L 4 R 1358/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 1593/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 1358/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 02. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die am 1959 in der Türkei geborene Klägerin erlernte keinen Beruf. Nach ihrer Umsiedlung in die Bundesrepublik Deutschland im Oktober 1978 war sie in verschiedenen Tätigkeiten, darunter etwa neun Jahre (von 1983 bis 1992) bei einem Fertiggerichtehersteller als Portioniererin am Band, im Übrigen als Putzkraft sowie zuletzt in den Jahren 2003 und 2004 als Küchenhilfe, versicherungspflichtig beschäftigt. Schon seit 1990 bezog die Klägerin, unterbrochen lediglich durch Zeiten von Krankengeldbezug bzw. kurzfristige Zeiten versicherungspflichtiger Beschäftigungen, Leistungen der Bundesagentur für Arbeit. Im Jahr 1999 bewilligte die Beklagte ihr erstmals eine medizinische Reha-Maßnahme. Zwei weitere Reha-Anträge aus den Jahren 2001 und 2003 wurden abgelehnt. In der Zeit vom 08. März bis 19. April 2005 befand sich die Klägerin sodann in einer medizinischen Reha-Maßnahme der Klinik am S. in B. N ... Ausweislich des Reha-Entlassungsberichts des Prof. Dr. W. vom 21. April 2005 wurden dort eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine rezidivierende depressive Störung in gegenwärtig leichter bis mittelgradiger Ausprägung diagnostiziert. Von dort wurde sie als arbeitsfähig und vermittelbar für leichte, gelegentlich mittelschwere, Tätigkeiten vollschichtig entlassen.

Am 23. Mai 2005 stellte die Klägerin erstmals Antrag auf Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente. Sie gab an, sich seit 2003 für erwerbsgemindert zu halten. Zur Begründung verwies sie auf beigefügte Arztberichte, insbesondere des Rheumatologen Dr. H., des Anästhesisten und Schmerztherapeuten Dr. L., sowie auf die zwei Entlassungsberichte des Chefarztes Dr. F. der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie vom Kreiskrankenhaus T., namentlich den Bericht vom 21. Juni 2004 über einen stationären Aufenthalt der Klägerin dort in der Zeit vom 11. Mai bis 16. Juni 2004 zur Behandlung einer rezidivierenden depressiven Störung, einer somatoformen Schmerzstörung und einer Schmerzmittelabhängigkeit sowie den Bericht vom 18. Februar 2005 über einen stationären Aufenthalt der Klägerin vom 24. November 2004 bis 05. Januar 2005 zur Behandlung einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome bei rezidivierender depressiver Störung und einer somatoformen Schmerzstörung. Die Beklagte zog den Reha-Entlassungsbericht des Prof. Dr. W. vom 21. April 2005 bei und ließ diesen sowie die von der Klägerin vorgelegten Berichte durch Dr. St. (Internist und Sozialmediziner) ihres Ärztlichen Dienstes auswerten (Stellungnahme vom 09. Juni 2005), der zu der Auffassung gelangte, die Klägerin könne noch insgesamt sechs Stunden und mehr täglich erwerbstätig sein. Nach den Ausführungen des Entlassungsberichts vom 21. April 2005 sei die Klägerin wieder vollschichtig erwerbsfähig, sie könne auch ihre bisherige Tätigkeit als Küchenhilfe wieder aufnehmen. Mit Bescheid vom 28. Juni 2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin daraufhin ab. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2005 als unbegründet zurück.

Die Klägerin erhob hiergegen Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG; S 10 R 3438/05) und trug vor, die durchgeführte Reha-Maßnahme habe keine Veränderungen der empfundenen Schmerzen und keine Besserung der körperlichen Belastbarkeit und anhaltenden Erschöpfung gebracht. Sie legte zur Begründung das Attest von Dr. H. vom 30. August 2005, des Allgemeinmediziners und Hausarztes Dr. H. vom 13. Oktober 2005 sowie der Neurologin und Psychiaterin Dr. Ko. vom 22. September 2005 vor. Die Beklagte trat dem Klagevorbringen unter Vorlage der ärztlichen Stellungnahme der Internistin und Sozialmedizinerin Dr. Bu. vom 21. Januar 2006 entgegen. Das SG erhob daraufhin das nervenfachärztliche Gutachten des Neurologen und Psychiaters M. vom 03. Mai 2006. Der Sachverständige berichtete aufgrund einer Untersuchung der Klägerin am 27. April 2006 von einem insgesamt unauffälligen psychischen Befund. Die Klägerin habe zu Beginn der Untersuchung depressiv gewirkt. Im Verlaufe der Befragung sei sie zunehmend ausgeglichen gewesen. Es bestünden Zweifel an den Angaben der Klägerin zur Durchführung einer regelmäßigen engmaschigen nervenfachärztlichen Behandlung. Die Schilderung massiver Ganzkörperschmerzen in den Gelenken stehe im Kontrast zu einer eher außergewöhnlich guten Beweglichkeit der Gelenke wie auch der Wirbelsäule im allgemeinen. Bei der Klägerin sei eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine leichte bis mittelgradige depressive Verstimmung, am ehesten im Rahmen familiärer Konflikte, differentialdiagnostisch im Rahmen einer rezidivierenden depressiven Störung, sowie der Verdacht auf analgetikainduzierte Kopfschmerzen zu diagnostizieren. Nach Angaben der Klägerin bestehe diese Symptomatik bereits seit Mitte der achtziger Jahre und habe sich seit Anfang der neunziger Jahre verschlimmert. Genauer zu fassen sei der zeitliche Verlauf der Symptomatik nicht gewesen. Die Klägerin sei weiterhin in der Lage, ohne Gefährdung ihrer Gesundheit eine körperlich leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt an fünf Tagen in der Woche acht Stunden täglich zu verrichten. Mit Gerichtsbescheid vom 17. Juli 2006 wies daraufhin das SG die Klage ab. Es folgte insoweit den Feststellungen des Sachverständigen M. in dessen Gutachten vom 03. Mai 2006. Dieses Gutachten stimme im Wesentlichen mit dem Ergebnis des Reha-Entlassungsberichts vom 21. April 2005 überein. Die von der Klägerin vorgelegten Atteste könnten demgegenüber nicht überzeugen.

Am 10. Juli 2007 stellte die Klägerin erneut Antrag auf Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente. Sie gab an, sich seit 2000 wegen Depressionen, eines chronischen Schmerzsyndroms, eines Fibromyalgiesyndroms und HWS-/LWS-Beschwerden für erwerbsgemindert zu halten. Zur Begründung legte sie Arztbriefe der behandelnden Orthopäden Dr. Ka. (aus dem Jahr 2004) und Dr. J. (aus dem Jahr 2007), des Dr. H. sowie des Neurologen und Psychiaters Dr. En. vor. Die Beklagte veranlasste eine sozialmedizinische Untersuchung durch den Chirurgen und Unfallchirurgen Dr. Br ... Dieser berichtete in seinem Gutachten vom 14. September 2007 nach Untersuchung der Klägerin zwei Tage zuvor von einer anhaltenden somatoformen Störung, einem Verdacht auf Fibromyalgie (lehrbuchmäßig nicht nachweisbar), einer rezidivierenden depressiven Störung, derzeit leicht bis mittelgradig und medikamentös behandelt, einem Wirbelsäulensyndrom ohne Funktionseinschränkung und radikuläre Symptomatik sowie einer Polyarthralgie ohne Funktionsbeeinträchtigung. Die somatoforme Schmerzstörung und depressive Episoden stünden im Vordergrund. Die Klägerin könne noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig überwiegend im Sitzen, Stehen und Gehen verrichten, es lägen Einschränkungen für erhöhte Anforderungen an Konzentration sowie Tätigkeiten unter Zeitdruck und Schichtarbeit vor. Mit Bescheid vom 20. September 2007 wies die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin ab.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, mit welchem sie vortrug, es bestehe noch nervenfachärztlicher Ermittlungsbedarf. Auch Dr. Br. habe die Beschwerden auf diesem Fachgebiet im Vordergrund gesehen. Dr. Jä. von der Psychiatrie und Psychotherapeutischen Medizin des Kreiskrankenhauses T. sei in seinem Befundbericht vom 21. März 2007 von einer schweren rezidivierenden depressiven Störung ohne psychotische Symptome sowie einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung ausgegangen. Aufgrund der Einschränkungen auf diesem Fachgebiet sei sie nicht mehr mindestens sechs Stunden täglich belastbar. Die Beklagte holte die ergänzende Stellungnahme des Dr. Br. vom 02. April 2008 ein, der bei der Beurteilung des Leistungsvermögens in seinem Gutachten verblieb. Im Nachgang legte die Klägerin den Bericht der Neurochirurgin Dr. Hü. vom 25. März 2008 vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 06. Mai 2008 wies die bei der Beklagten gebildete Widerspruchsstelle den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Der sozialmedizinische Dienst habe sämtliche medizinische Unterlagen über sie ausgewertet und sei auf deren Grundlage schlüssig zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich belastbar sei. Sie sei daher weder voll- noch teilweise erwerbsgemindert.

