Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 443/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3885/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 11.08.2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Der im Jahr 1956 geborene Kläger verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung und war zuletzt von April 1990 bis März 2004 als ungelernter Staplerfahrer bei einem Betonwerk beschäftigt (Arbeitgeberangaben Bl. 20 VA). Seither ist der Kläger arbeitslos, ab dem Jahr 2007 wurde er langfristig arbeitsunfähig geschrieben.
Der Kläger leidet an einer Funktionseinschränkung des rechten Kniegelenks bei Gonarthrose, einer Meniskus- und Kreuzbandschädigung, einer Funktionseinschränkung des rechten unteren Sprunggelenks bei arthrotischer Veränderung, schmerzhaften Funktionsstörungen der Wirbelsäule und der rechten Schulter, einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung, einer hypertensiven Herzerkrankung mit Herzinsuffizienz, einem metabolischen Syndrom mit Diabetes mellitus, einem arteriellen Bluthochdruck und Adipositas (zuletzt 150 kg bei einer Körpergröße von 189 cm, Bl. 133 SG-Akte) nebst Hypoventilations-/Schlafapnoesyndrom (mit nächtlicher Heimbeatmung), einer Hyperurikämie und einer Hypertriglyceridämie (so im Wesentlichen übereinstimmend der Gutachter Dr. L. , Bl. M4 VA und die Sachverständigen Dr. M. und Dr. H. , Bl. 73 ff. und 126 ff. SG-Akte). Der Kläger ist geschieden. Er bewohnt mit einem seiner Söhne und dessen Ehefrau eine Wohnung, zu der eine ca. 40 qm große Rasenfläche gehört. Der Kläger beteiligt sich an der Haus- und Gartenarbeit (Angaben des Klägers gegenüber Dr. H. , Bl. 129ff SG-Akte). Für längere Gehstrecken (ab 20 Meter) benutzt der Kläger, der über keine Fahrerlaubnis mehr verfügt, einen Rollator (Angabe des Klägers a.a.O, Bl. 131).
Im Rahmen einer vom 07.01. bis 05.02.2009 in der REHA-Klinik H.-K. (Innere Medizin/Kardiologie) durchgeführten stationären Rehabilitationsmaßnahme wurde u.a. das Gehvermögen des Klägers getestet. Im 6-Minuten-Gehtest ergab sich zuletzt eine Gehstrecke von 453 Meter mit Rollator (Bl. 57 SG-Akte). Der Kläger, der am 20.01.2009 bei der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente beantragt hatte, wurde aus der Rehabilitationsmaßnahme mit einem Leistungsvermögen für vollschichtige leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten in überwiegend sitzender, teilweise stehender und gehender Position unter Ausschluss von mehr als gelegentlichem Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über 10 bis 15 kg, regelmäßigem Bücken, Zwangshaltungen, sowie Ersteigen von Treppen und Gerüsten entlassen. Den Rentenantrag lehnte die Beklagte, die im Widerspruchsverfahren zusätzlich das Gutachten des Facharztes für Innere Medizin, Sozialmedizin Dr. L. einholte, mit Bescheid vom 08.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.02.2010 ab. Sie verwies den Kläger, dessen letzte Beschäftigung als Staplerfahrer dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters zuzuordnen sei, auf sämtliche ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.
Deswegen hat der Kläger am 01.03.2010 beim Sozialgericht Konstanz Klage erhoben. Das Sozialgericht hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Der Orthopäde Dr. B. hat den Kläger in Bezug auf den zuletzt im November 2009 von ihm erhobenen Befund in der Lage erachtet, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H. hat den Kläger hingegen auch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr für einsetzbar gehalten. Der Kläger habe angegeben, für eine Gehstrecke von 500 Meter unter Einsatz des Rollators wegen Atemnot, Knie- und Fußschmerzen mehr als 20 Minuten zu benötigen.
