Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 7 SF 1604/05
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 B 45/10 SF
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Eine entsprechende Anwendung des § 114 Abs. 2 SGG kommt nur in eng begrenzten Fällen in Betracht (vgl. BSG, Beschluss vom 1. April 1992 - Az.: 7 RAr 16/91). Insofern scheidet die Aussetzung bei einer erwiesenen oder nicht klärbaren Prozessunfähigkeit bis zur Bestellung eines Betreuers aus (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 7. April 1999 - Az.: L 13 B 56/99); dann muss ein besonderer Vertreter bestellt werden. Gleiches gilt, wenn nur Zweifel an der Prozessfähigkeit bestehen.
Der Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 7. Januar 2010 wird aufgehoben. Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Gründe:
I.
Mit Beschluss vom 7. Dezember 2004 (Az.: S 7 KA 2616/04 ER) lehnte das Sozialgericht Gotha den Antrag des Beschwerdeführers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage wegen eines Honorarregresses ab und setzte den Streitwert auf 12.191,57 Euro fest. Der 4. Senat des Thüringer Landessozialgerichts (Thüringer LSG) wies die Beschwerde mit Beschluss vom 17. Mai 2005 zurück.
Unter dem 9. Dezember 2004 forderte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts den Beschwerdeführer mit ihrer Kostenrechnung auf, Gebühren in Höhe von 328,50 Euro zu zahlen und legte dabei einen Streitwert von 12.191,57 Euro zugrunde.
Am 9. Mai 2005 hat der Beschwerdeführer der Kostenrechnung widersprochen. Mit Beschluss vom 7. Januar 2010 hat der Vorsitzende der 7. Kammer des Sozialgerichts das Erinnerungsverfahren "bis zur Klärung der Prozessfähigkeit des Klägers" ausgesetzt. Der für die Angelegenheiten des Vertragsarztrechts zuständige 11. Senat des Thüringer LSG habe in einer Reihe von Berufungs- und Beschwerdeverfahren begründete Zweifel an dessen Prozessfähigkeit geäußert und eine Verhandlung allein zur Prozessfähigkeit angekündigt. Daher sei es sachdienlich, das Verfahren bis zur Klärung der Prozessfähigkeit auszusetzen. Die Bestellung eines besonderen Vertreters komme nicht in Betracht, weil weder ein Betreuungsverfahren eingeleitet noch die Notwendigkeit der Bestellung eines Betreuers festgestellt sei.
Am 26. Januar 2010 hat der Beschwerdeführer Beschwerde eingelegt und auf seine "amtsärztlich" festgestellte Prozessunfähigkeit sowie die Bestellung eines besonderen Vertreters in anderen Verfahren des erkennenden Senats (Beschluss vom 10. Mai 2007 - Az.: L 6 B 149/06 SF u.a.) hingewiesen. Die Aussetzung sei nicht sachdienlich und verzögere nur das Verfahren. Einzige "faire und humane" Lösung seiner Verfahren sei ein Vergleich mit den verschiedenen "Beklagten" seiner Verfahren.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 7. Januar 2010 aufzuheben.
Der Beschwerdegegner hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.
Mit Verfügung vom 11. Februar 2010 hat der 11. Senat beim Amtsgericht Jena die Einrichtung einer Betreuung des Beschwerdeführers (nicht: Kläger) angeregt (Az.: L 11 KA 809/08 u.a.). Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 24. März 2010 nach entsprechender Anhörung Justizoberinspektor D. F. zum besonderen Vertreter bestellt. Dieser hat unter dem 9. April 2010 der Beschwerdeerhebung zugestimmt.
II.
Gegenstand der Entscheidung ist nur die Aussetzung des Verfahrens. Offensichtlich verbieten sich hier Erörterungen über einen Vergleich zu nicht gegenständlichen Sachverhalten.
Die Beschwerde ist begründet.
Hängt nach § 114 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) die Entscheidung ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ab, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsstelle festzustellen ist, so kann das Gericht anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsstelle auszusetzen ist. Die unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift scheidet bereits deshalb aus, weil hier kein "Rechtsverhältnis" festzustellen ist.