Am 23. Mai 2008 erhob die Klägerin zum SG Klage. Ihr behandelnder Rheumatologe Dr. De. (richtig wohl: H.) halte sie schon seit längerem für nur noch unter drei Stunden täglich leistungsfähig. Aufgrund der bei ihr bestehenden schweren Depression sowie der derzeit fehlenden willentlichen Überwindbarkeit der Einschränkungen sei sie selbst für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr sechs Stunden täglich belastbar. Ihre behandelnde Psychologin (richtig wohl: Nervenfachärztin) Dr. Ko. sei wohl mittlerweile verstorben. Dass sie (die Klägerin) dort nicht permanent in Behandlung gestanden habe, liege unter anderem an der weiten Entfernung. Sie sei immer auf einen Fahrer angewiesen, was eine höhere Behandlungsfrequenz unmöglich gemacht habe. Problematisch sei auch, dass sie aufgrund der massiven Sprachschwierigkeiten auf einen türkischsprachigen Therapeuten angewiesen sei, um überhaupt ein brauchbares Therapieergebnis erreichen zu können. Ihre Sprachschwierigkeiten wie auch die Tatsache, dass die medikamentösen Maßnahmen bislang keine Verbesserung ihres Zustandes bewirkt hätten, erklärten, weshalb durch ihre behandelnden Ärzte der Verdacht auf eine fehlende Medikamenten- und Behandlungscompliance vorliege. Die Klägerin legte den vorläufigen Entlassungsbericht vom 15. Juli 2008 (durch Arzt F.-L.) sowie den endGü.tigen Entlassungsbericht vom 13. August 2008 (durch Dr. La.) über ihren stationären Aufenthalt vom 27. Mai bis 15. Juli 2008 in der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums W. vor, wo sie wegen rezidivierender depressiver Episoden, einer schweren depressiven Episode, einer Somatisierungsstörung, eines Analgetikamissbrauchs sowie eines Verdachts auf Hashimoto-Thyreoiditis behandelt worden war sowie weiter den Arztbrief des Radiologen Dr. Hel. vom 02. März 2009 über eine cervikal-spinale Magnetresonanztomographie, die Protrusionen und eine Osteochondrose im Bereich der Halswirbelsäule, jedoch keinen Bandscheibenvorfall zeigte.

Die Beklagte trat dem Klagevorbringen entgegen. Zur Begründung legte sie zunächst die sozialmedizinische Stellungnahme des Allgemeinmediziners und Sozialmediziners Dr. Hei. vom 29. September 2008 vor. Im weiteren Verlauf des Klageverfahrens holte sie in Antwort auf das Gutachten des Dr. Gü. (dazu unten) die weitere sozialmedizinische Stellungnahme des Dr. Hei. vom 23. November 2009 ein. Dieser führte aus, die äußerst kurzen Ausführungen des Sachverständigen Gü. genügten nicht den Mindestanforderungen an ein entscheidungserhebliches psychiatrisches sozialmedizinisches Fachgutachten, weil die Ausführungen eher eine Behauptung als eine Begründung von Leistungseinschränkungen seien.

Das SG vernahm zunächst die die Klägerin behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Rheumatologe Dr. H. (Auskunft vom 14. August 2008) gab an, die Klägerin zuletzt vor drei Jahren gesehen zu haben. Neurologe und Psychiater Dr. En. (Auskunft vom 14. August 2008) berichtete davon, die Klägerin in den Jahren 2005, 2007 und 2008 jeweils dreimal sowie im Jahr 2006 fünfmal untersucht zu haben. Aufgrund der bestehenden depressiven Symptomatik halte er die Klägerin in einer beruflichen Tätigkeit ohne Zeitdruck für maximal drei Stunden am Tag belastbar. Zum Gutachten des Sachverständigen M. sei auszuführen, dass die Klägerin sich auch bei ihm erkennbar demonstrativ gezeigt habe. Dies sei möglicherweise durch den Kulturkreis, dem die Klägerin entstamme, zu erklären. Die Tatsache, dass die von dem Sachverständigen M. erhobenen Medikamentenspiegel sehr tief gewesen seien, bedeute nicht, dass das vorliegende Krankheitsbild nur vorgegeben werde. Letztlich müsse festgestellt werden, dass durch die medikamentösen Maßnahmen bislang keine wesentliche Verbesserung des Zustandes habe erreicht werden können, gleich, ob diese ambulant oder stationär durchgeführt worden seien. Mit der Einschätzung des Sachverständigen M. über eine vollschichtige Erwerbsfähigkeit der Klägerin könne er nicht übereinstimmen. Aus seiner Sicht sei die Klägerin nicht in der Lage, Strategien zu entwickeln, sich mit ihrem Krankheitsbild sowie Ursachen und ggf. Trennung von Familie und Ehemann auseinander zu setzen. Dr. En. fügte die ihm vorliegenden Entlassungsberichte, insbesondere auch den Entlassungsbericht des Dr. Jä. vom 21. März 2007, bei. Neurologe und Psychiater Dr. Si. (Auskunft vom 04. September 2008), gab an, die Klägerin habe sich von November 2002 bis Oktober 2007 in ambulanter nervenärztlicher Behandlung bei Frau Dr. Ko. befunden. Diese sei jedoch aus gesundheitlichen Gründen aus der Praxis ausgeschieden. Er selbst könne keine Angaben zum Gesundheitszustand der Klägerin machen.

Im Auftrag des SG erstattete Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Chefarzt der Reinhard-Klinik B. D. Dr. Mü. über die Klägerin sein fachpsychiatrisches Gutachten vom 06. April 2009. Der Sachverständige berichtete aufgrund einer fachpsychiatrischen stationären Begutachtung der Klägerin mit Aufenthalt in der R.-Klinik vom 19. bis 21. Januar 2009, die auch eine muttersprachlichen Exploration durch Diplompsychologin Klö. umfasste, von einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, einer Dysthmie sowie einer Überlagerung durch Aggravations- und Simulationstendenzen im Rahmen eines Versorgungs- und Rentenbegehrens. Die Klägerin habe im Kontakt primär abweisend, wenig mitarbeitsbereit, insgesamt wenig kooperativ gewirkt. Ihre Auskunftsbereitschaft habe sich im Rahmen einer mehrstündigen Exploration nicht gebessert. Entsprechend sei sie in der Antriebslage und Psychomotorik vermindert erschienen. Sie habe Konzentrationsdefizite, auch Störungen des Gedächtnisses angegeben, habe ein Nicht-Erinnern von Zeitangaben und Daten gezeigt. Dies sei jedoch deutlich überlagert gewesen durch die geringe Motivation und Kooperativität. Die Klägerin sei wach, in allen Qualitäten ausreichend orientiert gewesen. Sie habe rasch und spontan geantwortet, häufig mit "ich weiß nicht". Bereits in den vorangegangenen stationären Aufenthalten und auch im Rahmen der Begutachtungen sei auf demonstratives Verhalten und Aggravation hingewiesen worden. Die verminderte Motivation und Mitarbeitsbereitschaft der Klägerin sei auch jetzt auffällig gewesen. Die Ergebnisse der Testung zur Beschwerdevalidierung untermauerten den klinischen Eindruck. Bei der Klägerin liege eine deutliche Aggravation mit zum Teil auch Simulationstendenzen vor. Dies unterstreiche nochmals die körperliche Untersuchung. Bereits geringste Berührungen erlebe die Klägerin als hoch schmerzhaft, sei dann aber z.B. beim An- und Auskleiden erstaunlich beweglich und nicht eingeschränkt. Gleichzeitig finde sich eine weitgehend erhaltene Tagesstrukturierung. Die Klägerin führe entgegen ihrer Angaben, dass sie nichts mehr machen könne, Teile des Haushalts; sie berichte über Schlafstörungen, die allerdings unter Medikamentengabe gebessert seien. Die Klägerin habe ihren Krankheitsbeginn mit im Vordergrund stehenden Kopfschmerzen vor etwa 20 Jahren angegeben. Sie selbst bringe keinerlei Belastung mit ihren Schmerzen in Einklang, berichte allerdings, dass ihr Ehemann nicht mehr gewalttätig sei, seit sie erkrankt sei. Insgesamt werde deutlich, dass die Klägerin in der Lage sei, durch zumutbare Willensanspannung den neurotischen Anteil der Erkrankung zu überwinden. Aufgrund einer Schmerzfehlverarbeitung und den psychischen Beeinträchtigungen ergäben sich qualitative Leistungseinschränkungen. Quantitative Leistungseinschränkungen ließen sich nicht begründen. Sie sei in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ca. acht Stunden täglich Tätigkeiten zu verrichten.

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattete sodann der Facharzt für Psychiatrie Dr. Gü. über die Klägerin das fachpsychiatrische Gutachten vom 23. Oktober 2009. Der Sachverständige berichtete aufgrund einer Untersuchung der Klägerin am 25. September 2009 von einer rezidivierenden depressiven Störung in schwerer Episode und einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Bei der Klägerin stehe derzeit die depressive Symptomatik mit ausgeprägten multifokalen Schmerzen, erhöhter Müdigkeit, Antriebsminderung, Konzentrationsstörungen, verminderter Belastbarkeit sowie Ein- und Durchschlafstörungen im Vordergrund. Die seelischen Störungen hätten sich über die letzten Jahre verstärkt. Die Klägerin könne ohne Gefährdung ihrer Gesundheit eine leichte körperliche Tätigkeit nur noch bis zu drei Stunden täglich verrichten. Die vorliegenden Gesundheitsstörungen würden nicht vorgetäuscht und könnten auch nicht bei aller zumutbaren Willensanstrengung aus eigener Kraft überwunden werden. Die Klägerin wolle gerne arbeiten, sie habe jedoch keine Kraft, keinen Mut und keine Perspektive im Leben. Das vielfältige Beschwerdebild habe sich trotz intensiver multimodaler schmerztherapeutischer, psychiatrischer und orthopädischer Behandlungen immer weiter verschlechtert. Mit den diagnostischen Ausführungen und Leistungsbeurteilungen des Sachverständigen Dr. Mü. gebe es keine Übereinstimmung. Auch werde der festgestellten Leistungsfähigkeit im Gutachten des Herrn M. nicht zugestimmt. Es bestehe jedoch eine wesentliche Übereinstimmung mit den nervenärztlichen Voruntersuchungen durch Dr. Lauber vom Universitätsklinikum W. sowie dem behandelnden Arzt Dr. En ...