Ferner hat das Sozialgericht den Facharzt für Innere Medizin Dr. M. und den Orthopäden und Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. H. mit der Erstellung von Gutachten beauftragt. Dr. M. hat im Wesentlichen das von den Ärzten der REHA-Klinik H.-K. beschriebene Leistungsbild bestätigt und den Kläger unter Bezugnahme auf den während des REHA-Aufenthalts durchgeführten Gehtest und der bei der Ergometrie am 24.09.2010 erbrachten Leistung von 100 Watt auch für in der Lage erachtet, arbeitstäglich vier Mal eine Gehstrecke von über 500 Meter in weniger als 20 Minuten (sog. Wegefähigkeit) zurückzulegen. Im Unterschied zur Zeugenaussage von Dr. H. habe der Kläger ihm gegenüber angegeben, er könne bis zu 200 Meter gehen, bevor er wegen Kniegelenksbeschwerden und Luftnot eine Pause einlege. Zudem habe der Kläger im Vergleich zu den Angaben des Zeugen Dr. H. bei der jetzigen Begutachtung weniger gewogen (143,6 kg statt zuvor 160 kg), wodurch die Belastung durch die Adipositas erheblich reduziert sei. Der Kläger hat verschiedene Einwendungen gegen das Gutachten von Dr. M. erhoben, zu denen dieser unter Beibehaltung seiner Auffassung Stellung genommen hat. Den zuletzt vom Kläger gegen Dr. M. gestellten Befangenheitsantrag hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 01.03.2011 als jedenfalls unbegründet abgelehnt.
Dr. H. hat nach Untersuchung des Klägers am 18.05.2011 u.a. ein etwas schwankendes Gangbild und eine permanente Schonhaltung des Rumpfes bei einem gleichzeitig teilweise unübersehbar leidensbetonten Verhalten beschrieben. Trotz einer aus seiner orthopädischen Sicht Fülle von Problemen hat er im Ergebnis das von Dr. L. beschriebene Leistungsbild im Wesentlichen bestätigt. Hinsichtlich der Wegefähigkeit hat er es zwar für denkbar gehalten, dass insbesondere unter dem Einfluss ungünstiger Witterungsverhältnisse oder ungewohnter Belastungen vorübergehende zusätzliche entzündliche Reizzustände in den arthrotisch verformten Gelenken auftreten könnten, die dann die Gehfähigkeit vorübergehend (für Tage bis wenige Woche) so weit einschränkten, dass diese Gehstrecken vorübergehend nicht mehr zu Fuß bewältigt werden könnten. Im Übrigen ist er jedoch davon ausgegangen, dass der Kläger unter Benutzung des Rollators eine Wegstrecke von 500 Meter in deutlich weniger als 20 Minuten zurücklegen könne.
Mit Gerichtsbescheid vom 11.08.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Gestützt auf den Entlassungsbericht der REHA-Klinik H.-K. sowie die Gutachten von Dr. L. , Dr. M. und Dr. H. hat sich das Sozialgericht überzeugt gezeigt, dass der Kläger noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit einigen qualitativen Einschränkungen (vorwiegend im Sitzen, ohne längeres Stehen und längere Gehstrecken, ohne häufiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 10 kg ohne technische Hilfsmittel, ohne Ersteigen von Leitern und Gerüsten, mit nur gelegentlichem Treppensteigen unter Benutzung eines stabilen Handlaufs, ohne Bücken, Hocken und Zwangshaltungen, ohne Arbeiten auf unebenem Gelände, in Tagesschicht, ohne Akkord- und Fließbandarbeit, unter Berücksichtigung einer Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit beider Hände durch die Funktionsstörung in den Schultergelenken sowie ohne mechanisch besonders belastende Handarbeiten, ohne Tätigkeiten in Nässe, Kälte, Zugluft, stark schwankenden Temperaturen und mit inhalativen Belastungen) verrichten könne. Der Kläger sei nach der übereinstimmenden Beurteilung von Dr. M. und Dr. H. jedenfalls im Regelfall in der Lage, arbeitstäglich vier Mal eine Gehstrecke von über 500 Meter ggf. unter Benutzung des Rollators in einer Zeit von weniger als 20 Minuten zurücklegen. Er habe zuletzt eine Beschäftigung als ungelernter Arbeiter ausgeführt und sei daher breit, d.h. auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar.
Gegen den ihm am 17.08.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 09.09.2011 Berufung eingelegt. Er trägt vor, das Sozialgericht habe seine gesundheitlichen Einschränkungen nicht ausreichend gewürdigt. Auch in den Gutachten seien diese nicht ausreichend festgestellt. Er sei nicht wegefähig.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 11.08.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.02.2010 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt zur Erwiderung vor, die Berufungsbegründung ergebe keine neuen Gesichtspunkte, die eine Änderung ihres bisherigen Standpunktes zuließen.
