L 2 U 3786/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 7511/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 3786/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. April 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstat-ten.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Berufskrankheit gemäß den Num-mern 4104 und 4110 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) bei dem am 19.07.2004 an den Folgen einer Lungenkrebserkrankung verstorbenen Vater der Kläger, L. M. senior (Versicherter).

Der 1923 im Sudentenland geborene und am 19.07.2004 in S. verstorbene (vgl. Sterbeurkunde vom 20.07.2004, Bl. 20 der Verwaltungsakte der Beklagten zur BK 4104 – VA) Versicherte machte nach eigenen Angaben (Tabellarische Anlage zum Schreiben vom 5.7.2004, Bl. 7 VA) von 1937 bis 1940 eine Lehre zum Betonwerker im elterlichen Betrieb, wo er anschließend von 1940 bis zum 07.04.1942 (vgl. Feststellungsbogen f. Flüchtlinge, Bl. 55 VA) als Betonwerker-Geselle arbeitete.

Nach Wehrdienst und Gefangenschaft (von 1942 bis 1945) arbeitete er vom 11.06.1946 bis zum 02.10.1946 beim Betonwerk M. B. (R. im B. W.) als Betonwerker. Der Versicherte selbst machte in seinem Schreiben vom 05.07.2004 keine Angaben zu der dort ausgeübten Beschäftigung.

Vom 03.12.1946 bis zum 28.03.1947 (vgl. Arbeitsbuch, Bl. 52 Rückseite VA) war der Versi-cherte als Lagerarbeiter in der Kohlen- und Bauwarenhandlung B. D. in Z. beschäftigt (Zeugnis vom 29.03.1947, Bl. 50 VA). Er gab an, Kontakt mit Kohlenstaub, Zement und Beton gehabt zu haben (Bl. 7 VA).

Vom 14.04.1947 bis zum 24.04.1948 übte er sodann eine Beschäftigung als Maurer für die Firma E. K. in S.-H. aus. Der Versicherte gab an, als Maurer angestellt gewesen zu sein und mit Zement und Beton gearbeitet zu haben.

Vom 03.05.1948 bis zum 31.05.1948 war der Versicherte als Betonwerker beschäftigt im Form-, Kunststein- und Terrazzowerk E. S. in S. W., anschließend ab dem 03.06.1948 bis zum 12.03.1954 (Bl. 54 Rückseite – R – VA VA) als Steinholzwerker bei der Firma Estrich-B. in S.-B. C., unterbrochen durch kurzzeitige Beschäftigungsverhältnisse vom 11.08. bis 20.10.1950 (für die Firma R., vgl. Bl. 57 R VA) und vom 08.04.bis 16.04.1952 (für die Firma E. K. & Co. in S.-B. C.). Am 30.01.1954 legte der Vater der Kläger die Gesellenprüfung zum Steinholzleger ab (Gesellenprüfungszeugnis vom 01.03.1954, Bl. 52 R VA). Er war dann bei wechselnden Arbeit-gebern beschäftigt, und zwar bei den Firmen F. (vom 15.03.-23.06.1954) und F. R. (vom 24.06. bis 03.07.1954, Bl. 54 R VA), welche die Fabrikation von Steinholzfußböden zum Gegenstand hatten, gefolgt von einer Beschäftigung bei der Firma Vereinigte Baumaterialienhandlungen F. M. (vom 10.07. bis 20.07.1954). Es schlossen sich Beschäftigungszeiten bei der Firma D. Indust-riefußböden vom 21.08.1954 bis zum 28.02.1955 (Bl. 17 R – Versicherungsverlauf – und 56 R VA) und – wiederum – bei der Firma Vereinigte Baumaterialienhandlungen F. M. (vom 02.03.1955 bis 02.05.1955) an, ferner bei dem Bauingenieur K. G. in S. (03.05. bis 02.08.1955, Bl. 56 R). Schließlich war der Versicherte nochmals vom 03.08.1955 bis zum 31.01.1956 bei der Firma E. K. & Co. KG beschäftigt. Zu den vom 03.06.1948 bis zum 31.01.1956 ausgeübten Be-schäftigungen als Steinholz- und Estrichleger führte der Versicherte in seinem Schreiben vom 05.07.2004 (Bl. 5 VA) aus, beim Verarbeiten und Legen von Estrich, Steinholz- und Magnesit-fußböden sei ebenso wie beim Abschleifen und Reinigen der Böden eine hohe Staubbelastung entstanden. Die Bestandteile Holzmehl, Quarzmehl und Asbestmehl seien in Trögen von Hand aufgemischt worden, nach dem Abbinden sei mit Maschinen ohne Staubabsaugung geschliffen worden; Atemschutzmasken hätte es nicht gegeben. Die Arbeitszeit habe täglich 12 bis 13 Stun-den betragen.

Seit dem 01.02.1956 bis zu seinem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben am 30.09.1985 war der Versicherte beschäftigt bei den Technischen Werken der Stadt S. AG (TWS). Laut den Angaben des Nachfolgeunternehmens der TWS, der Energie Baden-Württemberg AG - EnBW - (Schrei-ben vom 02.03.2005, Bl. 130 VA), war er vom 01.02.1956 bis zum 28.02.1957 als Gasmacher im Gaswerk beschäftigt, wo er in Berührung gekommen sei mit Asbest, Schlackenstaub, Koke-reirohgas, Teer, Erdölresten und Ruß. Der Versicherte selbst gab in seinem Schreiben vom 05.07.2004, welches als Computerausdruck vom Kläger Ziff. 1 der Beklagten am 25.08.2004 (Bl. 4 f. VA) übermittelt wurde, an, er habe ab Februar 1956 als Gasmacher in der Kokerei und an Erdölpyrolyseöfen gearbeitet. Er habe zum Beispiel zwei Mal pro Schicht Schlacke aus den Öfen räumen, zu Wartungsarbeiten in die Öfen kriechen und dort Schamottesteine auswechseln und sonstige Ausbesserungsarbeiten ausführen müssen. Dies sei eine sehr staubige Arbeit und durch den intensiven Kontakt mit Kokereirohgas, Erdölresten, Ruß und Teer sehr gefährlich gewesen, dennoch habe es damals keine Atemschutzvorrichtungen gegeben. Er gehe davon aus, dass er bei der Arbeit "in und an den Öfen" auch mit Asbest als gängigem hitzebeständigem Abdichtmateri-al Kontakt gehabt habe. Zur zeitlichen Beanspruchung gab er an: "Täglich, je nach Schicht und Arbeitsanfall, z. T. 12 bis 13 h täglich, auch Samstag und Sonntag, dies war üblich, man freute sich, überhaupt Arbeit zu haben." Der Versicherte machte diese Angabe durchgehend in Bezug auf sämtliche von 1946 bis 1957 ausgeübten Tätigkeiten. Demgegenüber gab er für sämtliche ausgeübten Arbeitstätigkeiten ab 1958 an: "5-Tage-Woche" (vgl. tabellarischer Anhang zum Schreiben vom 05.07.2004, Bl. 7 VA).

Vom 01.03.1957 bis zum 30.04.1968 war der Versicherte bei den Wasserwerken der TWS be-schäftigt. Seine Tätigkeit umschrieb er im Schreiben vom 05.07.2004 (Bl. 5 f. VA) mit "Bauar-beiter". Er führte aus, seine Aufgabe sei unter anderem das Ausbessern, Abdichten und der Ab-riss von Wasserbehältern mit umfangreicher Arbeit mit dem Presslufthammer gewesen. Er sei in geschlossenen Räumen hoher Staubbelastung (Zement und Beton) ohne Atemschutz ausgesetzt gewesen. Nach Angabe der EnBW als Rechtsnachfolgerin der TWS (Schreiben vom 02.03.2005, Bl. 130 f. VA) war der Versicherte im vorgenannten Zeitraum "beschäftigt im Wasserwerk" mit dem Abbruch und der Instandhaltung von Wasserbehältern. In den Trinkwasserbehältern befän-den sich in den Stützschalen Asbestrohre, ebenfalls bestehe das Dämmmaterial in den Lüftungs-kanälen aus Asbest (ungefähr 1% der Baumasse).

Vom 01.05.1968 bis zu seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben am 30.09.1985 war der ver-storbene Vater der Kläger beschäftigt im Bereich Fernwärme der TWS. Seine Tätigkeit um-schrieb er im Schreiben vom 05.07.2004 (Bl. 5 f. VA) mit "Maurermeister, eingesetzt in der Bauaufsicht". Er sei nach seiner Meisterprüfung im Jahr 1968 zum Rohrnetzbau für die Fern-wärmeversorgung gewechselt, wo er die eingesetzten Fremdfirmen auf den Baustellen betreut habe. Auch hier habe es immer wieder, je nach den gerade anfallenden Arbeiten, nennenswerte Belastungen durch bautypischen Staub gegeben. Nach den Angaben der EnBW (Schreiben vom 02.03.2005, Bl. 130 f. VA) sind in der Fernwärmeversorgung die Abdeckungen der Kanäle teil-weise aus Asbest. Es seien Hauben in diversen Längen angefertigt und mit der Flex abgetrennt worden. Der Versicherte habe bei diesen Arbeiten die Bauaufsicht gehabt.

Mit Schreiben vom 10.08.2004, der Beklagten zugegangen am 12.08.2004, nahm der Sohn des Versicherten, der Kläger Ziff. 1, auf ein Schreiben vom 05.07.2004 Bezug, mit welchem der Versicherte einen Antrag auf Anerkennung einer Berufskrankheit Nr. 4110 gestellt habe. Er teilte der Beklagten mit, dass sein Vater am 19.07.2004 an den Folgen eines Lungenkarzinoms ver-storben sei. Nach telefonischer Mitteilung der Beklagten beim Kläger Ziff. 1, dort sei kein Vor-gang feststellbar, übermittelte dieser der Beklagten einen nochmaligen Ausdruck eines mittels Computer verfassten Schreibens des Versicherten vom 05.07.2004 (Bl. 5 VA), mit welchem ein Antrag auf Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) 4110 und die Gewährung von Leistungen gestellt wurde. Am 22.06.2004 sei bei ihm ein fortgeschrittenes Adenokarzinom der Lunge fest-gestellt worden, eine Woche später seien Knochenmetastasen diagnostiziert worden. Der Rönt-genbefund der Lungen lasse massive Staubeinlagerungen erkennen, die ursächlich mit seiner Berufstätigkeit zusammenhingen. Neben der bereits wiedergegebenen Beschreibung der während seines Berufslebens ausgeübten Tätigkeiten führte der Versicherte in den Schreiben aus, er sei seit 1976 Nichtraucher und sei nie starker Raucher gewesen. Sein täglicher Konsum habe 1-2 Zigaretten umfasst und er habe in der Nachkriegszeit seine Tabakration oft gegen Brot getauscht. Er lebe seit langem in seinem Haus mit Garten in rauchfreier Umgebung. Im Begleitschreiben vom 23.08.2004 führte der Kläger Ziff. 1 aus, das Schreiben vom 05.07.2004 "dürfte" sein Vater "um den 8.7.2004 auf den Weg gebracht" haben.

Mit Schreiben vom 30.08.2004 teilte die zwischenzeitlich ebenfalls verstorbene Mutter der Klä-ger mit, sie wolle den Antrag ihres verstorbenen Mannes weiterverfolgen und beantrage für sich Witwenrente und Sterbegeld (Bl. 9 VA).

Die Beklagte leitete hierauf Ermittlungen ein und zog verfügbare medizinische Unterlagen über den Versicherten bei. Im Rahmen eines stationären Aufenthalts des Versicherten vom 16.06.2004 bis zum 24.06.2004 im R.-B.-Krankenhaus S. wurde gemäß dortigem Entlassungsbericht vom 24.06.2004 (Bl. 95 VA) die Diagnose eines niedrig differenzierten großzelligen Aor-tencarcinoms/soliden Carcinoms der Lunge bei Zustand nach Aortenklappenersatz am 19.02.1996 gestellt. Ein am 17.06.2004 durchgeführtes CT des Thorax ergab den Befund unkla-rer homogener Verdichtungsstrukturen intrapulmonal rechts sowohl im Bereich des Mittellappens als auch des Unterlappens bei lediglich minimalem Pleuraerguss. Interpretiert wurde der Befund zunächst als eine atypische Pneumonie, auch eine tumoröse Genese aufgrund vergrößerter Lymphome wurde alternativ in Betracht gezogen. Die am 18.06.2004 durchgeführte Bron-choskopie ergab einen hochgradigen Verdacht auf ein Malignom der rechten Lunge. Im Rahmen der anschließenden Probenuntersuchung wurden Tumorformationen eines niedrig differenzierten, grosszelligen Adenocarcinoms bzw. soliden Carcinoms zytologisch und histologisch gesichert. Eine am 19.06.2004 durchgeführte Röntgen-Thorax-Untersuchung ergab keinen Anhalt auf Vorliegen eines Pneumothorax, eine am 22.06.2004 durchgeführte Skelett-Szintigraphie den Befund einer multiplen Skelettmetastasierung. Ein am 02.07.2004 durchgeführtes CT des Ab-domens und Beckens (Bericht vom 02.07.2004, Bl. 44 VA) ergab eine Tumorbreite von 6 x 6,1 cm. Beschrieben wurde eine rechts hilär gelegene, den Bronchus einengende, Raumforde-rung, ferner eine Skelettmetastasierung mit Beteiligung der Wirbelkörper und Beckenschaufeln.

Vom 30.06.2004 bis zum 03.07.2004 war der Versicherte nochmals in stationärer Behandlung im R.-B.-Krankenhaus (vgl. Entlassungsbericht vom 08.11.2004,Bl. 68 VA). Nachdem der Ver-sicherte einer Chemotherapie eher abgeneigt gewesen sei, wurde bei bestehender Stabilitätsge-fährdung durch Metastasen des Skeletts eine palliative Strahlenbehandlung eingeleitet.

Am 19.07.2004 verstarb der Versicherte.

Die von der Beklagten befragte Hausärztin des Versicherten, Dr. S., teilte mit Bericht vom 31.12.2004 (Bl. 89 VA) mit, im Januar/Februar 2004 sei eine verschleppte Erkältung diagnosti-ziert worden, im Juni 2004 dann ein Bronchialkarzinom. Es sei nicht klar, ob es sich bei der Er-krankung des Klägers um Folgen eines Kontaktes mit Asbest handele.

Am 30.12.2004 (Bl. 88 VA) erteilte die Beklagte dem Ärztlichen Direktor des K.-krankenhauses D. und beratenden Arzt für Diagnostische Radiologie bei arbeits- und umweltbedingten Erkran-kungen, Dr. H., den Auftrag zur Erstattung eines fachradiologischen Zusatzgutachtens über die zuvor beigezogenen CT- und Röntgenaufnahmen aus dem Jahr 2004. Am 11.01.2005 erteilte sie dem Direktor des Instituts für Pathologie, Prof. Dr. M., den Auftrag zur Erstattung eines patho-logischen Gutachtens u.a. mit der Fragestellung, ob medizinische Brückensymptome pathologisch nachweisbar seien. Mit Schreiben vom 14.01.2005 wies dieser die Beklagte darauf hin, dass nicht erkennbar sei, dass zu Lebzeiten Lungengewebsmaterial entnommen worden sein könnte, welches für eine staubanalytische Untersuchung geeignet sei. Die Beklagte wurde aufgefordert, ihm die im Rahmen der Bronchoskopie entnommenen Proben zukommen zu lassen, was mit Schreiben vom 24.01.2005 veranlasst wurde.

