L 6 KR 290/10 B ER

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Meiningen (FST)
Aktenzeichen
S 16 KR 141/10 ER
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 290/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Kostenübernahme einer loko-regionalen Tiefen-Hyperthermietherapie ("Onkothermie") zur Behandlung eines anaplastischen Astrozytoms (WHO Grad III) im Wege einer einstweiligen Anordnung.
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Meiningen vom 10. März 2010 aufgehoben. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig, längstens jedoch bis zum Eintritt der Rechtskraft einer Hauptsacheentscheidung, die weitere loko-regionale Tiefen-Hyperthermiebehandlung ("Onkothermie") in der Fachambulanz der "Klinik i. L." in G. als Sachleistung zur Verfügung zu stellen. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten. Gleichzeitig wird ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwältin Dr. med. P., T.-M.-Str ...,. R., ab 31. März 2010 gewährt. Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung, ihm künftige Hyperthermiebehandlungen in der Fachambulanz der KLINIK P.L. (jetzt: Klinik im LEBEN), Mitteldeutsches Hyperthermiezentrum, in G./Th. (im Folgenden: KLINIK), vorläufig als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.

Bei dem 1987 geborenen Antragsteller wurde im Juni 2009 im Universitätsklinikum D. ein Gehirntumor in Form eines sogenanntes anaplastischen Astrozytoms (WHO Grad III), diagnostiziert und eine Indikation zur Strahlentherapie ge¬stellt. Wegen der Infiltration des Hirnstamms sollte die Strahlendosis beschränkt sowie die Strahlentherapie mit einer Chemotherapie mit Temodal® kombi¬niert werden. Diese Behandlung ließ der Antragsteller nicht durchführen.

Seit 24. August 2009 befand er sich in der KLINIK in Behandlung. Dort wurde der Antragsteller seitdem 15 Mal mit einer loko-regionalen Tiefen-Hyperthermietherapie ("Onkothermie") behandelt. Bei der Onkothermie wird eine Überwärmung der Tumorzellen mittels hochfrequenter Wellen angestrebt, wodurch es zu einem Sauerstoffmangel der Tumorzellen, der Entwicklung eines sauren Zellmilieus sowie zu einer Nährstoffverarmung im Tumor kommen soll. Hierdurch soll der Zellstoffwechsel gestört werden, sodass es zum (Tumor-)Zelltod kommen kann.

Ebenfalls am 24. August 2009 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin unter Vorlage eines Kostenplans die Kostenüber¬nahme für 15 Tiefen-Hyperthermie-Behandlungen in Höhe von voraussichtlich 3.218,02 Euro.

Bereits zuvor, nämlich mit Beschluss des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (jetzt: Gemeinsamer Bundesausschuss &61500;GBA&61502;) vom 18. Januar 2005 wurde die Hyperthermie in die Anlage B (nicht anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethoden) der Richtlinie des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur Bewertung medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 135 Abs. 1 SGB V (BUB-RL; jetzt: Nummer 42 der Anlage II - Methoden, die nicht als vertragsärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen - der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung) aufgenommen.

Mit Bescheid vom 2. September 2009 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab, da es sich bei der Hyperthermie um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handele, die mit Beschluss des GBA vom 18. Januar 2005 nicht in den Leis¬tungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen aufgenommen worden sei. Nach Aus¬wertung der vorliegenden Studienergebnisse habe "kein eindeutiger Nutzen einer Hyperthermiebehandlung gekoppelt mit einer Chemotherapie gegenüber einer alleinigen Chemothera¬pie festgestellt werden" können. Darüber hinaus handele es sich bei der KLINIK um eine Privatklinik und damit nicht um einen zugelassenen Vertragspartner der Antragsgegnerin.

Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller am 15. September 2009 Widerspruch ein. Die Antragsgegnerin zog die Krankenunterlagen der KLINIK bei und legte diese dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Begutachtung vor. Dr. W. kam in ihrem sozialmedizinischen Gutachten vom 10. November 2009 zu dem Ergebnis, dass bei dem Antragsteller keine lebensbedrohliche bzw. gleichgestellte Erkrankung vorliege. Au¬ßerdem stünden vertragsärztliche Behandlungsmaßnahmen, wie z.B. die Radio-Chemotherapie, zur Verfügung. Aus diesem Grunde könne auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) eine Kostenübernahme nicht empfohlen werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 2009 wies die Antragsgegnerin den Wider¬spruch zurück.

