Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 3 KR 2480/04 -
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 1179/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Kontrolluntersuchungen nach einer Herztransplantation sind keine nachstationären Behandlungen. Untersuchungen zwischen viermal und zweimal jährlich erfüllen auch nicht die Voraussetzungen einer "hohen Behandlungsfrequenz" im Sinne der Krankentransport-Richtlinien (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17. August 2006 - Az.: L 5 KR 65/06).
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 14. November 2006 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Kostenerstattung und -übernahme für Kontrolluntersuchungen nach einer Herztransplantation streitig.
Bei dem 1951 geborenen Kläger erfolgte im März 1998 einer Herztransplantation in der Herzzentrum L. GmbH. Seitdem finden dort Kontrolluntersuchungen statt. 2004 sind ihm Fahrtkosten für vier Kontrolluntersuchungen in Höhe von 231,50 EUR, 2005 für drei Kontrolluntersuchungen in Höhe von 241,00, 2006 für zwei Kontrolluntersuchungen in Höhe von 181,10 EUR, 2007 für eine Kontrolluntersuchung in Höhe von 101,50 EUR, 2008 für zwei Kontrolluntersuchungen in Höhe von 162,40 EUR, 2009 für zwei Kontrolluntersuchungen in Höhe von 182,10 EUR entstanden. Der Kläger ist schwerbehindert und ihm sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen "G" und "B" zuerkannt.
Am 4. Mai 2004 beantragte er bei der Beklagten die weitere Übernahme seiner Fahrtkosten von seinem Wohnort nach L. und fügte ein Attest der Herzzentrum L. GmbH bei. Mit Bescheid vom 4. Mai 2004 lehnte diese die Kostenübernahme für Fahrten zur ambulanten Behandlung seit dem 23. Februar 2004 ab. Aufgrund des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes (GMG) dürften die gesetzlichen Krankenkassen seit dem 1. Januar 2004 grundsätzlich keine Kosten für Fahrten zur ambulanten Behandlung mehr übernehmen. Ein Ausnahmefall, bei dem Fahrtkosten noch übernommen werden könnten, liege nicht vor. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2004).
Im Klageverfahren hat der Kläger die Ansicht vertreten, er habe weiterhin Anspruch auf Übernahme der Fahrtkosten nach § 60 Abs. 2 Nr. 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Bei den Kontrolluntersuchungen in der Herzzentrum L. GmbH handele es sich um stationäre Behandlungen nach § 115 a Abs. 2 Satz 4 SGB V. Diese seien aus zwingenden medizinischen Gründen entsprechend § 10 Abs. 2 Nr. 6 des Transplantationsgesetzes durch die Transplantationszentren zu erbringen. Die Untersuchungen seien lebenslang notwendig. Der Kläger hat Berichte der Herzzentrum L. GmbH vom 15. Juni und vom 21. November 2005 eingereicht.
Mit Urteil vom 26. November 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Im Berufungsverfahren vertritt der Kläger die Ansicht, dass aufgrund der lebenslang erforderlichen Behandlung in dem Transplantationszentrum auch bei ihm eine "hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum" vorliege.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 26. November 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 4. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2004 zu verurteilen, die ihm seit dem 23. Februar 2004 bis zum 21. Juli 2009 entstandenen Kosten in Höhe von 1.099,60 EUR zu erstatten und die künftig anfallenden Kosten für Kontrolluntersuchungen in der Herzzentrum Leipzig GmbH, alle abzüglich des sich aus § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB V ergebenden Betrages, zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält an ihrer Ansicht fest.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig.
Nach § 144 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der vom 2. Januar 2002 bis zum 31. März 2008 gültigen Fassung bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes (1) bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500 EUR nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistung für mehr als ein Jahr betrifft.
Zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung am 20. Dezember 2006 waren dem Kläger Fahrtkosten in Höhe von 653,60 EUR entstanden. Auch abzüglich des sich aus § 61 Satz 1 SGB V ergebenden Betrages bedurfte die Berufung daher keiner Zulassung nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG.
