L 6 KR 604/07

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 20 KR 1380/04
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 604/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Einziehung der linken Brustwarze ohne wesentliche funktionelle Beeinträchtigung der Körperfunktionen und ohne erhebliche Auffälligkeit ist keine Krankheit i.S.d. § 27 Abs. 1 SGB V; die Voraussetzungen einer Krankenbehandlung (Korrekturoperation) liegen dann nicht vor.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 26. März 2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung der Beklagten zur Kostenübernahme für eine Korrekturoperation nach einer Gynäkomastie-Operation streitig.

Der 1976 geborene und bei der Beklagten gesetzlich versicherte Kläger unterzog sich im Jahre 1995 aufgrund einer Vergrößerung der linken Brustdrüse einer Gynäkomastie-Operation. Seit 2002 betreibt er Muskelaufbautraining. Ebenfalls seit dieser Zeit stellte er Veränderungen im Brustbereich aufgrund einer Einziehung im Bereich der operierten Brustwarze fest. Am 1. März 2004 beantragte der Kläger unter Vorlage eines ärztlichen Schreibens der Universitätsklinik Jena die Übernahme der Kosten für eine Korrekturoperation. Die Beklagte holte ein sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Thüringen e.V. (MDK) zur medizinischen Notwendigkeit der beantragten Operation ein. Der MDK stellte in seinem Gutachten vom 19. März 2004 eine bewegungsabhängige leichte Verziehung der linken Mamille (Brustwarze) fest. Eine medizinische Notwendigkeit für einen Eingriff bestehe nicht. Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 27. April 2004 die Übernahme der Kosten für eine Korrekturoperation ab. Hiergegen legte der Kläger am 25. Mai 2004 Widerspruch ein, welchen die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2004 zurückwies.

Hiergegen hat der Kläger am 22. Juli 2004 Klage erhoben. Die 1995 durchgeführte Gynäkomastie-Operation sei medizinisch notwendig gewesen. Im Zusammenhang mit dieser Operation und dem Brustmuskelwachstum habe sich die linke Brustwarze verschoben. Die Ursache für diese Verschiebung sei in der zurückliegenden Operation zu sehen. Als junger Mann leide er erheblich unter diesem Mangel.

Das Sozialgericht (SG) hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Chirurgie Dr. N. H ... Dieser kommt in seinem Gutachten vom 14. Juni 2005 zu dem Schluss, dass aufgrund von Adhäsionen der Narbe an der Muskelfaszie die Haut an der Brustwarze im Bereich des Narbengebietes nicht mehr frei auf ihrer Unterlage verschieblich ist. Bei Anspannung des Brustmuskels wirke die Narbe verzogen und vertieft. Diese Einziehung der Narbe an der linken Brust sei als regelwidriger Zustand zu bewerten. Die Notwendigkeit einer Korrektur ergebe sich nicht nur aus kosmetischen Gründen, sondern vorwiegend aus der Funktionsstörung beim Anspannen des Brustmuskels. Zwar seien Narben bei Operationen unausweichlich. Die Adhäsionen der Narbe an der Faszie des großen Brustmuskels stellten aber eine Abweichung vom sonst üblichen Verlauf dar. Notwendige Korrekturen, um unerwarteterweise eingetretene narbige Funktionsstörungen zu beseitigen, stünden mit dem Ersteingriff in einem mittelbaren Zusammenhang. Sie seien in erster Linie darauf ausgerichtet, die regelwidrige Gesundheitsstörung und das damit verbundene Funktionsdefizit zu beseitigen. Der ästhetische Aspekt stehe erst an zweiter Stelle der Entscheidungshierarchie. Die Narbe an der linken Brust des Klägers habe nicht nur eine entstellende Wirkung, sondern in erster Linie handele es sich um eine Funktionsstörung. Es handele sich nicht nur um eine leichte Einziehung bei Bewegung des linken Armes. Vielmehr liege eine Verziehung mit einer Muldenbildung, in welche eine Fingerbeere vollständig eingelegt werden könne, vor. Die erforderliche Korrektur sei im Rahmen einer kleinen Operation, welche ambulant ausgeführt werden könne, vorzunehmen. In einer vom Sozialgericht angeforderten ergänzenden Stellungnahme hat der Gutachter seine Auffassung weiter vertieft.