Der Antragsteller hat am 22. Januar 2010 Klage erhoben (Az.: S 16 KR 142/10) und gleichzeitig einen Antrag auf einstwei¬lige Anordnung gestellt, da ab März 2010 ein weiterer Hyperthermie-Therapiezyklus durchgeführt werden sollte. Zur Begründung hat er im Wesentlichen geltend gemacht, dass der diagnostizierte Gehirntumor inoperabel sei. Bei der durch das Universitätsklinikum Dresden empfohlenen Strahlentherapie in Kombination mit Chemotherapie handele es sich um eine lediglich palliative schulmedizinische Therapie. Er habe sich daher für eine Hyperthermie-Behandlung in der KLINIK entschieden. We¬gen der dringenden Behandlungsbedürftigkeit bei zunehmenden Schmerzen und neurologi¬schen Ausfällen mit halbseitiger Lähmung der Gesichtsmuskulatur und tumorbedingter Schwerhörigkeit rechts habe er die Therapie am 24. August 2009 begonnen und bislang insgesamt 15 ambulante Behandlungen durchführen lassen. Der Tumor sei seither nicht weiter gewachsen. Sein subjektives Befinden habe sich insgesamt deutlich gebessert. Eine Kostenübernahme komme schon auf Grund der Rechtsprechung des BVerfG in seinem Beschluss vom 6. Dezember 2005 in Betracht. Die Erkrankung sei nicht operabel und lebensbedrohlich. Eine dem allgemein anerkannten medizinischen Standard entsprechende kurative Behandlung stehe nicht zur Verfügung. Soweit die Gutachterin des MDK im Gutachten vom 10. November 2009 auf eine Chemotherapie mit Temodal® und eine Strahlentherapie verweise, handele es sich hierbei nämlich um lediglich palliative Therapien. Auch das LSG Thüringen habe im Beschluss vom 19. November 2007 (Az.: L 6 KR 1099/07 R) klarge¬stellt, dass es nicht zumutbar sei, auf eine nur palliative Chemotherapie verwiesen zu werden, wenn die begehrte Behandlungsmethode eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verspreche. Dies sei bei der Hyperthermie der Fall. Eine Chemotherapie mit Temodal® sei außerdem nicht zumutbar, da diese bekannte Nebenwirkungen wie zum Beispiel Übelkeit, Durchfall, Müdigkeit und Erschöpfung nach sich ziehe und mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer irreversiblen Infertilität führe, andererseits aber sein Leben nicht zu retten vermöge. Eine nicht umkehrbare dauerhafte Schädigung der Fruchtbarkeit durch eine lediglich palliative Therapie müsse ein erst 22 Jahre alter Mann nicht hinnehmen. Eine mögliche kurzfristige Lebensver¬längerung soll hierbei durch eine infolge von Medikamentennebenwirkungen deutlich schlechtere Lebensqualität erkauft werden. Heilungen durch Temodal® und Strahlentherapie seien nicht bekannt. Die begehrte Hyperthermiebehandlung sei dagegen darauf gerichtet, ein weiteres Tumorwachstum zu verhindern, zumindest aber nebenwirkungsfrei ein weiteres Tumorwachstum zu verlangsamen.

Demgegenüber hat die Antragsgegnerin die Auffassung vertreten, dass eine Kostenübernahme für die Hyperthermiebehandlung im Rah¬men der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung aus¬geschlossen sei. Gemäß der Beschlussbegründung des GBA habe diese Bewertung auch die Indikation "maligne Hirntumore" eingeschlossen. Auch liege keine notstandsähnli¬che Krankheitssituation im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG vom 6. Dezember 2005 (Az.: 1 BvR 347/98, nach juris) vor, da nach den Feststellungen der Gutachterin des MDK diese Kriterien nicht erfüllt seien.