Die Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch nach § 60 SGB V (in der ab dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung von Art. 1 Nr. 37 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14. November 2003 (GMG), BGBl I 2190) auf Kostenerstattung der ihm vom 23. Februar 2004 bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung beim Senat entstanden Fahrtkosten und keinen Anspruch auf Kostenübernahme der ihm zukünftig entstehenden Fahrtkosten zu den Kontrolluntersuchungen in der Herzzentrum L. GmbH.
Die Voraussetzungen für eine Übernahme der Fahrtkosten nach § 60 Absatz 2 Nr. 4 SGB V liegen nicht vor. Danach übernimmt die Krankenkasse die Fahrtkosten in Höhe des sich nach § 61 Satz 1 SGB V ergebenden Betrages je Fahrt übersteigenden Betrages bei Fahrten von Versicherten zu einer ambulanten Krankenbehandlung sowie zu einer Behandlung nach § 115 a SGB V oder § 115 b SGB V, wenn dadurch eine an sich gebotene vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung (§ 39) vermieden oder verkürzt wird oder diese nicht ausführbar ist, wie bei einer stationären Krankenhausbehandlung.
Kontrolluntersuchungen nach Transplantationen sind keine nachstationären Behandlungen. Dies ergibt sich aus § 115 a Absatz 2 Satz 2, 3 und 4 SGB V, wonach die nachstationäre Behandlung sieben Behandlungstage innerhalb von 14 Tagen, bei Organübertragungen nach § 9 des Transplantationsgesetzes drei Monate nach Beendigung der stationären Krankenhausbehandlung nicht überschreiten darf. Die Frist von 14 Tagen oder drei Monaten kann in medizinisch begründeten Einzelfällen im Einvernehmen mit dem einweisenden Arzt verlängert werden. Kontrolluntersuchungen bei Organübertragungen nach § 9 des Transplantationsgesetzes dürfen vom Krankenhaus auch nach Beendigung der nachstationären Behandlung fortgeführt werden, um die weitere Krankenbehandlung oder Maßnahmen der Qualitätssicherung wissenschaftlich zu begleiten oder zu unterstützen.
Danach setzen die Kontrolluntersuchungen erst nach Beendigung der nachstationären Behandlung ein und sind gerade nicht ihr Bestandteil. Sie werden regelmäßig im Rahmen ambulanter Behandlungen erbracht; vollstationäre Behandlungen sind insofern grundsätzlich nicht erforderlich und können dadurch auch nicht vermieden werden. Eine Kontrolluntersuchung könnte allenfalls beim Auftreten von Komplikationen eine stationäre Aufnahme nach sich ziehen.
Im Rahmen des § 60 SGB V, der Ansprüche auf Fahrtkosten abschließend regelt, kommt als Anspruchsgrundlage für den Kläger allein § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V in Betracht, dessen Voraussetzungen hier ebenfalls nicht vorliegen.
Danach übernimmt die Krankenkasse Fahrtkosten zu einer ambulanten Behandlung unter Abzug des sich nach § 61 Satz 1 SGB V ergebenden Betrages nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V festgelegt hat. Nach § 8 der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Krankenfahrten Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V (Krankentransport-Richtlinien) i. d. F. vom 22. Januar 2004, geändert am 21. Dezember 2004 können in besonderen Ausnahmefällen auch Fahrten zur ambulanten Behandlung außer den in § 7 Abs. 2 Buchstaben b) und c) geregelten Fällen bei zwingender medizinischer Notwendigkeit von der Krankenkasse übernommen und vom Vertragsarzt verordnet werden. Sie bedürfen der vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse (Absatz 1). Voraussetzungen für eine Verordnung und eine Genehmigung sind,
- dass der Patient mit einem durch die Grunderkrankung vorgegebenen Therapieschema behandelt wird, das eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweist, und - dass diese Behandlung oder der zu dieser Behandlung führende Krankheitsverlauf den Patienten in einer Weise beeinträchtigt, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist.