Mit Beschluss vom 11.10.2011 hat der Senat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren abgelehnt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Gegenstand des Rechtsstreits ist - wie der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt hat - allein die Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Das Sozialgericht hat diese Vorschrift umfassend und zutreffend dargestellt und wiederum umfassend begründet zu Recht einen Rentenanspruch verneint. Der Senat sieht daher gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen des Klägers hält der Senat an seinen Ausführungen in dem dem Kläger am 11.10.2011 zugegangenen Beschluss über die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe fest. Danach gilt:
Das Sozialgericht hat gestützt auf die von ihm eingeholten Gutachten von Dr. M. und Dr. H. zutreffend ausgeführt, dass das Leistungsvermögen des Klägers trotz der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht auf ein rentenberechtigendes Ausmaß herabge¬sunken ist. Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren kann der Kläger mit seinem Begehren nicht erfolgreich sein. Soweit der Kläger pauschal vorträgt, das Sozialgericht habe seine gesundheitlichen Einschränkungen und Probleme nicht ausreichend gewürdigt, kann dies der Senat nicht nachvollziehen. Denn das So¬zialgericht hat die beim Kläger vorliegenden Funktionseinschränkungen und Gesundheitsstörungen auf Seite 7 des angefochtenen Gerichtsbescheids aus Sicht des Senats aus¬führlich dargestellt (Funktionseinschränkung des rechten Kniegelenks bei Gonarthrose, Menis¬kus- und Kreuzbandschädigung, Funktionseinschränkung des rechten unteren Sprunggelenks bei arthrotischer Veränderung, schmerzhafte Funktionsstörung der Wirbelsäule, schmerzhafte Funk¬tionsstörung der rechten Schulter, chronisch obstruktive Lungenerkrankung, Adipositas-Hypoventilations-syndrom, hypertensive Herzerkrankung mit Herzinsuffizienz, metabolisches Syndrom mit Diabetes mellitus, arterieller Bluthochdruck und Adipositas, Schlafapnoesyndrom, Hyperurikämie und Hypertriglyzeridämie). Es ist nicht ersichtlich, dass das Sozialgericht we¬sentliche Funktionseinschränkungen oder Gesundheitsstörungen außer Acht gelassen hat. Ent¬sprechendes gilt für den Einwand des Klägers, die vom Sozialgericht herangezogenen Sachver¬ständigen Dr. M. und Dr. H. hätten seine gesundheitlichen Störungen nicht ausreichend festgestellt. Denn dem eben dargestellten Funktionseinschränkungen und Gesundheitsstörungen liegen die Gutachten dieser Sachverständigen zu Grunde. Aus den weiteren medizinischen Unterlagen, insbesondere dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. L. und den sachverständigen Zeugenaussagen des Orthopäden Dr. B. und des Allgemeinmediziners Dr. Hamm, gehen keine weiteren wesentlichen Funktionsbeeinträchtigungen oder Gesundheitsstörungen hervor. Vielmehr stehen die im Wesentlichen übereinstimmenden Leistungseinschätzungen von Dr. M. und Dr. H. (leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen sind sechs Stunden möglich) ihrerseits in Übereinstimmung mit den Auffassungen des sachverständigen Zeugen Dr. B. und des Gutachters Dr. L ... Die gegenteilige Auffassung von Dr. H. hat sich durch die gerichtliche Sachaufklärung nicht bestätigt.
Soweit der Kläger zur Begründung der Berufung pauschal vorträgt, eine Gehstrecke von über 500 m in weniger als 20 Minuten nicht absolvieren zu können, hat sich das Sozialgericht wiederum auf der Grundlage der Gutachten von Dr. M. und Dr. H. hierzu nachvollziehbar eine andere Überzeugung gebildet. Insbesondere hat Dr. M. unter Bezugnahme auf den REHA-Entlassungsbericht und der dort unter Verwendung des Rollators gemessenen Gehzeiten schlüssig dargelegt, dass die Wegefähigkeit gegeben ist. Dafür spricht auch, dass der Kläger bei der Begutachtung durch Dr. H. angegeben hat, zu Fuß seinen Arzt und die umliegenden Geschäfte in einer Entfernung von ca. 500 Meter aufzusuchen. Das Sozialgericht hat ausgehend von den Ausführungen des Dr. H. berücksichtigt, dass bei vorübergehenden Verschlimmerungen der Beschwerden des Klägers durchaus damit zu rechnen ist, dass die Wegefähigkeit an einzelnen Tagen nicht gegeben ist. Dies führt jedoch nicht zur generellen Verneinung der Wegefähigkeit und damit zu einem Rentenanspruch. Vielmehr ist dann nur von vorübergehender Arbeitsunfähigkeit auf Grund einer akuten Verschlechterung auszugehen.