Die Beklagte hat den MDK um Abgabe einer Stellungnahme zum Gutachten gebeten. In seiner Stellungnahme vom 10. Oktober 2005 hält der MDK daran fest, dass eine Entstellung nicht festgestellt werden könne. Das Operationsergebnis sei zwar im Fall des Klägers nicht ideal. Es liege jedoch nur eine minimale Abweichung vor und keine Funktionsstörung oder Entstellung.

In der mündlichen Verhandlung vor dem SG Nordhausen am 26. März 2007 hat der Kläger ausgeführt, dass er konkret keine Beschwerden habe. Ein leichtes Ziehen beim Armheben störe nicht. Es gehe ihm darum, im Schwimmbad nicht mit "dummen Sprüchen" bedacht zu werden. Er sei vor der ersten Operation auf die Möglichkeit einer Einziehung hingewiesen worden. Mit dem Muskelaufbautraining habe er inzwischen aufgehört.

Mit Urteil vom 26. März 2007 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27. April 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2004 verurteilt, die Kosten für eine Korrekturoperation der linken Brustwarze zu übernehmen, und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Korrekturoperation medizinisch notwendig sei. Beim Kläger bestünden Funktionseinschränkungen dergestalt, dass er beim Anheben des linken Armes ein leichtes Ziehen verspüre und in seiner sportlichen Aktivität eingeschränkt sei. Den Ausführungen des Gutachters Dr. H. lasse sich entnehmen, dass beim Anspannen des Brustmuskels Funktionsstörungen auftreten würden. Die damit einhergehende kosmetische Verbesserung lasse die Operation nicht zu einer Schönheitsoperation werden.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 7. Mai 2007 zugestellte Urteil am 5. Juni 2007 Berufung eingelegt und im Wesentlichen vorgetragen, dass der nach der Operation im Jahr 1995 entstandene Zustand keiner Korrektur bedürfe, da der Krankheitsbegriff nicht erfüllt werde. Der Krankheitsbegriff im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V setze unter anderem eine Regelwidrigkeit voraus, was bei nur geringfügigen Störungen, die keine wesentliche funktionelle Beeinträchtigung zur Folge hätten, nicht der Fall sei. Aus dem MDK-Gutachten vom 10. Oktober 2005 ergebe sich kein Hinweis auf eine Störung der Körperfunktionen. Der Kläger habe auch nicht im Rahmen der Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. H. angegeben, unter irgendwie gearteten Beeinträchtigungen oder Störungen zu leiden. Es werde keine Körperfunktion beeinträchtigt, sondern lediglich das Aussehen. In diesem Fall sei nach der Rechtsprechung eine entstellende Wirkung erforderlich, um eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zu begründen. Davon könne nicht ausgegangen werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 26. März 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es liege eine Funktionsstörung vor, die in der mangelnden freien Beweglichkeit des linken Brustmuskels ihre Ursache habe. Dies sei beim Anheben des linken Armes spürbar. Er habe sich auch in seinen sportlichen Aktivitäten einschränken müssen, da durch die Zunahme des Muskelgewebes im Rahmen eines Muskelaufbautrainings im Fitnessstudio die Einziehung der linken Brustwarze immer stärker hervorgetreten sei. Ferner liege auch eine erhebliche ästhetische Beeinträchtigung vor, die ihn psychisch belaste. Die vorhandene Muskelverschmächtigung des linken Armes resultiere aus der linksseitigen Bewegungseinschränkung aufgrund der Einziehung der operierten Brustwarze.