Mit fachradiologischem Zusatzgutachten vom 21.01.2005 führte Dr. H. aus, bildmorphologisch sei der Befund gut vereinbar mit einem lymphogen und hämatogen metastasierenden Bronchial-karzinom. Für eine Asbestexposition hochsignifikante hyaline oder verkalkte Pleuraplaques seien nicht erkennbar, ebenso zeigten sich keine eindeutigen Hinweise auf basal betonte Fibro-seprozesse, wie sie bei einer Asbestose aufträten. Ebenso bestünden keine Hinweise auf das Vor-liegen eines Pleuramesothelioms oder eines explapulmonaten oder extrapleuralen Primärtumors. Bildmorphologisch ergäben sich daher keine Hinweise auf Brückenbefunde im Sinne einer Be-rufskrankheit Nr. 4104 der Anlage zur BKV.

Mit fachpathologischem Zusatzgutachten vom 09.02.2005 (Bl. 126-129 VA) führte Prof. Dr. M. aus, aus dem Untersuchungsgut einer 2 mm im Durchmesser großen Bronchusbiopsie könne eindeutig die Diagnose eines bösartigen Tumors und durchaus passend zu einem primären Tumor der Bronchien gestellt werden. Damit sei für dieses Verfahren die Tumorsicherung erfolgt. Da Lungengewebe nicht verfügbar sei, könne eine Lungenstaubanalyse nicht erfolgen. Da es kein histomorphologisches Bild gebe, welches den Rückschluss auf eine spezifische, durch Asbest oder gasförmige Substanzen verursachte, Tumorentstehung ermögliche, seien auf Basis der ihm zur Verfügung stehenden Gewebsproben (aus der Bronchusbiopsie) keine weitergehenden Rückschlüsse im Hinblick auf eine Berufskrankheit nach Ziffern 4104 oder 4110 möglich. Sofern eine Operation zu Lebzeiten oder Obduktion nach Todeseintritt nicht erfolgt seien, bleibe für die Weiterführung des Verfahrens nur noch die "rechnerische Brücke" über die sogenannten Modelle der Faserjahre (BK 4104) bzw. der BaP-Jahre (BK 4110).

Nach den Feststellungen des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) der Steinbruchs-Berufsgenossenschaft (Bericht vom 25.11.2004, Bl. 84 ff. VA) zur Beschäftigung des Versicher-ten vom 11.06.1946 bis zum 02.10.1946 beim Betonwerk M. B. war er an der Herstellung von Betonrohren, Schachtringen und Betonwaren (etwa Zaunpfähle) beteiligt. Für die Herstellung dieser Produkte sei zumindest in den 1960er bis 1980er Jahren kein Asbest verwendet worden. Auch im BK-Report 1/97 "Faserjahre" fänden sich keine Hinweise auf Verwendung von Asbest bei der Herstellung von Betonwaren wie Schachtringen, Zaunpfählen und Betonrohren.

Hinsichtlich der Beschäftigung des Versicherten als Maurer für die Firma Emil K. in S.-H. vom 14.04.1947 bis zum 24.04.1948 führte der TAD der Württembergischen Bau-Berufsgenossenschaft mit Bericht vom 03.01.2005 (Bl. 105 ff. VA) aus, die Wiederaufnahme der Produktion von Asbestzementprodukten nach dem Krieg habe erst 1949 begonnen, weshalb ein Kontakt zu Asbest auszuschließen sei.

Zu den vom Kläger vom 03.06.1948 bis zum 31.01.1956 ausgeübten Beschäftigungen als Stein-holz- und Estrichleger teilte der TAD der Württembergischer Bau-Berufsgenossenschaft mit von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholtem Bericht vom 03.01.2005 mit, es habe sich bei der Firma Estrich-B. (nach Unternehmerwechseln in den Jahren 1962, 1964 und 1986; die Nachfolgefirma ist in K. ansässig) niemand mehr an den Versicherten erinnern können (vgl. auch Telefonvermerk vom 18.11. und 3.12.2004, Bl. 108 VA). Die Firma Industrie-Fußböden K. GmbH und Co. teilte mit (Schreiben vom 07.12.2004, Bl. 111 VA), es lägen keine Unterlagen über den betreffenden Zeitraum mehr vor, zudem könne niemand mehr Auskunft geben, nach-dem der Versicherte vor 50 Jahren für 6 Monate dort beschäftigt gewesen sei. Hinsichtlich der Firma F. GmbH sei aus bereits erfolgten Berufskrankheitenermittlungen bekannt, dass die heuti-gen Geschäftsführer keine Auskunft über die Arbeitsabläufe in den 50er Jahren geben könnten (Schreiben vom 29.08.2003, Bl. 112 VA). Der TAD legte einen in einem anderen Berufskrank-heiten-Verfahren angefertigten Vermerk über eine telefonisch erteilte Auskunft eines anderen Mitarbeiters der Firma F., F. K., der dort von 1949 bis 1984 als Estrichleger beschäftigt gewesen war, vor (Vermerk vom 06.10.2003, Bl. 113 VA). Dieser hatte erklärt, ihm sei nicht bekannt, dass Estrich als Zuschlag Asbest oder Talkum zugegeben worden sei. In den 60er Jahren seien 50 % Steinholzestriche und 50 % Zement- und Anhydritestriche verlegt worden, und zwar in Handarbeit. Vor allem das feine Holzmehl habe sehr gestaubt. Für Zementestrich habe man Sand, Quarzsand, Zement, Anhydrit, Magnesit, Sägemehl (feines Holzmehl), Lauge und Farbpigmente vermischt. Für Steinholzestrich (hergestellt zumeist als Unterboden für Linoleum) habe man Magnesit, Sägemehl, Quarz und Lauge vermischt (1/2 Liter Lauge auf 200 Liter Wasser) und die Masse in einem Bottich mit der Schaufel angemischt. Pro Tag seien etwa 25-30 m² Estrich verlegt worden, je nach aufzutragender Belagsdichte. Staubbelastend seien die Mischvorgänge gewesen. Deren tägliche Dauer habe 1-1,5 Stunden betragen. Die Firma D. Industriefußböden teilte dem TAD schließlich mit Schreiben vom 22.11.2004 mit, es gebe keine Aufzeichnungen über das Gründungsjahr, in welchem der Versicherte beschäftig gewesen sei. Es sei zu vermuten, dass er praktisch in allen Bereichen tätig gewesen sei, was heiße, dass er im Lager und auf Baustellen mit der Herstellung von Magnesiaestrichen beschäftigt gewesen sei. Weiter heißt es: "Nach unserer Kenntnis wurden zu dieser Zeit dem Magnesiaestrich noch keine Asbestfasern zugesetzt. Wir können dies jedoch nicht mit Sicherheit sagen." Der TAD zog aus dem Ergebnis der Ermittlungen die Schlussfolgerung (Bl. 106 VA), ob und in welchem Umfang der Versicherte im Zuständigkeitsbereich der Württembergischen Bau-Berufsgenossenschaft einer gesund-heitsgefährdenden Einwirkung durch Asbest oder weiteren krebserzeugenden Arbeitsstoffen ausgesetzt gewesen sei, habe nicht geklärt werden können.

Der Technische Aufsichtsbeamte H. vom TAD der Beklagten führte mit Stellungnahme vom 31.03.2005 (Bl. 137 VA) zu der Beschäftigung des Versicherten vom 01.02.1956 bis zum 28.02.1957 im Gaswerk aus, dieser sei im betreffenden Zeitraum als Maurer und Gasmacher beschäftigt gewesen. Die Tätigkeiten, die er im Einzelnen ausgeführt habe, seien nicht mehr nachvollziehbar. Es sei aber davon auszugehen, dass bei ihm eine Asbesteinwirkung vorgelegen habe, die durch das Tragen von Hitzeschutzkleidung (Handschuhe, Schürze, Jacke) sowie durch thermisch belastetes Material, ausgehend von den Dichtungen der Ofentüren im Gaswerk, ent-standen sei. Ebenso sei asbesthaltiger Staub bei Arbeiten mit Asbestmaterialien zum Abdichten von Rohrleitungen gegenüber dem Mauerwerk aufgetreten, ferner auch beim Abdichten von Ris-sen und Spalten, die an Befüll- und Entleerungsöffnungen der Ofenkammern zwischen Guss-rahmen und Ausmauerung als Folge unerwünschter Abkühlungen aufgetreten seien. Hierfür werde ein Schichtmittelwert von 4 Fasern pro cm³ als realistische Expositionshöhe angesetzt. Als Gasmacher sei der Versicherte auch der Einwirkung von polyzyklischen aromatischen Kohlen-wasserstoffen ausgesetzt gewesen, welche bei der Gaserzeugung entstanden seien und durch Ofenundichtigkeiten in die Umgebung entwichen seien. Als Gasmacher sei der Versicherte bei Reparaturarbeiten im Bereich der Ofenkammern diesen Stoffen zeitweise ausgesetzt gewesen. Unterstelle man einen Schichtmittelwert von 1-4 µ/m³ (Türensetzer/Bedienungsmann [Koker]), so betrage die Zahl der BaP-Jahre 1-4 Jahre.

Hinsichtlich der Beschäftigung des Versicherten vom 01.03.1957 bis zum 30.04.1968 bei den Wasserwerken der TWS schätzte der TAD der Beklagten in seiner Stellungnahme vom 31.03.2005 – die Angabe der EnBW aufgreifend, wonach sich in den Trinkwasserbehältern in den Stützschalen Asbestrohre befunden hätten und das Dämmmaterial in den Lüftungskanälen aus Asbest (ungefähr 1% der Baumasse) bestehe – den zeitlichen Anteil der Abbrucharbeiten, während der es zu einer Belastung des Versicherten mit Asbeststäuben gekommen sei, mit 1/10 der Gesamtarbeitszeit ein.

Zu der vom Versicherten vom 01.05.1968 bis zum 30.09.1985 ausgeübten Tätigkeit als Maurer-meister/Bauaufsicht führte der TAD der Beklagten aus, er habe im genannten Zeitraum noch eine Asbestbelastung gehabt, wenn er "als Bauaufsicht bei gelegentlichen Passschnitten an As-bestzementprodukten Bystander war." Die Zahl der Faserjahre seit dem Eintritt des Klägers bei der TWS AG schätzte der TAD insgesamt mit 7 ein, die Einwirkungen von PAK mit 1-4 BaP-Jahren.

Die Beklagte lehnte hierauf mit an die (am 23.12.2010 verstorbene, vgl. Sterbeurkunde Bl. 109 Senatsakte) Ehefrau des Versicherten gerichtetem Bescheid vom 27.05.2005 die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen einer Berufskrankheit ihres verstor-benen Ehemannes ab. Der Verdacht auf eine Berufskrankheit habe sich nicht bestätigt. Hinsicht-lich einer BK 4104 habe der medizinische Nachweis einer Asbestose, Minimalasbestose oder asbestbedingten Erkrankung der Pleura durch die erfolgten röntgenologischen und feingewebli-chen Untersuchungen nicht erbracht werden können. Auch sei der Nachweis einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis von mindestens 25 Faserjahren nicht gelungen; die Asbestbelastung habe deutlich unter dem Wert von 25 Faserjahren gelegen. Hinsichtlich einer BK 4110 sei Vorausset-zung für die Anerkennung der BK, dass Tätigkeiten in unmittelbarer Nähe der Ofendecke einer Kokerei über mindestens 2 Jahre, wohingegen der Versicherte diese Tätigkeiten nur 13 Monate ausgeübt habe.

Zur Begründung des am 07.06.2005 erhobenen Widerspruchs ließ die Ehefrau des Versicherten, vertreten durch den Kläger Ziff. 1, vortragen, hinsichtlich der Begutachtung durch Dr. H. und Prof. Dr. M. "scheinen den Umständen entsprechend fachlich vertretbare Ergebnisse erzielt wor-den zu sein." Von der Berechnung der Schadstoffeinwirkung sei er jedoch nicht überzeugt. Nicht richtig sei, für die Zeit von 1947 bis 1956 keine Asbestfaserjahre zu berechnen, denn er (der Kläger Ziff. 1) gehe nach der Erinnerung seines Vaters davon aus, dass bei der Produktion von Estrichen, besonders für gewerblich genutzte Bauten, auch asbesthaltiges Material zugegeben worden sei, ob nun neu oder recycelt. Zwar habe die Produktion von Asbestzementprodukten in Deutschland erst 1949 wieder begonnen, aber es habe genug bereits verarbeitetes Altmaterial gegeben, das bei Baumaßnahmen bearbeitet, entfernt oder recycelt worden sei. Von 1956 bis 1985 sei die Zahl der Faserjahre zu niedrig berechnet: In der Zeit als Gasmacher dürfe der Versi-cherte einer sehr viel höheren Asbestkonzentration ausgesetzt gewesen sein. In diesen Jahren habe die Sicherung der Energieversorgung Vorrang gehabt; Prävention und Risikominimierung seien in der Arbeitswelt erst sehr viel später ins Blickfeld getreten. Im übrigen müssten aus dieser Zeit noch Unterlagen über einen Arbeitsunfall vorliegen. Auch die Berechnung der Asbestfa-serjahre für die Beschäftigungen als Bauarbeiter und anschließend als Maurermeister halte er für zu niedrig. Hinsichtlich der Einwirkung von Kokereirohgasen habe der Versicherte mehr als die Hälfte der Mindesteinwirkungszeit (13 von 24 Monate) erreicht. Auch hier sei davon auszuge-hen, dass die Exposition in den Nachkriegsjahren wesentlich höher als in den Folgejahren gewe-sen sei. Die für die Berechnung der BaP-Jahre hinzugezogenen Unterlage wiesen darauf hin, dass sich die Expositionssituation der Beschäftigten seit etwa Mitte der 70er Jahre verbessert habe. Die referierten Messwerte seien ab 1985 erhoben worden und, da es sich um Messwerte im Freien handele, mit großen Unsicherheiten behaftet. Auch hier sei eine Korrektur nach oben er-forderlich. Auch habe die Beklagte bislang versäumt, den Aspekt der Synkanzerogenese hinläng-lich zu prüfen.

Mit Stellungnahme vom 02.08.2005 (Bl. 161 VA) führte der TAD der Beklagten aus, hinsichtlich der Asbestfaserjahre seien die Werte – dabei handele es sich um Schichtmittelwerte – im Hin-blick auf die Unsicherheit über die tatsächliche Tätigkeit sehr hoch angesetzt worden. Beim Tra-gen von Hitzeschutzkleidung (Handschuhe, Schürze, Jacke) liege der Tätigkeitswert in jedem Gebrauchszustand (auch hitzebelastet) bei 3,0 F/cm³ (90%-Wert). Die tatsächlich gemessenen Werte lägen größenordnungsmäßig um die Hälfte unter dem 90%-Wert. Dennoch sei bei Be-rechnung der Asbestfaserjahre ein Wert von 4 F/cm³ angesetzt worden. Ebenso verhalte es sich mit dem zur Berechnung herangezogenen Wert für das Hantieren mit Asbestmaterialien. Auch hier sei die Konzentration für thermisch belastetes Material herangezogen worden. Für die Zeit von 1957 bis 1968 sei für Abbrucharbeiten und Arbeiten mit asbesthaltigen Baustoffen im Was-serwerk der extrem hohe Wert von 2 F/cm³ als Schichtmittelwert bei 10 % der Schichten zu-grunde gelegt worden, obwohl nach Aussagen von Mitarbeiten des Unternehmens "während der in Frage stehenden Zeit aufgebaut und nicht abgerissen wurde." Für den Zeitraum vom 01.05.1968 bis zum 30.09.1985 sei eine jährliche Bystander-Exposition von 10 Stunden im Rahmen der Bauaufsicht unterstellt worden, obwohl nur gelegentlich Passschnitte an Asbestze-mentprodukten hätten durchgeführt werden müssen und die Anwesenheit des Versicherten wäh-renddessen keineswegs sicher sei. Insgesamt sei daher die errechnete Exposition mit sehr großer Wahrscheinlichkeit erheblich höher als die tatsächliche Exposition. Die Belastung durch PAK im Gaswerk sei schließlich insbesondere abhängig gewesen vom Ar-beitsbereich der Beschäftigten, der Dichtheit der Ofenkammern, der Windstärke und Windrich-tung. Nach Auskunft des Versicherten habe er Schlacke aus Ofenkammern entfernen müssen, wobei es sich wohl um Anbackungen gehandelt habe, die von der Koksausstoßmaschine nicht erfasst worden seien, in den Ofenkammern Schamottsteine auswechseln sowie sonstige Ausbes-serungsarbeiten ausführen müssen. Um in den Kammern arbeiten zu können, hätten diese abküh-len müssen. Sofern Reparaturarbeiten im Bereich der Ofentüren ausgeführt werden hätten müs-sen (z.B. Verstemmarbeiten), seien zum Schutz vor der Resthitze Mauern in den Kammern hochgemauert worden, um nicht die völlige Abkühlung des Ofens abwarten zu müssen. Nach Beendigung der Reparaturen seien die Mauern wieder abgerissen worden. Es sei wahrscheinlich, dass der Versicherte auch solche Arbeiten ausgeführt habe. In jedem Fall seien defekte Ofen-kammern außer Betrieb genommen worden, bevor darin gearbeitet worden sei. Die Belastung durch aus Ofenundichtigkeiten entweichendes Rohgas habe daher von benachbarten Kammern gestammt. Es sei daher durchaus angemessen, einen Wert zwischen 1 µg/m³ (im modernisierten Schüttbetrieb) und 4 µg/m³ (in alten Anlagen) als Schichtmittelwert anzunehmen. Es gebe keine Hinweise darauf, dass sich der Versicherte während der 13 Monate seiner Tätigkeit regelmäßig im Oberofenbereich bei ca. 10 µg/m³ BaP-Konzentration aufgehalten habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.10.2005 (Bl. 165 VA) wies hierauf die Beklagte den Wider-spruch der verstorbenen Ehefrau des Versicherten zurück.