Soweit der Kläger zur Begründung der Berufung weiter vorträgt, es lägen "nicht nur qualitative" Einschränkungen, sondern "sehr starke qualitative Einschränkungen" vor, ergibt sich auch daraus kein Rentenanspruch. Das Sozialgericht hat die im Einzelnen zu beachtenden qualitativen Einschränkungen auf Seite 7 des angefochtenen Gerichtsbescheids umfassend dargestellt. Diese reichen jedoch nicht aus, um einen Rentenanspruch zu begründen. Insbesondere handelt es sich bei diesen Einschränkungen nicht um eine Summierung ungewöhnlicher Einschränkungen auf Grund derer von einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auszugehen wäre. Auf das Wesentliche zusammengefasst, besteht eine Einschränkung auf leichte Tätigkeiten, überwiegend im Sitzen ohne längeres Stehen und Gehen und - wegen der Schulterbeschwerden - ohne mechanisch besonders belastende Handarbeiten wie Hämmern, Bohren, Schrauben, Sägen. Dies erfordert für den Bereich der ungelernten Tätigkeiten, auf die der Kläger verwiesen werden kann, keine ungewöhnliche Arbeitsplatzgestaltung. Weiter ist darauf hinzuweisen, dass praktisch schlechte Vermittlungsaussichten des Klägers als Arbeitsmarktrisiko nicht von der Beklagten zu tragen sind.
Diese im Prozesskostenhilfeverfahren nach summarischer Prüfung gewonnene Auffassung hält der Senat auch nach einer endgültigen Prüfung für zutreffend. Auch aus dem zuletzt vorgelegten Befundbericht ergeben sich keine weiteren, zusätzlichen funktionellen Einschränkungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Der im Jahr 1956 geborene Kläger verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung und war zuletzt von April 1990 bis März 2004 als ungelernter Staplerfahrer bei einem Betonwerk beschäftigt (Arbeitgeberangaben Bl. 20 VA). Seither ist der Kläger arbeitslos, ab dem Jahr 2007 wurde er langfristig arbeitsunfähig geschrieben.
Der Kläger leidet an einer Funktionseinschränkung des rechten Kniegelenks bei Gonarthrose, einer Meniskus- und Kreuzbandschädigung, einer Funktionseinschränkung des rechten unteren Sprunggelenks bei arthrotischer Veränderung, schmerzhaften Funktionsstörungen der Wirbelsäule und der rechten Schulter, einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung, einer hypertensiven Herzerkrankung mit Herzinsuffizienz, einem metabolischen Syndrom mit Diabetes mellitus, einem arteriellen Bluthochdruck und Adipositas (zuletzt 150 kg bei einer Körpergröße von 189 cm, Bl. 133 SG-Akte) nebst Hypoventilations-/Schlafapnoesyndrom (mit nächtlicher Heimbeatmung), einer Hyperurikämie und einer Hypertriglyceridämie (so im Wesentlichen übereinstimmend der Gutachter Dr. L. , Bl. M4 VA und die Sachverständigen Dr. M. und Dr. H. , Bl. 73 ff. und 126 ff. SG-Akte). Der Kläger ist geschieden. Er bewohnt mit einem seiner Söhne und dessen Ehefrau eine Wohnung, zu der eine ca. 40 qm große Rasenfläche gehört. Der Kläger beteiligt sich an der Haus- und Gartenarbeit (Angaben des Klägers gegenüber Dr. H. , Bl. 129ff SG-Akte). Für längere Gehstrecken (ab 20 Meter) benutzt der Kläger, der über keine Fahrerlaubnis mehr verfügt, einen Rollator (Angabe des Klägers a.a.O, Bl. 131).