Mit Urteil vom 02. Februar 2010 wies das SG die Klage ab. Ein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung sowie teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bestehe nicht. Die Klägerin sei auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar; als ungelernte Arbeiterin stehe ihr Berufsschutz nicht zu. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei sie jedoch noch mindestens sechs Stunden täglich belastbar. Der Schwerpunkt der Erkrankungen der Klägerin liege auf psychiatrischem Fachgebiet. Die Klägerin leide an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung sowie einer Dysthymie. Hieraus resultiere jedoch keine quantitative Leistungseinschränkung. Dies ergebe sich für die Kammer schlüssig und nachvollziehbar aus dem nervenärztlichen Gutachten des Dr. Mü., dessen Beurteilung sich die Kammer anschließe. Die von der Klägerin erzielten testpsychologischen Werte belegten, dass die Beschwerden absichtlich und reflektiert vorgetäuscht würden; die nachweisbar fälschliche Beschwerdeschilderung sei der Klägerin ebenso bewusst wie deren zugrunde liegende Motivation. Die von der Klägerin angegebenen Konzentrationsdefizite und Störungen des Gedächtnisses seien durchgängig geprägt von der geringen Leistungsbereitschaft der Klägerin. Zu den angegebenen erheblichen körperlichen Schmerzen hätten keine korrespondierenden Beobachtungen wie beispielsweise Entlastungsbewegungen vom Sachverständigen berichtet werden können. Auch beim An- und Auskleiden habe die Klägerin erstaunlich beweglich und nicht eingeschränkt gewirkt. Dem Gutachten von Dr. Gü. könne die Kammer dagegen nicht folgen. Weder die gestellte Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung bei schwerer Episode noch die Leistungsbeurteilung sei für die Kammer schlüssig und nachvollziehbar. Die Diagnose basiere ausschließlich auf subjektiven Angaben der Klägerin. Insbesondere teile der Sachverständige nicht mit, woraus er auf eine Antriebsminderung, eine überdurchschnittlich rasche Erschöpfbarkeit, eine verminderte Stresstoleranz, ein vermindertes Durchhaltevermögen und Konzentrationsstörungen schließe. Darüber hinaus erfolge auch keine Begründung, weshalb der Klägerin eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch bis zu drei Stunden täglich möglich sein solle. Zudem führe Dr. Gü. keine Verfahren zur Beschwerdevalidierung durch. Hierzu hätte sich Dr. Gü. aber gerade aufgrund des Gutachtens des Dr. Mü. veranlasst sehen müssen. Insgesamt ergäben sich aus den psychiatrischen Beschwerden der Klägerin damit nur Einschränkungen in qualitativer, nicht jedoch in quantitativer Hinsicht. Auch die sonstigen gesundheitlichen Beschwerden der Klägerin auf fachorthopädischem Gebiet führten zu keiner anderen Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Klägerin. Die Klägerin sei daher auch weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.