Hiergegen hat die verstorbene Ehefrau des Versicherten vertreten durch den Kläger Ziff. 1 am 18.11.2005 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Der Kläger Ziff. 1 führte aus, der Erkrankte habe nach Gesprächen mit ihm Anfang Juli 2004 noch selbst den ersten Antrag auf Anerkennung seiner Erkrankung als Berufskrankheit an die Geschäftsstelle der Beklagten in Ulm gesandt. Als sich herausgestellt habe, dass sein Antrag dort nicht auffindbar gewesen sei, habe er im August eine Zweitschrift, eine Vollmacht seiner Mutter und weitere Unterlagen übersandt. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der erste Antrag nicht bei der Beklagten eingegangen sei. Hin-sichtlich der Berechnung der Asbestjahre bezüglich der BK 4104 sei als falsch anzusehen, dass nicht bereits von Beginn des Berufslebens des Versicherten an (1937) eine Gefährdung durch Asbest als gegeben angesehen worden sei, denn Asbest sei bereits seit 1900 zunehmend und oh-ne Berücksichtigung der damit zusammenhängenden Gefährdung eingesetzt worden. Für die Jahre 1947 bis 1956 habe die Württembergische Bau-Berufsgenossenschaft die Einwirkung von Asbest oder weiteren krebserzeugenden Stoffen nicht klären und somit auch nicht ausschließen können. Zumindest von einer gelegentlichen Asbestgefährdung sei auszugehen, die in die Faser-berechnung hätte eingehen müssen. Hinsichtlich der Arbeiten im Gaswerk habe die Beklagte unberücksichtigt gelassen, dass die Staubfilterfunktion der Nase durch einen Arbeitsunfall, als dem Versicherten ein Schamottstein aus der Ofendecke auf den Kopf gefallen, und das Nasen-bein wohl gebrochen habe, ausgeschlossen sei, nachdem der Atemweg durch die Nase als Folge zumindest partiell blockiert gewesen sei. Die für die Tätigkeit als Maurer beim Wasserwerk vom Versicherten geschilderte stärkere Asbeststaubbelastung sei nicht hinreichend berücksichtigt worden, ebenfalls berücksichtigten die Berechnungen der Beklagten, die ab 1968 eine nur gerin-ge Asbestbelastung eingeräumt habe, nicht die oft beengten Verhältnisse im Rohrnetzbau und den sorglosen Umfang mit Asbest bis in die 80er Jahre hinein. Hinsichtlich der BK 4110 hat der Kläger Ziff. 1 – noch als Prozessvertreter seiner Mutter – vorgetragen, dass die Gasbelastung in den Öfen erheblich höher gelegen habe, als bislang berücksichtigt. Im Merkblatt zur BK 4110 werde darauf hingewiesen, dass bei der Einschätzung des Gefahrenpotentials auch ältere, heute nicht mehr gebräuchliche, Verfahren der Kohleverkokung Beachtung finden sollten, zumal deren Gefährdungspotential meist höher einzuschätzen sei. Die Beklagte habe dies nicht berücksichtigt, sondern sich bei der Berechnung der BAP-Jahre auf Daten gestützt, die unter sehr viel günstige-ren Bedingungen sehr viel später bei Messungen im Freien erhoben worden seien. Was der Hin-weis auf eine nicht nachgewiesene Tätigkeit im Oberofenbereich solle, erschließe sich ihm nicht. Das Merkblatt 4110 enthalte kein derartiges Kriterium. Gefährdungen ergäben sich laut Merk-blatt für das am Ofenblock und seiner unmittelbaren Umgebung eingesetzte Personal, wozu mit Sicherheit der Vater der Kläger gehöre, der regelmäßig 13 Monate am und sogar im Ofen gear-beitet habe. Darüber hinaus habe die Beklagte den Gesichtspunkt der Synkanzerogenese nicht ausreichend berücksichtigt; die Asbestgefährdung werde durch Nikotin potenziert.

Die Beklagte ist der Klage unter Berufung auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid entge-gen getreten.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines arbeits- und sozialmedizinischen Gutachtens, am 16.03.2006 (Bl. 26 SG-Akte) erstattet vom Diplom-Chemiker und Facharzt für Arbeitsmedi-zin, Sozialmedizin und Umweltmedizin Dr. P ... Dieser hat die Kriterien für die Anerkennung einer BK 4104 als nicht erfüllt angesehen. Der Nachweis von Brückensymptomen, wie asbestbe-dingten Lungen- und Pleuraveränderungen im Röntgenbild bzw. der Nachweis von Asbestfasern in ausreichender Quantität im Lungengewebe sei nicht gelungen. Ebenso sei der Nachweis von 25 Faserjahren nicht erbracht. Ebenfalls seien die für eine Anerkennung einer BK 4110 erforder-lichen Kriterien nicht erfüllt. So bedürfe es für die Annahme eines Kausalzusammenhangs zwi-schen Exposition gegenüber PAH und Entstehung des Lungentumors des Nachweises einer mehrjährigen, wenigstens zweijährigen, Exposition gegenüber Kokereirohgasen, was im vorlie-genden Fall mit einer 13monatigen Exposition nicht erfüllt sei, oder des Nachweises von 100 B(a)P-Jahren. Im vorliegenden Fall sei demgegenüber von maximal 10 B(a)P-Jahren auszugehen. Dabei handele es sich um eine "Worst-Case-Betrachtung", denn Personen, welche auf der Ofendecke (z.B. als Einfeger) arbeiteten, seien in besonders hohem Maße den Kokereirohgasen ausgesetzt, während diejenigen, die unten an den Öfen arbeiteten, in geringerem Maße exponiert seien. Dies gelte auch für Ofenmaurer, welche zwar einer exponierten, jedoch nicht maximal exponierten Gruppe der Kokereiarbeiter angehörten (vgl. Bl. 32 f. SG-Akte). Auch die anzu-nehmende synkanzerogene Wirkung von PAK und Asbest führe nicht dazu, dass eine Berufs-krankheit anzuerkennen sei, denn selbst wenn man der Forderung des Klägers entsprechend eine höhere Exposition annehme und die Asbestexposition von 7 Jahren auf 14 Jahre und die B(a)P-Jahre von 10 auf 20 verdoppele, reiche dies nicht aus, um eine Risikoerhöhung um das Doppelte zu erreichen.

Der Kläger Ziff. 1 ist – als Bevollmächtigter seiner Mutter – mit Schriftsatz vom 01.05.2006 (Bl. 36 ff. SG-Akte) den Annahmen von Dr. P. und dem TAD der Beklagten zur Exposition wiede-rum entgegen getreten. Ergänzend zu den Ausführungen in der Klageschrift hat er ausgeführt, ausgehend vom BK-Report 1/97 "Faserjahre" des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsge-nossenschaften seien für die Tätigkeit seines Vaters im Gaswerk 11 (und nicht 4) Faserjahre zu errechnen, denn unter Ziff. 8 auf Seite 121 ff. werde für einen Feuerungsmaurer als Expositions-höhe 10 Fasern/cm³ zugrunde gelegt. Zur BK 4110 hat er ausgeführt, im Merkblatt werde die Bedingung einer mehrjährigen Exposition gegenüber Kokereirohgasen nicht so kategorisch for-muliert wie von der Beklagten. Dort werde insbesondere darauf hingewiesen, dass ältere, heute nicht mehr gebräuchliche, Verfahren der Kohleverkokung Beachtung finden sollten, sollten, zu-mal deren Gefährdungspotential meist höher einzuschätzen sei als bei den heute gebräuchlichen, in Blöcken zusammengefassten, Horizontalkammeröfen. Hinsichtlich der B(a)P-Exposition hät-ten Messungen auf der Ofendecke von Kokereien zwar besonders hohe Werte ergeben, aber an-dere Messungen an anderen Stellen hätten noch viel höhere Messwerte ergeben (Anmerkung 2 zum Merkblatt BK 4110). Außerdem habe der Vater der Kläger Ziff. 1 und 2 kontaminierten Staub mit PAK-Gemisch-Anhaftungen durch den Mund eingeatmet. Zur Synkanzerogenese hat er schließlich ausgeführt, bereits bei Zugrundelegung von 15 Asbestfaserjahren und 40 B(a)P-Jahren ergebe sich ein relatives Risiko von 2,0. Mit weiterem Schreiben vom 14.06.2006 (Bl. 41 SG-Akte) hat der Kläg. Ziff. 1 für die Exposition gegenüber Asbest auf das Beispiel des Lüf-tungsbauers verwiesen, wo Werte von 6 bis 100 Fasern/cm³ zustande kämen.

Hierzu hat der TAD der Beklagten mit erneuter Stellungnahme vom 10.08.2006 (Bl. 48 ff. SG-Akte) ausgeführt, hinsichtlich der Tätigkeit im Gaswerk sei eine Konzentration von 10 Fa-sern/cm³ als Schichtmittelwert nicht anzusetzen, eine Konzentration von 4 Fasern/cm³ gelte für Expositionseinschätzungen sowohl von Feuerungsmonteuren als auch von Feuerungsmaurern. Die Werte um 10 F/cm³ seien nur von Hilfskräften der sog. "Rupp-Kolonne" erreicht worden, die als spezialisierte Arbeitskolonne überwiegend mit Abrissarbeiten von asbestbelasteten Industrie-bauten beauftragt gewesen sei. Hinsichtlich der Tätigkeit im Wasserwerk (von 1957 bis 1968) sei die Asbestbelastung von Tätigkeiten im Lüftungsbau nicht auf die Tätigkeit als Maurer im Trinkwasserrohrnetz und in Gebäuden der Wasseraufbereitung und -speicherung übertragbar. Bei der Neuverlegung von Rohren sei die Asbestfaserkonzentration deutlich höher als bei Repa-raturen an durchfeuchteten Rohren. Auch auf die Tätigkeit als Meister in der Bauaufsicht ab 1968 seien die Verhältnisse im Lüftungsbau nicht übertragbar. Richtig sei jedoch, dass bei dem Versicherten von 1947 bis 1956 eine Asbestbelastung vorgelegen haben müsse. Eine "telefoni-sche Recherche" des Unterzeichners der Stellungnahme, Technischer Aufsichtsbeamter M. G., bei "Erfahrungsträgern der heutigen Bau-Berufsgenossenschaft" habe ergeben, dass insbesondere den Magnesit-, aber auch den Estrichfußböden Asbestmehl seit Beginn der 50er Jahre bis ca. 1958 beigemischt worden sei. Da dieser sogenannte "Holz-Estrich" jedoch wasseraufnehmend gewesen sei, sei er seit den 60er Jahren nicht mehr hergestellt worden. Zwar habe sich Herr K. an eine Asbestbeimischung nicht erinnern können, sehr wahrscheinlich sei jedoch, dass die Mit-arbeiter damals keine Informationen gehabt hätten, dass sie beim Estrichanrühren Asbestmehl beigemischt hätten. Der Versicherte habe abzüglich 10 Monaten Beschäftigungszeiten bei reinen Baumaterialfirmen über 6,75 Jahre Fußböden hergestellt (Zeitraum Juni 1948 bis zum 31.01.1956). Beim Anmischen von Estrich-Asbestmehl seien kurzzeitig sehr hohe Staubkonzent-rationen entstanden, welche dann abgeklungen seien. Rechne man mit dem höchsten Wert von 10 F/cm³, dann sei die über eine Stunde pro Tag hinausgehende abklingende weitere Staubbelas-tung im Sinne einer Worst-Case-Betrachtung enthalten. Ausgehend von der Annahme einer zeit-lichen Verteilung von 60 % (Verlegung asbesthaltigem Estrich) zu 40 % (asbestfreie Fußbodenverlegearbeiten) errechneten sich weitere 5 Asbestfaserjahre, so dass der Gesamtwert von 12 Asbestfaserjahren erreicht werde. Bezüglich der BK 4110 hat der Beamte G. ausgeführt, eine BaP-Konzentration von 4 µg/m³ sei für die Tätigkeit eines Ofenmaurers eher zu hoch eingeschätzt, werde jedoch bei der Gesamtbetrachtung beibehalten. Auch unter dem Aspekt einer synkanzerogenen Betrachtung seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen für den Versicherten weiterhin nicht erfüllt.

Auf Anregung des Klägers Ziff. 1 hat das SG den Bergassessor a. D. Dipl-Ing. Prof. P. M. mit der Anfertigung eines Sachverständigengutachtens zur Exposition gegenüber Asbest und B(a)P beauftragt. Mit einem ersten Aktengutachten vom 20.08.2007 (Bl. 118 ff.) hat er im wesentlichen Punkte aufgezeigt, die vor einer abschließenden Berechnung noch zu ermitteln seien.

Nachdem die Beklagte, vom SG aufgefordert diese Ermittlungen durchzuführen, mit Schreiben vom 12.09.2007 (Bl. 148 SG-Akte) mitgeteilt hat, sie halte es besser, wenn eine dritte Stelle, deren Neutralität nicht infrage gestellt werde, diese Ermittlungen durchführe, hat das SG Prof. M. mit der Durchführung der Ermittlungen und Erstattung eines ergänzenden Gutachtens nach Aktenlage beauftragt.

