L 6 SF 53/09

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 53/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Eine gutachterliche Äußerung nach Nr. 202 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG setzt voraus, dass aus bestimmten Tatsachen konkrete Schlussfolgerungen gezogen, Kenntnisse von Erfahrungssätzen oder mit besonderem Fachwissen Tatsachen (neu) festgestellt werden.
Die Vergütung für den Befundbericht des Erinnerungsführers vom 15. August 2009 wird auf 24,65 Euro festgesetzt. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

In dem Berufungsverfahren A. G .../. Deutsche Rentenversicherung Bund (Az.: L 1 R 1108/08) forderte die Berichterstatterin des 1. Senats des Thüringer Landessozialgerichts mit Verfügung vom 4. März 2009 bei dem Erinnerungsführer, bis 2007 behandelnder Augenarzt der Klägerin, einen Befundbericht unter Benutzung des beigefügten Formulars an. Dieses enthält insgesamt 11 Fragen (erste und letzte Untersuchung, Beschwerden der Klägerin, erhobene Befunde, Diagnosen, klinische Behandlungen oder Untersuchungen, Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit, Verschlechterung/Verbesserung der erhobenen Befunde, Hinzukommen/Wegfall von Leiden, Zeitpunkt der Veränderung im Gesundheitszustand, Ort der Anforderung weiterer Unterlagen, Raum für weitere Fragen). Das ausgefüllte Formular vom 15. August 2009 und eine Rechnung über 39,05 Euro gingen am 21. August 2009 beim Thüringer Landessozialgericht ein.

Mit Verfügung vom 10. September 2009 kürzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) den Betrag auf 23,15 Euro und führte aus, für einen Befundbericht ohne nähere gutachterliche Äußerung werde nach Nr. 200 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) 21,00 Euro erstattet. Der geltend gemachte Betrag von 38,00 Euro nach Nr. 202 der Anlage 2 komme nur bei der Beauftragung einer hier nicht vorliegenden gutachterlichen Äußerung in Betracht.

Am 12. Oktober 2009 hat der Erinnerungsführer die richterliche Festsetzung beantragt und zur Begründung u.a. vorgetragen, tatsächlich handle es sich bei dem Befundbericht "de jure und medizinisch" um ein auf eigener ärztlicher Leistung beruhendes Formgutachten. Dies ergebe sich auch aus einem beigefügten Auszug von Lachenmyr in "Begutachtung in der Augenheilkunde". Er müsse zwei Praxen mit sämtlichen Kosten und Nebenkosten tragen und wende für die Erstellung eines Befundberichts eine Arbeitszeit von mindestens einer halben Stunde auf.

Die UKB hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Verfügung vom 14. Oktober 2009) und sie dem erkennenden Senat vorgelegt.

II.

Auf die nach § 4 Abs. 1 JVEG zulässige Erinnerung war die Vergütung für den Befundbericht (oder Befundschein) vom 15. August 2009 auf 24,65 Euro festzusetzen.

Für den sachverständigen Zeugen gelten die Vorschriften über den Zeugenbeweis einschließlich der Regelungen über deren Entschädigung nach § 19 JVEG sowie die Sonderregelungen in § 10 Abs. 1 JVEG, wenn er entsprechende Leistungen erbringt. Nach der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG wird die Ausstellung eines Befundscheins wie folgt entschädigt:

Nr. 200 ohne nähere gutachtliche Äußerung 21,00 Euro Nr. 201 Leistung der in Nr. 200 genannten Art ist außergewöhnlich umfangreich bis zu 44,00 Euro Nr. 202 ärztlicher Befund mit von der heranziehenden Stelle geforderter kurzer gutachtlicher Äußerung oder Formbogengutachten, wenn sich die Fragen auf Vorgeschichte, Angaben und Befund be- schränken und nur ein kurzes Gutachten erfordern 38,00 Euro Nr. 203 Leistung der in Nr. 202 genannten Art ist außergewöhnlich umfangreich bis zu 75,00 Euro.

Der Erinnerungsführer ist sachverständiger Zeuge (§ 414 der Zivilprozessordnung (ZPO)), denn er berichtete als (früher) behandelnder Augenarzt über vergangene Tatsachen und Zustände, die er kraft besonderer Sachkunde ohne Zusammenhang mit einem gerichtlichen Gutachtensauftrag wahrgenommen hatte (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 26. November 1991 – Az.: 9a RV 25/90, nach juris; Senatsbeschlüsse vom 27. Februar 2008 - Az.: L 6 B 134/07 SF und 30. November 2005 – Az.: L 6 SF 738/05; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 118 Rdnr. 10c). Sein Bericht ist ein reiner Befundschein und einhält nur Formularauskünfte zu bereits aktenkundigen Tatsachen aus vorliegenden Unterlagen aber keine gutachterliche Äußerung.

Der Anspruch auf Vergütung nach dem JVEG hängt nicht davon ab, wie der Erinnerungsführer seinen Auftrag verstanden hat, sondern wie er ihn verstehen durfte, denn behördliche und gerichtliche Verlautbarungen sind grundsätzlich immer so zu verstehen, wie dies verständige Empfänger unter Würdigung aller ihnen bekannten Umstände aufzufassen pflegen (vgl. BSG, Beschluss vom 4. Juli 1989 - Az.: 9 RVs 5/88, nach juris). Die formularmäßige Anfrage des 1. Senats durfte der Erinnerungsführer vom objektiven Empfängerhorizont nicht als Auftrag zu einer gutachterlichen Äußerung verstehen, was im Übrigen tatsächlich auch nicht der Fall war, denn er berichtete ausschließlich über die früheren Behandlungen bis 2007. Die gutachterliche Äußerung hätte vorausgesetzt, dass aus bestimmten Tatsachen konkrete Schlussfolgerungen gezogen, Kenntnisse von Erfahrungssätzen oder mit besonderem Fachwissen Tatsachen (neu) festgestellt werden. Dies hat der Erinnerungsführer nicht getan.

Seine Ansicht, dass alle Befundberichte in der Augenheilkunde Gutachten darstellten, ist rechtlich nicht haltbar und wird auch nicht in der von ihm zitierten Literaturstelle (Tabelle der Begutachtungsbereiche in der Augenheilkunde) vertreten. Ein solches Ergebnis wäre auch nicht denkbar. Angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung kommt dem Hinweis auf die Praxiskosten keine Bedeutung zu.

Zusätzlich zu erstatten sind die Portokosten nach § 12 Abs. 1 JVEG in Höhe von 1,65 Euro und die Ablichtungen nach § 7 Abs. 2 JVEG. Für 4 Blatt waren 2,00 Euro (statt wie beantragt und zugestanden 0,50 Euro) zu zahlen. Da sich der Betrag innerhalb der vom Erinnerungsführer geltend gemachten Gesamtsumme bewegt, war er höher festzusetzen als in der Rechnung begehrt (vgl. Senatsbeschluss vom 11. März 2004 - Az.: L 6 SF 980/03).

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 S. 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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