Gegen dieses ihr am 25. Februar 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22. März 2010 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Das SG habe lediglich ihre Erkrankungen auf nervenfachärztlichem Gebiet zur Kenntnis genommen. Dabei seien aus den bei den Akten befindlichen Arztberichten erhebliche weitere Erkrankungen auf orthopädischem Gebiet sowie ein Fibromyalgiesyndrom, das eine internistische Erkrankung darstelle, ersichtlich. Hier bestehe noch weiterer Ermittlungsbedarf. Das SG habe überdies seine Entscheidung lediglich auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. Mü. gestützt. Gegen dieses Gutachten seien jedoch Einwendungen zu erheben. Der Sachverständige habe an den Beginn seiner Erörterung das Gutachten des Sachverständigen M. gestellt; er sei daher von vornherein nicht von Befunden ausgegangen, sondern sein Urteil habe absolut festgestanden, bevor er überhaupt eigene Untersuchungen durchgeführt habe. Zudem habe Dr. Mü. eine testpsychologische Untersuchung ausgeführt, obwohl er nicht Psychologe sei. Weiter sei problematisch, dass die testpsychologische Untersuchung in türkischer Sprache erfolgt sei. Hier ergäben sich Quellen für erhebliche Missverständnisse. Zudem seien die Testergebnisse nicht sachgerecht aufgearbeitet worden; man könne nicht einerseits die Tests in türkischer Sprache durchführen und anderseits darauf hinweisen, dass es an einer für die Verwertung der Ergebnisse erforderlichen Normierung für die Fälle türkischstämmiger, in Deutschland lebender Emigranten fehle. Unterschrieben hätten das Gutachten ohnehin nur Dr. Mü. und eine weitere Psychiaterin, nicht dagegen die Psychologin. Aus dem Gutachten sei weiter nicht ersichtlich, wie die Beschwerdevalidierung vorgenommen worden sei. Hier bedürfe es einer sehr genauen Kenntnis der Tests, um Aussagen sachgerecht interpretieren zu können. Es werde bestritten, dass dies hier geschehen sei. Ein sachgerechter Umgang mit den durchgeführten hoch differenzierten Tests sei ohne detaillierte Schulung nicht möglich und erfordere entsprechende psychologische Fachkenntnisse, die in dem notwendigen Umfang beim Sachverständigen nicht angewendet worden seien. Es werde deshalb mit Nachdruck die Behauptung bestritten, dass sie (die Klägerin) die Beschwerden absichtlich und reflektiert vorgetäuscht habe. Das Gutachten sei zudem grob widersprüchlich. Jedenfalls habe aufgrund der vorhandenen Unterlagen Anlass bestanden, das Langzeitgedächtnis psychologisch zu untersuchen, um so Wege zu eröffnen, die sichtbar schwere Depression aufblenden zu lassen. Bisher sei eine neuropsychologische Untersuchung nicht durchgeführt worden. Es seien nur vereinzelt und sehr punktuell zwei Tests durchgeführt worden, noch dazu unter recht zweifelhaften Umständen. Auch die durch den Sachverständigen gestellten Diagnosen seien nicht nachvollziehbar. Das SG habe insoweit die sachverständige Zeugenauskunft des Dr. En. vom 20. (richtig 14.) August 2008 nicht hinreichend gewürdigt. Zu Recht habe dieser darauf hingewiesen, dass eine auch für ihn erkennbar demonstrativ erscheinende Verhaltensweise auch durch den Kulturkreis der Klägerin zu erklären sei. Gleichwohl stelle er klar heraus, dass bei ihr eine schwere Depression vorliege. Dr. Engler habe deutlich herausgearbeitet, dass sie nicht in der Lage sei, Strategien zu entwickeln, sich mit ihrem Krankheitsbild auseinander zu setzen. Internistischerseits liege die Diagnose der Fibromyalgie vor. Der Versuch, diese Diagnose schlicht mit der angenommenen Somatisierungsstörung gleich zu setzen und sozusagen ins psychiatrische Fachgebiet zu transferieren, sei verfehlt und unmöglich. Eine Klärung dieser Beschwerden müsse auf dem richtigen Fachgebiet erfolgen. Angesichts der Fibromyalgie als konkrete Diagnose müsse man auch bezweifeln, ob überhaupt eine somatoforme Störung vorliege. Dr. Mü. gebe in seinen Beschreibungen klar das Bild einer schwer depressiven Frau wieder. Es werde dort beschrieben, dass sie (die Klägerin) eher nachlässig gekleidet gewesen sei, ihre Augen vor allem zu Beginn des Kontaktes fast geschlossen gehalten habe, kaum Kontakt aufgenommen habe und ihre Hand am Hals gehalten habe. Ihr Verhalten sei der Begutachtungssituation inadäquat, sie sei äußerst wortkarg gewesen und habe nur sehr vage oder gar keine Auskunft auf Fragen gegeben. Ihre Modulationsfähigkeit habe erheblich eingeschränkt gewirkt, auch zur Thematisierung angenehmer Inhalte sei sie zu keiner Stimmungsaufhellung in der Lage gewesen, Auflockerungen seien nicht beobachtbar gewesen. Wie man bei einer solchen Schilderung überhaupt zu einer gezielten und gesteuerten Aggravation und Simulation kommen könne, sei schleierhaft. Im Gutachten des Dr. Mü. sei zudem ein ganz wesentliches Moment schamhaft nicht angesprochen worden. Es ergebe sich nämlich aus allen Befunden, dass sie (die Klägerin) in der deutschen Sprache sehr eingeschränkt sei. Ungeachtet dessen sei offenbar das Gutachten des Dr. Mü. ohne Dolmetscher geführt worden und selbstverständlich in seinen Aussagen entsprechend belastet. Insgesamt falle das Gutachten des Dr. Mü. daher schlicht in sich zusammen. Dem gegenüber habe das Gutachten des Dr. Gü. zweifellos Vorteile insofern, als dieser Sachverständige weder Verständigungsprobleme gehabt habe noch durch Verhaltensweisen, wie sie für seinen Kulturkreis jedenfalls nicht ungewöhnlich seien, irritiert worden sei. Der Sachverständige diagnostiziere daher aus ihrer (der Klägerin) Sicht sehr viel zutreffender eine chronifizierte neurotisch-depressive Symptomatik mit einer begleitenden somatischen Komponente. Die depressive Symptomatik und Antriebsminderung führe zu überdurchschnittlich rascher Erschöpfbarkeit und vermindere ihre Stresstoleranz. Anders als Dr. Mü. greife Dr. Gü. auch auf, dass sie von ihrem Ehemann häufig geschlagen werde, indem er auf eben diese Antriebsminderung und überdurchschnittlich rasche Erschöpfbarkeit Bezug nehme. Im Übrigen befinde sich das Gutachten des Dr. Gü. in Übereinstimmung mit den Feststellungen der Universitätsklinik W ... Insgesamt offen geblieben sei im erstinstanzlichen Verfahren auch die Frage, ob sie (die Klägerin) hinsichtlich ihrer Anpassungsfähigkeit bzw. Eingliederungsfähigkeit in einen neuen Betrieb eingeschränkt sei. Die Klägerin hat aktuelle Befundberichte vorgelegt, insbesondere des Dr. J. sowie des Dr. H., des Orthopäden Dr. Hu. (Bericht vom 28. Mai 2010) sowie des Anästhesisten Dr. Kru. (Bericht vom 07. Juli 2010). Zu dem durch den Senat eingeholten Gutachten des Dr. Sch. (dazu unten) hat die Klägerin eingewandt, das Gutachten zeige massive Anhaltspunkte, dass es in seiner Objektivität doch fraglich erscheinen müsse. Ein deutliches Anzeichen dieser Art sei, dass der Sachverständige allen Ernstes darlegen wolle, dass zwar weitere Gesundheitsstörungen auf somatischem Fachgebiet vorlägen, er aber ungeachtet dessen keine Indikation zu weiteren Begutachtungen auf anderem Fachgebiet sehe. Dennoch betone er, dass eine Begutachtung nur den psychiatrisch-psychotherapeutischen Aspekt erfassen solle. Der Sachverständige setze sich mit den Befundberichten des Dr. J. auseinander, gelange jedoch zu der übersteigerten Sicht, dass eine Weiterbegutachtung nicht nötig erscheine. Die Gefahr einer Befangenheit stehe auf Gutachterseite jedenfalls konkret im Raume. Sie (die Klägerin) lebe in einem Zustand der völligen Zurückgezogenheit. Ihr Ehemann müsse sie mehr oder weniger aus dem Haus drängen. Man dürfe sie auch nicht zu viel anreden. Wenn dies erfolge, reagiere sie mit starken Kopfschmerzen und sei gestresst. Die Feststellungen in den Akten hierzu seien derart umfänglich, dass sie als nicht mehr belastbar erscheine und nicht in der Lage sei, mehr als drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Es werde dem Gericht schwer möglich sein, der anders lautenden Feststellung des Sachverständigen zu folgen. Zuhause werde ihr weitgehend die Haushaltstätigkeit durch den Ehemann abgenommen, weil sie hierzu einfach nicht mehr in der Lage sei. Sie sehe sich auch nicht mehr in der Lage, Auto zu fahren. Beim Kochen vergesse sie, Gewürze bzw. Salz oder gewisse Zutaten beizugeben. Auch das Bügeln sei ihr völlig aus der Hand genommen. Ein Umgang mit Geld sei völlig unmöglich geworden; den kurzfristigen Vorgang des Bezahlens bewältige sie, eine Kontrolle, dass richtig abgerechnet sei, jedoch nicht. Auffällig sei, dass man sich offenbar im Rahmen der Planung der Begutachtung bereits im klaren gewesen sei, dass man sie (die Klägerin) nicht intensiv befragen könne, sondern man mehrere Pausen einkalkulieren müsse. Ihr Ehemann habe sie (die Klägerin) mehrfach durch das Fenster des Raumes außen im Freien allein herumgehen sehen, wobei solche Pausen jeweils ungefähr 10 Minuten angedauert hätten und mehrfach erfolgt seien. Ungeachtet dessen sei es zusätzlich zu einer Sonderpause gekommen. Ihr Ehemann habe gesehen, dass sie (die Klägerin) stark gestikulierend und auch regelrecht schreiend aus dem Raum gegangen und dann mit einer Begleitperson etwa eine halbe Stunde im Freien gewesen sei. Entsprechend sei eine Untersuchung offenbar nicht einmal unter einkalkulierten Pausen durchführbar und sie (die Klägerin) dem Stress der Untersuchung nicht gewachsen gewesen. Jedenfalls aber hätte eine solche Unterbrechung im Gutachten mitgeteilt werden müssen. Insoweit ergebe sich ein massiver Anhalt für fehlende Objektivität. Ein Mangel des Gutachtens sei schließlich, dass es sich zur Frage ihrer (der Klägerin) Anpassungs- und Eingliederungsfähigkeit in einem Betrieb nicht äußere. Es sei daher die Einholung eines weiteren psychiatrischen Gutachters und einer neuropsychologischen Untersuchung erforderlich.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 02. Februar 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 20. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Mai 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung, weiter hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit seit 01. Juli 2007 zu gewähren, hilfsweise, weitere Sachverständigengutachten auf chirurgisch-orthopädisch, internistischem, schmerztherapeutischem, nervenfachärztlichem sowie neuropsychologischem Fachgebiet einzuholen, weiter hilfsweise, nach § 109 SGG bei Prof. Dr. Stö., F.-str., W. ein neurologisches sowie bei Diplom-Psychologin Schm., S. 6, W. ein neuropsychologisches Zusatzgutachten einzuholen, weiter hilfsweise, nach § 109 SGG Dr. Gü. ergänzend zu hören.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung des SG für zutreffend. Zur Begründung hat sie im Laufe des Berufungsverfahrens die sozialmedizinischen Stellungnahmen der Ärztin für Psychiatrie und Sozialmedizin Dr. Hof. vom 07. Januar 2011 sowie der Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Physikalische Therapie Dr. Ed. vom 16. Januar 2012 vorgelegt. Dr. Hof. hat darauf hingewiesen, dass es sich bei der durch das SG veranlassten sozialmedizinischen Begutachtung um eine dreitätige stationäre Begutachtung mit muttersprachlicher Exploration gehandelt habe. Die vom Senat nunmehr eingeholten Arztauskünfte bestätigten weitgehend die diagnostischen Kategorien der Vorgutachter M. und Dr. Mü ... Eine neue, bisher nicht bekannte Erkrankung bzw. eine erhebliche Verschlechterung der psychischen Situation sei aus den aktuellen Aussagen der Behandler nicht abzuleiten. Für die behandelnden Ärzte seien überdies Rollen- und Interessenkonflikte zu erwarten. Aus psychiatrisch-sozialmedizinischer Sicht sei bei dem seit Jahren unveränderten Zustand weiterhin von der Leistungseinschätzung auszugehen, wie sie im Gutachten des Herrn M. und Dr. Mü. beschrieben worden seien. Eine erneute Sachaufklärung sei nicht erforderlich. Dr. Ed. hält in der Gesamtbetrachtung und Würdigung der vorliegenden Gutachten und sachverständigen Zeugenaussagen ein quantitatives Restleistungsvermögen der Klägerin von mindestens sechs Stunden täglich für gegeben.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Dr. H. (Auskunft vom 03. November 2010) hat angegeben, die Klägerin im Zeitraum von Oktober 1999 bis April 2010 insgesamt siebenmal gesehen zu haben. Es seien jeweils ein Fibromyalgiesyndrom und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert worden. Gravierende körperliche Beeinträchtigungen seien bei der Klägerin nicht feststellbar gewesen. Man habe der Klägerin lediglich Empfehlungen zur Durchführung einer Schmerztherapie, einer psychiatrischen Therapie und einer Reha-Maßnahme gegeben. Eine eigene Therapie sei nicht erfolgt, da das Krankheitsbild nicht in den Aufgabenbereich eines internistischen Rheumatologen falle. Auch wenn die Klägerin keine wesentlichen körperlichen Einschränkungen aufweise, sei sie durch die ausgeprägte psychosomatische/psychiatrische Schmerzerkrankung doch so erheblich belastet, dass ihr auch leichte Tätigkeiten im Umfang von sechs Stunden je Arbeitstag nicht zuzumuten seien. Dr. H. hat seiner Auskunft die durch ihn über die Klägerin erstellten Arztbriefe beigefügt. Dr. J. hat in seiner Auskunft vom 03. November 2010 angegeben, die Klägerin werde bei ihm seit 23. Juni 1999 wegen rezidivierender Lumbalgien und lumboischialgieformen Beschwerden behandelt. Die insoweit eingeleiteten Therapien hätten nur jeweils zu einer temporären Minderung der Beschwerden geführt. In der Folge seien Beschwerden an anderen Körperregionen aufgetreten. Die ihm bekannten Erkrankungen schlössen die Ausübung einer körperlich leichten Berufstätigkeit mit Möglichkeit zum Haltungswechsel im Umfang von sechs Stunden je Arbeitstag aus. Maßgeblich seien hierzu die Diagnosen im Fachbereich der Psychiatrie. Dr. J. hat seiner Auskunft ebenfalls die von ihm selbst über die Klägerin erstellten Arztbriefe sowie u.a. den Befundbericht des Dr. Hel. vom 02. März 2009 beigefügt. Dr. En. (Auskunft vom 22. November 2010) hat angegeben, die Klägerin im Jahr 2009 insgesamt siebenmal sowie im Jahr 2010 achtmal untersucht zu haben. Während der Behandlungsphase seit August 2008 habe sich insgesamt keine Besserung ergeben. Die Klägerin werde fortgesetzt antidepressiv behandelt. Sie berichte über schlechten Schlaf und nächtliche Angstzustände. Im Jahr 2009 habe sich die Klägerin drei bis vier Monate in der Türkei aufgehalten, was ihr aufgrund der warmen Temperaturen und sprachlichen Gegebenheiten etwas geholfen habe. Anfang 2010 seien dann wiederum vielfältige körperliche Beschwerden geklagt worden. Im August 2010 sei sie für drei Wochen zu ihrem Bruder in die Türkei gefahren und schien sich darauf gefreut zu haben. Allerdings sei dieser Besuch durch eine Familientragödie behaftet gewesen. Ihr Bruder habe eine Woche nach ihrer Ankunft in der Türkei einen Verkehrsunfall gehabt, wobei seine Ehefrau und der siebzehnjährige Sohn ums Leben gekommen seien, was den psychischen Zustand der Klägerin erneut verschlechtert habe. Sie habe, zurück in Deutschland, wieder diverse Beschwerden wie Schwindel, Depression und Ängste berichtet. Insgesamt hätten sich daher keine Besserungen im Gesundheitszustand der Klägerin ergeben. Aus seiner Sicht sei die Klägerin nicht in der Lage, auch eine leichte körperliche Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Arzt für Allgemeinmedizin und Hausarzt Dr. Möl. (Auskunft vom 13. Dezember 2010) hat von regelmäßigen Arztbesuchen der Klägerin in den Jahren 2007 bis 2010 (16 bis 21 Besuche im Jahr) berichtet. Seit vielen Jahren zeigten sich die ersten Bilder eines chronischen Zerviko-Brachialsyndroms. Bereits damals sei die Arbeitsfähigkeit der Klägerin stark eingeschränkt gewesen. Seit dem Jahr 2000 und dann in zunehmender Stärke sei es immer wieder zu Beschwerden im Bereich der oberen Wirbelsäule, lokaler Druckschmerzhaftigkeit und eingeschränkter Beweglichkeit und Rotation des Kopfes gekommen. Die Klägerin habe darüber hinaus über permanente Schlafstörungen, ständige Schmerzen und Unverträglichkeit der teilweise hoch dosierten Schmerzmedikamente berichtet, zunehmend habe sich auch eine deutliche Depression herauskristallisiert. Die Klägerin habe in den letzten Jahren permanent zwischen Orthopäden, Neurochirurgen und Nervenärzten sowie der hausärztlichen Praxis gewechselt. Umfangreiche Diagnostiken hätten letztlich kein körperliches Korrelat finden können. Bei der Klägerin bestehe seit 2000 eine ausgeprägte Depression, somatoforme Schmerzstörung und ein Fibromyalgiesyndrom, welches in Art und Ausprägung stark schwankend sei. Entsprechende Überweisungen zu verschiedensten Fachärzten, in stationäre Krankenhausbehandlungen (Schmerzkliniken und psychosomatischen Kliniken) bei rheumatologischer Mitbehandlung sowie eine medikamentöse antidepressive Therapie und Schmerztherapie seien in wechselnder Stärke erfolgt. Zumindest rückblickend für die letzten sechs Jahre bestehe bei der Klägerin Arbeitsunfähigkeit. Eine Arbeit von mehr als drei Stunden von wirtschaftlichem Wert sei seiner Ansicht nach für die Klägerin nicht möglich. Dr. Möl. hat seiner Auskunft ihm über die Klägerin vorliegende Arztbriefe aus den vergangenen Jahren beigefügt.

