L 3 AL 3725/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 1478/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 3725/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Juli 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen ein Schreiben der Beklagten an dessen ehemalige Arbeitgeberin, die TUJA Zeitarbeit GmbH (T GmbH), mit welchem dieser mitteilt wurde, dass bestehende Ansprüche des Klägers aus seinem ehemaligen Arbeitsverhältnis auf sie übergegangen seien.

Der am 18.01.1975 geborene Kläger stand mit Unterbrechungen im langjährigen Bezug von Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Er führte und führt deswegen vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) zahlreiche Rechtsstreitigkeiten gegen die Beklagte. Er war vom 25.08. - 09.09.2008 bei der T GmbH als Energieelektroniker versicherungspflichtig beschäftigt. Ab dem 09.09.2008 bezog der Kläger von der Beklagten (zunächst vorläufig) Arbeitslosengeld bis zum 07.04.2009. Im Rahmen seines Antrages auf Arbeitslosengeld vom 08.09.2009 gab der Kläger an, er mache gegenüber der T GmbH noch Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis vor dem Arbeitsgericht geltend.

Mit Schreiben vom 10.09.2008 teilte die Beklagte der T GmbH mit, dass, sofern der arbeitslosengeldbeziehende Kläger Arbeitsentgelt, eine Urlaubsabgeltung oder eine Abfindung beanspruchen könne, diese jedoch tatsächlich nicht erhalte, die Ansprüche gegen den Arbeitgeber auf sie übergingen. Gleichfalls mit Schreiben vom 10.09.2008 informierte die Beklagte den Kläger darüber, dass evtl. bestehende Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis wegen der Leistungsgewährung nach §§ 143 Abs. 3, 143a Abs. 4 SGB III nach § 115 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) auf sie übergegangen seien.

Hiergegen legte der Kläger am 12.09.2008 Widerspruch ein und forderte die Beklagte auf, seiner ehemaligen Arbeitgeberin die Gegenstandslosigkeit des Schreibens vom 10.09.2009 mitzuteilen. Es bestehe mit seiner ehemaligen Arbeitgeberin nur Streit hinsichtlich seiner Lohnansprüche für den Zeitraum vom 25.08. - 08.09.2008, Arbeitslosengeld sei ihm jedoch erst ab dem 09.09.2009 bewilligt worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.03.2009 verwarf die Beklagte den Widerspruch als unzulässig. Sie führte u.a. aus, bei dem Schreiben vom 10.09.2008 handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt, da Rechte des Klägers hierdurch weder begründet noch geändert, entzogen oder festgestellt worden seien.

Hiergegen hat der Kläger am 02.04.2009 Klage zum SG erhoben. Zu deren Begründung hat er vorgebracht, bei der gebotenen Auslegung sei das Schreiben der Beklagten vom 10.09.2008 als Verwaltungsakt anzusehen. Das LSG habe bereits entschieden, der Beklagten stehe keine Befugnis zu, Verwaltungsakte mit Wirkung gegenüber Dritten zu erlassen. Am 03.07.2009 hat der Kläger den damaligen Vorsitzenden der zuständigen Kammer wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zuletzt hat der Kläger die Überlassung einer Kopie der Akten sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten.

Nach Anhörung der Beteiligten (gerichtliches Schreiben vom 08.06.2010, dem Kläger zugestellt am 12.06.2010) hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30.07.2010 abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, das Befangenheitsgesuch hindere das Gericht nicht daran, in der Sache zu entscheiden, da dieses gegen den früheren Vorsitzenden gerichtet sei. Dem Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht sei nicht zu entsprechen, da dieser als grob rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren sei. Die Klage sei unbegründet, da das Schreiben der Beklagten vom 10.09.2008 kein Verwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X sei und die Beklagte daher den Widerspruch des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen habe.

Gegen den am 07.08.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 09.08.2010 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt er vor, der Gerichtsbescheid erschöpfe sich in Lügen. Ob die Überleitungsanzeige ein Verwaltungsakt sei, könne nur im Wege einer Revision geklärt werden. Seit dem 13.09.2011 befindet sich der Kläger in Untersuchungshaft.