Mit Gutachten vom 07.03.2008 (Bl. 166 SG-Akte) ist er zu dem Ergebnis gekommen, die As-bestbelastung des Versicherten während des gesamten Berufslebens habe 26,642 Faserjahre be-tragen. Die PAK-Exposition hat er mit 17,30 BaP-Jahren errechnet, was im Rahmen der Synkan-zerogenese 4,325 Faserjahren entspreche. Für die vom 03.06.1948 bis zum 03.07.1954 und vom 21.08.1954 bis zum 28.02.1955 verrichteten beruflichen Tätigkeiten hat er eine Belastung von 6,6 Faserjahren angenommen. Seit dem 01.01.1950 seien dem Estrichmörtel Asbestfasern zugeführt worden. Die Menge könne mit insgesamt 0,6 kg/Tag angesetzt werden. Man könne davon ausgehen, dass bei dieser Art des Asbesteinsatzes, auch in Verbindung mit späterem Abschleifen des Bodens, sehr konservativ angesetzt 1,5 F/cm³ freigeworden seien. Der Asbestzusatz sei nötig gewesen, um dem Estrichboden auch bei starker Belastung eine längere Lebensdauer zu geben. Später sei der Estrich dann abgeschliffen worden; auch hier seien 1,5 F/m³ freigesetzt worden. Abzuziehen seien von 6,62 Arbeitsjahren, von denen der Versicherte 4,16 Jahre mit Asbest in Kontakt gekommen sei, nochmals 20 % (0,8 Arbeitsjahre) für die Einrichtung der relativ häufig wechselnden Baustellen. Auch eine PAH-Exposition habe es gegeben, und zwar bei der Holz-pflasterverlegung mit Steinkohlenteerpechklebern; allerdings könne insoweit ein sicherer BaP-Wert in BaP-Jahren nicht ermittelt werden. Für die Tätigkeit als "Gasmacher" im Gaswerk in S.-G. hat Prof. M. 18,20 Faserjahre errechnet. Das Gaswerk in S.-G. sei von 1930 bis an die Mitte der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts betrieben worden und bis etwa 1950 mit 30 vertikalen Koksöfen ausgestattet gewesen; um 1950 seien noch 44 Horizontalöfen hinzugekommen, so dass es zwei Ofenbatterien gegeben habe. Bei einem Luftangriff im Jahr 1943 sei auch das Gaswerk beschädigt worden, habe aber schnell wieder in Betrieb gehen können. Schon aus Boden-Luftanalysen aus einem anderen S. Gaswerk sei erkennbar, dass die Gaswerker, insbesondere solche, die als Gasmacher und Feuerfestmaurer (Ofenmaurer) in einem solchen Betrieb tätig ge-wesen seien, hohen Konzentrationen von PAK ausgesetzt gewesen seien, denn aus Bodenproben hätten sich hohe Wert ergeben, ebenfalls hohe Benzolwerte im Grundwasser. Der Begriff des "Gasmachers" trete in der Gaswerksliteratur in dieser Form nicht auf, mache aber deutlich, dass damit eine "Fülle von Tätigkeiten" außerhalb der Ofenkammern wie auch in den Kammern selbst angefallen seien (Bl. 173 SG-Akte). Auch sei der Gasmacher am Ofenbeschickungsbetrieb beteiligt gewesen (Bl. 175 SG-Akte). Auf Bl. 16 seines Gutachtens (Bl. 181 SG-Akte) ist Prof. M. davon ausgegangen, der Versicherte sei "mit Sicherheit" im Bereich der Batterie der vertika-len Koksöfen tätig gewesen, da er einen Unfall erlitten habe, indem ein Schamottestein ihm aus großer Höhe auf den Kopf gefallen sei. Demgegenüber hat er auf Bl. 19 (Bl. 184 SG-Akte) aus-geführt, die jeweiligen Mitarbeiter seien je nach gegebener Situation, z.B. in Notfällen, auch gegenseitig über die jeweilige Koksofenbatterie hinaus eingesetzt worden. Demgegenüber hat Prof. M. auf Bl. 23 (Bl. 188 SG-Akte) ausgeführt, inwieweit der Versicherte im Vertikal- oder Horizontalofen eingesetzt gewesen sei, sei beim besten Willen nicht mehr feststellbar gewesen, aus Sicht des Sachverständigen sei er jedoch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit weitgehend im Bereich der Vertikalöfen eingesetzt gewesen. Er habe zusammen mit dem Fahrer der Ausdrück-maschine nach dem Garvorgang die beiden Türen der Koksofenkammer geöffnet und dann wäh-rend des Ausdrückens mit der Sichtung der Dichtungssituation der Koksofentür und des Eingan-ges zur Koksofenkammer begonnen, sodann Asbestdichtungsschnüre von den noch heißen Ofen-türen ohne Werkzeug durch Herausreißen entfernt, den Ofen gesäubert und andere Arbeiten im Umfeld des Ofens durchgeführt; es sei Hitzeschutz getragen worden. Ersteres habe eine Stunde täglich in Anspruch genommen und sei mit einer Exposition von 7 F/cm³ verbunden gewesen, letzteres habe zwei Stunden täglich in Anspruch genommen, der Expositionswert habe 15 F/cm³ betragen (Bl. 184-186 und 203 SG-Akte: insgesamt 6,51 Faserjahre). Nach dem Ausdrücken des Kokses habe eine Inspektion der Koksofenkammern von mindestens zwei Öfen täglich mit Stab-lampe, Hammer und Stange stattgefunden. Hierfür und zum Ausbessern kleinerer Risse sei Hit-zevollschutz mit Haube getragen worden; pro Tag hätten derartige Arbeiten 2 Stunden in An-spruch genommen (Bl. 187, 204 SG-Akte: 2,46 Faserjahre). Darüber hinaus seien täglich drei Stunden lang kleinere Heißreparaturen am feuerfesten Material und den Dichtungen noch heißer Öfen unter Hitzevollschutz mit Kappe durchzuführen gewesen (Bl. 188, 204 SG-Akte: 4,24 Fa-serjahre). Eine weitere Tätigkeit sei das Säubern der Rillen im Bereich der Koksofentüren von verbrauchten Asbestisolierungen und der Einbau neuer Asbestschnüre gewesen; dies habe ca. 12 Std. pro Woche in Anspruch genommen. Auch diese Arbeiten seien in Hitzevollschutzkleidung durchgeführt worden (Bl. 190, 205 SG-Akte: 4,87 Faserjahre). Für das Ausbessern kleiner Risse in kalten Öfen und Reinigen der Steigrohre hat Prof. M. 0,125 Faserjahre errechnet (Bl. 205 SG-Akte). Insgesamt habe der Versicherte "nahezu ständig Hitzevollschutzkleidung" tragen müssen (Bl. 201 SG-Akte).

Hinsichtlich der bei der Wasserversorgung der TWS ausgeübten Tätigkeiten hat Prof. M. die Annahmen des TAD der Beklagten unterschritten und ist zu dem Ergebnis gelangt, insoweit sei-en nur 0,042 Faserjahre anzuerkennen. Für die Exposition als Bystander hat er demgegenüber ausgehend von einer Faserkonzentration von 1 F/cm³ und Exposition von jährlich 200 Stunden 1,8 Faserjahre errechnet. Die Annahme des TAD, der Versicherte sei nur 10 Stunden im Jahr auf der Baustelle gewesen, zeige "nur die Ahnungslosigkeit dieses Technischen Aufsichtsdienstes, der diesen Namen einfach nicht verdient, denn er kennt die Praxis nicht." (Bl. 195 SG-Akte).

Die Exposition gegenüber PAK, relevant für die BK 4110, hat Prof. M. mit 17,30 BaP-Jahren errechnet (Bl. 201 SG-Akte). Der TAD der Beklagten habe bei seinen bisherigen Ausführugen insbesondere bislang die Arbeitszeit des Versicherten unberücksichtigt gelassen. Ausgehend von den Schilderungen des Klägers Ziff. 1 im Erörterungstermin vom 21.05.2007 (vgl. Niederschrift Bl. 87 SG-Akte) sei während der Tätigkeit im Gaswerk von einer täglichen Arbeitszeit von 11 Stunden auszugehen; zudem habe der Versicherte jeden zweiten Sonntag ebenfalls 11 Stun-den gearbeitet. Im Zeitraum vom 01.02.1956 bis zum 31.01.1956 habe mithin der Versicherte insgesamt 3432 Arbeitsstunden abgeleistet, im Monat Februar 1957 nochmals 286 Arbeitsstun-den, also als Gasmacher insgesamt 3.718 Arbeitsstunden. Grundlage für die Bemessung der Ex-position bilde heute eine Jahresarbeitszeit von 1.920 Stunden, weshalb für die Ermittlung der BaP-Jahre von 1,94 Arbeitsjahren (statt 13 Monaten) auszugehen sei.

Hierzu hat die Beklagte eine Stellungnahme ihres TAD vom 08.09.2008 (Bl. 235 f. SG-Akte und Stellungnahmen der Clearingstelle des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (Dr. H. vom 12.08.2008 zu den BaP-Jahren, Bl. 237 ff., und Dr. M ... vom 13.08.2008 zur Asbestexposition, Bl. 242 SG-Akte) vorgelegt. Dr. H. hat ausgeführt, im Jahr 1956 habe die durchschnittliche tarifliche Wochenarbeitszeit eines Arbeiters 47,1 Stunden betra-gen; IG Metall und der Arbeitgeberverband Gesamtmetall hätten sich im Sommer 1956 darauf verständigt, zum 01.10.1956 die Wochenarbeitszeit von 48 Stunden auf 45 Stunden herabzuset-zen. Die durchschnittliche Urlaubsdauer habe in den fünfziger Jahren bei zwei Wochen gelegen. Unter Zugrundelegung einer mittleren täglichen Arbeitszeit von 10 Stunden und einer Wochen-arbeitszeit von 60 Stunden, ferner monatlich einmaliger Sonntagsarbeit, könne für die Berufstä-tigkeit im Gaswerk vom 01.01.1956 bis 28.02.1957 eine Gesamtarbeitszeit von 3.125 Stunden für insgesamt 50 Arbeitswochen errechnet werden. Umgerechnet auf die dem BK-Report "BaP-Jahre" zugrundeliegende Schichtdauer ergebe sich eine Expositionsdauer von etwa 1,75 Jahren.

Selbst wenn man die auch nach seiner Auffassung zu errechnenden 17,3 BaP-Jahre um 30 % erhöhe, da es für den Erhalts- und Wartungszustand des seit den 30er Jahren bestehenden Betrie-bes nicht zum Besten bestellt gewesen sei, ergebe sich mit 22,6 BaP-Jahren immer noch ein deutlich unterhalb der Verdoppelungsdosis von 100 BaP-Jahren liegender Wert.

Dr. M ... hat zur Asbestexposition des Versicherten als Estrichleger von 1948 bis 1956 ausgeführt, Estriche oder Steinholzfußböden hätten nicht grundsätzlich Asbestzumischungen enthalten. Ins-gesamt habe die Asbestfaserdosis nach seiner Auffassung nur einen Bruchteil der von Prof. M. ausgewiesenen 6,6 Faserjahre betragen. Die Verfügbarkeit von Asbest sei Anfang der 1950er Jahre noch recht schlecht gewesen. Rund 80 % des verfügbaren Asbests sei damals in der As-bestzementindustrie eingesetzt worden, so dass für sämtliche anderen Anwendungen im Jahr 1950 eine Menge von nur ca. 2 Tonnen und in den Jahren bis 1954 eine Menge von 7-8 Tonnen zur Verfügung gestanden sei. Die Firma D. habe berichtet, dass während der Zeit der Beschäfti-gung des Versicherten (von 1954 bis 1955) nach ihrer Kenntnis noch kein Asbest eingesetzt worden sei; auch der frühere Mitarbeiter der Firma F. habe Asbest nicht als typischen Zusatz für Estriche beschrieben, obwohl er die Rezepturen und Arbeitsgänge noch detailliert habe beschrei-ben können. Erst gegen Mitte der 1950er Jahre sei Asbest verbreiteter vorgekommen und auch dann sei Asbest in aller Regel nicht täglich eingesetzt worden. Wenn überhaupt Asbest zugesetzt worden sei, sei dies in der Regel bei zweischichtigen Magnesit-Estrichen erfolgt. Daneben seien aber von Estrichlegern andere nicht asbesthaltige Estriche verlegt worden. Der Expositionswert für das Einteigen von Asbest in die Estrichmasse, von Prof. M. mit 40 F/cm³ angegeben, sei un-zutreffend, denn der Wert von Prof. M. sei der Herstellung von Spritzasbest entnommen, wo das Asbest in trockener Mischung in den Behälter gegeben werde; eine Befeuchtung erfolge erst beim Spritzvorgang. Der zutreffende Wert betrage 2 F/cm³ bis maximal 10 F/cm³; zudem seien die Einmischvorgänge nur kurz befristet gewesen und hätten nur eine begrenzte Menge von As-best betroffen. Die Verarbeitung der feuchten Estrichmasse bewirke keine Asbestexposition, da beigemischter Asbest in der Masse gebunden sei. Eine Asbestexposition durch Schleifvorgänge betreffe nur die Feinschichten der Magnesit-Estriche; außerdem sei ein Abschleifen in der Regel überflüssig gewesen, da der Estrich vor dem vollständigen Aushärten mit einer Stahlklinge glatt abgezogen worden sei. Zur Tätigkeit des Versicherten im Gaswerk hat er ausgeführt, der Einsatz von Asbest für die Ausmauerung bzw. die Verfugung von Ausmauerungen sei bereits deshalb nicht sinnvoll, weil sich Asbest unter Temperaturen von über 1.000° C in Olivin oder andere Phasen umwandele; das Material verliere seine Faserstruktur, werde zu einer spröden Masse und verschrumpfe durch den Entzug von Kristallwasser. Beim Ausbruch von Ausmauerungen oder der Entfernung von Rück-ständen aus dem Innern des Ofens sei daher nicht von einer Freisetzung von Asbestfasern auszu-gehen; eine Verwendung von Asbest im Bereich von Ausmauerungen der Ofenkammern sei fraglich. Nach dem Ausdrücken des Kokskuchens herrsche im leeren Ofen - im Falle des fortlau-fenden Betriebes der beiden benachbarten Öfen - eine Temperatur von 500 bis 700° C, weshalb ein Betreten, auch wenn Hitzeschutz getragen werde, ausgeschlossen sei. Kleinere Reparaturen, üblicherweise vorgenommen mit Spritzmörtel und langen Lanzetten bzw. langstieligen Schabern hinter einem Hitzeschutzschild, welches sich vor dem geöffneten Ofen befunden habe, seien nicht von innerhalb des Ofens, sondern nur von außen vorzunehmen gewesen. Kleinere Heißre-paraturen an den Innenwänden des Ofens seien auf diese Tätigkeiten beschränkt gewesen. Für größere Reparaturen, wie die Ersetzung einer Ausmauerung, habe der Ofen auf etwa 150° bis 200° C heruntergekühlt werden müssen, indem die benachbarten Öfen ebenfalls leer gelassen worden seien. Das Betreten des "abgekühlten" Ofens sei bei derartigen Resttemperaturen nur mit Asbestvollschutz möglich gewesen. Die Arbeitsdauer sei auf ca.10 Minuten beschränkt gewesen, dann habe eine "Entwärmung" stattfinden müssen, welche mindestens 20 bis 30 Minuten gedau-ert habe. Hierzu habe die dicke Asbestschutzkleidung abgelegt werden müssen. Nicht plausibel sei, dass nach Auffassung von Prof. M. der Versicherte bis zu 7 Stunden täglich im Innern eines Ofens verbracht habe, denn unter Berücksichtigung der Zeiten für die erforderliche Entwärmung hätten allein für diese Tätigkeiten 21 bis 28 Stunden pro Schicht aufgewandt werden müssen. Plausibel sei eher, die angesetzten Zeiten als Gesamtdauer der benannten Arbeiten einschließlich Entwärmung anzusetzen. Bei dem Herausreißen alter Asbestdichtungsschnüre aus den Türfugen zwischen Stahlrahmen und Ausmauerung sei kein Asbest freigesetzt worden, denn es handele sich, nachdem diese Be-reiche ca. 20 Stunden lang Temperaturen von bis 1.050° C ausgesetzt worden seien, nicht mehr um Asbest. Die Belastung sei, wie auch bei dem Ausbruch und Verschutt von asbesthaltigem Feuerfestmaterial, auf 5 F/cm³ wegen Tragens von Hitzeschutz beschränkt. Dasselbe gelte auch für die Inspektion der offenen Ofenkammer samt kleineren Ausbesserungsarbeiten. Das Heraus-reißen alter Dichtungen und der Einbau neuer Schnüre werde von Prof. M. mit 15 F/cm³ bewer-tet; dies sei unzutreffend. Fraglich sei zunächst, ob für derartige Arbeiten überhaupt Hitzeschutz getragen werde, nachdem die Abbildung, auf die Prof. M. in seinem Gutachten verweise, Arbei-ter ohne Hitzeschutz zeige. Für den Austausch von Dichtschnüren sei als Mittelwert ein Wert von 4 F/cm³ ausreichend, nachdem nach Tabelle 7.4. des BK-Reports 1/2007 dieser Wert nur für das Herausreißen anzusetzen sei (für den Einbau seien 1,5 F/cm³ anzusetzen) und zudem fraglich sei, ob Hitzeschutz überhaupt dafür getragen worden sei.