Die nur für "eng umgrenzte Fälle" (vgl. BSG, Beschluss vom 1. April 1992 - Az.: 7 RAr 16/91, nach juris) mögliche entsprechende Anwendung des § 114 Abs. 2 SGG kommt nicht in Betracht. Zum einen hat der Senat bereits einen besonderen Vertreter nach § 72 SGG bestellt. Damit entfällt zum jetzigen Zeitpunkt der Sinn der Aussetzung, denn dieser kann alle Rechte des Beschwerdeführers ausüben.
Allerdings lagen die Voraussetzungen der Aussetzung auch zum Zeitpunkt der Entscheidung der Vorinstanz nicht vor. Bei einer erwiesenen oder nicht klärbaren (auch partiellen) Prozessunfähigkeit kommt bis zur Bestellung eines Betreuers die Aussetzung nicht in Betracht (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 7. April 1999 - Az.: L 13 B 56/99 in NZS 1999, 416; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 114 Rdnr. 5a); vielmehr muss ein besonderer Vertreter bestellt werden. Damit scheidet sie auch dann aus, wenn nur Zweifel an der Prozessfähigkeit bestehen oder diese - wie hier - überhaupt nicht bezweifelt wird. Aus der Formulierung des § 72 SGG ("bis zum Eintritt eines Vormundes, Betreuers oder Pflegers für das Verfahren") ergibt sich, dass mit der Vorschrift ein "Schwebezustand" bis zum Eintritt des gesetzlichen Vertreters geregelt werden soll und die Aussetzung in solchen Fällen grundsätzlich nicht in Betracht kommt (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 7. April 1999, a.a.O.).
Zudem war die Entscheidung über die Aussetzung ermessensfehlerhaft. Angesichts der Verfahrensdauer von über viereinhalb Jahren ohne ersichtlichen Fortgang des Verfahrens war es angesichts der Rechtschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht angebracht, es allein wegen der angekündigten geplanten Prüfung der Prozessfähigkeit durch den 11. Senat auszusetzen. Durch die Aussetzung wird die Rechtsverfolgung erschwert, weil der Beschwerdeführer dann gerade keine Klarheit darüber erhält, ob er die streitgegenständlichen Kosten zu tragen hat. Überdies hatte der erkennende Senat bereits in seinem Beschluss vom 10. Mai 2007 (für andere Verfahren) deutliche Zweifel an der Prozessfähigkeit des Beschwerdeführers geäußert und einen besonderen Vertreter bestellt. Diese hat die Vorinstanz bisher allerdings nicht geteilt, denn sie hat keine entsprechende Überprüfung veranlasst.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Mit Beschluss vom 7. Dezember 2004 (Az.: S 7 KA 2616/04 ER) lehnte das Sozialgericht Gotha den Antrag des Beschwerdeführers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage wegen eines Honorarregresses ab und setzte den Streitwert auf 12.191,57 Euro fest. Der 4. Senat des Thüringer Landessozialgerichts (Thüringer LSG) wies die Beschwerde mit Beschluss vom 17. Mai 2005 zurück.
Unter dem 9. Dezember 2004 forderte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts den Beschwerdeführer mit ihrer Kostenrechnung auf, Gebühren in Höhe von 328,50 Euro zu zahlen und legte dabei einen Streitwert von 12.191,57 Euro zugrunde.
Am 9. Mai 2005 hat der Beschwerdeführer der Kostenrechnung widersprochen. Mit Beschluss vom 7. Januar 2010 hat der Vorsitzende der 7. Kammer des Sozialgerichts das Erinnerungsverfahren "bis zur Klärung der Prozessfähigkeit des Klägers" ausgesetzt. Der für die Angelegenheiten des Vertragsarztrechts zuständige 11. Senat des Thüringer LSG habe in einer Reihe von Berufungs- und Beschwerdeverfahren begründete Zweifel an dessen Prozessfähigkeit geäußert und eine Verhandlung allein zur Prozessfähigkeit angekündigt. Daher sei es sachdienlich, das Verfahren bis zur Klärung der Prozessfähigkeit auszusetzen. Die Bestellung eines besonderen Vertreters komme nicht in Betracht, weil weder ein Betreuungsverfahren eingeleitet noch die Notwendigkeit der Bestellung eines Betreuers festgestellt sei.