Der Senat hat sodann das fachpsychiatrische Gutachten des Chefarztes Dr. Sch. der Klinik für Allgemeinpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Psychiatrischen Zentrums N. vom 11. Juli 2011 erhoben. Der Sachverständige hat aufgrund einer Untersuchung der Klägerin am 06. Mai 2011 vom Vorliegen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, einer dysthymen Störung und einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig remittiert, berichtet. Die Klägerin sei durchgängig in Gegenwart eines beeidigten Dolmetschers untersucht worden. Zudem sei mit Zustimmung der Klägerin eine fremdanamnestische Exploration des sie begleitenden Ehemannes durchgeführt worden. Im Rahmen dieser Untersuchung hätten sich Hinweise auf psychopathologische Auffälligkeiten hinsichtlich der Schmerzwahrnehmung und Schmerzwahrnehmungsverarbeitung sowie der Affektivität ergeben. Weitere Auffälligkeiten hätten sich in Bezug auf die Validität der von der Klägerin angegebenen Beschwerden und Funktionsbeeinträchtigungen ergeben. Das Ausdrucksverhalten der Klägerin sei durchgängig klagsam, teils etwas theatralisch-hyperexpressiv gewesen. Gleich zu Beginn habe die Klägerin erhebliche Schwierigkeiten bei der Erinnerung einfacher biographischer Basisdaten dargestellt. Klare Diskrepanzen hätten sich auch bei der Angabe von Schmerzen und schmerzbedingten Beeinträchtigungen einerseits mit dem doch nur sehr dezenten Umfang schmerztypischer Verhaltensweisen ergeben. Im Funktionsfragebogen "Hannover Rücken" habe die Klägerin angegeben, gar nicht in der Lage zu sein, sich zu strecken, um z.B. ein Buch von einem Schrank oder einem Regal zu holen bzw. nur mit Mühe einen kleinen heruntergefallenen Gegenstand vom Boden aufzuheben. Beide Tätigkeiten habe die Klägerin bei gezielter Prüfung im Rahmen der körperlich neurologischen Untersuchung jedoch ohne jegliche erkennbare Schwierigkeiten absolviert. Weitere Auffälligkeiten hätten sich in den verwendeten Beschwerdevalidierungsverfahren ergeben. Im "SFSS" hätten sich Hinweise auf negative Antwortverzerrungen, Verdeutlichungstendenzen in Bezug auf neurologische Symptome, anamnestische Symptome, affektive Symptome, niedrigere Intelligenz und psychotische Symptome ergeben. Im zweiten verwendeten Validierungsverfahren, dem "WMT", sei eine massiv reduzierte Anstrengungsbereitschaft nachzuweisen gewesen, so dass die demonstrierten, exzessiven Leistungsdefizite in der verbalen Gedächtnisleistung definitiv nicht den Realitäten entsprächen. Nach gegenwärtigem fachwissenschaftlichen Konsens seien gewisse Verdeutlichungstendenzen bei der Begutachtung von Klägern mit chronischem Schmerz durchaus als situationsadäquat zu beurteilen. Im vorliegenden Fall gehe das Verdeutlichungsverhalten jedoch klar über die Demonstration von Schmerzen sehr weit hinaus. Die negativen Antworttendenzen seien daher als Ausdruck einer klassischen negativen Antwortverzerrung im Sinne von Aggravation zu werten. Jenseits dieser negativen Antworttendenzen hätten sich jedoch auch klare Hinweise auf krankheitswerte Störungen ergeben. Im Vordergrund des Beschwerdebildes habe dabei eine multilokuläre, letztlich den gesamten Körper betreffende Schmerzsymptomatik gestanden. Es bestehe kein Zweifel, dass die Klägerin relevant unter dem Schmerzerleben leide. Die Schmerzen bildeten den Hauptfokus der Aufmerksamkeit der Klägerin. Daher sei eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung zu diagnostizieren. Über den somatoformen Schmerz hinaus hätten sich affektive Beeinträchtigungen ergeben. Auf Befundebene hätten sich eine etwas herabgeminderte Stimmung mit überwiegend klagsam-dysphorischem Affekt und eine leicht geminderte Konzentrationsfähigkeit bei insgesamt ungestörten kognitiven Verhältnissen gezeigt. Es hätten sich aber keine weiteren Zeichen gravierender depressiver Störung, etwa eine schwere formalgedankliche Störung, Ich-Störung, Wahnerleben oder Wahrnehmungsstörung ergeben. Eigenanamnestisch habe die Klägerin ein ganzes Spektrum von typischerweise depressionsassoziierten Beschwerden mit in dieser Weise nicht objektivierbarer stärkergradig ausgeprägter Depressivität berichtet. Auch in der Fremdanamnese des Ehemannes hätten sich Hinweise auf vorübergehend stärkergradige depressive Verstimmungen ergeben. Insgesamt lasse sich hieraus das Bild einer "Double-Depression" mit langfristig bestehender, eher leichtgradig-dysthymer Symptomatik einerseits und einer sich darauf quasi auflagernden, wiederkehrenden gravierenden depressiven Störung andererseits ableiten. Daher sei die Diagnose einer dysthymen Störung sowie einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig remittiert, zu stellen. Diese Diagnosekombination trage dem Umstand Rechnung, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt tatsächlich nur eine eher leichtgradige, dysthym geprägte depressive Symptomatik festzustellen gewesen sei. Die auch im Aktenmaterial für frühere Zeiten beschriebene gravierende depressive Symptomatik habe zum Zeitpunkt der Untersuchung definitiv nicht vorgelegen. Die auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen führten zu einer Minderung der qualitativen Leistungsfähigkeit. Das Ausdauerleistungsvermögen sei hingegen nicht grundsätzlich beeinträchtigt. Im Rahmen der durch ihn (den Sachverständigen) durchgeführten mehrstündigen Untersuchungssitzung seien keine Defizite im Bereich der basalen Motivations- und Antriebsfunktionen zur Darstellung gekommen. Auch die auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen seien nicht so schwer ausgeprägt, dass von einer grundsätzlichen Ausdauerminderung auszugehen wäre. Vor diesem Hintergrund sei die Klägerin weiterhin in der Lage, berufliche Tätigkeiten, die gewisse qualitative Leistungseinschränkungen Rechnung trügen, in vollschichtigem Umfang zu leisten.