Mit Stellungnahme vom 05.09.2008 (Bl. 249 ff. SG-Akte) hat der Technische Aufsichtsbeamte B. ausgeführt, die Entleerung der Koksofenkammern habe das Entfernen von Anbackungen (Schlacke/Koks) und, nach Feststellung von Schäden, das Ausbessern des Mauerwerks umfasst. Anbackungen seien mit langen Stangen von außerhalb durch Stöße in die geöffnete Kammer entfernt worden. Die Koksofeninnenwand sei von außen mittels eines "Fugenbesens" ausgebes-sert worden ("Schwamm" mit Mörtel an einer langen Stange). Bei "guter Kohle" seien diese Tätigkeiten jedes 10. Mal, bei "schlechter Kohle" jedes 3. Mal durchzuführen gewesen. Das Ver-fugen habe 5 bis 15 Minuten gedauert. Übertragen auf die Verhältnisse in S. sei in den Som-mermonaten pro Schicht eine Kammer verfugt worden, in den Wintermonaten 2 bis 3 Kammern. Die Gesamtarbeitszeit für diese Tätigkeiten, die in Hitzeschutzkleidung auszuführen gewesen seien, habe ca. 50-100 Stunden betragen. Für die Durchführung größerer Ausbesserungsarbeiten an den Schamottesteinen seien drei Kammern "abgekühlt" worden, so dass in der mittleren Kammer Ausbesserungsarbeiten hätten durchgeführt werden können. Für diese Arbeiten seien Schürzen, Jacke, Handschuhe und Haube als Hitzeschutz getragen worden; der Ofenmaurer sei vom Gasmacher unterstützt worden. In Aalen, wo 21 Kammern in Betrieb gewesen seien, hätten zwei Gasmacher diese Kammern betreut. Dort seien maximal 2/3 der Kammern zur Gaserzeu-gung genutzt worden; der Rest sei repariert oder in Reserve gehalten worden. In jedem zweiten Jahr sei nur eine Kammer komplett saniert worden, weshalb der Versicherte vermutlich bei einer Koksofen-Sanierung dabei gewesen sei. Der Maurer samt Hilfskraft oder Gasmacher sei nur kurz in Hitzeschutzkleidung in die Kammer eingestiegen, um sich nach der Hitzearbeit wieder abküh-len zu können; währenddessen habe eine andere Mannschaft in der Kammer weitergearbeitet. Die Gesamtarbeitszeit dafür habe 10 bis 20 Stunden betragen. Die Türen der Kokskammern seien mit Asbestschnüren versehen worden; diese seien ungefähr zweimal jährlich gewechselt worden. Hierbei sei der Gasmacher beteiligt gewesen; wenn möglich seien diese Tätigkeiten parallel zur Sanierung der Kokskammern vollzogen worden, ansonsten habe man versucht, die Ofentem-peratur herunter zu fahren. Die Asbestschnüre seien mittels Schabeisen bzw. Hammer/Meißel entfernt und dann neu eingezogen (Eindrücken der Schnüre, mit Hammer einklopfen). Diese Arbeiten hätten 6 bis 8 Stunden gedauert. Ein Gasmacher hätte pro Jahr an ca. 8 bis 10 Türen Asbestschnüre zu entfernen und neu einzusetzen gehabt, was eine Expositionszeit von 64 bis 80 Stunden im Jahr bedeute. Gasmacher hätten asbestexponierte Kleidung im Sommer maximal 1 Stunde, im Winter 2 bis 2,5 Stunden je 8-Stunden-Schicht getragen, da es sehr heiß gewesen sei. Ob auch die Kopfhaube im Jahr 1956 aus Asbest bestanden habe oder Asbest enthalten habe, habe nicht geklärt werden können.

Der Technische Aufsichtsbeamte G. hat basierend darauf mit Stellungnahme vom 08.09.2008 (Bl. 235 f.) die Asbestexposition während des Zeitraums von 1948 bis zum 31.01.1956 mit 2,5 Faserjahren eingeschätzt, für die Zeit der Beschäftigung im Gaswerk mit 1,7 Faserjahren. Hier-durch seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer Berufskrankheit Nr. 4104 nicht erfüllt.

Diese Ausführungen hat der wiederum ergänzend gehörte Sachverständige Prof. M. in seiner Stellungnahme vom 08.11.2008 (Bl. 272 SG-Akte) als "unbrauchbar" bezeichnet; die Einlassun-gen seien "Makulatur" und träfen "in keinster Weise die tatsächlichen Verhältnisse". Herr Dr. H. habe mit hoher Wahrscheinlichkeit nie einen derartigen Betrieb (Gaswerk) zur fraglichen Zeit gesehen, anders als der Sachverständige, der in dieser Zeit als Steiger in einer Schachtanlage im Ruhrgebiet gearbeitet und auch Einblick in die Kokereien bekommen habe. Ebenfalls habe der Versicherte sehr häufig unmittelbar nach dem Ausdrücken der Kokskohle die Öfen betreten müssen, um dringend erforderliche Reparaturen an den Ofenwänden und zum Teil auch den De-cken vorzunehmen. Allerdings bestehe Einverständnis mit der von Dr. H. errechneten BaP-Dosis von 22,6 BaP-Jahren. Entgegen den Ausführungen von Dr. M ... seien ab 1948/1949 in West-deutschland wieder größere Asbestmengen aus Einfuhr, aber auch aus Vorräten, zur Verfügung gestanden und für Estrichböden verwendet worden. In den BK-Reporten 1/93 und 1/97 sei unter den Begriffen Estrich bzw. Terrazzoleger ausgeführt, dass es für Bitumenemulsionsestrich, Gussasphalt und Kunstharzestrich mineralische asbesthaltige Pulver für rutschfesten Belag, zum Beschleifen von Spachtelmassen und Klebern gegeben habe. Daher "müssen in Steinholzfußbö-den und Estrichen Asbestfasern enthalten gewesen sein." Durch den Einsatz asbesthaltigen Ma-terials seien Haltbarkeit und Rutschfestigkeit erhöht worden. Für das Ansteigen sei der von ihm ursprünglich angesetzte Wert von 40 F/cm³ tatsächlich unzutreffend, realistisch sei ein Wert von 10 F/cm³ für das Anteigen. Während der ganzen Arbeitsschicht habe dann eine Belastung von 1,20 F/cm³ bestanden, da sich durch den Schüttvorgang dieser Pegel als Durchschnittswert auf-gebaut habe. Somit errechneten sich 4,99 Faserjahre für die Arbeitstätigkeit als Estrichleger. Der Umwandlungsprozess von Asbest zu Olivin erfordere höhere Temperaturen (1.250° bis 1.400° C) als bei der Verkokung angefallen seien (ca. 1.050° C). Die Aussage bezüglich der Verwendung von Asbest für die Ausmauerung oder Verfugung der Ausmauerung in Koksöfen sei daher nicht haltbar; das sei in der fraglichen Zeit sehr oft gemacht worden, was Prof. M. auch aus der Industrie für feuerfeste Produkte bekannt sei. Schließlich habe es in der damaligen Zeit den Be-griff "Entwärmung" nicht gegeben, vielmehr hätten etwa in der keramischen Industrie oft Ofen-einstürze stattgefunden, wo Mitarbeiter unter Hitzevollschutz in die Öfen bei Temperaturen über 400° C eingestiegen seien. Im fraglichen Zeitraum seien Öfen für kleinere Heißreparaturen nicht auf 150° - 200° C abgekühlt worden, sondern man habe "nasse Kleidung übergestreift und die Reparaturen wurden durchgeführt" (Bl. 279 SG-Akte). Ingesamt ergäben sich 25,642 Faserjahre zuzüglich 4,325 Faserjahre wegen Belastung durch PAK.

Hierauf hat der Aufsichtsbeamte G. am 23.12.2008 (Bl. 314 f. SG-Akte) unter Bezugnahme auf Seite 176 des BK-Reports 1/2007 entgegnet, dass dort alle Estricharten bis auf Magnesitestrich als asbestfrei bezeichnet worden seien. Eine Korrektur der Faserjahre nach oben sei daher nicht vorzunehmen. Dies folge, wie G. mit weiterer Stellungnahme vom 13.03.2009 (Bl. 329 SG-Akte) ergänzend ausgeführt hat, mittelbar auch aus dem Umstand, dass der Gesamt-Jahresverbrauch an Asbest in der Bundesrepublik Deutschland 1948 10.000 Tonnen betragen habe, 1954 35.000 Tonnen (im Vergleich zu 180.000 Tonnen 1968). Hinsichtlich der synkanzerogenen Wirkung gebe es zwei Ermittlungsmethoden, einmal die Bildung des Quotienten aus Dosiswert/Richtwert (( oder ) 1?), wie bereits erfolgt, zum anderen die Hinzunahme von Tabellen über die Verursachungswahrscheinlichkeit. Diese betrage im Falle der additiven Kombinationswirkung 30 %, im Falle der multiplikativen Kombinationswirkung 32 %. Eine Verdoppelung des Lungenkrebsrisikos sei auch hiernach nicht anzunehmen.

Auch Dr. M ... hat mit Stellungnahme vom 09.03.2009 seine bisherige Auffassung aufrecht gehal-ten. Entscheidend für die Anerkennung von Lungenkrebs als asbestbedingt sei die Verdoppelung des Risikos, an Lungenkrebs zu erkranken, für welche vom Ärztlichen Sachverständigenbeirat eine Faserdosis von 25 Faserjahren festgelegt worden sei. Er hat an seiner Auffassung zum Ein-satz von Asbest in Estrichbelägen festgehalten. Weiterhin werde, was in einfachen Laborversu-chen nachweisbar sei, Asbest bei Temperaturen ab 1.000° C völlig zerstört, wobei die Entstehung von Olivin nicht der entscheidende Faktor sei. Es entstehe ein Masse- und Volumenverlust, das ursprünglich mechanisch belastbare Material verspröde und zerfalle schon bei geringfügiger Beanspruchung. Die Einwendung, den Begriff der Entwärmung habe es damals nicht gegeben, gehe fehl, denn unabhängig von dem Begriff sei der Vorgang an sich in den 1950er Jahren ge-nauso notwendig bei Hitzearbeiten wie in späteren Jahrzehnten.

In der mündlichen Verhandlung vom 23.04.2009 ist der Sachverständige Prof. M. persönlich angehört worden; auf die Niederschrift (Bl. 342 SG-Akte) wird Bezug genommen.

Das SG hat mit Urteil vom 23.04.2009 den Bescheid vom 25.05.2005 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 25.10.2005 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der seinerzeitigen, zwischenzeitlich verstorbenen, Ehefrau der Versicherten unter Feststellung einer Berufskrankheit gemäß Nr. 4104 und 4110 beim verstorbenen Ehemann Hinterbliebenenrente sowie "weitere Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung" zu gewähren und deren au-ßergerichtliche Kosten zu tragen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Beklagte habe ge-gen die in § 20 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) normierte Amtsermittlungspflicht ver-stoßen, weil sie eine mögliche und vorliegend auch zwingend zu fordernde Exhumierung und Leichenöffnung unterlassen habe. Einzig wegen dieses Unterlassens habe der Nachweis einer Asbeststaublungenerkrankung nicht erbracht werden können, weshalb bereits eine BK 4104 an-zuerkennen sei. Spätestens nach Vorlage medizinischer Unterlagen mit Datum vom 14.10.2004 habe sich der Sachverhalt dahingehend verfestigt, dass die Prüfung einer entsprechenden BK über die bloße Anzeige hinaus untermauert worden sei. Die Frage einer Exhumierung zum Zwe-cke der Obduktion sei daher im Spätherbst 2004 von der Beklagten verstärkt zu prüfen gewesen und hätte letztlich bejaht werden müssen. Hiernach hätte eine Anfrage an die Ehefrau des Ver-storbenen gerichtet werden müssen, was die Beklagte ausweislich der Akten zu keinem Zeit-punkt erwogen habe und was letztlich nach übereinstimmender Auskunft der Beteiligten auch nicht erfolgt sei. Zwar stehe das Ausmaß der Ermittlungen im Ermessen der Beteiligten, jedoch sei wegen des sich aufgrund der Befundlage "aufdrängenden" Verdachts einer BK Nr. 4104 das Ermessen der Beklagten betreffend der Herbeiführung einer Exhumierung auf Null reduziert gewesen. Fragen der Pietät seien dem nicht entgegen gestanden. Indem noch nicht einmal eine Anfrage auf Exhumierung an die Ehefrau des Verstorbenen gerichtet worden sei, habe die Be-klagte einen Beweisnotstand herbeigeführt. Darüber hinaus hat es den Nachweis von mindestens 25 Faserjahren als erbracht angesehen, weshalb auch die dritte Alternative der BK 4104 eingrei-fe. Es hat sich hierbei auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. M. gestützt. Diesem sei gelungen, aus der konkreten Gestaltung des Arbeitsplatzes und der Ausübung der entsprechen-den Tätigkeit, abgeleitet aus einer sorgfältigen Arbeitsplatzanamnese und Tätigkeitsbestimmung, den konkreten Nachweis einer höheren Asbestbelastung zu führen. Dessen Ausführungen sei daher Vorrang zu geben gegenüber den abstrakten und pauschalierten Ausführungen der Beklag-ten. Ebenfalls hat das SG eine BK 4110 angenommen und sich auch insoweit auf die Ausführun-gen von Prof. M. gestützt. Die von der Beklagten als "absolute Fixgrenze" gehandhabte Zwei-Jahres-Grenze sei kein absolutes Fixum. Die von Beklagter und Prof. M. einverständlich errech-neten 22,6 BaP-Jahre seien im Hinblick auf die Exposition von 1,75 Jahren unter Berücksichti-gung von "Aspekten der Synkanzerogenese" sowie der gleichfalls erfolgten Belastung durch Silikose/Quarzstaub und des dem privaten Bereich zuzuordnenden nur geringen Zigarettenkon-sums ausreichend, die Berufskrankheit rechtlich wesentlich zu verursachen.

Das Urteil ist der Beklagten am 04.08.2009 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden.