Diese Voraussetzungen sind in den in Anlage 2 dieser Richtlinien genannten Ausnahmefällen in der Regel erfüllt. Diese Liste ist nicht abschließend (Absatz 2).
Daneben kann die Fahrt zur ambulanten Behandlung für Versicherte verordnet und genehmigt werden, die einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen "aG", "Bl" oder "H" oder einen Einstufungsbescheid nach SGB XI in die Pflegestufe 2 oder 3 bei der Verordnung vorlegen. Die Krankenkasse genehmigt auf ärztliche Verordnung Fahrten zur ambulanten Behandlung von Versicherten, die keinen Nachweis nach Satz 1 besitzen, wenn diese von einer der Kriterien von Satz 1 vergleichbaren Beeinträchtigung der Mobilität betroffen sind und einer ambulanten Behandlung über einen längeren Zeitraum bedürfen (Absatz 3).
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist die gesetzeskonforme Konkretisierung der Ausnahme nach § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V durch die Krankentransport-Richtlinien nicht auf Grund ranghöheren Rechts erweiternd auszulegen. Mit der Änderung des § 60 SGB V zum 1. Januar 2004 hat der Gesetzgeber vielmehr stärker als zuvor auf die medizinische Notwendigkeit der im Zusammenhang mit Leistungen der Beklagten erforderlichen Fahrt abgestellt und die Möglichkeit der Beklagten, Fahrtkosten generell in Härtefällen zu übernehmen, verfassungskonform beseitigt (vgl. BSG in SozR 4-2500 § 60 Nr. 1 Rdnr. 13 f).
Der Kläger erfüllt nicht die alternativen Voraussetzungen des § 8 Absatz 2 der Krankentransport-Richtlinien. Das Therapieschema in der Herzzentrum L. GmbH weist keine hohe Behandlungsfrequenz auf.
In dem Urteil vom 28. Juli 2008 (Az.: B 1 KR 27/07 R, nach juris) zu einer einmal wöchentlich erforderlichen Apherese-Behandlung hat das BSG ausgeführt: "Das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals "hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum" i. S. von § 8 Absatz 2 der KrTransp-RL ist danach zu bestimmen, ob die Behandlung, zu deren Ermöglichung die Fahrten durchgeführt werden sollen, mit den in Anlage 2 der Richtlinien genannten anderen Behandlungsformen von ihrem zeitlichen Ausmaß her wertungsmäßig vergleichbar ist; dabei ist die Häufigkeit einerseits und die Gesamtdauer andererseits gemeinsam zu den Regelbeispielen in Beziehung zu setzen. Dieser Maßstab ergibt sich aus der Absicht des Gesetzgebers, ab dem 1.1.2004 Fahrtkosten in der ambulanten Behandlung grundsätzlich gar nicht mehr zu erstatten und nur in "besonderen" Ausnahmefällen etwas anderes gelten zu lassen, nicht aber schon breitflächig allgemein in Härtefällen. Vor diesem Hintergrund muss sich die Auslegung an den in Anlage 2 KrTransp-RL genannten, nicht abschließenden Beispielen der Dialysebehandlung, der onkologischen Strahlentherapie sowie der onkologischen Chemotherapie orientieren ... Anders als das LSG meint, kann für die Behandlungshäufigkeit eine durchgehende Therapiedichte von mindestens zwei Mal pro Woche nicht allgemein gefordert werden. § 60 SGB V und die Bestimmungen der KrTransp-RL enthalten eine solche Voraussetzung nicht explizit. Selbst wenn die in Anlage 2 der RL genannten Beispiele in der Regel mehr als eine Behandlung wöchentlich erfordern, darf nicht außer Acht bleiben, dass die onkologische Strahlen- und Chemotherapiebehandlungen - anders als die LDL-Apherese-Behandlung der Klägerin - keine Therapie von unbestimmter Dauer bedeuten, sondern auf bestimmte Behandlungsintervalle beschränkt sind. So hat auch die Beklagte im Berufungsverfahren unter Bezugnahme auf eigene medizinische Internet-Recherchen ausgeführt, eine zwischen 20 und 35 Bestrahlungen umfassende onkologische Strahlentherapie erstrecke sich meistens auf einen Zeitraum von vier bis sieben Wochen und eine onkologische Chemotherapie mit Behandlungszyklen von jeweils drei bis vier Wochen im mittleren und fortgeschrittenen Stadien beinhalte eine Behandlungsdauer von insgesamt vier bis acht Monaten. In Anbetracht des Umstandes, dass die Klägerin zwar nur einmal wöchentlich behandelt werden muss, die LDL-Apherese aber über einen viel längeren Zeitraum als in den Beispielsfällen erfolgen muss (nach den vorliegenden Unterlagen in der Vergangenheit durchgehend von 2004 bis 2007), ohne dass erkennbar ein Ende abzusehen ist, kann die streitige Anspruchsvoraussetzung der Behandlung nach einem Therapieschema, das iS von § 8 Absatz 2 KrTransp-RL eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweist, auch bei ihr nicht verneint werden."