In seiner auf die von der Klägerin hiergegen erhobenen Einwendungen eingeholten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 08. November 2011 ist Dr. Sch. bei dieser Einschätzung verblieben. Hinsichtlich des Vorwurfs nicht berichteter Untersuchungspausen hat er ausgeführt, solche Untersuchungspausen seien in seinem Begutachtungsprotokoll nicht dokumentiert und seien ihm auch nicht erinnerlich. Die Begutachtung habe um 15:15 Uhr begonnen und um 20:05 Uhr geendet. Soweit die Klägerin eine Auseinandersetzung mit der Frage vermisse, ob sie in der Anpassungsfähigkeit und Eingliederungsfähigkeit eingeschränkt sei, betreffe dies eine Frage, die dem Katalog der Beweisfragen nicht zu entnehmen gewesen sei. Im Rahmen der hiesigen Begutachtung seien jedoch keine solchen Defizite der Anpassungs- und Eingliederungsfähigkeit zu objektivieren gewesen, die der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit grundsätzlich entgegen stünden. Die von der Klägerin eingewandte fehlende objektive Objektivität werde durch ihn (den Sachverständigen) nicht erkannt. Soweit die Klägerin Ausführungen des Dr. Gü. zitiere, der die Klägerin muttersprachlich habe untersuchen können und der deutlichste Konzentrationsstörungen beschrieben habe, sei hinsichtlich der kognitiven Kompetenzen noch ein Mal hingewiesen auf die von der Klägerin erbrachte Leistung im Beschwerdevalidierungsverfahren WMT. Tatsächlich habe ihre Leistung weit unter der operationswilliger dementer Patienten und auch weit unter der von mittelgradig bis schwer hirnverletzten Probanden gelegen. Dieser Befund sei klar diskrepant zu den tatsächlichen Kompetenzen, wie sie im Rahmen der Exploration zur Darstellung gekommen seien.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die Gerichtsakten im Verfahren S 10 R 3448/05 und die Gerichtsakten dieses Verfahren in beiden Instanzenzügen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Mit dem angefochtenen Urteil vom 02. Februar 2010 hat das SG zu Recht die Klage abgewiesen. Die Ablehnung des Antrags auf Rente wegen Erwerbsminderung durch den Bescheid der Beklagten vom 20. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Mai 2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat seit 01. Juli 2007 weder Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung gegen die Beklagte. Weitere Ermittlungen waren insoweit weder von Amts wegen noch auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG durchzuführen (dazu insgesamt 1.). Noch hat die Klägerin Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gegen die Beklagte (dazu 2.).

1. Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Die Klägerin ist seit 01. Juli 2007 weder voll- noch teilweise erwerbsgemindert. Sie kann Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts seitdem in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Das steht zur Überzeugung des Senats aufgrund des Sachverständigengutachten des Dr. Sch. vom 11. Juli 2011 fest.

Im Vordergrund stehen bei der Klägerin Einschränkungen auf nervenfachärztlichem Gebiet. Die Klägerin leidet an einer somatoformen Schmerzstörung sowie an einer dysthymen Störung in Kombination mit einer rezidivierenden depressiven Störung ("double depression"). Dies stützt der Senat auf das Gutachten des Dr. Sch. vom 11. Juli 2011, der diese Gesundheitsstörungen nach mehrstündiger Exploration der Klägerin unter Hinzuziehung eines beeidigten Dolmetschers und unter umfänglicher Auswertung der über die Klägerin bei den Akten befindlichen Arzt- und Krankenhausberichte sowie Vorgutachten diagnostiziert hat. Hinsichtlich der somatoformen Schmerzstörung steht das Gutachten des Dr. Sch. im vollständigen Einklang sowohl mit dem Gutachten des Dr. Mü. vom 06. April 2009 wie auch des Dr. Gü. vom 23. Oktober 2009. Hinsichtlich der Diagnose einer - in Kombination mit einer dysthymen Störung auftretenden - rezidivierenden Störung geht der Sachverständige Dr. Sch. über das Gutachten des Dr. Mü. hinaus; letzterer hatte keine depressive Störung mit Krankheitswert diagnostiziert. Für den Senat ist das Bestehen auch einer depressiven Störung jedoch anhand der Ausführungen des Sachverständigen Dr. Sch. gut nachvollziehbar. Sowohl die Eigenanamnese der Klägerin wie auch die mit Zustimmung der Klägerin bei ihrem Ehemann erhobene Fremdanamnese gaben Hinweise auf vorübergehende stärkergradige depressive Verstimmungen. Vor allem aber anhand der Entlassungsberichte des Dr. F. zu den stationär-psychiatrischen Aufenthalten der Klägerin im Kreiskrankenhaus T. vom 11. Mai bis 16. Juni 2004 sowie vom 23. Januar bis 01. März 2007 lässt sich das Bestehen einer depressiven Störung mit teilweise stärkergradiger, teilweise jedoch auch schwächerer depressiver Verstimmung gut nachvollziehen. In diese Einschätzung fügt sich auch das Gutachten des Dr. Gü., der (ausdrücklich nur: "derzeit") eine schwere Ausprägung der Depressivität diagnostiziert hat, widerspruchsfrei ein. Dr. Sch. geht ausdrücklich davon aus, dass die Ausprägung der Depressivität der Klägerin Schwankungen unterliegt. Diese Schwankungen ziehen sich auch im Übrigen durch die Arztberichte der vergangenen Jahre hindurch und begründen nachvollziehbar, dass sich die Klägerin immer wieder im Rahmen stärkerer Verstimmungen in Behandlung begeben hat, jedoch im Rahmen der Begutachtungen sowohl des Dr. Mü. als auch des Dr. Sch., aber auch schon zuvor nach Einschätzung des Prof. Dr. W. in seinem Reha-Entlassungsbericht vom 21. April 2005 sowie des Sachverständigen M. in seinem Gutachten vom 03. Mai 2006 jeweils nur eine mäßige bis gar keine Ausprägung depressiver Befunde feststellbar war.

Die Klägerin leidet überdies orthopädischerseits an rezidivierenden Lumbalgien und lumbalgieformen Beschwerden ohne Funktionseinschränkungen und radikuläre Symptomatik sowie einer Polyarthralgie ohne Funktionsbeeinträchtigung. Dies stützt der Senat auf das Ergebnis der chirurgischen Begutachtung der Klägerin durch Dr. Br. (vgl. das Gutachten vom 14. September 2007) sowie die beim behandelnden Orthopäden Dr. J. über die Klägerin eingeholte Auskunft vom 03. November 2011, der diese Befunde im Wesentlichen bestätigt hat. Der Verdacht einer Zervikobrachialgie hat sich demgegenüber radiologisch nicht bestätigen lassen, da die insoweit durchgeführte Bildgebung einen altersbezogen günstigen Befund ergeben hat. Dies entnimmt der Senat der sachverständigen Zeugenauskunft des behandelnden Nervenfacharztes Dr. En. vom 22. November 2010. Soweit durch Dr. H. überdies die Diagnose einer Fibromyalgie gestellt wurde, handelt es sich dabei um keine weitere medizinische Ermittlungen erfordernde eigenständige Erkrankung. Dr. H. hat in seiner vom Senat eingeholten sachverständigen Zeugenauskunft ausdrücklich angegebenen, seine Therapieempfehlungen seien nur schmerztherapeutischer und psychiatrischer Art gewesen. Eine eigene (internistisch-rheumatologische) Therapie habe er nicht durchgeführt, weil die Art der Erkrankung der Klägerin nicht in den Aufgabenbereich eines internistischen Rheumatologen falle. Ein gegenüber der Diagnose der somatoformen Schmerzerkrankung eigenständiges Krankheitsbild wird daher durch die Diagnose einer Fibromyalgie nicht benannt; vielmehr ordnet auch Dr. H. das so bezeichnete Beschwerdebild dem Formenkreis der psychosomatischen Erkrankungen zu. Bestätigt wird er darin durch das Gutachten des Dr. Br. vom 14. September 2007, der ebenfalls herausgearbeitet hat, dass die Fibromyalgie lehrbuchmäßig nicht nachweisbar ist. Den Einwand der Klägerin, dass der bei ihr diagnostizierten Fibromyalgieerkrankung nicht hinreichend Beachtung geschenkt worden ist, vermag der Senat daher nicht nachzuvollziehen. Dieses Beschwerdebild wird nach Auffassung des Senats hinreichend durch die Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung abgebildet.

