L 5 KR 3936/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 4776/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 3936/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08.08.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Ihm Streit steht ein Auskunftsersuchen des Klägers über die von ihm gespeicherten Sozialdaten.

Der Kläger stellte mit Schreiben vom 18.10.2010 bei der Beklagten Ziffer 1 den Antrag auf Auskunft über personenbezogene Daten. Er bat, ihn umfassend über alle zu seiner Person gespeicherten Daten zu unterrichten.

Mit Schreiben vom 28.10.2011 teilte die Beklagte Ziffer 1 dem Kläger mit, dass seine Anfrage § 305 SGB V unterfalle. Sie könne ihm Patienteninformationen zukommen lassen, die die Tage der Behandlungen, die abgerechneten Ziffern, Kurzbeschreibungen sowie die Kosten beinhalteten. Darüber hinausgehende Daten müssten bei der zuständigen Krankenkasse erfragt werden. Er wurde gebeten, die gesetzlich vorgeschriebene Verfahrensweise einzuhalten. Nach ergänzender Mitteilung des Klägers vom 03.11.2010 erklärte die Beklagte Ziffer 1, dass sie gerne die Daten zusammenstelle. Allerdings müsse der Antrag über die Krankenkasse gestellt werden.

Der Kläger hat am 22.11.2010 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und beantragt festzustellen, dass die Beklagte Ziffer 1 ihn über alle personenbezogenen Daten, die gespeichert sind, zu unterrichten habe. Die Beklagte Ziffer 1 habe die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft an Eidesstatt zu versichern.

Die Beklagte Ziffer 1 hat mit Schreiben vom 20.05.2011 unter Bezugnahme auf § 83 SGB X und unter Übersendung der Ausdrucke der Behandlungen der Quartale 3/2008, 1/2009, 4/2009 und 1/2010 den Kläger unterrichtet. Hierzu wurde mitgeteilt, der Kläger könne aus den Ausdrucken die abrechnenden Praxen ersehen. Diese Daten seien ausschließlich an seine Krankenkasse weiter geleitet worden. Weitere Behandlungen hätten für die Zeit nach dem 01.07.2008 nicht festgestellt werden können. Eine Recherche für die Zeit vor dem Quartal 3/2008 sei ohne nähere Angaben zu den behandelnden Praxen nicht möglich. Hierzu fehlten die technischen Voraussetzungen für eine patientenbezogene Recherche, da die Daten zum einen praxisbezogen und zum anderen regional auf verschiedenen Servern gespeichert seien. Sollte er noch weitere Informationen benötigen, solle er sich bitte an seine Krankenkasse wenden, ansonsten werde auf die Ausführungen in § 83 SGB X verwiesen:

"In dem Antrag soll die Art der Sozialdaten, über die Auskunft erteilt werden soll, näher bezeichnet werden. Sind die Sozialdaten nicht automatisiert oder nicht in nicht automatisierten Dateien gespeichert, wird die Auskunft nur erteilt, soweit der Betroffene Angaben macht, die das Auffinden der Daten ermöglichen, und der für die Erteilung der Auskunft erforderliche Aufwand nicht außer Verhältnis zu dem vom Betroffenen geltend gemachten Informationsinteresse steht"

Mit Schreiben vom 20.06.2011 trägt der Kläger vor, dass die Angaben der Beklagten Ziffer 1 alt, wahrheitswidrig und unvollständig seien. Die Beklagte Ziffer 1 hätte darlegen müssen, unter welchen Umständen es zu Forderungen der Beklagten Ziffer 2 gegen ihn gekommen sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 08.08.2011 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die vom Kläger mit Schreiben vom 20.11.2010 als Feststellungsklage formulierte Klage sei sachdienlich ausgelegt als Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG anzusehen. Für die Fortführung der Klage sei aber nach Erteilung der Auskunft durch die Beklagte Ziffer 1 das Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Die Klage sei daher unzulässig. Die Beklagte Ziffer 1 habe mit Auskunft vom 20.05.2011, insbesondere unter Ausdruck der bei ihr in den Quartalen zwischen 3/2008 und 1/2010 abgespeicherten Daten das Auskunftsbegehren des Klägers befriedigt. Entgegen den Darlegungen des Klägers seien für die erkennende Kammer keine Hinweise dafür ersichtlich, dass die Beklagte Ziffer 1 dem Auskunftsbegehren nicht vollständig nachgekommen sei. Die Beklagte Ziffer 1 habe dies mit Schriftsatz vom 21.07.2011 dahingehend bestätigt, dass sie die ihr vorliegenden Daten vollumfänglich mitgeteilt habe. Hieran zu zweifeln, bestehe für die erkennende Kammer keine Veranlassung.