Ein Ende der Kontrolluntersuchungen ist hier zwar ebenfalls nicht abzusehen, jedoch erfolgten diese im Jahr 2004 lediglich viermal, im Jahr 2005 dreimal und in den Jahren 2006 - mit Ausnahme des Jahres 2007, für das der Kläger nur einmal angefallene Fahrtkosten nachgewiesen hat - bis 2009 nur zweimal. Dies erfüllt unter Berücksichtigung der Ausführungen des BSG in dem genannten Urteil, denen sich der Senat anschließt, nicht die Voraussetzungen einer "hohen Behandlungsfrequenz" im Sinne der Krankentransport-Richtlinien (vgl. auch Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17. August 2006 - Az.: L 5 KR 65/06, nach juris).
Die Voraussetzungen für eine Genehmigung der Fahrten zu den Kontrolluntersuchungen nach § 8 Absatz 3 der Krankentransport-Richtlinien sind ebenfalls nicht gegeben, weil der Kläger keinen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen "aG", "Bl" oder "H" oder einen Einstufungsbescheid in die Pflegestufe 2 oder 3 nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) vorlegen kann und bei ihm keine diesen Fällen vergleichbare Beeinträchtigung der Mobilität vorliegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Kostenerstattung und -übernahme für Kontrolluntersuchungen nach einer Herztransplantation streitig.
Bei dem 1951 geborenen Kläger erfolgte im März 1998 einer Herztransplantation in der Herzzentrum L. GmbH. Seitdem finden dort Kontrolluntersuchungen statt. 2004 sind ihm Fahrtkosten für vier Kontrolluntersuchungen in Höhe von 231,50 EUR, 2005 für drei Kontrolluntersuchungen in Höhe von 241,00, 2006 für zwei Kontrolluntersuchungen in Höhe von 181,10 EUR, 2007 für eine Kontrolluntersuchung in Höhe von 101,50 EUR, 2008 für zwei Kontrolluntersuchungen in Höhe von 162,40 EUR, 2009 für zwei Kontrolluntersuchungen in Höhe von 182,10 EUR entstanden. Der Kläger ist schwerbehindert und ihm sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen "G" und "B" zuerkannt.
Am 4. Mai 2004 beantragte er bei der Beklagten die weitere Übernahme seiner Fahrtkosten von seinem Wohnort nach L. und fügte ein Attest der Herzzentrum L. GmbH bei. Mit Bescheid vom 4. Mai 2004 lehnte diese die Kostenübernahme für Fahrten zur ambulanten Behandlung seit dem 23. Februar 2004 ab. Aufgrund des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes (GMG) dürften die gesetzlichen Krankenkassen seit dem 1. Januar 2004 grundsätzlich keine Kosten für Fahrten zur ambulanten Behandlung mehr übernehmen. Ein Ausnahmefall, bei dem Fahrtkosten noch übernommen werden könnten, liege nicht vor. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2004).