Aus den bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen ergeben sich nach Überzeugung des Senats Leistungseinschränkungen qualitativer Art. Die auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen führen zu einer Minderung der Stressbelastbarkeit der Klägerin sowie zu einer niedrigeren Schmerzschwelle. Die Klägerin kann daher berufliche Tätigkeiten mit erhöhter Stressbelastung, etwa durch erhöhten Zeitdruck (z.B. Akkordarbeit) oder mit unphysiologischer psychophysischer Belastung (z.B. Nachtarbeit) nicht mehr verrichten. Ebenso sind Tätigkeit mit erhöhter Verantwortung für Personen oder Sachwerte sowie Tätigkeiten an gefährlichen laufenden Maschinen mit der Notwendigkeit zu raschen Reaktionen nicht mehr zumutbar. Aufgrund der niedrigeren Schmerzschwelle kann die Klägerin zudem körperlich schwere und anhaltend mittelschwere Tätigkeiten nicht mehr verrichten. Der Senat folgt auch darin dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Sch. vom 11. Juli 2011, der in dieser Einschätzung im Übrigen sowohl mit Dr. Mü. in dessen Gutachten vom 06. April 2009 wie auch mit Dr. Gü. in dessen Gutachten vom 23. Oktober 2009 übereinstimmt. Weitere Einschränkungen ergeben sich auch aus den Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet nicht. Zum Einen hat der Gutachter Dr. Br. in seinem chirurgischen Gutachten vom 14. September 2007 insoweit keine weiteren, noch über die aus der Schmerzerkrankung der Klägerin hinausgehenden Tätigkeitseinschränkungen benannt. Zum anderen hat auch Dr. J. in seiner Auskunft vom 03. November 2011 ausdrücklich bestätigt, dass die maßgeblich leistungseinschränkenden Leiden auf dem Fachgebiet der Psychiatrie angesiedelt sind.

Die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen, die zu den beschriebenen qualitativen Leistungseinschränkungen führen, bedingen indes keine Einschränkung des Leistungsvermögens in quantitativer Hinsicht. Die Klägerin ist zur Überzeugung des Senats noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte, vorübergehend auch mittelschwere körperliche Arbeiten, soweit es sich dabei um Tätigkeiten mit durchschnittlicher nervlicher Belastung handelt, noch sechs Stunden täglich und mehr zu verrichten. Der Senat folgt auch insoweit der insgesamt schlüssigen und nachvollziehbaren Leistungsbeurteilung durch den Sachverständigen Dr. Sch ... Die anders lautenden Einschätzungen der die Klägerin behandelnden Ärzte, insbesondere des Neurologen, Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. En. vom 22. November 2010, sowie des Sachverständigen Dr. Gü. in seinem Gutachten vom 23. Oktober 2009 vermochte der Senat demgegenüber nicht nachzuvollziehen.

Dr. Sch. hat in seinem Gutachten vom 11. Juli 2011 für den Senat schlüssig und überzeugend auf der Grundlage der von ihm durchgeführten Exploration der Klägerin herausgearbeitet, dass von einer herabgesetzten Ausdauerfähigkeit bei Verrichtung leidensgerechter Tätigkeiten weder aufgrund der somatoformen Schmerzstörung noch der dysthymen und rezidivierenden depressiven Störung ausgegangen werden kann. Schon der psychische Befund, der über die Klägerin in der Begutachtungssituation erhoben worden ist, lässt keine Auffälligkeiten im Sinne einer schnellen Erschöpfbarkeit erkennen. Die Klägerin war im Kontaktverhalten nur zunächst distanziert, im weiteren Verlauf dann jedoch aufgeschlossen. Sie war wach, bewusstseinsklar und zu Person, Ort, Zeit und Situation uneingeschränkt orientiert. Eine erhebliche Einschränkung ihrer kognitiven Funktionen war nicht erkennbar; die Auffassungs- und Merkfähigkeit war klinisch nicht relevant beeinträchtigt, mnestistische Funktionsdefizite waren entgegen eigener Angaben der Klägerin nicht erkennbar; die Konzentrationsminderung war nur gering. In der Situation der Begutachtung waren überdies der Antrieb situationsadäquat, das Ausdrucksverhalten lebhaft, nur teils etwas theatralisch-hyperexpressiv herabgestimmt. Hierin liegt kein psychiatrischer Befund, der eine Depressivität mit vorzeitiger Erschöpfbarkeit begründet. Anderes resultiert nach Auffassung des Senats auch nicht daraus, dass streckenweise - wie oben ausgeführt - stärkere Episoden der Depressivität auftreten. Diese sind gegebenenfalls im Rahmen von Arbeitsunfähigkeitszeiten zu berücksichtigen, nicht jedoch im Sinne einer dauerhaften Leistungsminderung. Dem steht schon die (verhältnismäßig geringe) Häufigkeit stationärer Behandlungen sowie die Tatsache entgegen, dass - mit Ausnahme allenfalls der Begutachtung durch Dr. Gü. - im Rahmen keiner der bisherigen Begutachtungen eine aktuell deutliche Leistungsminderung festgestellt werden konnte und selbst Prof. Dr. W. nach mehrwöchiger Beobachtung der Klägerin ein quantitativ herabgemindertes Leistungsvermögen nicht festzustellen vermochte.

Angesichts des in der Begutachtungssituation erhobenen weitgehend unauffälligen psychischen Befundes war für den Senat aber auch nachvollziehbar, dass sich den dramatisch in eine andere Richtung zeigenden Testergebnissen nicht das Bild einer erheblich leistungsgeminderten, sondern vielmehr einer stark simulierenden und aggravierenden Persönlichkeit mit zwar tatsächlich vorhandenen, aber deutlich geringeren als angegebenen Beschwerden entnehmen lässt. Dr. Sch. hat das Ergebnis dieser durchgeführten Testverfahren insbesondere in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 8. November 2011 nochmals eindrücklich so zusammengefasst, dass die Klägerin im Rahmen der durchgeführten Testverfahren Ergebnisse erzielt hat, die weit unter denen von kooperationswilligen demenzkranken oder mittelgradig bis schwer hirnverletzten Personen liegen. Dass diese Ergebnisse nicht dem tatsächlichen Krankheitsbild der Klägerin entsprechen, vermochte der Senat anhand der im Übrigen aus dem Gutachten herauslesbaren Fähigkeiten der Klägerin zur Darstellung ihrer Gesamtsituation gut nachvollziehen. Die Klägerin vermochte offenkundig problemlos von ihrer Tagesgestaltung zu berichten, sie konnte sehr genau die Verteilung haushaltlicher Aufgaben zwischen ihr und ihrem Ehemann und ihrer Lebensführung im Übrigen wiedergeben.

Aber auch anhand der vom Sachverständigen geschilderten Diskrepanzen zwischen dem geklagten und dem tatsächlich beobachtbaren Ausmaß bestehender schmerzbedingter Einschränkungen ist für den Senat gut nachvollziehbar, dass sich hinreichende Anhaltspunkte für ein auch quantitativ herabgesetztes Leistungsvermögen der Klägerin nicht begründen lassen. Während die Klägerin nämlich im Rahmen der Schilderung und Selbsteinschätzung ihrer Beschwerden angegeben hat, sich weder bücken noch strecken zu können, war sie nach Aufforderung sowohl in der Lage, ein Buch hoch über ihr dem Regal zu entnehmen als auch einen Stift vom Boden aufzuheben. Auch im Rahmen des An- und Auskleidens hat sie kein typisches Schon- und Vermeideverhalten gezeigt. Insgesamt ergaben sich nur in dezentem Umfang schmerztypische Verhaltensweisen. Der Senat hält daher die Einschätzung des Sachverständigen Dr. Sch. dahingehend, dass sich nach dem von der Klägerin gewonnenen Gesamteindruck relevante Einschränkungen bei Verrichtung leidensgerechter Tätigkeiten in der Belastungsdauer nicht begründen lassen, für schlüssig und nachvollziehbar und schließt sich dieser Einschätzung gerade in der Zusammenschau von Beschwerdevalidierungstests, gestellten Diagnosen, Inkonsistenzen bei eigenanamnestischen Angaben sowie Diskrepanzen in der Psychopathologie vollumfänglich an.

Der Vortrag von klägerischer Seite hinsichtlich während der Begutachtung durch die Klägerin erhaltener mehrerer Pausen steht dem nicht entgegen. Die Klägerin selbst hat von eigenständig für sie eingerichteten Pausen oder einem Schreiausbruch mit längerer Pause nicht einmal berichtet; insoweit hat der Prozessbevollmächtigte lediglich Schilderungen des Ehemannes der Klägerin wiedergegeben, die dieser ihm gegenüber abgegeben haben will. Der Ehemann will die Klägerin über mehrere Stunden hinweg beobachtet haben, wie sie sich regelmäßig zu Pausen auf dem Hof einfand. Abgesehen davon, dass der Ehemann der Klägerin während der Begutachtung auch selbst anamnestisch befragt worden ist und daher eingebunden war, sind im Gutachtensprotokoll des Sachverständigen derartige Pausen gar nicht vermerkt (vgl. die ergänzende Stellungnahme des Dr. Sch. vom 08. November 2011). Selbst wenn man aber als wahr unterstellte, dass mehrmals kürzere und eine längere Pause im Rahmen der Begutachtung durch die Klägerin eingelegt wurden, so steht das dem Vorhandensein hinreichender Ausdauerfähigkeit nicht entgegen. Weder ist damit zum Ausdruck gebracht, dass entsprechende Pausen nicht möglicherweise sogar im Rahmen von Verteilzeiten entsprechend durchgeführt werden könnten, noch stünde dies der Validität der Einschätzungen des Sachverständigen, der insoweit die Konzentrationsfähigkeit anhand des Gesamtverhaltens der Klägerin innerhalb der durchgeführten Exploration wie auch der Testergebnisse durchgeführt hat, entgegen.