Im Rahmen einer vom 07.01. bis 05.02.2009 in der REHA-Klinik H.-K. (Innere Medizin/Kardiologie) durchgeführten stationären Rehabilitationsmaßnahme wurde u.a. das Gehvermögen des Klägers getestet. Im 6-Minuten-Gehtest ergab sich zuletzt eine Gehstrecke von 453 Meter mit Rollator (Bl. 57 SG-Akte). Der Kläger, der am 20.01.2009 bei der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente beantragt hatte, wurde aus der Rehabilitationsmaßnahme mit einem Leistungsvermögen für vollschichtige leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten in überwiegend sitzender, teilweise stehender und gehender Position unter Ausschluss von mehr als gelegentlichem Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über 10 bis 15 kg, regelmäßigem Bücken, Zwangshaltungen, sowie Ersteigen von Treppen und Gerüsten entlassen. Den Rentenantrag lehnte die Beklagte, die im Widerspruchsverfahren zusätzlich das Gutachten des Facharztes für Innere Medizin, Sozialmedizin Dr. L. einholte, mit Bescheid vom 08.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.02.2010 ab. Sie verwies den Kläger, dessen letzte Beschäftigung als Staplerfahrer dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters zuzuordnen sei, auf sämtliche ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.
Deswegen hat der Kläger am 01.03.2010 beim Sozialgericht Konstanz Klage erhoben. Das Sozialgericht hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Der Orthopäde Dr. B. hat den Kläger in Bezug auf den zuletzt im November 2009 von ihm erhobenen Befund in der Lage erachtet, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H. hat den Kläger hingegen auch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr für einsetzbar gehalten. Der Kläger habe angegeben, für eine Gehstrecke von 500 Meter unter Einsatz des Rollators wegen Atemnot, Knie- und Fußschmerzen mehr als 20 Minuten zu benötigen.
Ferner hat das Sozialgericht den Facharzt für Innere Medizin Dr. M. und den Orthopäden und Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. H. mit der Erstellung von Gutachten beauftragt. Dr. M. hat im Wesentlichen das von den Ärzten der REHA-Klinik H.-K. beschriebene Leistungsbild bestätigt und den Kläger unter Bezugnahme auf den während des REHA-Aufenthalts durchgeführten Gehtest und der bei der Ergometrie am 24.09.2010 erbrachten Leistung von 100 Watt auch für in der Lage erachtet, arbeitstäglich vier Mal eine Gehstrecke von über 500 Meter in weniger als 20 Minuten (sog. Wegefähigkeit) zurückzulegen. Im Unterschied zur Zeugenaussage von Dr. H. habe der Kläger ihm gegenüber angegeben, er könne bis zu 200 Meter gehen, bevor er wegen Kniegelenksbeschwerden und Luftnot eine Pause einlege. Zudem habe der Kläger im Vergleich zu den Angaben des Zeugen Dr. H. bei der jetzigen Begutachtung weniger gewogen (143,6 kg statt zuvor 160 kg), wodurch die Belastung durch die Adipositas erheblich reduziert sei. Der Kläger hat verschiedene Einwendungen gegen das Gutachten von Dr. M. erhoben, zu denen dieser unter Beibehaltung seiner Auffassung Stellung genommen hat. Den zuletzt vom Kläger gegen Dr. M. gestellten Befangenheitsantrag hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 01.03.2011 als jedenfalls unbegründet abgelehnt.
Dr. H. hat nach Untersuchung des Klägers am 18.05.2011 u.a. ein etwas schwankendes Gangbild und eine permanente Schonhaltung des Rumpfes bei einem gleichzeitig teilweise unübersehbar leidensbetonten Verhalten beschrieben. Trotz einer aus seiner orthopädischen Sicht Fülle von Problemen hat er im Ergebnis das von Dr. L. beschriebene Leistungsbild im Wesentlichen bestätigt. Hinsichtlich der Wegefähigkeit hat er es zwar für denkbar gehalten, dass insbesondere unter dem Einfluss ungünstiger Witterungsverhältnisse oder ungewohnter Belastungen vorübergehende zusätzliche entzündliche Reizzustände in den arthrotisch verformten Gelenken auftreten könnten, die dann die Gehfähigkeit vorübergehend (für Tage bis wenige Woche) so weit einschränkten, dass diese Gehstrecken vorübergehend nicht mehr zu Fuß bewältigt werden könnten. Im Übrigen ist er jedoch davon ausgegangen, dass der Kläger unter Benutzung des Rollators eine Wegstrecke von 500 Meter in deutlich weniger als 20 Minuten zurücklegen könne.