Der Senat hat im Berufungsverfahren ein chirurgisches Gutachten bei Dr. Koss in Auftrag gegeben. Dieser ist in seinem Gutachten vom 14. Februar 2008 zu dem Ergebnis gelangt, dass sich nach operativer Korrektur einer Gynäkomastie links im Bereich der linken Brustwarze etwa zwischen 4:00 und 7:00 Uhr eine bogenförmige, reizlose Narbe mit geringgradiger Einziehung befindet. Beim Anheben des Armes nach vorne und zur Seite sei bei Mitbewegung des Musculus pectoralis major erkennbar, dass die Narbe hier teilweise mit der Unterlage bzw. der Muskulatur verwachsen sei. Die Mitbewegung des Muskels bei der Armbewegung erhöhe das Ausmaß der Einziehung. Die Beweglichkeit des linken Schultergelenks sei für die Hebung nach vorne und für die Hebung zur Seite endgradig eingeschränkt. Auffällig sei ferner bei einer einseitigen Muskelaufschulung des rechten Armes ein Muskelminus im Bereich des linken Armes, welches über das übliche leichte Muskelplus bei Rechtshändigkeit hinausgehe. Selbst wenn man bereit sei, die Funktionsstörung des linken Schultergelenks und die Muskelverschmächtigung des linken Armes als funktionelle Störung aufzufassen, sei sie so gering, dass sich eine ausreichende medizinische Begründung für eine Operation hieraus nicht ableiten lasse. Auf ihn wirke die Narbe nicht entstellend. Verwachsungen einzelner Gewebsschichten seien eine übliche Begleiterscheinung einer Operation und keineswegs als Hinweis auf eine fehlerhafte Behandlung anzusehen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Die Berufung ist begründet, denn die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass ihm die Beklagte die begehrte Korrekturoperation als Sachleistung zur Verfügung stellt.

Ein Anspruch auf eine Krankenbehandlung zur Durchführung einer Korrekturoperation besteht deshalb nicht, weil diese Behandlung für den Kläger gegenwärtig nicht zur Krankenbehandlung zweckmäßig und notwendig ist.

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur Behandlung einer Krankheit (§§ 27 bis 52 SGB V), wobei § 12 Abs. 1 SGB V voraussetzt, dass Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können von Versicherten nicht beansprucht werden und Leistungserbringer dürfen diese nicht bewirken und die Krankenkassen diese nicht bewilligen.

Für die einzelnen Leistungsarten bestimmt § 27 Abs. 1 SGB V, dass ein Anspruch auf Krankenbehandlung besteht, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.

Die Voraussetzungen einer Krankenbehandlung zur Durchführung einer Korrekturoperation liegen im Falle des Klägers nicht vor, weil es sich bei der Einziehung seiner linken Brustwarze nicht um eine Krankheit im Sinne des Gesetzes handelt.

Krankheit in diesem Sinne ist ein regelwidriger, vom Leitbild eines gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, welcher der ärztlichen Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht. Dabei kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert im Rechtssinne zu. Die Rechtsprechung des BSG hat diese Grundvoraussetzung für die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht vielmehr dahingehend präzisiert, dass eine Krankheit nur vorliegt, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (vgl. Urteil vom 19. Oktober 2004 - Az.: B 1 KR 9/04 R sowie zuletzt vom 28. Februar 2008 - Az.: B 1 KR 19/07 R, jeweils nach juris).

Bei dem Kläger liegt bezogen auf den Zustand seiner linken Brust keine Krankheit vor, die der ärztlichen Behandlung bedarf. Unter dem Gesichtspunkt der körperlichen Fehlfunktion stellt die im Bereich der linken Brustwarze vorhandene Einziehung keine körperliche Anomalie dar, die als Krankheit im Rechtssinne zu bewerten wäre. Den vorliegenden medizinischen Befunden insbesondere den Gutachten des MDK, des Dr. H. und des Dr. K. lässt sich nicht entnehmen, dass die vorhandene Einziehung im linken Brustbereich Funktionseinschränkungen mit Krankheitswert bedingt. Die Einziehung der linken Brust ist vielmehr als geringfügige Störung zu qualifizieren, die keine wesentliche funktionelle Beeinträchtigung zur Folge hat; dies reicht zur Annahme eines regelwidrigen Körperzustandes nicht aus.