Am 26. Januar 2010 hat der Beschwerdeführer Beschwerde eingelegt und auf seine "amtsärztlich" festgestellte Prozessunfähigkeit sowie die Bestellung eines besonderen Vertreters in anderen Verfahren des erkennenden Senats (Beschluss vom 10. Mai 2007 - Az.: L 6 B 149/06 SF u.a.) hingewiesen. Die Aussetzung sei nicht sachdienlich und verzögere nur das Verfahren. Einzige "faire und humane" Lösung seiner Verfahren sei ein Vergleich mit den verschiedenen "Beklagten" seiner Verfahren.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 7. Januar 2010 aufzuheben.
Der Beschwerdegegner hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.
Mit Verfügung vom 11. Februar 2010 hat der 11. Senat beim Amtsgericht Jena die Einrichtung einer Betreuung des Beschwerdeführers (nicht: Kläger) angeregt (Az.: L 11 KA 809/08 u.a.). Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 24. März 2010 nach entsprechender Anhörung Justizoberinspektor D. F. zum besonderen Vertreter bestellt. Dieser hat unter dem 9. April 2010 der Beschwerdeerhebung zugestimmt.
II.
Gegenstand der Entscheidung ist nur die Aussetzung des Verfahrens. Offensichtlich verbieten sich hier Erörterungen über einen Vergleich zu nicht gegenständlichen Sachverhalten.
Die Beschwerde ist begründet.
Hängt nach § 114 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) die Entscheidung ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ab, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsstelle festzustellen ist, so kann das Gericht anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsstelle auszusetzen ist. Die unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift scheidet bereits deshalb aus, weil hier kein "Rechtsverhältnis" festzustellen ist.
Die nur für "eng umgrenzte Fälle" (vgl. BSG, Beschluss vom 1. April 1992 - Az.: 7 RAr 16/91, nach juris) mögliche entsprechende Anwendung des § 114 Abs. 2 SGG kommt nicht in Betracht. Zum einen hat der Senat bereits einen besonderen Vertreter nach § 72 SGG bestellt. Damit entfällt zum jetzigen Zeitpunkt der Sinn der Aussetzung, denn dieser kann alle Rechte des Beschwerdeführers ausüben.
Allerdings lagen die Voraussetzungen der Aussetzung auch zum Zeitpunkt der Entscheidung der Vorinstanz nicht vor. Bei einer erwiesenen oder nicht klärbaren (auch partiellen) Prozessunfähigkeit kommt bis zur Bestellung eines Betreuers die Aussetzung nicht in Betracht (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 7. April 1999 - Az.: L 13 B 56/99 in NZS 1999, 416; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 114 Rdnr. 5a); vielmehr muss ein besonderer Vertreter bestellt werden. Damit scheidet sie auch dann aus, wenn nur Zweifel an der Prozessfähigkeit bestehen oder diese - wie hier - überhaupt nicht bezweifelt wird. Aus der Formulierung des § 72 SGG ("bis zum Eintritt eines Vormundes, Betreuers oder Pflegers für das Verfahren") ergibt sich, dass mit der Vorschrift ein "Schwebezustand" bis zum Eintritt des gesetzlichen Vertreters geregelt werden soll und die Aussetzung in solchen Fällen grundsätzlich nicht in Betracht kommt (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 7. April 1999, a.a.O.).
Zudem war die Entscheidung über die Aussetzung ermessensfehlerhaft. Angesichts der Verfahrensdauer von über viereinhalb Jahren ohne ersichtlichen Fortgang des Verfahrens war es angesichts der Rechtschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht angebracht, es allein wegen der angekündigten geplanten Prüfung der Prozessfähigkeit durch den 11. Senat auszusetzen. Durch die Aussetzung wird die Rechtsverfolgung erschwert, weil der Beschwerdeführer dann gerade keine Klarheit darüber erhält, ob er die streitgegenständlichen Kosten zu tragen hat. Überdies hatte der erkennende Senat bereits in seinem Beschluss vom 10. Mai 2007 (für andere Verfahren) deutliche Zweifel an der Prozessfähigkeit des Beschwerdeführers geäußert und einen besonderen Vertreter bestellt. Diese hat die Vorinstanz bisher allerdings nicht geteilt, denn sie hat keine entsprechende Überprüfung veranlasst.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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