Gegen den ihm am 13.08.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 31.08.2011 beim SG Berufung eingelegt und geltend gemacht, in der vorliegenden Form sei die Entscheidung völlig unzulänglich und müsse zurückverwiesen werden. Ebenso sei Art. 103 Abs. 1 GG verletzt worden. Die Beklagte habe keine Auskunft erteilt. Die Auskunft sei offensichtlich alt und unvollständig sowie wertlos.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08.08.2011 aufzuheben und die Beklagte zu 1 (gegebenenfalls über die Beklagte zu 2) zu verurteilen, ihn über alle personenbezogenen Daten, die gespeichert sind, zu unterrichten und die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskünfte an Eides statt zu versichern.

Die Beklagte Ziffer 1 beantragt,

die Berufung zurückzuzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Die Beklagte Ziffer 2 hat keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte entscheiden und verhandeln, obwohl der Kläger zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Denn der Kläger war ordnungsgemäß geladen und darauf hingewiesen worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann.

Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet.

Streitgegenstand ist der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Auskunftserteilung. Die Leistungsklage (sog. echte Leistungsklage) ist die richtige Klageart. Die Leistungsklage hat ein Tun, Dulden oder Unterlassen der beklagten Behörde zum Ziel. Die Auskunftserteilung ist in diesem Sinne ein tatsächliches Verwaltungshandeln ohne Regelungscharakter (Pickel, Rechte des Betroffenen im Sozialdatenschutz, SGb 2001, 57 ff.; von Wulffen, Kommentar zum SGB X, 7. Auflage 2010, § 83 Rn. 9; anderes gilt für den Informationsanspruch nach dem IFG bzw. LIFG). Allerdings ist die negative Entscheidung, mit der der Antrag auf Auskunft abgelehnt wird, als Verwaltungsakt zu qualifizieren (Pickel a.a.O.; von Wulffen a.a.O., § 83 Rn. 9). Dementsprechend ist im Falle der Ablehnung die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage, gerichtet auf die Aufhebung des dem geltend gemachten Anspruch entgegenstehenden Verwaltungsakts und Verurteilung zur Auskunftserteilung, die richtige Klageart, so dass auch ein Vorverfahren grundsätzlich notwendig ist (vgl. § 78 SGG). Ist aber weder eine – teilweise - ablehnende Entscheidung ergangen noch die begehrte Auskunft - vollständig - erteilt worden, kann der Antragsteller seinen Anspruch nur mit der Leistungsklage verfolgen, da er die Erteilung einer – schlichten – Auskunft begehrt und nicht den Erlass eines – ablehnenden – Verwaltungsakts.

Im vorliegenden Fall ist keine Ablehnung des Auskunftsbegehrens des Klägers durch Verwaltungsakt erfolgt. Vielmehr vertritt die Beklagte die Auffassung, dass sie dem Kläger die beantragten Auskünfte vollständig zur Verfügung gestellt habe. Damit ist die vom Kläger erhobene Leistungsklage die richtige Klageart. Die Leistungsklage ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere fehlt dem Kläger nicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis. Insofern genügt es, dass er vorträgt, seinem Auskunftsbegehren sei mit den bisher erteilten Auskünften noch nicht vollständig Rechnung getragen worden. Ob dieser Vortrag zutrifft, ist eine Frage der Begründetheit seiner Klage.

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen weitergehenden Anspruch gegen die Beklagte Ziffer 1 auf Erteilung weiterer Auskünfte und Abgabe von Erklärungen und Versicherungen.