Der Senat lässt sich hierbei maßgeblich von der Beurteilung des Sachverständigen Dr. K. leiten. Dieser konnte eine medizinische Notwendigkeit für die Korrekturoperation nicht erkennen. Dr. K. hat in seinem Gutachten vom 14. Februar 2008 festgestellt, dass sich im Bereich der linken Brustwarze etwa zwischen 4:00 und 7:00 Uhr eine bogenförmige reizlose Narbe mit geringgradiger Einziehung befindet. Bei Anheben des Armes nach vorne und zur Seite ist bei Mitbewegung des Musculus pectoralis major erkennbar, dass die Narbe teilweise mit der Unterlage bzw. der Muskulatur verwachsen ist. Bei Mitbewegung des Muskels bei der Armbewegung nimmt das Ausmaß der Einziehung zu. Weiterhin hat der Sachverständige festgestellt, dass die Beweglichkeit des linken Schultergelenks für die Hebung nach vorne und für die Hebung zur Seite endgradig eingeschränkt ist. Bei diesem Befund hat der Sachverständige Dr. K. nachvollziehbar ausgeführt, dass eine ausreichende medizinische Begründung für eine Operation sich hieraus nicht ableiten lässt. Eine nennenswerte Beeinträchtigung des Klägers in seinen Körperfunktionen ist nicht erkennbar. Der vom Sachverständigen festgestellten endgradigen Einschränkung der Beweglichkeit des linken Schultergelenks für die Hebung nach vorne und für die Hebung zur Seite kommt kein Krankheitswert zu. Der Sachverständige hat festgestellt, dass das linke Schultergelenk regelhaft konturiert wird (Blatt 6 seines Gutachtens). Der Kläger war ferner in der Lage, das Entkleiden des Oberkörpers mit seitengleichem Gebrauch beider Arme und Hände ohne auffällige Bewegungseinschränkung der großen Gelenke oder Störungen des Greifvermögens vorzunehmen. Im Rahmen der Untersuchung hat der Kläger nicht über besondere Beschwerden geklagt. Die aktuell bestehende Arbeitsunfähigkeit beruhte auf Halswirbelsäulenbeschwerden zum Zeitpunkt der Begutachtung, die relative Muskelverschmächtigung des linken Armes auf einem seitendifferenten Muskelaufbautraining.

Die Ergebnisse dieses Gutachtens werden auch nicht durch das vom SG eingeholte Gutachten des Dr. H. in Frage gestellt. Der Senat folgt nicht dessen Einschätzung, wonach eine behandlungsbedürftige Funktionsstörung vorliegt. Soweit der Sachverständige aus der Einziehung der Narbe an der linken Brust die Notwendigkeit einer Korrektur wegen der damit verbundenen Funktionsstörung beim Anspannen des Brustmuskels herleiten will, lässt sich dem Gutachten gerade nicht entnehmen, worin die behandlungsbedürftige Funktionsstörung liegen soll. Der Sachverständige verkennt insoweit, dass ein regelwidriger Zustand allein nicht den Krankheitsbegriff des § 27 Abs. 1 SGB V erfüllt, sondern dass eine Beeinträchtigung in wesentlichen Körperfunktionen erforderlich ist. Soweit er der Auffassung des MDK widerspricht, wonach nur eine leichte Einziehung bei Bewegung des linken Armes des Klägers hervorgerufen werde, berücksichtigt er insbesondere nicht ausreichend, dass der Kläger am Untersuchungstag am 19. Januar 2005 angegeben hat, er verspüre keine Schmerzen im Bereich der linken Brustwarze. Auch hat der Kläger funktionelle Störungen in diesem Bereich nicht angegeben und sein linker Arm war frei beweglich. Insoweit ist das Gutachten des Dr. H. nicht geeignet, eine erhebliche Funktionsstörung im Fall des Klägers darzulegen. Angesichts der eigenen Angaben des Klägers im Rahmen der Begutachtung, dass er die Einziehung der Brust lediglich als optischen bzw. ästhetischen Mangel empfinde, und der Gutachter selbst erhebliche funktionelle Störungen des linken Armes bzw. der linken Schulter nicht beschreiben konnte, ist seine Schlussfolgerung, dass eine Funktionsstörung des Brustmuskels vorliegt, nicht haltbar. Worin das Funktionsdefizit besteht, erläutert er nicht. In diesem Zusammenhang hilft auch der Hinweis, dass narbige Funktionsstörungen unmittelbar mit dem notwendigen Ersteingriff in Zusammenhang stehen, nicht weiter. Vielmehr zeigen diese Ausführungen, dass der Sachverständige unzutreffenderweise allein aus der Notwendigkeit des Ersteingriffs die medizinische Notwendigkeit der Narbenkorrektur ableiten möchte.