Mit Gerichtsbescheid vom 11.08.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Gestützt auf den Entlassungsbericht der REHA-Klinik H.-K. sowie die Gutachten von Dr. L. , Dr. M. und Dr. H. hat sich das Sozialgericht überzeugt gezeigt, dass der Kläger noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit einigen qualitativen Einschränkungen (vorwiegend im Sitzen, ohne längeres Stehen und längere Gehstrecken, ohne häufiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 10 kg ohne technische Hilfsmittel, ohne Ersteigen von Leitern und Gerüsten, mit nur gelegentlichem Treppensteigen unter Benutzung eines stabilen Handlaufs, ohne Bücken, Hocken und Zwangshaltungen, ohne Arbeiten auf unebenem Gelände, in Tagesschicht, ohne Akkord- und Fließbandarbeit, unter Berücksichtigung einer Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit beider Hände durch die Funktionsstörung in den Schultergelenken sowie ohne mechanisch besonders belastende Handarbeiten, ohne Tätigkeiten in Nässe, Kälte, Zugluft, stark schwankenden Temperaturen und mit inhalativen Belastungen) verrichten könne. Der Kläger sei nach der übereinstimmenden Beurteilung von Dr. M. und Dr. H. jedenfalls im Regelfall in der Lage, arbeitstäglich vier Mal eine Gehstrecke von über 500 Meter ggf. unter Benutzung des Rollators in einer Zeit von weniger als 20 Minuten zurücklegen. Er habe zuletzt eine Beschäftigung als ungelernter Arbeiter ausgeführt und sei daher breit, d.h. auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar.
Gegen den ihm am 17.08.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 09.09.2011 Berufung eingelegt. Er trägt vor, das Sozialgericht habe seine gesundheitlichen Einschränkungen nicht ausreichend gewürdigt. Auch in den Gutachten seien diese nicht ausreichend festgestellt. Er sei nicht wegefähig.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 11.08.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.02.2010 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt zur Erwiderung vor, die Berufungsbegründung ergebe keine neuen Gesichtspunkte, die eine Änderung ihres bisherigen Standpunktes zuließen.
Mit Beschluss vom 11.10.2011 hat der Senat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren abgelehnt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Gegenstand des Rechtsstreits ist - wie der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt hat - allein die Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Das Sozialgericht hat diese Vorschrift umfassend und zutreffend dargestellt und wiederum umfassend begründet zu Recht einen Rentenanspruch verneint. Der Senat sieht daher gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen des Klägers hält der Senat an seinen Ausführungen in dem dem Kläger am 11.10.2011 zugegangenen Beschluss über die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe fest. Danach gilt:
Das Sozialgericht hat gestützt auf die von ihm eingeholten Gutachten von Dr. M. und Dr. H. zutreffend ausgeführt, dass das Leistungsvermögen des Klägers trotz der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht auf ein rentenberechtigendes Ausmaß herabge¬sunken ist. Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren kann der Kläger mit seinem Begehren nicht erfolgreich sein. Soweit der Kläger pauschal vorträgt, das Sozialgericht habe seine gesundheitlichen Einschränkungen und Probleme nicht ausreichend gewürdigt, kann dies der Senat nicht nachvollziehen. Denn das So¬zialgericht hat die beim Kläger vorliegenden Funktionseinschränkungen und Gesundheitsstörungen auf Seite 7 des angefochtenen Gerichtsbescheids aus Sicht des Senats aus¬führlich dargestellt (Funktionseinschränkung des rechten Kniegelenks bei Gonarthrose, Menis¬kus- und Kreuzbandschädigung, Funktionseinschränkung des rechten unteren Sprunggelenks bei arthrotischer Veränderung, schmerzhafte Funktionsstörung der Wirbelsäule, schmerzhafte Funk¬tionsstörung der rechten Schulter, chronisch obstruktive Lungenerkrankung, Adipositas-Hypoventilations-syndrom, hypertensive Herzerkrankung mit Herzinsuffizienz, metabolisches Syndrom mit Diabetes mellitus, arterieller Bluthochdruck und Adipositas, Schlafapnoesyndrom, Hyperurikämie und Hypertriglyzeridämie). Es ist nicht ersichtlich, dass das Sozialgericht we¬sentliche Funktionseinschränkungen oder Gesundheitsstörungen außer Acht gelassen hat. Ent¬sprechendes gilt für den Einwand des Klägers, die vom Sozialgericht herangezogenen Sachver¬ständigen Dr. M. und Dr. H. hätten seine gesundheitlichen Störungen nicht ausreichend festgestellt. Denn dem eben dargestellten Funktionseinschränkungen und Gesundheitsstörungen liegen die Gutachten dieser Sachverständigen zu Grunde. Aus den weiteren medizinischen Unterlagen, insbesondere dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. L. und den sachverständigen Zeugenaussagen des Orthopäden Dr. B. und des Allgemeinmediziners Dr. Hamm, gehen keine weiteren wesentlichen Funktionsbeeinträchtigungen oder Gesundheitsstörungen hervor. Vielmehr stehen die im Wesentlichen übereinstimmenden Leistungseinschätzungen von Dr. M. und Dr. H. (leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen sind sechs Stunden möglich) ihrerseits in Übereinstimmung mit den Auffassungen des sachverständigen Zeugen Dr. B. und des Gutachters Dr. L ... Die gegenteilige Auffassung von Dr. H. hat sich durch die gerichtliche Sachaufklärung nicht bestätigt.