Grundlage des Auskunftsbegehrens ist § 83 SGB X. § 305 SGB V lässt die Auskunftspflicht über gespeicherte Daten nach § 83 SGB X unberührt (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.05.2010 - L 5 KR 153/09 - m.w.N.; BT-Drucksache 11/2237 S. 238 zu § 331). Der Kläger hat auf dieser Grundlage über die von der Beklagten Ziffer 1 für ihn ab 3/2008 erbrachten Leistungen (solche waren lediglich in den Quartalen 3/2008, 1/2009, 4/2009 und 1/2010 angefallen), einschließlich der zugrundeliegenden Diagnosen und die hierdurch verursachten Kosten Auskunft erhalten. Der Kläger macht nach dieser Auskunftserteilung durch die Beklagte Ziffer 1 im erstinstanzlichen Verfahren nun noch geltend, dass die Daten veraltet und unvollständig seien. Diese Einwände betreffen den hier streitgegenständlichen Auskunftsanspruch jedoch nicht. Maßgeblich ist, dass alle gespeichert Daten mitgeteilt worden sind, die Frage, ob die gespeicherten Daten die erbrachten Leistungen vollständig erfassen, ist nicht Gegenstand eines Auskunftsanspruchs. Soweit der Kläger sinngemäß geltend macht, dass die Auskunft nicht - vollständig - alle gespeicherten Daten enthalte, ist diese Behauptung nicht substantiiert und dementsprechend nicht nachprüfbar und gibt auch dem Senat keinen Anlass, an den entgegenstehenden Angaben der Beklagten Ziffer 1 zu zweifeln.

Im Übrigen fehlt es, worauf die Beklagte Ziffer 1 zu Recht hingewiesen hat, jedenfalls für einen weitergehenden Auskunftsanspruch auch an einem den Anforderungen des § 83 Abs. 1 Satz 2 SGB X entsprechenden Antrag. Der Antrag soll gem. § 83 Abs. 1 Satz 2 SGB X die Art der Daten, über die die Auskunftserteilung begehrt wird, näher bezeichnen (gezielte Auskunft). "Soll" bedeutet in der Regel muss, in Ausnahmefällen, die darzulegen und zu beweisen sind, bedarf es keiner näheren Bezeichnung, es kann also in atypischen Fällen nach Ausübung des Ermessens von dem genannten Erfordernis abgesehen werden, durch die der zur Auskunft verpflichteten Stelle die Arbeit erleichtert und ein unverhältnismäßiger Aufwand vermieden werden soll (von Wulffen a.a.O, § 83 Rn. 3). Unabhängig davon, dass die Beklagte Ziffer 1 dem Kläger aufgrund seines Antrags vom 18.10.2010 Auskunft über alle seine von ihr ab 01.07.2008 gespeicherten Sozialdaten erteilt hat, sind hier keine vom Regelfall abweichenden Umstände ersichtlich, so dass aus den von der Beklagten Ziffer 1 im Schreiben vom 20.05.2010 genannten Gründen jedenfalls hinsichtlich weiterer Auskünfte ein klarer, eindeutig bezeichneter und ein konkretes Begehren formulierender Antrag Voraussetzung ist. Ein solcher ist bei der Beklagten Ziffer 1 nicht gestellt worden.

Ein weitergehender Anspruch besteht auch nicht gegenüber der Beklagten Ziffer 2. § 305 Abs. 1 Satz 1 SGB V beschränkt das Auskunftsrecht für die Versicherten auf die in Anspruch genommenen Leistungen und deren Kosten auf das dem Antrag vorhergehende letzte Geschäftsjahr. Über die von der Beklagten Ziffer 1 für ihn ab 3/2008 erbrachten Leistungen und die hierdurch verursachten Kosten hat er Auskunft erhalten. Ihm wurden damit von der Beklagten Ziffer 1 sämtliche verfügbaren Daten über vertragsärztliche Leistungen zur Verfügung gestellt, so dass jedenfalls im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein noch offener Auskunftsanspruch auch gegenüber der Beklagten Ziffer 2 nicht gegeben ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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