Durch diese insgesamt überzeugende Einschätzung des der Klägerin verbliebenen Restleistungsvermögens sieht der Senat insbesondere die anders lautende sachverständige Zeugenauskunft des Dr. En. vom 22. November 2010 als widerlegt an. Auch der Einschätzung des Sachverständigen Dr. Gü. in seinem Gutachten vom 23. Oktober 2009 vermochte der Senat nicht zu folgen. Das Gutachten stellt bloße Behauptungen auf, ohne diese anhand konkreter Auffälligkeiten im Rahmen der Begutachtungssituation oder des Explorationsgesprächs zu belegen. Woraus er eine depressive Stimmungslage oder einen zurückgezogenen Antrieb ableitet, ergibt sich an keiner Stelle. Die Schilderungen des Tagesablaufs der Klägerin (die im Übrigen auf eine noch gut erhaltene Tagesstrukturierung bei weitgehender Verantwortlichkeit der Klägerin für den Haushalt schließen lassen) stehen daher ohne Bezug zum psychischen Befund. Anhand des mitgeteilten Befundes aber, der - abgesehen von der Depressivität der Stimmung und einem verminderten Antrieb sowie einer verminderten Merkfähigkeit - keine besonderen Auffälligkeiten wiedergibt, lässt sich auch die Diagnose einer schweren depressiven Episode nicht ableiten. Insgesamt stellt das Gutachten daher keine nachvollziehbare Einschätzung der bei der Klägerin noch vorhandenen Ressourcen dar. Insoweit ist daher auch nicht relevant, dass der Gutachter die Befragung der aus seinem Kulturkreis stammenden Klägerin selbst durchführen konnte.

Dass sich eine quantitative Leistungseinschränkung aus den orthopädischen Erkrankungen nicht ergibt, stützt der Senat darauf, dass auch Dr. J. in seiner Auskunft vom 03. November 2010 die wesentlichen Leistungseinschränkungen auf nervenfachärztlichem Gebiet gesehen hat. Schon vor dem Hintergrund dieser Einschätzung des behandelnden Orthopäden hat der Senat sich zur Durchführung weiterer Ermittlungen auf orthopädischem Fachgebiet nicht veranlasst gesehen. Auch Dr. Möl. und Dr. H. sehen Leistungseinschränkungen nur in psychiatrischer Hinsicht; dass dies aber nicht der Fall ist, hat der Sachverständige Dr. Sch., wie ausgeführt, im Einzelnen überzeugend begründet.

Schließlich ergeben sich dem Senat auch keine Anhaltspunkte für eine aufgehobene Wegefähigkeit der Klägerin. Zwar gehört neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit des Versicherten am Arbeitsplatz zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die es dem Versicherten nicht erlaubt, täglich viermal eine Fußstrecke von mehr als 500 Metern in jeweils weniger als 20 Minuten zurückzulegen, stellt bei dem anzuwendenden generalisierenden Maßstab eine derart schwere Leistungseinschränkung dar, dass der Arbeitsmarkt trotz vorhandenem vollschichtigen Leistungsvermögen als verschlossen anzusehen ist (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG -, vgl. z. B. Urteil vom 21. März 2006 - B 5 RJ 51/04 R - SozR 4-2600 § 43 Nr. 8). Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Sch. fanden sich jedoch bei der Klägerin keine wesentlichen Einschränkungen in der Bewegungsfähigkeit, so dass dieser für den Senat auch schlüssig und nachvollziehbar zu der Einschätzung gelangt ist, dass die Klägerin die vom BSG zugrundegelegten Maßstäbe für eine Wegefähigkeit erfüllt. Anhaltspunkte für eine eingeschränkte Gehfähigkeit ergeben sich im Übrigen auch aus den sachverständigen Zeugenauskünften der die Klägerin behandelnde Ärzte an keiner Stelle.

War die gesundheitliche Situation der Klägerin damit insgesamt als vollumfänglich geklärt anzusehen, bestand für den Senat auch keinerlei Veranlassung zur Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens. Insbesondere war die Beauftragung eines Facharztes auf dem Gebiet der Neuropsychologie nicht erforderlich. Die Auswahl des Sachverständigen liegt grundsätzlich beim Gericht. Ein Vorschlagsrecht des Versicherten gibt es im Gerichtsverfahren hierzu nicht. Das Gericht ist insoweit aber gehalten, einen fachkompetenten Gutachter zu finden (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl. 2008, § 118 RdNr. 11c). Dies ist durch die Benennung des Dr. Sch. erfolgt. An dessen ausreichender Kompetenz zur Beurteilung auch neuropsychologischer Zusammenhänge und ihrer Auswirkungen auf das Leistungsvermögen einer Person ergeben sich dem Senat keinerlei Zweifel. Dr. Sch. ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Als solcher hat er ausweislich der Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammer Baden-Württemberg auch spezifisches Wissen auf dem Gebiet der Neurologie (nach Ableistung einer mindestens zwölfmonatigen Weiterbildungszeit in der Neurologie) sowie in der neuropsychologischer Diagnostik vorzuweisen (vgl. etwa die Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg mit Stand vom 01. April 2011, abrufbar unter www.aerztekammer-bw.de, dort unter Abschnitt B "27. Facharzt/Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie" zu Weiterbildungszeit und -inhalt). Im Übrigen sieht Dr. Sch. aufgrund der von ihm durchgeführten Testverfahren Anhaltspunkte für das Vorliegen neuropsychologischer Auffälligkeiten bei der Klägerin nicht als gegeben an. Insbesondere die insoweit von der Klägerin vorgetragene Vergesslichkeit vermochte er nicht zu verifizieren.

Schließlich bestand auch ein Anspruch der Klägerin auf erneute Einholung eines Sachverständigengutachtens gemäß § 109 SGG nicht. Das Antragsrecht der Klägerin nach § 109 SGG ist verbraucht. Das Antragsrecht nach § 109 SGG steht grundsätzlich nur einmal im gesamten Rechtsstreit zur Verfügung. Das Gericht ist nicht verpflichtet, einem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis bestimmter Tatsachen beliebig oft nachzukommen (vgl. LSG, Urteil vom 06. Februar 2006, L 1 U 2572/05 - in juris unter Hinweis auf BSG SozR Nr. 18 zu § 109 SGG; BSG SozR 3-1500 § 109 Nr. 1). Eine wiederholte Antragstellung nach § 109 SGG rechtfertigt sich nur beim Vorliegen besonderer Umstände (vgl. dazu Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 109 SGG, RdNr. 10b). Ein solcher besonderer Umstand liegt hier nicht bereits darin, dass die Klägerin in Dr. Gü. als Sachverständigen einen Facharzt (nur) für Psychiatrie benannt hat. Nach Auffassung des Senats hat ein Kläger im Rahmen seines Antragsrechts nach § 109 SGG auch zu erwägen, worin und damit auf welchem Fachgebiet er die wesentlichen gesundheitlichen Einschränkungen sieht und einen hierzu geeigneten Arzt zu benennen. Das Antragsrecht nach § 109 SGG könnte allenfalls dann neu eröffnet sein, wenn sich im Nachgang zur Ersteinholung wesentliche Neuerungen im Gesundheitszustand ergeben haben. Dies ist bei der Klägerin jedoch gerade nicht der Fall. Sie selbst berichtet von einem seit Jahren unverändert bestehenden Zustand. Auch die beiden im Nachgang zur Begutachtung durch Dr. Sch. vorgelegten Entlassungsberichte über zwei stationäre Aufenthalt der Klägerin (vom 08. bis 10. November 2011 in der Notaufnahme des C.-Krankenhauses B. M., vgl. Entlassbericht vom 09. November 2011, sowie vom 16. bis 25. November 2011 in der Gastroenterologie/Rheumatologie der Stiftung J.-spital W., Bericht vom 25. November 2011) ergeben lediglich die Einweisung der Klägerin aufgrund einer passageren Erkrankung (Mallory-Weiß-Läsion) ohne überdauernden Schaden und belegen weiterhin das Fortbestehen der schon bekannten Schmerzerkrankung. Anhaltspunkte für eine wesentliche Verschlimmerung des Gesundheitszustandes lassen sich diesen Berichten nicht entnehmen. Entsprechend ergibt sich auch ein Anspruch der Klägerin auf erneute Befragung des Sachverständigen Dr. Gü., der in der ersten Instanz auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG ein Gutachten erstattet hatte, gemäß § 109 SGG nicht.

2. Der Klägerin steht auch ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht zu.

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit haben nach § 240 Abs. 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Art. 1 Nr. 61 des RV-Altergrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, 554) auch Versicherte, die vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs unter besonderen Anforderung ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. Urteil vom 29. März 1994 - 13 RJ 35/93 - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45; Urteil vom 25. Juli 2001 - B 8 KN 14/00 R - SozR 3-2600 § 43 Nr. 26) die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Entsprechend diesem so genannten Mehrstufenschema werden die Arbeiterberufe durch Gruppen mit den Leitberufen des Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert. Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an. Eine Verweisung kann nur auf einen Beruf derselben qualitativen Stufe oder der nächst niedrigeren erfolgen (BSG, Urteil vom 29. Juli 2004 - B 4 RA 5/04 R - in juris).

Die Klägerin, die keinen Beruf erlernt hat, hat Zeit ihres Erwerbslebens nur ungelernte Tätigkeiten, allenfalls aber Anlerntätigkeiten im unteren Bereich verrichtet. Dies trifft sowohl auf die zuletzt von ihr verrichtete Tätigkeit als Küchenhilfe, als auch auf die Tätigkeiten als Reinigungskraft sowie als Portioniererin am Band zu. Ausgehend davon war die Klägerin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, auf welchem sie, wie ausgeführt, noch voll erwerbsfähig ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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