Soweit der Kläger zur Begründung der Berufung pauschal vorträgt, eine Gehstrecke von über 500 m in weniger als 20 Minuten nicht absolvieren zu können, hat sich das Sozialgericht wiederum auf der Grundlage der Gutachten von Dr. M. und Dr. H. hierzu nachvollziehbar eine andere Überzeugung gebildet. Insbesondere hat Dr. M. unter Bezugnahme auf den REHA-Entlassungsbericht und der dort unter Verwendung des Rollators gemessenen Gehzeiten schlüssig dargelegt, dass die Wegefähigkeit gegeben ist. Dafür spricht auch, dass der Kläger bei der Begutachtung durch Dr. H. angegeben hat, zu Fuß seinen Arzt und die umliegenden Geschäfte in einer Entfernung von ca. 500 Meter aufzusuchen. Das Sozialgericht hat ausgehend von den Ausführungen des Dr. H. berücksichtigt, dass bei vorübergehenden Verschlimmerungen der Beschwerden des Klägers durchaus damit zu rechnen ist, dass die Wegefähigkeit an einzelnen Tagen nicht gegeben ist. Dies führt jedoch nicht zur generellen Verneinung der Wegefähigkeit und damit zu einem Rentenanspruch. Vielmehr ist dann nur von vorübergehender Arbeitsunfähigkeit auf Grund einer akuten Verschlechterung auszugehen.
Soweit der Kläger zur Begründung der Berufung weiter vorträgt, es lägen "nicht nur qualitative" Einschränkungen, sondern "sehr starke qualitative Einschränkungen" vor, ergibt sich auch daraus kein Rentenanspruch. Das Sozialgericht hat die im Einzelnen zu beachtenden qualitativen Einschränkungen auf Seite 7 des angefochtenen Gerichtsbescheids umfassend dargestellt. Diese reichen jedoch nicht aus, um einen Rentenanspruch zu begründen. Insbesondere handelt es sich bei diesen Einschränkungen nicht um eine Summierung ungewöhnlicher Einschränkungen auf Grund derer von einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auszugehen wäre. Auf das Wesentliche zusammengefasst, besteht eine Einschränkung auf leichte Tätigkeiten, überwiegend im Sitzen ohne längeres Stehen und Gehen und - wegen der Schulterbeschwerden - ohne mechanisch besonders belastende Handarbeiten wie Hämmern, Bohren, Schrauben, Sägen. Dies erfordert für den Bereich der ungelernten Tätigkeiten, auf die der Kläger verwiesen werden kann, keine ungewöhnliche Arbeitsplatzgestaltung. Weiter ist darauf hinzuweisen, dass praktisch schlechte Vermittlungsaussichten des Klägers als Arbeitsmarktrisiko nicht von der Beklagten zu tragen sind.
Diese im Prozesskostenhilfeverfahren nach summarischer Prüfung gewonnene Auffassung hält der Senat auch nach einer endgültigen Prüfung für zutreffend. Auch aus dem zuletzt vorgelegten Befundbericht ergeben sich keine weiteren, zusätzlichen funktionellen Einschränkungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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