Das Sozialgericht (SG) hat Stellungnahmen der KLINIK, des Universitätsklinikums Dresden sowie des den Antragsteller seit dem 25. Februar 2010 behandelnden Neurochirurgen, Dipl.-Med. H., angefordert. Dr. O. hat unter dem 19. Februar 2010 für die KLINIK mitgeteilt, dass der Antragsteller unter einer lebensbedrohlichen bzw. regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung leide. Sämtliche Therapiemöglichkeiten seien "klar palliativ" ausgerichtet. Wegen der bei Anwendung der schulmedizinischen Therapien zu erwartenden Nebenwirkungen, die im Falle des Antragstellers im Hinblick auf dessen Multiorganschwäche bei Alkoholismus und rezidivierendem Drogenkonsum risikobehaftet seien, sei der Hyperthermiebehandlung mit etwa doppelter Lebenserwartung der Vorzug zu geben. Dr. J. hat unter dem 3. März 2010 für das Universitätsklinikum D. ebenfalls auf den regelmäßig tödlichen Verlauf hingewiesen und die Nebenwirkungen der schulmedizinischen Strahlen- bzw. Chemotherapie dargestellt. Schließlich hat Dipl.-Med. H. mit Schreiben vom 4. März 2010 die Standardtherapie sowie die Hyperthermiebehandlung und deren Wirksamkeit anhand von Studien erläutert und darauf hingewiesen, dass die Behandlung des Antragstellers in Greiz weder von einem nicht onkologisch versierten Neurochirurgen noch von einem Radioonkologen, der Erfahrung mit der Behandlung von Hirntumoren habe, durchgeführt werde. Der bis November 2009 durchgeführte Therapiezyklus habe keinerlei Erfolg gebracht, der Tumor sei im Gegenteil weiter gewachsen. Er habe dem Antragsteller zunächst die Durchführung einer Standardtherapie empfohlen, erst danach könne eine mögliche Hyperthermiebehandlung in Kombination mit Radiotherapie geprüft werden. Letzteres könne aber nur in einem onko¬logischen Zentrum durchgeführt werden, was aber die KLINIK nicht sei.

Das SG hat mit Beschluss vom 10. März 2010 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, es fehle an einem Anordnungsanspruch, da eine dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung stehe. Da der Antragsteller nicht "durchtherapiert" sei, sei der Beschluss des LSG Thüringen vom 19. November 2007 nicht einschlägig.

Gegen den am 11. März 2010 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 18. März 2010 Beschwerde eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen auf die Nebenwirkungen der dem medizinischen Standard entsprechenden Behandlungsmöglichkeiten sowie darauf verwiesen, dass sein Leben damit auch nicht gerettet werden könne. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 4. April 2006 – Az.: B 1 KR 7/05 R, nach juris) stünden Fälle, in denen überhaupt keine Behandlungsmöglichkeit bestehe, jenen Fällen gleich, in denen es zwar grundsätzlich eine anerkannte schulmedizinische Methode gebe, diese aber bei dem konkreten Versicherten wegen des Bestehens gravierender gesundheitlicher Risiken beispielsweise deswegen nicht angewendet werden könne, weil die verfügbare Standardtherapie schwere Nebenwirkungen habe. Daher könne er nicht auf die konkrete, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsalternative, die sein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verletze, verwiesen werden. Durch die begehrte Behandlung bestehe "die nicht ganz fernliegende Möglichkeit, ein weiteres Tumorwachstum zu stoppen" und damit sein Leben "zu retten, mindestens, bei subjektiv gutem Befinden, erheblich zu verlängern". Der erste Therapiezyklus habe bereits zu einer Linderung der Beschwerden geführt. Die Wirksamkeit der Hyperthermiebehandlung bei Gehirntumoren sei überdies "in kleineren Studien bereits belegt". Schließlich gelte die Rechtsprechung des BVerfG vom 6. Dezember 2005 (a.a.O.) entgegen der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 7. November 2006 – Az.: B 1 KR 24/06 R, nach juris) auch in den Fällen, "in welchen eine neue Behandlungsmethode ausdrücklich vom GBA ausgeschlossen" worden sei. Die Hyperthermietherapie habe schließlich zumindest auch einen kurativen Therapieansatz. Dies ergebe sich u.a. aus der Stellungnahme des behandelnden Neurochirurgen Dipl.-Med. H. vom 4. März 2010.

Mit Schriftsatz vom 29. März 2010 hat er Unterlagen zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen samt entsprechender Belege eingereicht.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Meiningen vom 10. März 2010 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig, längstens jedoch bis zum Eintritt der Rechtskraft einer Hauptsacheentscheidung, die weitere loko-regionale Tiefen-Hyperthermiebehandlung ("Onkothermie") in der Fachambulanz der "Klinik i. L." in G. als Sachleistung zur Verfügung zu stellen, sowie ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin Dr. med. P., Th.-M.-St ...4,. R., zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hat dazu in Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vortrags ausgeführt, dass Versicherte nur unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringern wählen könnten. Hierzu gehöre die KLINIK nicht. Außerdem müsse nach der Rechtsprechung des BVerfG die Sach- und Rechtslage im Falle - wie hier - existentiell bedeutsamer Leistungen der Krankenversicherung abschließend geprüft werden. Schließlich sei nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 7. November 2006, a.a.O.) der Nachweis hinreichender Erfolgsaussichten der streitigen Therapie regelmäßig nicht mehr möglich, wenn der GBA wie im Falle der Hyperthermie eine negative Bewertung abgegeben habe.