Dass Dr. H. insoweit von falschen Voraussetzungen ausgeht, wird durch seine ergänzende Stellungnahme vom 1. August 2005 gegenüber dem SG bestätigt. Soweit er dort eine Beeinträchtigung des Klägers in seinen Körperfunktionen annimmt, wird diese wiederum nicht medizinisch belegt bzw. nachvollziehbar erläutert. Entscheidend ist jedoch, dass der Sachverständige zu Beginn seiner Stellungnahme seine Auffassung weiter vertieft, dass die ästhetische Störung im Fall des Klägers infolge eines medizinisch indizierten Eingriffs entstanden sei und dieser Zustand aufgrund des Zusammenhangs mit einer medizinisch indizierten vorhergehenden Operation eine Korrekturoperation indiziere. Da bei der damaligen Operation die Wiederherstellung der körperlichen Integrität im üblichen Rahmen nicht gelungen sei, müsse nunmehr angestrebt werden den Zustand herzustellen, der bei der ersten Operation 1995 nicht habe erzielt werden können. Insofern spiele es keine Rolle, ob das ästhetisch störende Resultat ständig oder nur beim Entkleiden sichtbar werde. Damit verkennt er, dass eine Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen nach § 27 Abs. 1 SGB V nur beim Vorliegen einer Krankheit infrage kommt. Krankenkassen sind nur dann gehalten, für die Korrektur eines regelwidrigen postoperativen Zustandes aufzukommen, wenn die allgemeinen Voraussetzungen nach § 27 SGB V vorliegen. Eine Abweichung von diesen Grundsätzen ist bei Korrekturoperationen nicht möglich.

Dass im Falle des Klägers keine behandlungsbedürftigen Funktionsstörungen vorliegen, wird auch durch das Schreiben des Uniklinikums Jena vom 13. Februar 2004 an diesen im Zusammenhang mit der Beantragung der Kostenübernahme bei der Beklagten bestätigt. Dort werden keine Funktionsstörungen beschrieben, vielmehr darauf hingewiesen, dass Einziehungen nach Gynäkomastieoperationen nicht außergewöhnlich sind.

Ein Anspruch des Klägers folgt auch nicht daraus, dass seine Brust wegen äußerlicher Entstellung als behandlungsbedürftig anzusehen wäre. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anomalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen, wie etwa Neugier oder Betroffenheit erzeugt und damit zugleich erwarten lässt, dass der Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet ist (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 - Az.: B 1 KR 19/07 R, nach juris). Anhaltspunkte für eine derartige entstellende Wirkung sind nicht ersichtlich. Diese ergeben sich bereits nicht aus dem Foto, das vom Sachverständigen Dr. H. im Rahmen der Begutachtung am 19. Januar 2005 (vgl. Blatt 55 der Gerichtsakte) gemacht worden ist. Abgesehen davon, dass in den meisten Lebenssituationen das Tragen von Kleidung üblich und die Einziehung daher nicht sichtbar ist, ist weiter zu beachten, dass viele Menschen nach durchgeführten Operationen über Narben verfügen, welche nicht unbedingt den Schönheitsidealen entsprechen. Dass deswegen im Fall des Klägers erhebliche psychische Beeinträchtigungen vorliegen, lässt sich der Akte nicht entnehmen. Zwar hat dieser im Rahmen der Begutachtung durch den Sachverständigen ausgeführt, dass er sich ästhetisch beeinträchtigt fühle und sich nur mit Hemmungen traue, ins Schwimmbad zu gehen. Daraus ergibt sich jedoch nichts für das Vorliegen psychischer Beeinträchtigungen in einem erheblichen Umfang. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass sich der Kläger während des gesamten Verfahrens weder einer psychologischen noch einer psychiatrischen Behandlung in diesem Zusammenhang unterzogen hat. Zumindest hat er derartiges nicht vorgetragen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved