L 6 R 1287/07

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Meiningen (FST)
Aktenzeichen
S 12 R 1047/05
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 1287/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 27. Juli 2007 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat.

Der 1960 geborene Kläger absolvierte von September 1977 bis Juli 1979 eine Ausbildung zum Meliorationstechniker und schloss sie mit dem Facharbeiterbrief ab. Danach war er bis Oktober 1991 laut Sozialversicherungsausweis als Maschinist (Planierraupenfahrer) tätig. Von April 1991 bis Januar 2004 arbeitete er als Laderaupenfahrer bei der O. St. GmbH, ab April 2004 bis Dezember 2004 als Planierraupen- und Baggerfahrer bei der J. Bau GmbH Erd- Tief- und Straßenbau. Die Entlohnung erfolgte laut Arbeitgeberauskunft vom 18. November 2004 in der Lohngruppe 2 des Bundesrahmentarifvertrags für das Bauhauptgewerbe; es habe sich um eine Facharbeitertätigkeit gehandelt. Seit dem 25. August 2004 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt und bezog im Anschluss an die Lohnfortzahlung Krankengeld. Ab Januar 2005 erhielt er Leistungen der Bundesagentur für Arbeit und war von August bis Dezember 2005 als Sortierer bei der L. Au. K. GmbH & Co KG tätig. Seit April 2006 war er als Helfer im Lagerbereich und seit dem 26. März 2007 erneut als Sortierer bei der L. A. K. GmbH & Co KG tätig.

Im November 2004 beantragte er die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte holte u.a. ein orthopädisches Gutachten des Dr. A. vom 17. Januar 2005 (Diagnosen: chronisch-rezidivierendes HWS-Syndrom mit Brachialgie und neurologisch nachgewiesener Wurzelreizung, chronisch-rezidivierendes Lumbalsyndrom, chronisch-rezidivierendes BWS-Syndrom, Periarthropathiia simplex der linken Schulter; Leistungsbild: leichte bis mittelschwere Arbeiten mit Einschränkungen vollschichtig) ein und lehnte mit Bescheid vom 24. Januar 2005 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2005). Der Kläger sei der Gruppe der angelernten Arbeiter zuzuordnen und könne auf alle Tätigkeiten der angelernten Arbeiter und auf solche ungelernte Arbeiten verwiesen werden, welche nicht nur einen sehr geringen qualitativen Wert hätten. Der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedürfe es nicht.

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht diverse Befundberichte sowie ein orthopädisches Gutachten des Dipl.-Med. Sch. vom 2. Juni 2006 eingeholt. Danach liegen bei dem Kläger ein chronisches Cervikobrachialsyndrom links bei Osteochondrose/Spondylose von C5-C7 mit Einengung der Bandscheibenräume C5/C6 und C6/C7, eine chronische Bandscheibenvorwölbung C5/C6 und C6/C7 und daraus resultierendes Nervenwurzelreizsyndrom C6/C7 links mit Kraftminderung linke Hand vom Grad Janda III, ein Karpaltunnelsyndrom linke Hand, eine Rumpfmuskelinsuffizienz mit stato-motorischer Fehlhaltung der gesamten Wirbelsäule, eine Chondropathia retropatellaris beidseits und ein rezidivierendes Lumbalsyndrom vor. Er sei aus orthopädischer Sicht in der Lage, leichte bis teilweise mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig mit Einschränkungen - keine volle Gebrauchsfähigkeit der linken Hand, keine ständigen Überkopfarbeiten, keine Arbeiten in körperlicher Zwangshaltung für die Wirbelsäule, keine häufig bückende Tätigkeiten, kein Heben und Tragen von Lasten über 15 kg, keine ständig knienden Tätigkeiten - in wechselnder Körperhaltung zwischen Sitzen und Stehen auszuüben. Zusätzliche betriebsunübliche Pausen seien nicht erforderlich. Eine Tätigkeit als Planierraupenfahrer oder Lagerarbeiter sei nicht mehr möglich.

Mit Urteil vom 27. Juli 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger genieße aufgrund der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Planierraupenfahrer keinen Berufsschutz als Facharbeiter. Seine Ausbildung als Meliorationstechniker sei für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht erforderlich gewesen. Voraussetzung für eine derartige Tätigkeit sei ein Maschinistenlehrgang. Es handele sich um Tätigkeiten im Teilbereich eines anerkannten Ausbildungsberufes. Insoweit sei die Tätigkeit als angelernte Tätigkeit im unteren Bereich einzustufen. Damit sei der Kläger sozial zumutbar auf alle anderen angelernten und ungelernten Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Leichte Tätigkeiten könne er nach den medizinischen Ermittlungen vollschichtig ausüben.

Im Berufungsverfahren trägt der Kläger vor, er genieße Berufsschutz als Facharbeiter. Während seiner Ausbildung im Bereich Melioration habe er die hierfür erforderlichen theoretischen Kenntnisse und Fertigkeiten für seine Arbeit als Baumaschinist erworben. Es könne ihm nicht zum Nachteil gereichen, dass er auf Grund der katastrophalen Verhältnisse am Arbeitsmarkt für eine qualifizierte Tätigkeit schlechter bezahlt wurde als es angemessen gewesen wäre. Nach dem Bescheid der Industrie- und Handelskammer Suhl vom 18. Januar 2011 werde aufgrund von Artikel 37 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 auf Basis des Einigungsvertragsgesetzes vom 23. September 1990 in der jeweils gültigen Fassung der am 15. Juli 1979 in Buttstädt erworbene Berufsabschluss als Meliorationstechniker dem bundesdeutschen Berufsabschluss Tiefbaufacharbeiter gleichgestellt. Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 27. Juli 2007 teilweise aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Mai 2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1. Dezember 2004 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger genieße aufgrund der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Baggerfahrer und der Entlohnung nach der Lohngruppe 2 des Tarifvertrages für das Bauhauptgewerbe keinen Facharbeiterschutz. In dieser Lohngruppe würden Fachwerker, Maschinisten und Kraftfahrer entlohnt. Es handele sich hierbei um fachlich begrenzte Arbeiten (Teilleistungen eines Berufsbildes oder angelernte Spezialtätigkeiten) nach Anweisung. Folglich sei die zuletzt vor Rentenantragstellung ausgeübte Tätigkeit lediglich als angelernte (unteren Ranges) in das Mehrstufenschema einzuordnen. Für die vollwertige Ausübung dieser Tätigkeit sei keine mindestens einjährige Einarbeitungs- oder Anlernzeit erforderlich. Allein aus der Klarstellung des Prüfungszeugnisses durch die Industrie- und Handelskammer Suhl könne kein Berufsschutz als Facharbeiter abgeleitet werden.

Der Senat hat Befundberichte des Dr. Sch. vom 17. August 2010 und des Facharztes für Allgemeinmedizin K. aus dem Jahr 2010 beigezogen und in der mündlichen Verhandlung den Zeugen T. K. vernommen. Bezüglich der Aussage wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist unbegründet; er hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach den §§ 43, 240 SGB VI in der Fassung ab 1. Januar 2001 (n.F.) scheidet aus, denn die Leistungsfähigkeit des Klägers ist nicht in dem für eine Rentengewährung erforderlichen Umfang herabgesunken. Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI n.F. haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 241 SGB VI) erfüllen.

Der Kläger ist nicht berufsunfähig i.S.v. § 240 SGB VI, weil seine Leistungsfähigkeit nicht in erforderlichem Umfang herabgesunken ist. Nach § 240 Abs. 2 S. 1 SGB VI sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Nach Satz 2 umfasst der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes unter den besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nach Satz 4 nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Berufsunfähigkeit liegt nicht schon dann vor, wenn der Versicherte "seinen Beruf" nicht mehr ausüben kann, sondern erst dann, wenn eine Verweisung auf eine zumutbare andere Tätigkeit nicht mehr möglich ist.

Die Definition der Berufsunfähigkeit in § 240 Abs. 2 SGB VI entspricht insofern der in § 43 Abs. 2 SGB VI in der Fassung vor dem 1. Januar 2001 mit dem Unterschied, dass nunmehr auf ein Herabsinken auf weniger als sechs Stunden abgestellt wird. Die bisherige Auslegung und Rechtsprechung zur Berufsunfähigkeit gilt bei der Neuregelung weiter (vgl. u.a. Senatsurteil vom 26. Juli 2004 - Az.: L 6 RJ 301/03).

Die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit wird grundsätzlich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufes festgestellt, wozu die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) das so genannte Mehrstufenschema entwickelt hat. Die verschiedenen Stufen sind nach dem qualitativen Wert des bisherigen Berufes - dieser wird nach Dauer und Umfang der im Regelfall erforderlichen Ausbildung, nicht anhand von Prestige oder Entlohnung bestimmt - hierarchisch geordnet (vgl. BSG, Urteile vom 14. Mai 1996 – Az.: 4 RA 60/94 in BSGE 78, 207, 218 und vom 24. März 1998 – Az.: B 4 RA 44/96 R, nach juris). Die Arbeiterberufe werden durch das Mehrstufenschema in Gruppen untergliedert, die durch den Leitberuf des Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert werden (vgl. BSG, Urteil vom 3. November 1994 – Az.: 13 RJ 77/93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 49). Im Rahmen der sozialen Zumutbarkeit kann ein Versicherter auf eine Tätigkeit der jeweils nächst niedrigeren Gruppe verwiesen werden. Für die Verweisbarkeit eines angelernten Arbeiters ist es zudem von Bedeutung, ob er dem oberen oder dem unteren Bereich dieser Gruppe angehört. Während den Angehörigen des unteren Bereiches grundsätzlich alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts sozial zuzumuten sind, müssen sich Verweisungstätigkeiten für die Angehörigen des oberen Bereiches durch Qualitätsmerkmale auszeichnen, z.B. das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher oder betrieblicher Vorkenntnisse. Aus der eingeschränkten Verweisbarkeit folgt, dass mindestens eine zumutbare in Betracht kommende Tätigkeit konkret zu bezeichnen ist (vgl. BSG, Urteil vom 9. April 2003 - Az.: B 5 RJ 38/02 R m.w.N., nach juris).

Die Einordnung eines bestimmten Berufsschemas erfolgt nicht ausschließlich nach der Dauer der förmlichen Berufsausbildung, sondern auch nach der Qualität der verrichteten Arbeit, das heißt dem aus der Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnden Wert der Arbeit für den Betrieb (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 1994 - Az.: 13 RJ 35/93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Es kommt somit auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufes, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird. Auch wenn in einem Beruf der herkömmliche Ausbildungsweg nicht durchlaufen wurde, besteht ein entsprechender Berufsschutz, wenn er nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübt wurde, der Versicherte über die für die Wettbewerbsfähigkeit erforderlichen theoretischen Kenntnisse und praktischen Fertigkeiten verfügt und sich dies auch in einer entsprechenden Bezahlung bzw. tariflichen oder tarifvertraglichen Einstufung widerspiegelt (vgl. BSG, Urteile vom 9. April 2003 - Az.: B 5 RJ 38/02 R und vom 20. Juli 2005 - Az.: B 13 RJ 29/04 R, nach juris). Die bloße Ausübung von Facharbeitertätigkeiten in einem Teilbereich reicht grundsätzlich nur für eine Einstufung als angelernter Arbeiter aus, auch wenn die Entlohnung im Einzelfall derjenigen eines Facharbeiters entsprochen haben sollte (vgl. BSG, Urteil vom 13. Dezember 2000 - Az.: B 5 RJ 28/99 R m.w.N., nach juris). Es kommt auf das Gesamtbild an.

Der Kläger ist angesichts der zuletzt bis 2002 ausgeübten versicherungspflichtigen Tätigkeit bei der Johannes Bau GmbH Erd- Tief- und Straßenbau als Angelernter oberen Ranges einzustufen; die Voraussetzungen für eine Einstufung als Facharbeiter im Sinne des oben genannten Mehrstufenschemas liegen nicht vor. Er war dort laut Arbeitgeberauskunft vom 18. November 2004, nach seinem eigenen Vortrag und nach der Aussage des Zeugen Kirchner als Bagger- und Raupenfahrer eingesetzt. Es handelt sich um eine Tätigkeit, die im Rahmen der Ausbildung zum Baumaschinenführer oder Baugeräteführers erlernt werden kann. Allerdings liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger sämtliche theoretischen und praktischen Kenntnisse eines Baumaschinenführers oder Baugeräteführers erworben hat. Er hat bei der J. Bau GmbH eine Planierraupe und einen Bagger und bei der O. St. GmbH eine Kettenraupe und einen Kettenbagger gefahren, aber weder eine Weiterbildung zum Baumaschinenführer nach der Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Baumaschinenführer vom 12. Dezember 1977 (BGBl. I Seite 2539) noch eine dreijährige Ausbildung zum Baugeräteführer absolviert.

Aus der Entlohnung ergibt sich kein Indiz für eine höhere Einstufung. Für die Ermittlung der Wertigkeit des bisherigen Berufes haben nach der Rechtsprechung des BSG tarifliche Regelungen unter zwei Gesichtspunkten Bedeutung: Zum einen wird eine - "tarifliche" - Eingruppierung des Versicherten in eine Tarifgruppe des jeweils geltenden Tarifvertrages durch den Arbeitgeber als Hinweis dafür gewertet, dass die von Versicherten ausgeübte Tätigkeit in ihrer Wertigkeit der Berufs- und Tarifgruppe entspricht, nach der er bezahlt wird. Da es sich aber insoweit nur um ein widerlegbares Indiz handelt, bleiben jedenfalls eindeutig unterwertige Eingruppierungen durch die letzten Arbeitgeber im Rahmen der rentenversicherungsrechtlichen Bewertung des bisherigen Berufes unberücksichtigt. Zum anderen wird davon ausgegangen, dass die abstrakte - "tarifvertragliche" - Einstufung der einzelnen, in der Tarifgruppe genannten Tätigkeiten in der Regel auf deren Qualität beruht. Demgemäß lässt die abstrakte (tarifvertragliche) Einordnung einer bestimmten Berufstätigkeit in eine Tarifgruppe, in der auch Facharbeiter eingeordnet sind, in der Regel den Schluss zu, dass diese Berufstätigkeit im Geltungsbereich des Tarifvertrags als Facharbeitertätigkeit zu qualifizieren ist. Ausnahmen von diesem Grundsatz gelten dann, wenn die Einstufung durch qualitätsfremde Merkmale bestimmt ist (vgl. BSG, Urteil vom 20. Juli 2005 - Az.: B 13 RJ 29/04 R, nach juris).

Der Kläger wurde bei der J. Bau GmbH nicht wie ein Facharbeiter entlohnt. Die Lohngruppe 2 des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe vom 4. Juli 2002 in der Fassung vom 17. Dezember 2003 ist für fachlich begrenzte Arbeiten (Teilleistungen eines Berufsbildes oder angelernte Spezialtätigkeiten) nach Anweisung vorgesehen. Als Regelqualifikationen werden u.a baugewerbliche Stufenausbildung in der ersten Stufe, Baumaschinistenlehrgang oder anderweitig erworbene gleichwertige Fertigkeiten genannt. Es handelt sich damit nicht um eine Lohngruppe, in der Facharbeiter mit einer dreijährigen Ausbildung (Stufenausbildung in der zweiten Stufe) genannt werden. Eine eindeutig unterwertige Eingruppierung mit der Konsequenz, dass der Kläger nach der eigentlichen Facharbeiterlohngruppe (Lohngruppe 4) zu entlohnen gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Nach dem Urteil des BSG vom 9. September 1986 - Az.: 5b RJ 82/85 handelt es sich bei der tariflich definierten Berufsgruppe IV 4 des Baugewerbes nicht um Facharbeiter im Sinne des Mehrstufenschemas, weil die zu dieser Gruppe gehörenden Hochbau-, Tiefbau- und Ausbaufacharbeiter keine längere als zweijährige Ausbildung zurückgelegt haben; eigentliche Facharbeiterlohngruppe sei die Lohngruppe III (Spezialbaufacharbeiter). Die zum Zeitpunkt dieser Entscheidung in der Lohngruppe IV definierten Tätigkeiten sind heute in der Lohngruppe 3 (Facharbeiter/Baugeräteführer/Berufskraftfahrer) erfasst. Hiernach werden Arbeitnehmer entlohnt, die die baugewerbliche Stufenausbildung in der ersten Stufe absolviert und Berufserfahrung gesammelt haben. Eigentliche Facharbeiterlohngruppe ist nach dieser Fassung des Bundesrahmentarifvertrages und der zitierten Rechtsprechung des BSG die Lohngruppe 4 (Spezialfacharbeiter/Baumaschinenführer). Vorausgesetzt werden danach eine selbstständige Ausführung der Facharbeiten des jeweiligen Berufsbildes, als mögliche Regelqualifikationen eine baugewerbliche Stufenausbildung in der zweiten Stufe ab dem zweiten Jahr der Tätigkeit, eine Prüfung als Baumaschinenführer, eine Berufsausbildung zum Baugeräteführer ab dem dritten Jahr der Tätigkeit oder durch langjährige Berufserfahrung erworbene gleichwertige Fertigkeiten genannt.

Selbst wenn der Kläger tatsächlich in die Lohngruppe 3 (baugewerbliche Stufenausbildung in der ersten Stufe und Berufserfahrung) einzugruppieren gewesen wäre, handelt es sich auch insoweit nicht um eine Facharbeiterlohngruppe und nicht um Facharbeiten im Sinne des oben genannten Stufenschemas.

Eine Facharbeiterqualifikation kann auch nicht aus der absolvierten zweijährigen Ausbildung zum Meliorationstechniker Spezialisierungsrichtungsrichtung Entwässerung hergeleitet werden, denn die regelmäßige Lehrzeit betrug nicht mehr als zwei Jahre. Auch die vorgetragene Gleichstellung dieser Ausbildung mit dem Tiefbaufacharbeiter durch den Bescheid der Industrie- und Handelskammer Suhl vom 18. Januar 2011, an die der Senat gebunden ist (vgl. Senatsurteil vom 27. Oktober 2009 - Az.: L 6 R 1276/07), ergibt kein anderes Ergebnis. Tiefbaufacharbeiter arbeiten auf wechselnden Baustellen, die sie auch selbst einrichten und sichern, beispielsweise durch Absperrungen. Bevor sich je nach Schwerpunkt spezielle Aufgaben ausführen, nehmen sie Vorbereitungsarbeiten vor: Tiefbaufacharbeiter/innen lösen Bodenmassen mithilfe von Maschinen und Spezialfahrzeugen wie Baggern. Sie sichern Baugruben gegen abrutschende Erde, legen Gräben und Flächen trocken und verdichten den Boden am Ende der Arbeiten. So stellen sie Baugruben, Gräben, Schächte, Böschungen und andere Erdkörper her. Zu den Schwerpunktübergreifenden Aufgaben gehören das Erledigen vorbereitender Arbeiten wie die Einrichtung der Baustelle und Durchführung verkehrssichernder Maßnahmen (z.B. Absperrungen und Lichtquellen aufstellen), die Anforderung bzw. der Transport das Lagern oder die Bereitstellung von Geräten, Maschinen und Baumaterialien, die Ausführung von Erdarbeiten, wie Bodenmassen mithilfe von Maschinen und Spezialfahrzeugen wie Baggern und Großflächenverdichtern lösen, laden, transportieren, einbauen und verdichten, das Herstellen von Baugruben, Gräben, Schächten, Böschungen und anderer Erdkörper und die Prüfung der Ausführungsqualität der Arbeiten (vgl. http:www.berufenet.arbeitsamt.de). Tiefbaufacharbeiter sind allerdings keine Facharbeiter im Sinne des Mehrstufenschemas, denn die Ausbildung ist nur die erste Stufe der insgesamt 36 Monate dauernden Ausbildung in der Bauwirtschaft und dauert nach § 2 Abs. 2 der Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft vom 2. Juni 1999 (BGBl. I Seite 399) 24 Monate.

Der Kläger kann als Angelernter oberen Ranges auf alle angelernten Tätigkeiten und Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden, die nicht nur ganz geringwertig sind. Die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit ist allerdings erforderlich. Der Senat verweist den Kläger auf die zumutbare und angesichts seiner gesundheitlichen Einschränkungen mögliche ungelernte Tätigkeit als Pförtner an der Nebenpforte. Der Senat bezieht sich insoweit auf das Gutachten der Sachverständigen Janke vom 22. September 2001 aus einem anderen Verfahren des Senats (Az.: L 6 RJ 765/00) sowie der Stellungnahme des Bundesverbandes der Wach- und Sicherheitsunternehmen vom 20. Dezember 2007. Diese berufskundlichen Unterlagen sind dem Prozessbevollmächtigten des Klägers und der Beklagten aus anderen Verfahren beim Thüringer Landessozialgericht (vgl. z.B. Az.: L 3 RJ 705/03 und L 6 R 1121/08) bekannt.