Der Kläger beantragt (zweckdienlich gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Juli 2010 und das Schreiben der Beklagten vom 10. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2009 aufzuheben und festzustellen, dass das Verhalten der Beklagten rechtswidrig war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die bei der Beklagten für den streitgegenständlichen Vorgang geführte Verwaltungsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2012 wurden, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2012 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung führt für den Kläger nicht zum Erfolg.

Der Senat konnte über die Berufung entscheiden, obschon der Kläger zu der mündlichen Verhandlung am 08.02.2012 nicht erschienen ist. Der Kläger wurde ordnungsgemäß durch Übergabe der Ladung in der Justizvollzugsanstalt geladen und auf die Möglichkeit einer Entscheidung in seiner Abwesenheit hingewiesen. Der Umstand, dass sich der Kläger seit dem 13.09.2011 in Untersuchungshaft befindet, ändert hieran, wie der Senat bereits in seinen Urteilen vom 21.09.2011 u.a. in den Verfahren - L 3 AL 2514/10 -, - L 3 AL 2521/10 -, - L 3 AL 2641/10 - und vom 19.10.2011 u.a. in den Verfahren - L 3 AL 3913/11 -, - L 3 AL 3819/11 -, L 3 AL 3917/11 - entschieden hat, nichts. Der Kläger ist vielmehr, da sein persönliches Erscheinen nicht angeordnet war, wie jeder andere Prozessbeteiligte zu behandeln, dem das Erscheinen zur mündlichen Verhandlung freigestellt worden ist (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 21.06.1983 - 4 RJ 3/83 - veröffentlicht in juris).

Der Senat war auch nicht verpflichtet, dem Kläger, wie von ihm sinngemäß auch im Berufungsverfahren beantragt, eine Kopie der Verfahrens- und Verwaltungsakte zu fertigen und zur Verfügung zu stellen, da der Kläger den mit Schreiben vom 11.04.2011 angeforderten Kostenvorschuss nicht geleistet hat. Der Antrag ist überdies, da der Kläger eine Kopie der gesamten Akte begehrt hat, ohne ihn auf konkrete Aktenteile zu begrenzen, rechtsmissbräuchlich (Beschluss des erkennenden Senats vom 29.06.2011 - L 3 AL 1928/11 B -; Urteile des erkennenden Senats vom 21.09.2011, a.a.O.).

Die statthafte Berufung (§ 143 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) wurde form- und fristgerecht eingelegt (vgl. § 151 Abs. 1 SGG); sie ist zulässig. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 27.03.2008, in dessen Gestalt die angegriffene Entscheidung Gegenstand des Verfahrens wird (vgl. § 95 SGG), mit dem diese den Widerspruch des Klägers gegen das Schreiben vom 10.09.2008 als unzulässig verworfen hat, ist rechtmäßig. Ein Widerspruch ist nur gegen Verwaltungsakte zulässig (vgl. § 78 Abs. 1 SGG). Das Schreiben der Beklagten vom 10.09.2008 stellt jedoch keinen solchen dar. Nach § 31 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.

Die Beklagte hat weder mit ihrem Schreiben vom 10.09.2008 gegenüber der T GmbH noch mit ihrem Schreiben vom gleichen Tag an den Kläger eine Regelung getroffen, sondern nur auf die Regelung des § 115 SGB X hingewiesen. Gemäß § 115 Abs. 1 SGB X geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber bis zu der Höhe der erbrachten Sozialleistungen auf den Leistungsträger über, soweit der Arbeitgeber des Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt und deshalb ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat. Die Beklagte wird hierdurch im Wege eines gesetzlichen Forderungsübergangs anstelle des Arbeitnehmers Gläubiger des Arbeitgebers, ohne dass es hierzu der Feststellung durch Verwaltungsakt bedürfte bzw. eine solche zulässig wäre (BSG, Urteil vom 14.07.1994 - 7 RAr 104/93 - veröffentlicht in juris). Da die Beklagte hierbei auch nicht den Anschein eines Verwaltungsaktes erweckt hat - das Schreiben ist weder als "Bescheid" bezeichnet noch beinhaltet es eine Rechtsbehelfsbelehrung -, stellt das Schreiben vom 09.03.2009 keinen Verwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X dar. Die Verwerfung des Widerspruchs als unzulässig ist daher nicht zu beanstanden.

Der Antrag festzustellen, dass das Verhalten der Beklagten rechtswidrig gewesen ist, ist demzufolge jedenfalls unbegründet.

Die Berufung ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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