Hiergegen hat die Beklagte am 19.08.2009 Berufung eingelegt und mit der Berufungsbegrün-dung den zeitlichen Verlauf ihrer Ermittlungen referiert. Das SG habe unterstellt, dass Überle-gungen hinsichtlich einer Exhumierung nicht angestellt worden seien und dabei verkannt, dass nicht der Verwaltungspraxis entspreche, sämtliche Absprachen und Gespräche über die Vorge-hensweise in den Verwaltungsakten zu vermerken. Zudem habe das SG unzutreffend unterstellt, dass eine Asbestose vorgelegen habe, obwohl die medizinischen Berichte und Gutachten im Verwaltungsverfahren keine Rückschlüsse auf eine Asbestexposition hätten erkennen lassen, und sich hierbei - im Ergebnis unzutreffend - auf das Vorliegen eines Beweisnotstandes und einen Verstoß der Beklagten gegen die Amtsermittlungspflichten gestützt. Die Beklagte habe erst nach dem Todeseintritt von dem Fall Kenntnis erlangt, und zwar aufgrund einer privaten und nicht aufgrund einer ärztlichen Anzeige. Die Auswertung der medizinischen Befunde sei erst im Feb-ruar 2005 und damit 7 Monate nach der BK-Anzeige abgeschlossen gewesen. Im allgemeinen werde von einer sinnvollen, d.h. Ergebnis bringenden, Exhumierung nur ausgegangen, wenn noch keine 6 Monate verstrichen seien. Auch der fachpathologische Gutachter Prof. Dr. M. habe keine Exhumierung angeregt, sondern darauf verwiesen, den Weg über die "rechnerische Brücke" einzuschlagen. Kein Mediziner habe im gesamten Verfahren den Verdacht einer möglichen Berufskrankheit geäußert. Unberücksichtigt gelassen habe das SG ferner, dass ausweislich des Vortrages des Klägers Ziff. 1 in der mündlichen Verhandlung vom 23.04.2009 die Witwe einer Exhumierung wohl nicht zugestimmt hätte. Diese Äußerung habe das Gericht, das ansonsten den Klägervortrag detailliert wiedergegeben habe, nicht in die Niederschrift aufgenommen, wohin-gegen es beinahe den gesamten Vortrag der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht aufgenommen habe, sondern sich insoweit auf den Hinweis auf Wiederholungen in Schriftsätzen beschränkt habe. Das SG habe sich darüber hinaus nicht mit den von der Beklagten angeführten Unstimmigkeiten der Ausführungen des Sachverständigen Prof. M. auseinanderge-setzt, sondern sich vielmehr auf die unterstellte sachliche Kompetenz, sein Alter und seine Tä-tigkeit in vorangegangener Zeit gestützt. Dieser sei aber weder Arbeitskollege des Versicherten gewesen noch habe er zumindest die gleiche Tätigkeit wie dieser ausgeübt. Hinsichtlich der An-nahme einer BK 4110 durch das SG hat sie ausgeführt, die 2-Jahresgrenze sei nicht erreicht, zu-dem sei von einer besonders hohen Exposition bei 22,6 BaP-Jahren gegenüber einem Richtwert von 100 BaP-Jahren nicht auszugehen. Bei Unterschreiten einer Dauer von 2 BaP-Jahren seien laut Merkblatt an die Intensität der Exposition besonders hohe Anforderungen zu stellen. Schließlich sei eine mögliche Synkanzerogenese nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. April 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Während des Verfahrens (am 23.12.2010, vgl. Sterbeurkunde Bl. 109 Senatsakte) ist die vorma-lige Klägerin, die Ehefrau des Versicherten, verstorben. Als Kläger qua Gesamtrechtsnachfolge in das Verfahren eingetreten sind deren Tochter als Klägerin Ziff. 2 sowie ihr Sohn, der bisherige Prozessbevollmächtigte, der nunmehr Bevollmächtigter der Klägerin Ziff. 2 ist, als Kläger Ziff. 1.

Der Kläger Ziff. 1 hat für seine zunächst berufungsbeklagte Mutter, später in eigener Sache und gleichzeitig als Bevollmächtigter der Klägerin Ziff. 2 zur BK 4110 ausgeführt, vorliegend seien 2 BaP-Jahre nur geringfügig verfehlt worden; das geringfügige Defizit könne im Falle des Versi-cherten durch eine höhere Intensität ausgeglichen werden, was auch durch die erhebliche Menge an Schadstoffen im Boden belegt werden könne, die nach Abriss der Kokerei habe festgestellt werden können. Zudem sei auch die Zahl von 1,75 BaP-Jahren um 30 % zu erhöhen, denn die errechnete Dosis von 17,3 BaP-Jahren sei mit der Erwägung, dass es mit dem Erhaltungszustand der Anlagen nicht zum Besten gestanden sei, ebenfalls um 30 % aus 22,6 BaP-Jahre angehoben worden. Zudem sei das zusätzliche Erreichen eines Mindestwertes von 100 BaP-Jahren für die Anerkennung einer BK 4110 nicht erforderlich; dieser Wert habe nur für die vorläufige BK-Nr. 4110/1 gegolten, die seit dem 01.07.2009 unter der Nr. 4113 eigenständig normiert sei. Dass kein Arzt einen BK-Verdacht mitgeteilt habe sei vor dem Hintergrund eines unzureichenden Melde-verhaltens der behandelnden Ärzte unerheblich. Prof. Dr. M. habe anders als von der Beklagten dargestellt auf die Bedeutung einer Obduktion im zu begutachtenden Fall hingewiesen und erst abschließend für den Fall einer fehlenden Obduktion auf die rechnerische Brücke verwiesen. Die von der Beklagten vorgebrachten Mutmaßungen, ob die Mutter der Kläger ihr Einverständnis zu einer Exhumierung gegeben hätte, seien rein spekulativ; notwendig wäre gewesen, sich über eine Obduktion Gedanken zu machen und sich zumindest um ein Einverständnis der Klägerin zu be-mühen. Während die Beklagte in ihren Angaben zu den Faserjahren geschwankt sei (von ca. 7 über 12 auf 4,2 Faserjahre) sei Prof. M. nach ausführlicher Prüfung und geringfügiger Korrektur zu einem Wert von 25,642 Faserjahren gelangt. Dessen individueller Arbeitsplatz- und Gefähr-dungsanalyse sei die Beklagte lediglich auf Basis pauschalierter Durchschnittswerte und auf Ba-sis unterschiedlichen Erfahrungswissens entgegen getreten. In diesem Zusammenhang habe sie etwa die Aussage des ehemaligen Haupt-Sicherheitsingenieurs S., wonach die Arbeit der Maurer am Gasofen sehr gefährlich gewesen sei, bei enormer Hitze und viel mit Asbest gearbeitet wor-den sei, kaum berücksichtigt. Wenn die Beklagte einwende, eine mögliche Synkanzerogenese sein nicht Gegenstand des Verfahrens, so habe sie dies zu verantworten, da sie das Vorbringen in der Widerspruchsbegründung ignoriert habe.

Mit Bescheid vom 28.05.2009 (Bl. 60 Senatsakte), gerichtet an die Mutter der Kläger, hat die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen einer gemäß § 9 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) wie eine Berufskrankheit anzuer-kennenden Erkrankung abgelehnt. Den hiergegen erhobenen Widerspruch hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.12.2009 (Bl. 426 Band II der VA 9900 der Beklagten) zurückge-wiesen und verdeutlicht, dass sie im Rahmen des § 9 Abs. 2 SGB VII faktisch die Berufskrank-heiten Nr. 4113 und 4114 geprüft habe. Mit Verfügung der damaligen Berichterstatterin vom 10.11.2009 wurde den Beteiligten mitgeteilt, dass der Bescheid vom 28.05.2009 nicht Gegen-stand des vorliegenden Verfahrens geworden sei, weil er eine Änderung oder Ergänzung der Entscheidung über die hier streitigen Berufskrankheiten nicht enthalte.

Mit erneuter Stellungnahme vom 13.10.2009 (Bl. 45 ff. Senatsakte) hat der Technische Auf-sichtsbeamte G. ausgeführt, im BK-Report 2/99 "BaP-Jahre" seien in Tabelle 26 für den Ober-ofenbereich als Tätigkeitsort des Ofenarbeiters mit der höchsten Intensität zur Rohgas-Exposition als Schichtmittelwert 10 µg/m³ aufgeführt. Für Kokereien in einem sehr schlechten baulichen Zustand, vergleichbar dem Kokereibetrieb in der Vorkriegszeit, sei dieser Wert zu niedrig. Jedoch werde bei einer Verdoppelung des Wertes der Richtwert von 100 BaP-Jahren erst nach vier bis fünf Jahren Tätigkeit auf der Ofendecke erreicht. Selbst im Falle einer Vervierfachung des Wertes auf 40 µg/m³ werde bei 1,75 Jahren Tätigkeit der Richtwert von 100 BaP-Jahren immer noch nicht erreicht; überschlägig würden sich 70 BaP-Jahre ergeben. Die vom TAD ausgewiesene Exposition von 1,7 Faserjahren in den 13 Monaten als Gasmacher/Ofenmaurer sei mit Unsicherheiten behaftet. So hätten erneute Nachforschungen bei Erfahrungsträgern ergeben, dass mangels geeigneter anderer hitzebeständiger Materialien dem Reparaturmörtel zum Ausmauern und Verfugen (=ein Teil der typischen Reparaturarbeiten des Verstorbenen) mit hoher Wahrscheinlichkeit Asbest zugesetzt worden sei. Es sei daher in Kauf genommen worden, dass Asbestzusätze im Mörtel nicht lange standgehalten hätten. Entsprechend den Ausführungen der Clearingstelle beim Verhalten von Asbest bei Temperaturen von über 1.000° C seien demgegenüber bei Ausbrucharbeiten Asbestfeinstäube mit Faserstrukturen nicht freigesetzt worden. Ausgehend von einer bislang nicht berücksichtigten Faserkonzentration von 1 F/cm³ lasse sich einschätzen, dass eine Gesamtdosis von 5 Faserjahren nicht überschritten gewesen sei. Die demgegenüber von Prof. M. ausgewiesenen 25,6 Faserjahre seien schlicht unrealistisch. Solche Werte würden in der Gaswirtschaft für stark exponierte Versicherte nach 25- bis 30jähriger beruflicher Tätigkeit erreicht. Eine Umrechnung von BaP-Jahren in eine "äquivalente" Asbestfaserdosis entspreche nicht den anerkannten arbeitsmedizinischen Regeln. Mit weiterer Stellungnahme vom 08.11.2009 hat er zur Arbeitszeit als "Gasmacher", der Umrechnung von BaP-Jahren in fiktive Arbeitsjahre und zu den vom Kläger Ziff. angeführten Expositionsspitzen-werten in den Anmerkungen des Merkblattes zur BK 4110 ergänzend ausgeführt.

Mit Schreiben vom 21.09.2011 (Bl. 116 Senatsakte) haben die Kläger ihr Einverständnis mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt, mit Schreiben vom 22.09.2011 (Bl. 120 Se-natsakte) die Beklagte.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die SG-Akten und die Senatsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, da Berufungsbeschränkungen nicht vorliegen (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialge-richtsgesetz (SGG)), und auch sonst zulässig, da sie unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt wurde.

II.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das SG hat im Ergebnis zu Unrecht Berufs-krankheiten Nr. 4104 und 4110 der Anlage 1 zur BKV beim verstorbenen Vater der Kläger Ziff. 1 und Ziff. 2 festgestellt und die Beklagte aufgrund dessen zur Gewährung von Hinterblie-benenrente und "weiterer Entschädigungsleistungen" an die zwischenzeitlich ebenfalls verstor-bene Mutter der Kläger verurteilt.

Rechtsgrundlage im vorliegenden Fall sind die Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetz-buch (SGB VII), denn das vorliegend streitbefangene Lungenkarzinom des Versicherten ist erst im Jahr 2004 aufgetreten. Ein potentieller Versicherungs- wie auch Leistungsfall liegt damit zeit-lich nach dem Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997 (Art 36 des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes, § 212 SGB VII), weshalb dessen Vorschriften Anwendung finden.

Eine Berufskrankheit gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII in Verbindung mit Nummern 4104 bzw. 4110 der Anlage 1 zur BKV hat beim Versicherten nicht bestanden. Die Voraussetzungen für die Anerkennung dieser Berufskrankheiten sind auch nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglich-keiten nicht nachgewiesen. Es fehlt daher zugleich an der wesentlichen rechtlichen Vorausset-zung für die von den Klägern als Gesamtrechtsnachfolger der vormaligen Klägerin, der verstor-benen Ehefrau des Versicherten, aufgrund von Berufskrankheiten Nr. 4104 und 4110 begehrten Leistungen in Gestalt von Hinterbliebenenrente und vom SG auch im Tenor des Urteils nicht näher konkretisierter "weiterer Entschädigungsleistungen" – gemeint ist damit ausweislich des Einleitungssatzes des Tatbestandes des Urteils vom 23.04.2009 wohl insbesondere Sterbegeld.

Voraussetzung für die Erbringung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung, und da-mit auch für einen Anspruch auf Leistungen an Hinterbliebene gemäß §§ 63 ff. SGB VII, ist, dass Gesundheitsschäden nachgewiesen sind, deren wesentliche Ursache mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Arbeitsunfall i.S.v. § 8 SGB VII oder eine Berufskrankheit i.S.v. § 9 Abs. 1 oder 2 SGB VII (Versicherungsfall) ist. Hieran fehlt es hinsichtlich der vorliegend allein streit-gegenständlichen Berufkrankheiten Nr. 4104 und 4110.

Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zu-stimmung des Bundesrats als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizini-schen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personen-gruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz, SGB VII).

Bei der Prüfung, ob eine dem Grunde nach entschädigungspflichtige Berufskrankheit (BK) fest-zustellen ist, geht der Senat von folgenden rechtlichen Grundsätzen aus (ständige Rechtspre-chung, vgl. nur Urteil des BSG vom 22.06.2004, B 2 U 22/03 R, zitiert nach (JURIS), dort Rn. 22): Für das Vorliegen des Tatbestandes der BK ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung und zwischen der schädigenden Ein-wirkung und der Erkrankung erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewie-sen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädi-gungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Be-dingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr 2108 Nr. 2 mwN).

Hinreichende Wahrscheinlichkeit ist eine Wahrscheinlichkeit, nach der bei vernünftiger Abwä-gung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Über-gewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 32, 203, 209; 45, 1, 10; 45, 285, 286). Die "gute Möglichkeit" eines Zusammenhangs reicht nicht aus (BSG, 24.2.88, USK 8825, 113). Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlich-keit, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (BSG, 31.7.1962, Breithaupt 1963, 60, 61). Die Folgen der objektiven Beweislosigkeit oder des Nichtfestgestelltseins einer Tatsache sind von dem Beteiligten zu tragen, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will (BSGE 30, 121, 123 m.w.N.). Hinsichtlich anspruchsbegründener Vo-raussetzungen trifft die Beweislosigkeit denjenigen, der Ansprüche geltend macht oder für den sie geltend gemacht werden. Zu den anspruchsbegründenden Tatsachen, für die ein Antragsteller die objektive Beweislast trägt, gehört auch die Kausalität zwischen Tatsachen, die den Anspruch im übrigen begründen (st. Rechtspr., vgl. nur BSGE 30, 278, 281; 35, 216, 218).

1.

Nach Nr. 4104 der Anlage 1 zur BKV sind als Berufskrankheit anerkannt: "Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs - in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) - in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura oder - bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren {25 x 106 [(Fasern/m3) x Jahre]}."

Bis auf das Bestehen eines Lungenkrebses in Gestalt eines primären bronchopulmonalen Tumors (Tumorsicherung erfolgt durch pathologisches Gutachten Prof. Dr. M. vom 09.02.2005, Bl. 126 ff.) sind vorliegend weder die arbeitstechnischen noch die medizinischen Voraussetzungen dieser Berufskrankheit nachgewiesen.

a) Das Vorliegen einer Asbestose bei dem verstorbenen Versicherten ist ebenso wenig nachgewie-sen wie einer durch Asbeststaub verursachten Pleuraerkrankung. Die Beklagte hat sämtliche ver-fügbaren Röntgen- und CT-Bilder aus dem Jahr 2004 beigezogen und durch Dr. H. begutachten lassen. Dieser hat nach eingehender Durchsicht der Bilder mit in seinem Gutachten vom 21.01.2005 (Bl. 117 ff. VA) ausgeführt, dass sich bildmorphologisch keine Hinweise auf sog. "Brückenbefunde" im Sinne einer BK 4104 ergeben. Hinweise auf basal betonte Fibroseprozesse, wie sie bei einer Asbestose auftreten, hat er ebenso wenig gefunden wie hyaline oder verkalkte Pleuraplaques als Indiz für eine durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura. Der ebenfalls im Verwaltungsverfahren von der Beklagten beauftragte Pathologe Prof. Dr. M. hat zwar durch Untersuchung der ihm zur Verfügung gestellten Proben, welche im Rahmen der am 18.06.2004 durchgeführten Bronchoskopie gewonnen worden sind, die Diagnose eines primären broncho-pulmonalen Tumors im Sinne eines zweifelsfreien Nachweises sichern können, für die Durchführung einer Lungenstaubanalyse ist demgegenüber das ihm zur Verfügung stehende bronchiale Tumorgewebe nicht geeignet gewesen, weshalb darüber hinausgehende Erkenntnisse von ihm nicht gewonnen haben werden können. Das dafür benötigte tumorfreie Lungengewebe ist ihm, nachdem eine Operation der Lunge zu Lebzeiten oder eine Obduktion nach Eintritt des Todes nicht durchgeführt worden ist, nicht zur Verfügung gestanden. Gestützt auf diese schlüs-sigen und nachvollziehbaren gutachterlichen Äußerungen im Verwaltungsverfahren, welche vor-liegend im Urkundsbeweis verwertet worden sind, hat sich der Senat nicht die Überzeugung vom Vorliegen einer Asbestose und/oder einer durch Asbeststaub verursachten Erkrankung der Pleura zu bilden vermocht.