Nach dem Gutachten der berufskundlichen Sachverständigen J. vom 22. September 2001 handelt es sich bei der Tätigkeit als Pförtner um eine leichte körperliche Arbeit, die überwiegend in geschlossenen Räumen (Pförtnerloge) und überwiegend sitzend ausgeübt wird. Sie ist für körperlich Behinderte geeignet. Z. T. ist ein Pförtner Zugluft ausgesetzt; in der Regel handelt es sich um Schicht- und Nachtdienst, vorausgesetzt werden handwerkliche Kenntnisse, technisches Verständnis, zum Teil Flexibilität, z. T. Kontaktfähigkeit sowie gute Umgangsformen. Der Zugang zur Erwerbstätigkeit als Pförtner ist nicht geregelt. Bei fehlenden Kenntnissen kann eine Einarbeitung bzw. eine Anlernen praktiziert werden. Nach den Ausführungen des Bundesverbandes Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen erlaubt die Tätigkeit ein Arbeiten überwiegend im Sitzen, ein beliebiger Haltungswechsel sowie ein Hin- und Hergehen in der Pförtnerloge bzw. je nach Örtlichkeit auch davor, ist möglich. Der Pförtner/die Pförtnerin an der Nebenpforte muss durchschnittlichen Anforderungen an Aufmerksamkeit, Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Übersicht gewachsen sein. Die Tätigkeit des einfachen Pförtners an der Nebenpforte wird nach wie vor von zahlreichen Unternehmen des Wach- und Sicherheitsgewerbes bedient. Es stehen ca. 800 bis 850 Arbeitsplätze zur Verfügung.

Nach dem orthopädischen Gutachten des Dipl.-Med. Sch. vom 11. Mai 2005 liegen bei dem Kläger ein chronisches Cervikobrachialsyndrom links bei Osteochondrose/Spondylose von C5-C7 mit Einengung der Bandscheibenräume C5/C6 und C6/C7, eine chronische Bandscheibenvorwölbung C5/C6 und C6/C7 und daraus resultierendes Nervenwurzelreizsyndrom C6/C7 links mit Kraftminderung linke Hand vom Grad Janda III, ein Karpaltunnelsyndrom linke Hand, eine Rumpfmuskelinsuffizienz mit stato-motorischer Fehlhaltung der gesamten Wirbelsäule, eine Chondropathia retropatellaris beidseits und ein rezidivierendes Lumbalsyndrom vor. Der Kläger ist aus orthopädischer Sicht in der Lage leichte bis teilweise mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig mit Einschränkungen - keine volle Gebrauchsfähigkeit der linken Hand, keine ständigen Überkopfarbeiten, keine Arbeiten in körperlicher Zwangshaltung für die Wirbelsäule, keine häufig bückende Tätigkeiten, kein Heben und Tragen von Lasten über 15 kg, keine ständig knienden Tätigkeiten - in wechselnder Körperhaltung zwischen Sitzen und Stehen auszuüben. Einschränkungen der Wegefähigkeit bestehen nicht. Zusätzliche betriebsunübliche Pausen sind nicht erforderlich.

Eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist aus den Befundberichten des Dr. Sch. vom 17. August 2010 und des Facharztes für Allgemeinmedizin K. aus dem Jahr 2010 nicht ersichtlich und wird von dem Kläger auch nicht geltend gemacht. Zudem ist er seit März 2007 vollschichtig bei der bei der L. A. K. GmbH & Co KG tätig.

Die in dem Gutachten genannten Einschränkungen werden bei der Pförtnertätigkeit an der Nebenpforte berücksichtigt. Hierbei handelt sich um Arbeiten, die eine sitzende Körperhaltung, aber auch einen Wechsel der Körperhaltung ermöglichen. Sie beinhalten keine schwere Hebe- oder Bückarbeiten, keine Arbeiten im Hocken oder Knien und keine ständigen Überkopfarbeiten.

Unwesentlich ist, ob dem Kläger mit dem festgestellten Leistungsvermögen eine entsprechende Tätigkeit als Pförtner an der Nebenpforte vermittelt werden kann. Das Risiko, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu finden, trägt nicht die Beklagte, sondern die Arbeitslosenversicherung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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