Im Klageverfahren hat der Kläger die Ansicht vertreten, er habe weiterhin Anspruch auf Übernahme der Fahrtkosten nach § 60 Abs. 2 Nr. 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Bei den Kontrolluntersuchungen in der Herzzentrum L. GmbH handele es sich um stationäre Behandlungen nach § 115 a Abs. 2 Satz 4 SGB V. Diese seien aus zwingenden medizinischen Gründen entsprechend § 10 Abs. 2 Nr. 6 des Transplantationsgesetzes durch die Transplantationszentren zu erbringen. Die Untersuchungen seien lebenslang notwendig. Der Kläger hat Berichte der Herzzentrum L. GmbH vom 15. Juni und vom 21. November 2005 eingereicht.
Mit Urteil vom 26. November 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Im Berufungsverfahren vertritt der Kläger die Ansicht, dass aufgrund der lebenslang erforderlichen Behandlung in dem Transplantationszentrum auch bei ihm eine "hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum" vorliege.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 26. November 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 4. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2004 zu verurteilen, die ihm seit dem 23. Februar 2004 bis zum 21. Juli 2009 entstandenen Kosten in Höhe von 1.099,60 EUR zu erstatten und die künftig anfallenden Kosten für Kontrolluntersuchungen in der Herzzentrum Leipzig GmbH, alle abzüglich des sich aus § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB V ergebenden Betrages, zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält an ihrer Ansicht fest.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig.
Nach § 144 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der vom 2. Januar 2002 bis zum 31. März 2008 gültigen Fassung bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes (1) bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500 EUR nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistung für mehr als ein Jahr betrifft.
Zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung am 20. Dezember 2006 waren dem Kläger Fahrtkosten in Höhe von 653,60 EUR entstanden. Auch abzüglich des sich aus § 61 Satz 1 SGB V ergebenden Betrages bedurfte die Berufung daher keiner Zulassung nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG.
Die Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch nach § 60 SGB V (in der ab dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung von Art. 1 Nr. 37 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14. November 2003 (GMG), BGBl I 2190) auf Kostenerstattung der ihm vom 23. Februar 2004 bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung beim Senat entstanden Fahrtkosten und keinen Anspruch auf Kostenübernahme der ihm zukünftig entstehenden Fahrtkosten zu den Kontrolluntersuchungen in der Herzzentrum L. GmbH.
Die Voraussetzungen für eine Übernahme der Fahrtkosten nach § 60 Absatz 2 Nr. 4 SGB V liegen nicht vor. Danach übernimmt die Krankenkasse die Fahrtkosten in Höhe des sich nach § 61 Satz 1 SGB V ergebenden Betrages je Fahrt übersteigenden Betrages bei Fahrten von Versicherten zu einer ambulanten Krankenbehandlung sowie zu einer Behandlung nach § 115 a SGB V oder § 115 b SGB V, wenn dadurch eine an sich gebotene vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung (§ 39) vermieden oder verkürzt wird oder diese nicht ausführbar ist, wie bei einer stationären Krankenhausbehandlung.
Kontrolluntersuchungen nach Transplantationen sind keine nachstationären Behandlungen. Dies ergibt sich aus § 115 a Absatz 2 Satz 2, 3 und 4 SGB V, wonach die nachstationäre Behandlung sieben Behandlungstage innerhalb von 14 Tagen, bei Organübertragungen nach § 9 des Transplantationsgesetzes drei Monate nach Beendigung der stationären Krankenhausbehandlung nicht überschreiten darf. Die Frist von 14 Tagen oder drei Monaten kann in medizinisch begründeten Einzelfällen im Einvernehmen mit dem einweisenden Arzt verlängert werden. Kontrolluntersuchungen bei Organübertragungen nach § 9 des Transplantationsgesetzes dürfen vom Krankenhaus auch nach Beendigung der nachstationären Behandlung fortgeführt werden, um die weitere Krankenbehandlung oder Maßnahmen der Qualitätssicherung wissenschaftlich zu begleiten oder zu unterstützen.