Der Berichterstatter des Senats hat u.a. Dr. J. vom Universitätsklinikum D. am 13. August 2010 ergänzend telefonisch befragt. Dieser hat bestätigt, dass der Tumor beim Antragsteller grundsätzlich inoperabel ist und alle schulmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten klar nur palliativ ausgerichtet seien. Letzteres gelte auch für die vom Antragsteller begehrte Hyperthermie. Unter Behandlung bestehe für den Antragsteller eine mittlere Überlebenszeit von max. 5 bis 7 Jahren.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des Antrags- bzw. Beschwerdeverfahrens, des Hauptsacheverfahrens (Az.: S 16 KR 142/10) sowie auf den Inhalt der Behördenakte Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist nach §§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft und zulässig. Sie ist auch begründet. Der Beschluss des SG ist aufzuheben, denn der Antragsteller hat einen Anspruch auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung.

Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechts¬verhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2, sog. Regelungs¬anordnung). Die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) gelten entsprechend (Satz 4).

Ein Anordnungsantrag ist begründet, wenn das Gericht auf Grund einer hinreichenden Tatsachenbasis durch Glaubhaftmachung (§ 86b Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO) und/oder im Wege der Amtsermittlung (§ 103 SGG) einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungs¬grund bejahen kann. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn das im Haupt¬sacheverfahren fragliche materielle Recht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Ein Anordnungsgrund ist zu bejahen, wenn es für den Antragsteller unzumutbar erscheint, auf den (rechtskräftigen) Abschluss des Hauptsacheverfahrens verwiesen zu werden. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl. z.B. BVerfG, Beschlüsse vom 12. Mai 2005 – Az.: 1 BvR 569/05, vom 29. November 2007 – Az.: 1 BvR 2496/07 und vom 25. Februar 2009 – Az.: 1 BvR 120/09, jeweils nach juris). Die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind dabei umfassend in die Abwägung einzustellen, denn die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen. Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 2009, a.a.O.). Das muss erst recht gelten, wenn es um das Leben als Höchstwert innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005, a.a.O.) geht.

Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung erfordern allerdings, dass das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon im vollen Umfang, wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter dem Vorbehalt einer entsprechenden Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren darf, was er sonst nur mit der Hauptsacheklage erreichen könnte (sog. Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache; vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Auflage 2003, § 123 Rdnr. 13 sowie Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 86b Rdnr. 31). Dabei ist unter Vorwegnahme der Hauptsache auch die "vorläufige" Vorwegnahme zu verstehen, bei der die Entscheidung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nach der Hauptsache¬entscheidung wieder rückgängig gemacht werden kann, d. h. wenn damit keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden (h.M. in der Rechtsprechung; vgl. die Nachweise bei Kopp/ Schenke, a.a.O., § 123 Rdnr. 14b, dort insbesondere Fn. 57, sowie bei Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b Rdnr. 31). Der Ansicht, die nur die vollendete Tatsachen schaffende Anordnung als Vorwegnahme der Hauptsache verstanden wissen will (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b Rdnr. 31), ist nicht zu folgen, da auch die vorläufige Vorwegnahme entgegen dem Rechtscharakter der einstweiligen Anordnung die Hauptsache¬entscheidung vorwegnimmt. Den Unterschieden zwischen der vorläufigen und der endgültigen Vorwegnahme ist vielmehr mit der Rechtssprechung bei der Zulassung von Verbotsausnahmen und damit bei den an den Anordnungsanspruch und den Anordnungsgrund zu stellenden Anforderungen Rechnung zu tragen (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 123 Rdnr. 14b am Ende).

Im vorliegenden Fall begehrt der Antragsteller die Verpflichtung der Antrags¬gegnerin zur – wenn auch vorläufigen – Gewährung der weiteren loko-regionalen Tiefen-Hyperthermie¬behandlung ("Onkothermie") als Sachleistung. Sein Rechtsschutzziel in der Hauptsache deckt sich damit – mit Ausnahme der Vorläufigkeit – völlig mit dem des einstweiligen Anord¬nungsverfahrens. Dieses ist damit auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet. Die rechtlichen und tatsächlichen Folgen, die mit dem Erlass der begehrten Anordnung verbunden sind, können zwar bei einem für den Antragsteller nachteiligen Ausgang des parallelen Hauptsacheverfahrens durch eine Rückzahlung der entstandenen Kosten an die Antragsgegnerin nachträglich, gegebenenfalls auch im Wege der Raten¬zahlung, wieder besei¬tigt werden, so dass die Vorwegnahme der Hauptsache als vorläufig zu bezeichnen ist. Gleichwohl fällt sie unter das grundsätzliche Verbot.

Im Hinblick auf das in Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) zum Ausdruck kommende Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes gilt dieses grundsätzliche Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung allerdings dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung notwendig erscheint, um die sonst zu erwartenden unzumutbaren und im Haupt¬sacheverfahren nicht mehr zu beseitigenden Nachteile für den Antragsteller zu vermeiden, und gleichzeitig ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache spricht (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 123 Rdnr. 14 m.w.N.). Für eine Ausnahme vom Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache bedarf es mit anderen Worten erhöhter Anforderungen an das Vorliegen sowohl des Anordnungsanspruchs als auch des Anordnungsgrundes.

Zu dem allein relevanten Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 123 Rdnr. 27) liegt hier ein für eine Ausnahme vom Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache erforderlicher qualifizierter Anordnungsgrund vor. Der Antragsteller leidet an einer lebensbedrohlichen Krankheit; im Juni 2009 wurde bei ihm ein inoperabler Gehirntumor in Form eines sogenannten anaplastischen Astrozytoms (WHO Grad III) festgestellt. Die Prognose für diesen Tumortyp wird in den einschlägigen medizinischen Fachpublikationen als schlecht eingeschätzt. Die mittlere Gesamtüberlebenszeit liegt danach unbehandelt bei weniger als einem Jahr. Das Ansprechen auf verschiedene Chemo- bzw. Strahlentherapien wird als unbefriedigend bezeichnet. Im Falle des Antragstellers sind sämtliche Behandlungsmethoden nach Angaben der behandelnden Ärzte palliativ und nicht kurativ ausgerichtet. Dies betrifft sowohl die dem medizinischen Standard entsprechenden Behandlungsalternativen als auch die vom Antragsteller begehrte Hyperthermiebehandlung. Lediglich ergänzend ist hierbei anzumerken, dass entgegen der Auffassung des Antragstellers das grundsätzliche Bestehen von Heilungschancen nicht bedeutet, dass die entsprechende Behandlung kurativ ausgerichtet ist. Im Übrigen bezieht sich die zur Begründung seiner Auffassung zitierte Stellungnahme des behandelnden Neurochirurgen Dipl.-Med. H. zu den Heilungschancen ausdrücklich nur auf Kopf-Hals-Tumoren und nicht auf Hirntumoren, bei denen "die Datenlage noch sehr dünn" sei.

Insoweit würde eine Entscheidung in der Hauptsache mit hoher Wahrscheinlichkeit zu spät kommen. Die dem Antragsteller dadurch drohenden Nachteile (hier dessen drohender Tod) wären irreparabel. Der Antragsteller kann sein Rechtsschutzziel auch nicht auf andere Weise erreichen. Aufgrund der im Rahmen des gleichzeitig gestellten Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe – für den Senat glaubhaft – dargelegten Einkommens- und Vermögenssituation kann der Antragsteller die Kosten der begehrten Behandlung in Höhe von ca. 3.200 EUR auch nicht einstweilen, d. h. bis zum rechtskräftigen Abschluss eines sich anschließenden Kostenerstattungsverfahrens übernehmen.

Der ebenfalls erforderliche qualifizierte Anordnungsanspruch ist im vorliegenden Fall weder offensichtlich erkennbar, noch offensichtlich auszuschließen.

Nach § 27 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst gemäß § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 i.V.m. § 39 SGB V die (u.a. ambulante) Krankenhausbehandlung, wobei gemäß § 108 SGB V die Krankenkassen Krankenhausbehandlungen nur durch Hochschulkliniken im Sinne des Hochschulförderungsgesetzes, Krankenhäuser, die in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen sind, oder Krankenhäuser, die einen Versorgungsvertrag mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen geschlossen haben, erbringen lassen dürfen. Die KLINIK in Greiz gehört jedoch unstreitig nicht zu den zugelassenen Krankenhäusern; eine Leistungspflicht der Antragsgegnerin bestünde danach grundsätzlich nicht.

Von der gesetz¬lichen Krankenversicherung zu erbringende Leistungen müssen zudem ausreichend, zweck¬mäßig und wirtschaftlich sein, § 12 Abs. 1 SGB V. Im Bereich der hier in Betracht kommenden ambulanten Behandlung dürfen nach § 135 Abs. 1 SGB V neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden grundsätzlich nur nach Empfehlung des GBA zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005, a.a.O.), der sich das BSG (vgl. z.B Urteil vom 7. November 2006, a.a.O.) angeschlossen hat, ist dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen die Schaffung eines Prüfverfahrens zur Sicherung der Qualität der Leistungserbringung, im Interesse einer Gleichbehandlung der Versicherten und zum Zweck der Ausrichtung der Leistungen am Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit auch nicht verwehrt.

Jedoch kann, da die Anwendung der dortigen Maßstäbe in der extremen Situationen einer krankheitsbedingten Lebensgefahr mit dem Grundgesetz unvereinbar ist (so BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005, a.a.O.), ausnahmsweise unter folgenden engen Voraussetzungen die Leistungspflicht der Krankenkassen gegeben sein, ohne dass es darauf ankäme, ob der Leistungserbringer ein zugelassenes Krankenhaus ist oder nicht:

1. Es handelt sich um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung, bei der 2. keine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung steht und 3. eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht besteht, dass ein kurativer oder palliativer Behandlungserfolg zu erzielen ist.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist allerdings fraglich, ob diese Grundsätze auch in den Fällen gelten, in welchen eine neue Behandlungsmethode bereits ausdrücklich vom GBA ausgeschlossen wurde (so BVerfG, Beschluss vom 29. November 2007, a.a.O., das die Beantwortung dieser Frage unter gleichzeitigem Hinweis auf die ablehnende Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 7. November 2006, a.a.O., den Instanzgerichten vorbehalten hat).

Die Hyperthermie wurde mit Beschluss des GBA vom 18. Januar 2005 der Liste der Methoden zugeordnet, die nicht als vertragsärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen. Dieser Ausschluss umfasst nach Wortlaut und Begründung des Beschlusses sowohl die vom Antragsteller begehrte loko-regionale Tiefen-Hyperthermiebehand¬lung als auch die dem zugrunde liegende Indikation eines malignen Kopf-Tumors. Der Senat hat keinen konkreten Anlass zu Zweifeln am rechtsfehlerfreien Zustandekommen dieses Beschlusses, zumal solches auch nicht durch ein hinreichend substantiiertes Vorbringen der Beteiligten behauptet wird (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006, a.a.O.).

Hierzu hat das BSG (Urteil vom 7. November 2006, a.a.O.) ausgeführt, es bestehe "für eine Anspruchsbegründung auf Grund grundrechtsorientierter Auslegung regelmäßig kein Raum mehr, wenn der Bundesausschuss - nach nicht zu beanstandender Prüfung ( ) - zu einer negativen Bewertung gelangt ist: Dann ist auch verfassungsrechtlich gegen den Ausschluss einer Behandlungsmethode aus dem GKV-Leistungskatalog nichts einzuwenden, weil nach dem maßgeblichen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse medizinische Notwendigkeit, diagnostischer und therapeutischer Nutzen sowie Wirtschaftlichkeit nicht hinreichend gesichert sind."

Dem folgt der erkennende Senat zwar grundsätzlich, gleichwohl kann dies aber nur dann gelten, wenn seit dem Ausschluss der Behandlungsmethode im Januar 2005 keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse bekannt werden, die eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht begründen, dass ein kurativer oder palliativer Behandlungserfolg im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG erzielt werden kann.

Dies ist aber hier der Fall. Dr. O. hat seiner Stellungnahme für die KLINIK vom 19. Februar 2010 den Abdruck einer retrospektiven Studie für fortgeschrittene Gehirn-Gliome unter unterstützender Oncothermie-Behandlung beigefügt. Dort wird über die Behandlung von 140 Patienten über einen Zeitraum von Januar 2000 bis Februar 2005 berichtet, bei denen eine deutliche Lebenszeitverlängerung erreicht worden sei. Ob diese Studie einer gutachterlichen Überprüfung Stand hält, kann im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht überprüft werden. Der Senat hat jedoch ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass es seit dem Ausschluss der Hyperthermie Behandlung durch den GBA im Januar 2005 neue wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, die möglicherweise eine Neubewertung erforderlich machen. Dann aber kann der Ausschluss der Behandlungsmethode der Anwendung der verfassungsgerichtlichen Maßstäbe auf den vom Antragsteller geltend gemachten Anspruch nicht erfolgreich entgegen gehalten werden.

In Anwendung dieser Maßstäbe gilt Folgendes:

1. Nach Überzeugung des Senats liegt, wie oben im Rahmen des Anordnungsgrundes bereits ausgeführt, im Fall des Antragstellers eine lebensbedrohliche bzw. regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vor. Der gegenteiligen Auffassung, die Dr. W. in ihrem Gutachten für den MDK vom 10. November 2009 - allerdings ohne nähere Begründung - geäußert hat, folgt der Senat im Hinblick auf die vorliegenden Stellungnahmen der den Antragsteller behandelnden Ärzte nicht.

2. Dagegen kann sich der Senat, entgegen der Auffassung der Vorinstanz, im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens letztlich nicht die erforderliche Überzeugung verschaffen, ob (noch) eine - gleich wirksame - allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung steht oder nicht. Im Falle des Antragstellers steht als Standardtherapie nach Auskunft des Dr. J. vom Universitätsklinikum D. die Strahlentherapie in Kombination Chemotherapie mit Temodal® zur Verfügung.

Zwar scheidet diese Behandlungsmethode nicht schon deshalb aus, weil der Antragsteller einerseits die Auffassung äußert, die Standardbehandlungsmethode sei nur palliativ ausgerichtet, während die Hyperthermie-Behandlung "eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verspreche". Sein Verweis hierzu auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 19. November 2007 (Az.: L 6 KR 1099/07 R) geht, worauf das SG im angefochtenen Beschluss bereits zutreffend hingewiesen hat, fehl, da dort die begehrte "neue" Behandlungsmethode auf einen kurativen Ansatz gerichtet war, während die hier begehrte Hyperthermie-Behandlung, wie oben zum Anordnungsgrund schon ausgeführt, palliativ ausgerichtet ist. Soweit er andererseits die mit der Standardbehandlungsmethode verbundenen Nebenwirkungen ablehnt und dabei auf die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 4. April 2006, a.a.O.) verweist, nach der Fälle, in denen überhaupt keine Behandlungsmöglichkeit bestehe, jenen Fällen gleichstünden, in denen es zwar grundsätzlich eine anerkannte schulmedizinische Methode gebe, diese aber bei dem konkreten Versicherten wegen des Bestehens gravierender gesundheitlicher Risiken beispielsweise deswegen nicht angewendet werden könne, weil die verfügbare Standardtherapie schwere Nebenwirkungen habe, ist auch dem nicht zu folgen. Denn das BSG stellt in der genannten Entscheidung nicht darauf ab, ob die anerkannte Behandlungsmethode grundsätzlich mit Nebenwirkungen behaftet ist, sondern nur auf die Fälle, bei denen diese Methode "bei dem konkreten Versicherten wegen Bestehens gravierender gesundheitlicher Risiken nicht angewandt werden kann". Ob der Antragsteller die Standardbehandlungsmethode verträgt und in welchem Umfange die Nebenwirkungen bei ihm auftreten, ist jedoch ungewiss.

Aber der Senat kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht feststellen, ob die zur Verfügung stehende Standardbehandlungsmaßnahme gleich wirksam ist wie die begehrte Hyperthermie-Behandlung. Zwar sind beide, wie bereits mehrfach ausgeführt, lediglich auf eine palliative Behandlung ausgerichtet. Doch auch hierbei ist von Belang, inwieweit und in welchem Umfang mit der jeweiligen Behandlung eine Verlängerung des progressionsfreien Intervalls sowie der Gesamtüberlebenszeit erreicht werden kann. Davon hängt sodann die Beantwortung der Frage ab, welche der Behandlungsmethoden als wirksamer zu qualifizieren ist. Da der Senat dies nicht aus eigener Sachkunde entscheiden kann, bedarf es einer Beweisaufnahme, etwa in Form der Einholung eines Gutachtens. Weil dies mit einem gegebenenfalls erheblichen Zeitaufwand verbunden und daher nicht mit dem Charakter eines einstweiligen Anordnungsverfahrens zu vereinbaren ist, hat eine solche Beweisaufnahme im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens zu erfolgen.

Ist danach – wie hier – ein qualifizierter Anordnungsanspruch weder offensichtlich feststellbar noch offensichtlich auszuschließen, hat das Gericht im Rahmen des Ermessens eine Interessenabwägung durchzuführen. Dabei ist bei der Auslegung der anzuwendenden Vorschriften der besonderen Bedeutung der betroffenen Grundrechte und den Anforderungen eines effektiven Rechts¬schutzes Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 25. Juli 1996 – Az.: 1 BvR 638/96, nach juris, sowie vom 12. Mai 2005, a.a.O.); insbesondere sind die Folgen der Versagung des vorläufigen Rechtsschutzes zu berücksichtigen. Je schwerer die Belastungen hieraus wiegen und je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie im Falle des Obsiegens in der Hauptsache rückgängig gemacht werden können, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung zurückgestellt werden.

Die Interessenabwägung kommt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass eine vorläufige Übernahme der Kosten durch die Antragsgegnerin zu erfolgen hat. Der Senat hat dabei dem Grundrecht des Antragstellers auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG Rechnung getragen und insoweit die Folgen der Versagung der begehrten einstweiligen Anordnung berücksichtigt. Sollte der Antragsteller nämlich im Hauptsacheverfahren obsiegen, so bestünde die konkrete Gefahr, dass eine Heilung oder wenigstens Linderung der schweren und lebensbedrohlichen bzw. regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr möglich wäre und die Krankheitsfolgen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten.

Dagegen führt die mit dem Erlass der einstweiligen Anordnung verbundene – vorläufige und nicht endgültige – Vorwegnahme der Hauptsache bei einem Unterliegen des Antragstellers im Hauptsacheverfahren nicht zwangsläufig zu vollendeten Tatsachen, da die Kosten dann grundsätzlich, d. h. im Rahmen der Leistungsfähigkeit, zurückzuzahlen sein werden. Damit kann den Bedenken, dass bei einer Folgenabwägung die Rechtsprechung des BVerfG und des BSG im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes immer ausgehebelt werden könnte, hinreichend begegnet werden. Selbst wenn eine Rückzahlung in einzelnen Fällen mangels Leistungsfähigkeit nicht erfolgen sollte, ist angesichts der strengen sonstigen Voraussetzungen einer regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung und fehlender schulmedizinischer Alternativen von einer nur geringen potentiellen Belastung der Krankenkassen mit letztlich zu Unrecht erbrachten Leistungen auszugehen. Diese ist in Abwägung mit dem Rechtsgut Leben hinzunehmen, dem der Senat den Vorrang vor dem Interesse der Beschwerdegegnerin bzw. der durch sie repräsentierten Versichertengemeinschaft an einer sparsamer Mittelverwendung (vgl. §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 SGB V) gibt.

Gegen dieses Ergebnis spricht nicht der Einwand des Dipl.-Med. H., in der KLINIK seien keine onkologisch bzw. radioonkolgisch ausgebildeten Ärzte beschäftigt. Zwar hat das BSG (vgl. Urteil vom 7. November 2006, a.a.O.) ausgeführt, auch die nicht dem sonst in der GKV vorausgesetzten medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethode müsse in erster Linie fachärztlich durchgeführt werden. Zur Begründung wird jedoch dar¬gelegt, die Behandlung müsse - abgesehen davon, dass ihre Wirksamkeit und Wirtschaftlich¬keit durch den Bundesausschuss nicht anerkannt ist - jedenfalls im Übrigen den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechend durchgeführt (und ausreichend dokumentiert) werden. Der Arztvorbehalt solle dafür sorgen, dass eine auf öffentliche Kosten durchge¬führte Behandlung durch die Art der angewandten Me¬thoden und die Qualifika¬tion der behan¬delnden Personen objektiv Erfolg verspricht. Ausweislich des Briefkopfes der in der KLINIK behandelnden Ärzte handelt es sich dabei um zwei Fachärzte für Orthopädie und einen praktischen Arzt. Deren Schwerpunkte liegen auf dem Gebiet der speziellen Schmerztherapie, der Homöopa¬thie, den Naturheilverfahren und der Chirotherapie bzw. physikalischen Therapie. Der Senat hat außerdem die Internetseite der Klinik (www.klinik-i.l ...de) eingesehen. Danach um¬fasst das Behandlungsspektrum die biologische Krebstherapie, die integrative Krebsmedizin, die Homöopathie, die spezielle ganzheitliche Schmerztherapie, Naturheilverfahren, Ernährungsmedizin und Intensivdiätetik, Orthopädie, Chirotherapie, Akupunktur sowie Allge¬meinmedizin, Innere Medizin, Gynäkologie und Anästhesie. Danach drängen sich dem Senat Zweifel an der fachlichen Eignung der Ärzte der KLINIK nicht auf. Werbung ist Ärzten nach ihrer Berufsordnung (vgl. § 27 der (Muster)Berufsordnung der Bundesärztekammer und gleichlautend Berufsordnung der Ärztekammer Niedersachsen) nur eingeschränkt erlaubt. Nach § 27 Abs. 5 der Berufsordnung sind Angaben u. a. über bestimmte Qualifikationen und Tätigkeitsschwerpunkte nur zulässig, wenn der Arzt die umfassten Tätigkeiten nicht nur gele¬gentlich ausübt. Mangels anderer Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass die Ärzte der Klinik die als Schwerpunkte ihrer Tätigkeit angegebenen Behandlungen nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchzuführen in der Lage sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Schließlich war auch dem gleichzeitig gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren stattzugeben. Insoweit wird auf die oben genannte Gründe Bezug genommen.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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