Das SG hat demgegenüber in den Gründen seines Urteils vom 23.04.2009 das Vorliegen einer Asbestose, für die ein medizinisch greifbarer Nachweis gerade nicht hat erbracht werden können, beim Versicherten unterstellt und damit faktisch eine Beweislastumkehr zu Lasten der Beklagten unter Verletzung des Grundsatzes der objektiven Beweislast eingreifen lassen, obwohl es auf Seite 19 seines Urteils unter Ziff. 1.5 deren Annahme verneint hat. Das wird deutlich, indem nach umfänglichen Ausführungen das SG auf Seite 21 ausgeführt hat, die Beweisfälligkeit einer Asbestose sei "gerade nicht der Klägerseite anzulasten, sondern angesichts der getätigten Aus-führungen der Beklagten". Das SG konterkariert mit dieser klaren Schlussfolgerung, den eben-falls auf eine Beweislastumkehr abzielenden Einleitungssatz seiner Prüfung unter Nr. 1 auf Sei-te 12 der Entscheidungsgründe aufgreifend, seine auf Seite 19 der Entscheidungsgründe getätig-ten Ausführungen, dass es von einer Beweislastumkehr nicht ausgehe. Für die Annahme einer Asbestose bzw. "zumindest" einer Minimalasbestose hat sich das SG nicht etwa auf medizinische Indizien gestützt, sondern als allein maßgeblich den Umstand herangezogen, dass eine As-bestexposition des Verstorbenen, deren Quantifizierung allerdings zwischen den Beteiligten hoch umstritten ist, während des Berufslebens stattgefunden hat. Dieser Schlussfolgerung vermag sich der Senat nicht anzuschließen, denn allein von einer bloßen Exposition gegenüber einer schädigenden Substanz auf ein mögliches dadurch hervorgerufenes Krankheitsbild zu schließen, für dessen Vorliegen es von medizinischer Seite auch nach Auswertung von Röntgen- und CT-Aufnahmen keinerlei greifbare Indizien gibt, ist mit einer Umkehrung der objektiven Beweislast für die ersten zwei Alternativen einer BK 4104 gleichzusetzen und setzt zudem die vom Verord-nungsgeber für die BK 4104 normierte Prüfungssystematik, der für den Fall, dass der Nachweis einer Asbestose oder einer durch Astbeststaub verursachten Erkrankung der Pleura nicht erbracht werden kann, den Nachweis einer bestimmten Asbesteinwirkungsdosis von mindestens 25 Faser-jahren verlangt, außer Kraft. Das Bundessozialgericht hat in diesem Zusammenhang in ständiger Rechtsprechung (vgl. nur Urteil vom 27.05.1997, Az. 2 RU 38/96, SozR 3-1500 § 128 Nr 11, bestätigt mit Beschluss vom 04.02.1998, Az. B 2 U 304/97 B, HVBG-INFO 1998, 2911-2913) deutlich gemacht, dass bei Vorliegen eines Beweisnotstandes selbst dann keine Beweislastum-kehr eintritt, wenn der Beweisnotstand auf einer fehlerhaften Beweiserhebung oder sogar auf einer Beweisvereitelung durch denjenigen beruht, dem die Unerweislichkeit der Tatsachen zum prozessualen Vorteil gereicht. In derartigen Fällen kann das Tatsachengericht lediglich, und dies auch nicht generell sondern "je nach den Umständen des Einzelfalls", schon einzelne Beweisan-zeichen, im Extremfall ein Indiz, ausreichen lassen, um sich die für die Feststellung einer Tatsa-che erforderliche richterliche Überzeugung zu bilden; gleiches gilt für die daraus abgeleitete Be-jahung des ursächlichen Zusammenhangs.

Selbst wenn man die entsprechende Schlussfolgerung des SG, das aus dem Umstand, dass wäh-rend des Berufslebens eine Asbestexposition überhaupt stattgefunden hat, letztlich auf das Be-stehen einer Asbestose (zumindest in Form einer Minimalasbestose) geschlossen hat, noch als innerhalb der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG) liegend ansehen wollte, ist jedenfalls im vorliegenden Fall die bloße Tatsache, dass ein beruflicher Asbestkontakt des Verstorbenen bestanden hat, nicht ausreichend, hierauf die Über-zeugung zu stützen, dass dieser vor seinem Tode an einer Asbestose bzw. Minmalasbestose gelit-ten hat.

Ausgehend von den Umständen des vorliegenden Einzelfalls ist es nach Auffassung des erken-nenden Senats nicht geboten, die vom Bundessozialgericht (s.o., a.a.O.) aufgestellten Regeln zur erleichterten richterlichen Überzeugungsbildung aufgrund eines Beweisnotstandes eingreifen zu lassen. So handelt es sich nicht um eine der Fallgestaltungen, für welche das Bundessozialgericht aufgrund der Eigentümlichkeit des zugrundeliegenden Sachverhalts Beweiserleichterungen auf-grund eines Beweisnotstandes hat eingreifen lassen (unfallbedingte Erinnerungslücke des Ver-letzten; Tod auf hoher See ohne Obduktionsmöglichkeit, Urteil vom 07.09.2004, Az. B 2 U 25/03 R, zitiert nach (juris), dort 17 m.w.N.). Auch der Umstand, dass hinsichtlich der arbeits-technischen Voraussetzungen wegen des langen verstrichenen Zeitraums erhebliche Schwierig-keiten bei der Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts bestanden haben, führt zu keiner ab-weichenden Betrachtungsweise; vielmehr hat das BSG in der zitierten Entscheidung klargestellt, dass derartige Schwierigkeiten bei der Sachverhaltsaufklärung in derartigen Fällen generell auf-treten und daher gerade nicht zu einer regelhaften Annahme des Beweisnotstandes führen. Auch der Umstand allein, dass keine Obduktion oder rechtzeitige Exhumierung zu diesem Zwecke durchgeführt worden ist, erscheint für sich genommen nicht ausreichend, um die erleichterten Beweisregeln bei Beweisnotstand, die das BSG aufgestellt hat, eingreifen zu lassen, denn die von Anfang an durch den naturwissenschaftlich-akademisch ausgebildeten Kläger Ziff. 1, der von Anfang an bis heute das Verfahren von Klägerseite maßgeblich betrieben hat, vertretene Ehefrau des Klägers hatte selbst die Möglichkeit, eine Obduktion rechtzeitig zu veranlassen oder sogar ein Beweissicherungsverfahren durchführen zu lassen (§ 76 SGG, vgl. BSG-Urteil vom 10.08.1993, SozR 3-1750, § 444 Nr 1).

Ein Eingreifen der oben dargestellten Beweiserleichterungen im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung käme mithin nur in Betracht, wenn – wie in dem der Entscheidung des BSG vom 27.05.1997 (a.a.O.) zugrunde liegenden Sachverhalt – die Beklagte die jetzt auf Seiten der Kläger bestehende Beweisnot, die darin begründet liegt, dass eine Obduktion des verstorbenen Versicherten und Lungenstaubanalyse zum Nachweis einer Asbestose oder von asbesttypischen Pleuraveränderungen unwiederbringlich nicht mehr möglich ist, durch fehlerhafte Beweiserhe-bung (Vernachlässigung der Amtsermittlungspflicht des § 20 SGB X, etwa durch pflichtwidriges Unterlassen der rechtzeitigen Durchführung erforderlicher Ermittlungen ) oder gar Beweisverei-telung herbeigeführt hätte. Dies aber ist nicht der Fall. Die Beklagte hat durch die Art und Weise der von ihr geführten Ermittlungen ihre Amtsermittlungspflicht nicht verletzt. So hat sie, anders als in dem der Entscheidung des BSG vom 27.05.1997 zugrunde liegenden Fall, unverzüglich medizinische Ermittlungen durch Beiziehung verfügbarer medizinischer Unterlagen und Bild-aufzeichnungen (Röntgen, CT) aufgenommen, die behandelnde Hausärztin Dr. S. befragt, und sämtliche beigezogenen Bilder und Befundunterlagen dann durch einen radiologischen und einen pathologischen Gutachter auswerten lassen. Da anders als im vom BSG am 27.05.1997 entschie-denen Fall sowohl eine Reihe von Röntgen- und CT-Bildern des Verstorbenen als auch Proben aus einer Bronchusbiopsie vom 18.06.2004 vorgelegen haben, hat die Beklagte mit dieser Er-mittlungsführung nicht gegen das ihr insoweit – worauf bereits das SG zutreffend hingewiesen hat – zustehende Ermessen (vgl. BSG-Urteil vom 10.08.1993, a.a.O., Rn. 16, zitiert nach (juris)) verstoßen, denn bis zum Eingang der beiden Gutachten bei der Beklagten am 04.02.2005 (Gutachten Dr. H.) bzw. 16.02.2005 (Gutachten Prof. Dr. M.) hat die Beklagte davon ausgehen können, dass sich auf diese Weise die medizinischen Voraussetzungen der BK 4104 einschließ-lich möglicher Brückenbefunde vollständig aufklären lassen würden. Auch unter Berücksichti-gung des Umstandes, dass weder die befragte Hausärztin noch die den verstorbenen Versi-cherten zuvor behandelnden Ärzte den eindeutigen Verdacht auf das Bestehen einer Berufs-krankheit geäußert haben und dass aus den beigezogenen medizinischen Unterlagen keinerlei Anhaltspunkte für das Bestehen einer Asbestose oder asbestbedingten Pleuraerkrankung ableitbar gewesen sind, hat sich die Durchführung einer Exhumierung des Verstorbenen nicht in der Weise als erforderlich aufgedrängt, dass insoweit eine "Ermessensreduzierung auf Null" – wie vom SG angenommen – bestanden hat. Nach Eingang der Gutachten aber sind – was der Senat sowohl dem Urteil des BSG vom 27.05.1997 als auch dem Vorbringen der Beklagten mit Schriftsatz vom 24.09.2009 (Bl. 35 Senatsakte) entnimmt, nachdem seit dem Eintritt des Todes bei dem nachfolgend erdbestatteten Versicherten ca. sieben Monate vergangen gewesen sind, die Chancen, durch eine Exhumierung noch an für eine Obduktion verwertbares Gewebe zu gelan-gen, nur gering gewesen. Nachdem auch der von der Beklagten eingeschaltete pathologische Sachverständige Prof. Dr. M. eine Exhumierung nicht ausdrücklich angeregt, sondern vielmehr ausgeführt hat, dass für den Fall, dass eine Operation zu Lebzeiten bzw. eine Obduktion nach Todeseintritt nicht erfolgt seien, "für die Weiterführung dieses Verfahrens nur der Weg der ‚rechnerischen Brücke’ über die sogenannten Modelle der Faserjahre" bleibe (Bl. 129 VA), be-gründet der Umstand, dass die Beklagte Mitte Februar 2005 keine Bemühungen im Hinblick auf eine Exhumierung mehr unternommen hat, keine Verletzung der Amtsermittlungspflicht.

Vor dem Eintritt des Todes des Versicherten bzw. der etwa eine Woche später erfolgten Erdbe-stattung (vgl. Auskunft des Klägers Ziff. 1 im Termin vor dem SG vom 23.04.2009, Bl. 342 f. SG-Akte) hat die Beklagte, indem sie medizinische Untersuchungen bzw. eine Obduktion nicht veranlasst hat (im Urteil des BSG vom 27.05.1997 ein zentraler Kritikpunkt – vgl. dort Rn. 22), bereits deshalb nicht gegen ihre Amtsermittlungspflicht verstoßen (können), weil ihr ein Verdacht auf Bestehen einer Berufskrankheit des Versicherten nicht bekannt gewesen ist. Zwar hat der Kläger Ziff. 1 mit Schriftsatz vom 17.01.2010 (Bl. 86 Senatsakte) behauptet, dass das von ihm im Namen seines Vaters am 05.07.2004 verfasste Schreiben ausweislich der Angaben seines Vaters ihm gegenüber von diesem am 08.07.2004 an die Beklagte zur Post gegeben worden ist, allerings ist es im Original in den Verwaltungsakten nicht enthalten; auf die nach Todeseintritt und Beerdigung vom Kläger Ziff. 1 am 10.08.2004 an die Beklagte gerichtete Nachricht ist dem-gemäß diesem auch mitgeteilt worden, dass ein Schreiben vom 05.07.2004 dort nicht aktenkun-dig und kein Vorgang feststellbar gewesen ist, so dass das Schreiben vom 05.07.2004 lediglich als nicht unterschriebener Zweitausdruck in den Akten der Beklagten vorliegt. Nach allgemeinen – auch im sozialgerichtlichen Verfahren – geltenden Rechtsgrundsätzen trägt der Absender einer Willenserklärung für den Zugang bei dem Empfänger die objektive Beweislast. Ein Zugangs-nachweis liegt nicht vor. Zudem hat der Kläger Ziff. 1 nur die Auskunft seines – zu diesem Zeit-punkt bereits schwer krebskranken – Vaters erhalten, dass dieser das Schreiben "auf den Weg gebracht" habe, kann dies aber noch nicht einmal aus eigener Wahrnehmung bestätigen. Dem-entsprechend findet sich in dessen Schreiben an die Beklagte vom 23.08.2004 (Bl. 4 VA) auch nur die Formulierung von einer "Kopie des Schreibens meines Vaters" das er "um den 08.07.2004 auf den Weg gebracht haben dürfte".

b) Auch der Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren {25 x 106 [(Fasern/m3) x Jahre]} ist zur Überzeugung des Senats nicht erbracht. Als nachgewiesen sieht der Senat 7,5 Faserjahre an, davon 2,5 Faserjahre für die Zeit der Beschäftigung als Estrichleger im Zeitraum vom 03.06.1948 bis zum 31.01.1956 – un-terbrochen durch kurzzeitige Beschäftigungszeiten im Baumaterialienhandel, für die eine As-bestexposition nicht angenommen werden kann, und 5 Faserjahre für die Zeit der Beschäftigung des Versicherten bei den TWS vom 01.02.1956 bis zum 30.09.1985, wobei insoweit der Schwerpunkt der Exposition in der Zeit stattgefunden hat, als der Versicherte als Gasmacher und Ofenmaurer im Gaswerk S.-G. beschäftigt gewesen ist, also vom 01.02.1956 bis zum 28.02.1957. Der Senat stützt seine Überzeugung auf die nach eigener Prüfung als schlüssig und nachvollziehbar erachteten Ausführungen des Technischen Aufsichtsbeamten G. vom 08.09.2008, vom 23.12.2008 und vom 13.03.2009 und – insbesondere - vom 13.10.2009, des Technischen Aufsichtsbeamten B. vom 05.09.2008 sowie die Ausführungen von Dr. M ... in sei-nen Stellungnahmen vom 13.08.2008 und vom 09.03.2009.

