegebene Konzentrationsschwächen und mentale Überforderungssymptome.

Mit Gerichtsbescheid vom 17. Januar 2011 wies das SG die Klage ab. Der Kläger sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme noch in der Lage, jedenfalls leichte körperliche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Der Kläger leide im Wesentlichen an einer Undichtigkeit der Aortenklappe ohne Operationsindikation und ohne kardiale Insuffizienzanzeichen sowie an einer reaktiven Verstimmung bei sozialsituativen Belastungen ohne depressive Symptome. Dies stütze das Gericht auf das überzeugende Gutachten der Allgemeinmedizinerin Dr. P. vom 04. Juni 2009, welches im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden könne und auf die Auskunft des Internisten Dr. G. vom 19. Juli 2010. Abweichende objektiv-klinische Befunde seien nicht ersichtlich. Soweit Allgemeinmedizinerin Dr. M.-H. in ihrer Auskunft vom 28. Juni 2010 von einer "starken Depression" beim Kläger ausgehe, sei dies für das Gericht nicht nachvollziehbar. Zum einen habe Dr. M.-H. den Kläger nur einmalig behandelt, zum anderen habe sie keinen entsprechenden klinisch verwertbaren Befund mitgeteilt und sich überdies zu einem für sie fachfremden medizinischen Fachgebiet geäußert. Der Kläger befinde sich ersichtlich nicht einmal in psychiatrischer Fachbehandlung, was einem relevanten Leidensdruck entgegenstehe. Neurologe und Psychiater Dr. Si. habe in seiner Auskunft vom 09. Juni 2010 bekundet, dass der Kläger zuletzt im Dezember 2006 in nervenärztlicher Behandlung gestanden habe. Davon abgesehen habe der Kläger gegenüber Dr. P. bei deren Exploration am 03. Juni 2009 auch bestätigt, dass er nicht mehr zum Nervenarzt gehe. Bei der damaligen Untersuchung sei er jedoch bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten voll orientiert gewesen. Anzeichen für Wahn- oder Ich-Störungen hätten nicht vorgelegen, sein Gedankengang sei formal und inhaltlich unauffällig gewesen. Es hätten keine intellektuellen Defizite, keine depressiven Symptome und auch keine Affektminderung bei gleichzeitiger lebhafter und mobiler Motorik bestanden. Dies stütze das Gericht auf das Gutachten von Dr. P. vom 04. Juni 2009. Eine manifeste seelische Erkrankung sei damit nicht nachgewiesen. Darüber hinaus leide der Kläger an einem flachen Bandscheibenvorfall ohne zervikale Myelopathie bei Vorliegen eines Druck- und Rotationsschmerzes der Lendenwirbelsäule ohne Bewegungsdefizit sowie an leichten Schultergelenksbeschwerden links. Dies entnehme das Gericht der Auskunft des Orthopäden Dr. He. vom 05. Juli 2010 sowie dem im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren Arztbrief der Radiologin Dr. Sc. vom 23. Juni 2009. Weitere sozialmedizinisch relevante Gesundheitsstörungen seien nach Würdigung aller aktenkundiger medizinischer Befunde nicht ersichtlich. Aufgrund der genannten Gesundheitsstörungen sei der Kläger nicht mehr in der Lage, schwere körperliche Arbeiten zu verrichten. Nicht mehr zumutbar seien auch Tätigkeiten mit übersteigender Stressbelastung, erhöhter Unfallgefahr und solche mit Wirbelsäulenzwangshaltung. Vermieden werden sollten zudem Arbeiten in gebückter Körperhaltung, Arbeiten über Schulterhöhe sowie Arbeiten mit Tragen und Heben schwerer Lasten. Diese Einschränkungen entnehme das Gericht dem Gutachten von Dr. P. vom 04. Juni 2009, der Auskunft des Orthopäden Dr. He. vom 05. Juli 2010 sowie dessen im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren "Attests" vom 08. Juli 2009. Unter Berücksichtigung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen könne der Kläger nach Auffassung des Gerichts jedoch noch leichte körperliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen verrichten. Dies sei dem Kläger auch noch mindestens sechs Stunden täglich möglich. Das Gericht schließe sich der Leistungsbeurteilung von Dr. P. im Gutachten vom 04. Juni 2009 an. Auch Dr. He. (Auskunft vom 05. Juli 2010) und Dr. G. (Auskunft vom 19. Juli 2010) erachteten den Kläger noch für vollschichtig leistungsfähig. Im Hinblick auf die kardialen Leiden des Klägers sei eine quantitative Leistungseinschränkung für das Gericht nicht ersichtlich. Internist und Kardiologe Dr. Kl. sei bereits in seinem Arztbrief vom 25. Mai 2007 zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger bis auf schwerste körperliche Arbeit universell einsetzbar sei. Bei der letzten echokardiologischen Kontrolluntersuchung durch Dr. G. am 13. Juli 2010 hätten keine Herzinsuffizienzsymptome bestanden. Die körperliche Leistungsfähigkeit sei bei 125 Watt Belastung nur wegen Trainingsmangels leicht unterdurchschnittlich gewesen. Dies stütze das Gericht auf die Auskunft des Dr. G. vom 19. Juli 2010 sowie den Befundschein vom 13. Juli 2010. Dr. P. habe bei ihrer Untersuchung am 03. Juni 2009 einen entsprechenden Befund erhoben. In psychiatrischer Hinsicht sei das Gericht bereits davon überzeugt, dass beim Kläger kein sozialmedizinisch relevantes seelisches Leiden vorliege. Die orthopädischen Gesundheitsstörungen begründeten ebenfalls keine quantitative Leistungseinschränkung, zumal auch insoweit nicht einmal eine andauernde fachärztliche Behandlung erkennbar sei. Der Kläger sei zuletzt im September 2009 bei Dr. He. zur Akkupunkturbehandlung erschienen. Insgesamt erweise sich der Kläger damit nicht als erwerbsgemindert. Auch Berufsunfähigkeit liege nicht vor, da der Kläger als ungelernter Montagearbeiter sowohl medizinisch als auch sozial zumutbar jedenfalls auf sämtliche ungelernte leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verweisbar sei.

Gegen diesen ihm am 19. Januar 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 09. Februar 2011 beim SG Berufung eingelegt. Er habe Rente beantragt, weil er nicht die erforderlichen Leistungen erbringen könne. Durch seine Depression und den Herzklappenfehler drehe er durch. Dies habe jeder Arzt bescheinigt, aber die allgemeinen Ärzte gälten bei Gericht nicht. Sein schwerstes Problem seien die Depressionen. Sein Psychiater habe ihm dazu gesagt, dass diese mittlerweile chronisch seien. Daher könne man ihm nicht mehr helfen. Im letzten halben Jahr sei er nicht mehr in Behandlung gewesen. Er habe jahrelang Medikamente geschluckt, doch hätten diese nicht geholfen. Zur Zeit nehme er daher auch die Medikamente wegen Depressionen nicht mehr. Wenn es ihm ganz schlecht gehe, dann lasse er sich für einige Monate vom Hausarzt ein Medikament gegen die Depressionen verschreiben. Auch aufgrund der Herzprobleme sei er nicht mehr in Behandlung gewesen. Die Ärzte verstünden sein Problem nicht.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Januar 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 09. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Januar 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 01. Mai 2009 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Der frühere Berichterstatter hat das Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung des Landessozialgerichts am 18. Mai 2011 mit den Beteiligten erörtert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet. Mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Januar 2011 hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen. Die Ablehnung des Antrags auf Rente wegen Erwerbsminderung durch den Bescheid der Beklagten vom 09. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Januar 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat seit 01. Mai 2009 keinen Anspruch auf die begehrte Rente wegen Erwerbsminderung.

1. Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Der Kläger ist seit 01. Mai 2009 weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Dies hat das SG in seinem Gerichtsbescheid vom 17. Januar 2011 unter Auswertung des im Verwaltungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. P. vom 04. Juni 2009 sowie der durch das SG selbst eingeholten sachverständigen Zeugenauskünfte völlig zutreffend entschieden. Ausgehend vom Gutachten von Dr. P. und der Auskünfte der den Kläger behandelnden Ärzte ist auch zur Überzeugung des Senats eine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 SGB VI nicht gegeben. Beim Kläger liegen zwar Gesundheitsstörungen vor; diese bedingen jedoch nur qualitative, nicht dagegen auch quantitative Leistungseinschränkungen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die aus seiner Sicht - sowohl im Hinblick auf die Feststellung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Einzelnen als auch auf ihre Auswirkungen für das berufliche Leistungsvermögen des Klägers - zutreffenden und ausführlichen Darlegungen in den Entscheidungsgründen des Gerichtsbescheids des SG Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Anhaltspunkte für eine unzutreffende Bewertung der Leiden des Klägers haben sich auch im weiteren Verfahren nicht ergeben. Insbesondere vermag der Senat den Einwand des Klägers im Berufungsverfahren, seine behandelnden Ärzte seien nicht hinreichend gehört worden, nicht nachzuvollziehen. Das SG hat sämtliche ihn behandelnden Ärzte angehört, alle haben jedoch davon berichtet, dass der Kläger sie in nur wenigen Fällen aufgesucht hat. Die von den behandelnden Ärzten mitgeteilten Befunde und Diagnosen hat das SG sämtlich und in zutreffender Weise im Rahmen seiner Entscheidung ausgewertet. Der Kläger hat im Berufungsverfahren keine weiteren, ihn behandelnden Ärzte benannt, sondern vielmehr auf ausdrückliche Frage im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 18. Mai 2011 angegeben, er sei wegen der Depressionen jedenfalls im letzten halben Jahr und auch wegen der Herzerkrankung nicht in (fachärztlicher) Behandlung.

Auch auf den nochmaligen Hinweis des Klägers im Berufungsverfahren, dass er an einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung leide, sieht der Senat sich nicht veranlasst, hierzu weitere Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen. Über die Ausführungen des SG hinaus war für den Senat insoweit relevant, dass der Kläger bereits seit 1999 geltend macht, an einer leistungseinschränkenden nervenfachärztlichen Erkrankung zu leiden. Er ist aufgrund dieses Vortrags bereits mehrmals nervenfachärztlicherseits begutachtet worden. Sämtliche Gutachten (vgl. das sozialgerichtliche Gutachten des Dr. B. vom 02. Oktober 2002, das weitere sozialgerichtliche Gutachten des Sachverständigen Dr. H. vom 25. Oktober 2004 sowie das Verwaltungsgutachten des Dr. S. vom 16. Oktober 2007) belegen, dass der Kläger auch schon früher - anders als von ihm selbst eingeschätzt - allenfalls an einer leichtgradigen depressiven Erkrankung leidet, die ihn nicht daran hinderte, mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Als einzige relevante quantitative Leistungseinschränkungen wurden daher in diesen Gutachten nur Arbeiten mit erhöhten Anforderungen an das Konzentrationsvermögen, Arbeiten in Akkordarbeit, Wechselschicht- oder Nachtarbeit genannt. In entsprechender Weise schätzt aber auch Dr. P. im Rahmen ihres Verwaltungsgutachtens vom 04. Juni 2009 das Restleistungsvermögen des Klägers insoweit wieder ein. Anhaltspunkte dafür, dass sich hinsichtlich der psychischen Situation des Klägers eine deutliche Verschlimmerung ergeben hat, bestehen für den Senat nicht. Der Kläger ist seit Jahren nicht mehr in nervenfachärztlicher Behandlung. Er hat im Rahmen des vom damaligen Berichterstatter durchgeführten Erörterungstermins am 18. Mai 2011 angegeben, wenn es ganz schlimm werde, lasse er sich Psychopharmaka verschreiben. Dass dafür in den letzten Jahren Anlass bestanden hätte, hat indes Allgemeinmedizinerin Dr. M.-H. nicht berichtet. Sie hat vielmehr angegeben, der Kläger habe bei ihr überhaupt nur einmal im Jahr 2009 vorgesprochen. Ein wesentlicher Leidensdruck lässt sich daraus nicht ableiten.

2. Auch ein Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit kommt beim Kläger nicht in Betracht. Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit haben nach § 240 Abs. 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Art. 1 Nr. 61 des RV-Altergrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, 554) auch Versicherte, die vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs unter besonderen Anforderung ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Dem Kläger stand aufgrund seines beruflichen Werdegangs ein qualifizierter Berufsschutz nicht zu. Er war als ungelernter Montagearbeiter - wie das SG ebenfalls zutreffend entschieden hat - auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, auf welchem er - wie ausgeführt - vollschichtig erwerbsfähig ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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