Danach setzen die Kontrolluntersuchungen erst nach Beendigung der nachstationären Behandlung ein und sind gerade nicht ihr Bestandteil. Sie werden regelmäßig im Rahmen ambulanter Behandlungen erbracht; vollstationäre Behandlungen sind insofern grundsätzlich nicht erforderlich und können dadurch auch nicht vermieden werden. Eine Kontrolluntersuchung könnte allenfalls beim Auftreten von Komplikationen eine stationäre Aufnahme nach sich ziehen.
Im Rahmen des § 60 SGB V, der Ansprüche auf Fahrtkosten abschließend regelt, kommt als Anspruchsgrundlage für den Kläger allein § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V in Betracht, dessen Voraussetzungen hier ebenfalls nicht vorliegen.
Danach übernimmt die Krankenkasse Fahrtkosten zu einer ambulanten Behandlung unter Abzug des sich nach § 61 Satz 1 SGB V ergebenden Betrages nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V festgelegt hat. Nach § 8 der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Krankenfahrten Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V (Krankentransport-Richtlinien) i. d. F. vom 22. Januar 2004, geändert am 21. Dezember 2004 können in besonderen Ausnahmefällen auch Fahrten zur ambulanten Behandlung außer den in § 7 Abs. 2 Buchstaben b) und c) geregelten Fällen bei zwingender medizinischer Notwendigkeit von der Krankenkasse übernommen und vom Vertragsarzt verordnet werden. Sie bedürfen der vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse (Absatz 1). Voraussetzungen für eine Verordnung und eine Genehmigung sind,
- dass der Patient mit einem durch die Grunderkrankung vorgegebenen Therapieschema behandelt wird, das eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweist, und - dass diese Behandlung oder der zu dieser Behandlung führende Krankheitsverlauf den Patienten in einer Weise beeinträchtigt, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist.
Diese Voraussetzungen sind in den in Anlage 2 dieser Richtlinien genannten Ausnahmefällen in der Regel erfüllt. Diese Liste ist nicht abschließend (Absatz 2).
Daneben kann die Fahrt zur ambulanten Behandlung für Versicherte verordnet und genehmigt werden, die einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen "aG", "Bl" oder "H" oder einen Einstufungsbescheid nach SGB XI in die Pflegestufe 2 oder 3 bei der Verordnung vorlegen. Die Krankenkasse genehmigt auf ärztliche Verordnung Fahrten zur ambulanten Behandlung von Versicherten, die keinen Nachweis nach Satz 1 besitzen, wenn diese von einer der Kriterien von Satz 1 vergleichbaren Beeinträchtigung der Mobilität betroffen sind und einer ambulanten Behandlung über einen längeren Zeitraum bedürfen (Absatz 3).
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist die gesetzeskonforme Konkretisierung der Ausnahme nach § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V durch die Krankentransport-Richtlinien nicht auf Grund ranghöheren Rechts erweiternd auszulegen. Mit der Änderung des § 60 SGB V zum 1. Januar 2004 hat der Gesetzgeber vielmehr stärker als zuvor auf die medizinische Notwendigkeit der im Zusammenhang mit Leistungen der Beklagten erforderlichen Fahrt abgestellt und die Möglichkeit der Beklagten, Fahrtkosten generell in Härtefällen zu übernehmen, verfassungskonform beseitigt (vgl. BSG in SozR 4-2500 § 60 Nr. 1 Rdnr. 13 f).
Der Kläger erfüllt nicht die alternativen Voraussetzungen des § 8 Absatz 2 der Krankentransport-Richtlinien. Das Therapieschema in der Herzzentrum L. GmbH weist keine hohe Behandlungsfrequenz auf.
In dem Urteil vom 28. Juli 2008 (Az.: B 1 KR 27/07 R, nach juris) zu einer einmal wöchentlich erforderlichen Apherese-Behandlung hat das BSG ausgeführt: "Das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals "hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum" i. S. von § 8 Absatz 2 der KrTransp-RL ist danach zu bestimmen, ob die Behandlung, zu deren Ermöglichung die Fahrten durchgeführt werden sollen, mit den in Anlage 2 der Richtlinien genannten anderen Behandlungsformen von ihrem zeitlichen Ausmaß her wertungsmäßig vergleichbar ist; dabei ist die Häufigkeit einerseits und die Gesamtdauer andererseits gemeinsam zu den Regelbeispielen in Beziehung zu setzen. Dieser Maßstab ergibt sich aus der Absicht des Gesetzgebers, ab dem 1.1.2004 Fahrtkosten in der ambulanten Behandlung grundsätzlich gar nicht mehr zu erstatten und nur in "besonderen" Ausnahmefällen etwas anderes gelten zu lassen, nicht aber schon breitflächig allgemein in Härtefällen. Vor diesem Hintergrund muss sich die Auslegung an den in Anlage 2 KrTransp-RL genannten, nicht abschließenden Beispielen der Dialysebehandlung, der onkologischen Strahlentherapie sowie der onkologischen Chemotherapie orientieren ... Anders als das LSG meint, kann für die Behandlungshäufigkeit eine durchgehende Therapiedichte von mindestens zwei Mal pro Woche nicht allgemein gefordert werden. § 60 SGB V und die Bestimmungen der KrTransp-RL enthalten eine solche Voraussetzung nicht explizit. Selbst wenn die in Anlage 2 der RL genannten Beispiele in der Regel mehr als eine Behandlung wöchentlich erfordern, darf nicht außer Acht bleiben, dass die onkologische Strahlen- und Chemotherapiebehandlungen - anders als die LDL-Apherese-Behandlung der Klägerin - keine Therapie von unbestimmter Dauer bedeuten, sondern auf bestimmte Behandlungsintervalle beschränkt sind. So hat auch die Beklagte im Berufungsverfahren unter Bezugnahme auf eigene medizinische Internet-Recherchen ausgeführt, eine zwischen 20 und 35 Bestrahlungen umfassende onkologische Strahlentherapie erstrecke sich meistens auf einen Zeitraum von vier bis sieben Wochen und eine onkologische Chemotherapie mit Behandlungszyklen von jeweils drei bis vier Wochen im mittleren und fortgeschrittenen Stadien beinhalte eine Behandlungsdauer von insgesamt vier bis acht Monaten. In Anbetracht des Umstandes, dass die Klägerin zwar nur einmal wöchentlich behandelt werden muss, die LDL-Apherese aber über einen viel längeren Zeitraum als in den Beispielsfällen erfolgen muss (nach den vorliegenden Unterlagen in der Vergangenheit durchgehend von 2004 bis 2007), ohne dass erkennbar ein Ende abzusehen ist, kann die streitige Anspruchsvoraussetzung der Behandlung nach einem Therapieschema, das iS von § 8 Absatz 2 KrTransp-RL eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweist, auch bei ihr nicht verneint werden."
Ein Ende der Kontrolluntersuchungen ist hier zwar ebenfalls nicht abzusehen, jedoch erfolgten diese im Jahr 2004 lediglich viermal, im Jahr 2005 dreimal und in den Jahren 2006 - mit Ausnahme des Jahres 2007, für das der Kläger nur einmal angefallene Fahrtkosten nachgewiesen hat - bis 2009 nur zweimal. Dies erfüllt unter Berücksichtigung der Ausführungen des BSG in dem genannten Urteil, denen sich der Senat anschließt, nicht die Voraussetzungen einer "hohen Behandlungsfrequenz" im Sinne der Krankentransport-Richtlinien (vgl. auch Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17. August 2006 - Az.: L 5 KR 65/06, nach juris).
Die Voraussetzungen für eine Genehmigung der Fahrten zu den Kontrolluntersuchungen nach § 8 Absatz 3 der Krankentransport-Richtlinien sind ebenfalls nicht gegeben, weil der Kläger keinen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen "aG", "Bl" oder "H" oder einen Einstufungsbescheid in die Pflegestufe 2 oder 3 nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) vorlegen kann und bei ihm keine diesen Fällen vergleichbare Beeinträchtigung der Mobilität vorliegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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