Diese haben unter Berücksichtigung der einzig verfügbaren Angaben des Versicherten zu seinen verschiedenen beruflichen Tätigkeiten mit Schreiben vom 05.07.2004, welches der Versicherte nicht selbst verfasst hat, sondern der Kläger Ziff. 1 in seinem Auftrag, nachdem er Gespräche mit ihm geführt hatte, unter Einbeziehung der Recherchen sämtlicher mit der Sache befassten Technischer Aufsichtsdienste und auch nach Abgleich mit allgemein zugänglichen Informatio-nen, etwa zur Höhe der Asbestimporte in der Nachkriegzeit, eine näherungsweise Schätzung der Asbestexposition vorgenommen. Dass dabei ausgehend vom stets wachsenden Erkenntnisstand im vorliegenden Fall die von ihnen errechneten Werten mehrfach eine Korrektur erfahren haben, schmälert die Schlüssigkeit der Ausführungen nicht, sondern stellt eine nachvollziehbare Reakti-on auf Änderungen des Kenntnisstandes dar. Auch der Umstand, dass die Beklagte eingehende Stellungnahmen ihres TAD nach Einschaltung der Clearingstelle nach Erstattung des Gutachtens von Prof. M. "nachgereicht" hat, ist nicht, wie das SG gemeint hat, "befremdlich", sondern als nicht zu beanstandende Wahrnehmung des auch der Beklagten zustehenden Rechts auf Gehör zu werten.

Demgegenüber vermag der Senat seine Überzeugung von der Expositionshöhe gegenüber Asbest nicht auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. M. zu stützen, welche in wesentlichen Punkten Schlüssigkeitsmängel aufweisen, auf die jedoch das SG in seinen Gründen ausgehend von der – letztlich nicht zutreffenden – Prämisse, nicht alle Kritikpunkte der Beklagten gegen das Gutachten des Prof. M. "abarbeiten" zu müssen, nicht im einzelnen eingegangen ist.

Der Sachverständige Prof. M. hat in seinem Gutachten vom 07.03.2008 (hier etwa auf Bl. 195 SG-Akte: "völlige Ahnungslosigkeit des Technischen Aufsichtsdienstes, der diesen Namen nicht verdient, denn er kennt die Praxis nicht.") und seiner Stellungnahme vom 08.11.2008 den TAD der Beklagten in teilweise sehr emotionaler Weise angegriffen (Bl. 274 SG-Akte). Darüber hinaus hat er neben der starken Betonung eigener Zeitzeugenschaft immer wieder herausgestellt, welche Leistung von den damaligen Mitarbeitern in den 1950er Jahren, insbesondere aus eigener Kenntnis des Kokereibetriebes an der Ruhr, erbracht habe werden müssen (etwa Bl. 274 und 278, 279 SG-Akte). Auf diese Weise vermittelt er in seinen Ausführungen über weite Strecken den Eindruck von erheblicher emotionaler Betroffenheit, einhergehend mit einer Identifikation mit dem verstorbenen Versicherten, was der Senat als Indiz für einen Mangel an kritischer Dis-tanz und Neutralität wertet. Ausgehend davon hatte der Senat die von dem Sachverständigen unterstellten Tatsachen und Ableitungen daraus einer besonders eingehenden Prüfung zu unter-ziehen, infolge der er zu dem Ergebnis gelangt, dass Prof. M. seinen Berechnungen eine Vielzahl von Annahmen zugrunde gelegt hat, deren tatsächliches Vorliegen im Falle des verstorbenen Versicherten nicht nachgewiesen ist oder welche mit statistischen Daten nicht in Übereinstim-mung zu bringen sind. Ihm ist nicht gelungen, eine schlüssige und nachvollziehbare Ableitung der von ihm angenommenen Asbestexposition von 25,642 Faserjahren aufgrund einer konkret ermittelten Gestaltung der Arbeitsplätze des Verstorbenen zu erbringen.

So hat er bei der Annahme von zunächst 6,6 und in seiner Stellungnahme vom 08.11.2008 (Bl. 276 ) dann 4,99 Faserjahren für die Zeiträume vom 01.01.1950 bis zum 03.07.1954 und vom 21.08.1954 bis zum 31.01.1956 als Berechnungsgrundlage zugrunde gelegt, dass der Versicherte ausschließlich asbesthaltigen Estrich verlegt haben soll, und daher eine Grundbelastung während der gesamten Tätigkeit als Steinholz- und Estrichleger (abzüglich der für die Einrichtung der Baustellen benötigten Zeiträume) seit dem 01.01.1950 von 1,20 F/cm³ zugrunde gelegt. Hierfür ist der erforderliche Nachweis allerdings nicht erbracht, vielmehr hat der Senat begründete Zwei-fel an der Richtigkeit dieser Annahme, denn aus dem BK-Report 1/2007 (Seite 176, vgl. Bl. 318 SG-Akte) geht hervor, dass sämtliche Estricharten stets asbestfrei gewesen sind, mit Ausnahme von Magnesitestrichen (Steinholzfußböden und Industriefußböden), welche in der Deckschicht einen geringen Asbestzusatz von 1% aufweisen "konnten", und damit auch nicht zwingend auf-gewiesen haben. Nach den Angaben des Estrichlegers Kallup, welcher bei einem der Arbeitgeber des Versicherten, der Firma F., von 1949 bis 1984 als Estrichleger beschäftigt gewesen ist, wurde dort nicht nur Steinholzestrich verarbeitet, sondern auch (zur Hälfte) Zementestrich. Hiernach ist Steinholzestrich insbesondere als Untergrund für Linoleumböden zum Einsatz gekommen, was angesichts der besonderen Feuchtigkeitsanfälligkeit des Steinholzestrichs schlüssig erscheint. Der Estrichleger K. hat sich nicht an Asbestbeimischung analog der Beschreibung durch den Kläger Ziff. 1 mit Schreiben vom 05.07.2004 erinnert, obwohl er detaillierte Angaben zur Rezeptur beider angesprochener Estricharten machen konnte. Auch hat die Firma D., bei welcher der Kläger ebenfalls beschäftigt gewesen ist, mit Schreiben vom 22.11.2004 mitgeteilt, dass nach dortiger Kenntnis im Gründungsjahr der Firma, 1954, dem Magnesiaestrich noch keine Asbest-fasern zugesetzt worden sind, wenn dies auch nicht mehr mit Sicherheit gesagt werden konnte. Da nicht mehr ermittelbar ist, mit welcher zeitlicher Aufteilung der Versicherte von 1948 bis Januar 1956 welche Estricharten verarbeitet hat und ob sämtliche häufig wechselnden Arbeitge-ber in diesem Zeitraum überhaupt Asbestbeimischungen verwendet haben, ist jedenfalls ein hö-herer als der vom TAD der Beklagten mit 2,5 Faserjahren zugrunde gelegte Wert nicht nach-weisbar. Zudem ist mit der Annahme einer seit 1950 genau gleichbleibenden Asbestexposition nicht in Übereinstimmung zu bringen, dass im Jahr 1950 der Rohasbestverbrauch erheblich ge-ringer gewesen ist als 1954 (vgl. statistische Darstellungen auf Bl. 316 und Bl. 331 f. SG-Akte).

Für die Zeit der Beschäftigung bei den Technischen Werken der Stadt S. AG (TWS) als Gasma-cher und Ofenmaurer vom 01.02.1956 bis zum 28.02.1957 hat der Sachverständige Prof. Dr. M. ebenfalls tatsächliche Annahmen zugrunde gelegt, die entweder nicht nachgewiesen bzw. in sich nicht schlüssig sind. Mehr als die vom TAD der Beklagten für diese Tätigkeit zuletzt ausgewie-senen 5 Faserjahre sieht der Senat aufgrund dieser Unstimmigkeiten als nicht nachgewiesen an, keinesfalls sind die von ihm ausgewiesenen 18,2 Faserjahre (Bl. 201 SG-Akte) aus nachgewie-senen Tatsachen schlüssig abgeleitet. So ist Prof. M. in seinen Berechnungen allein aufgrund des Umstandes, dass ihn nach Angabe des Klägers Ziff.1 ein Schamottestein aus größerer Höhe am Kopf getroffen hat, davon ausgegangen, dass der Versicherte "mit Sicherheit" (vgl. Bl. 181 SG-Akte) im Bereich der in S.-G. in den 1930er Jahren erbauten Vertikalofen-Batterie und nicht im Bereich der moderneren (vgl. Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK 4110, abgedruckt bei Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Stand April 2011, M 4110, Seiten 1 bis 3) Horizontalofen-Batterie tätig gewesen ist, obwohl er im selben Gutachten eingeräumt hat, es sei "beim besten Willen nicht mehr feststellbar gewesen", inwieweit der Versicherte im Bereich der Vertikal- oder Horizontalöfen eingesetzt gewesen sei (Bl. 188 SG-Akte). Zudem hat Prof. M. ebenfalls ausgeführt, dass die Mitarbeiter jeder Koksofenbatterie "je nach gegebener Situation" auch gegenseitig über die Koksofenbatterien hinaus eingesetzt worden sind (Bl. 184 SG-Akte). Dass er gleichwohl aufgrund eines singulären Ereignisses (herabfallender Schamotte-stein) auf einen durchgehenden Einsatz des Versicherten im Vertikalofenbereich geschlossen und diese Annahme seinen Ausführungen zugrunde gelegt hat, ist nicht schlüssig. Völlig außer Betracht gelassen hat Prof. M. bei seinen Ausführungen, dass gemäß dem Schreiben vom 05.07.2004 auch ein Einsatz an Erdölpyrolyseöfen stattgefunden hat.

Vorliegend fehlt es – bis auf die beinahe stichwortartig knappen Angaben mit Schreiben vom 05.07.2004 – an aussagekräftigen Angaben des Versicherten darüber, welche Tätigkeiten im Einzelnen er während seiner Tätigkeit als "Ofenmaurer und Gasmacher" im Gaswerk zu verrich-ten gehabt hat und welche Zeitaufteilung diesen Einzeltätigkeiten zugrunde gelegen hat. Umso mehr fehlt es bezüglich der vom Sachverständigen Prof. M. den Berechnungen zugrunde geleg-ten Tätigkeiten sowie der angenommenen zeitlichen Aufteilung an Anhaltspunkten dafür, dass tatsächlich der Berufsalltag des Versicherten im Gaswerk S.-G. auch so ausgesehen hat, zumal die vom Versicherten verwendete Tätigkeitsbezeichnung "Gasmacher" anders als die Tätigkeiten als Drückmaschinenfahrer, Füllmaschinenfahrer, Löschmaschinenfahrer, Einkehrer, Deckenmann, Teerschieber, Türmann, Rampenmann und Steigrohrreiniger (vgl. Gutachten vom 07.03.2008, Bl. 166 [184], ebenfalls Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK 4110, a.a.O.) keine typisierende Zuordnung von Arbeitsplatz und auszuübender konkreter Tätigkeit zulässt. So hat auch Prof. M. eingeräumt (Bl. 173 SG-Akte), dass der Begriff des Gasmachers in der Gaswerkliteratur "in dieser Form nicht auftritt".

Unschlüssig ist darüber hinaus, dass bei Temperaturen des Ofens von 500-700° C unmittelbar nach dem Ausdrücken des Kokskuchens der Versicherte unmittelbar damit begonnen haben soll, den Ofen zu inspizieren und alte Asbestdichtungsschnüre ohne Einsatz von Werkzeugen durch Herausreißen aus den Türfugen zu entfernen (1 Stunde täglich in Hitzeschutzkleidung), ebenfalls den Ausbruch und die Verschuttung von asbesthaltigem Feuerfestmaterial vorzunehmen (2 Stunden täglich im Hitzevollschutz), der Versicherte zudem drei Stunden täglich (wobei nicht nachvollziehbar ist, auf welcher Basis die Stundenannahmen getroffen worden sind) Heißrepara-turen in der Ofenkammer – bei zumindest 150-200° C – durchgeführt haben soll und noch mindstens zwei Stunden täglich bei noch heißen Ofentüren die Asbestdichtungen in den Ofentü-ren selbst ausgewechselt haben soll – ebenfalls im Hitzevollschutz -, womit im Schnitt täglich acht Stunden ohne Möglichkeit einer Abkühlung bei extremster Hitze in Asbest-Vollschutzkleidung gearbeitet worden wäre. Der Einwand von Dr. M ..., dass Arbeiten am oder sogar im Ofen bei großer Hitze die Notwendigkeit bedingen, dass nach spätestens ca. 10 Minuten eine "Entwärmung" stattfinden muss, erscheint dem Senat plausibel, denn bedingt durch die physiognomischen Gegebenheiten des menschlichen Kreislaufsystems, das auch bei Arbeitern in den 1950er Jahren nicht anders beschaffen war als heute, ist der von Prof. M. be-hauptete weitgehende Verzicht auf Phasen der Abkühlung, in welchen sich die Arbeiter der Schutzkleidung entledigt haben, nicht plausibel. Der Effekt wäre etwa derselbe wie ein mehrere Stunden andauernder Sauna-Aufenthalt, welchen die wenigsten Menschen unbeschadet überste-hen dürften.

Für die Tätigkeit von 1957 bis 1968 im Bereich der Wasserversorgung haben weder der TAD noch Prof. M. eine nennenswerte Exposition gegenüber Asbest angenommen.

Für die Tätigkeit als bauaufsichtsführender Maurermeister ist der TAD der Beklagten in seinen Annahmen zu Recht von einer nur geringfügigen Exposition als "Bystander" ausgegangen, denn für die Ausführung der Arbeiten wie dem Zurichten von asbesthaltigen Abdeckhauben sind Fremdfirmen beauftragt gewesen.

Im Ergebnis zu Recht hat der TAD schließlich gegenüber den Ausführungen von Prof. M. ein-gewandt, dass eine gesicherte arbeitsmedizinische Grundlage (Formel) für eine Umrechnung von BaP-Jahren in Asbestfaserjahre nicht existiert bzw. nicht Stand der arbeitsmedizinischen Wis-senschaft ist.

Hiernach ist eine Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der dritten Alternative der BK 4104 nicht nachgewiesen.

2. BK 4110: Nach Nr. 4110 der Anlage 1 zur BKV sind als Berufskrankheit anerkannt: Bösartige Neubildungen der Atemwege und der Lungen durch Kokereirohgase.

Der Senat sieht es nach Auswertung aller vorliegender Unterlagen als nicht überwiegend wahr-scheinlich an, dass wesentliche Ursache für die Entstehung des beim Versicherten im Juni 2004 diagnostizierten bronchio-pulmonalen Primärtumors die vom 01.02.1956 bis zum 28.02.1957 stattgefundene Exposition des Versicherten gegenüber Kokereirohgasen gewesen ist.

Gemäß den Hinweisen im Merkblatt zur BK 4110 (unter IV.: Weitere Hinweise) treten wesent-lich durch Kokereigase hervorgerufene Tumore im allgemeinen nach mehrjähriger (mindestens 2 Jahre) Exposition gegenüber Kokereirohgasen auf (Merkblatt für die ärztliche Untersuchung gemäß Bekanntmachung des BMA vom 11.10.1989, BABl. 2/1990, abgedruckt bei Mehr-tens/Brandenburg, a.a.O.). Die Begründung des Verordnungsgebers geht noch weiter (vgl. BR-Drucksache 33/88, S. 7 zu Art. 1 Nr. 5 (zu 4110). Hiernach ist die wesentliche auf den konkreten Arbeitsplatz bezogene Bedingung für die Erkrankung die intensive langjährige Exposition ge-genüber den bei der Verkokung von Kohle auftretenden Emissionen. Einer besonderen Bedeu-tung in diesem Zusammenhang hat der Verordnungsgeber bereits bei Schaffung der BK den po-lyzyklischen aromatischen Verbindungen (PAH=polycyclic aromatic hydrocarbons) beigemessen, ohne jedoch (siehe die Begründung zur Verordnung, zweiter Absatz, a.a.O.) die Bedeutung der Krebserzeugung hierauf zu beschränken. Die Weiterentwicklung des insoweit bestehenden Erkenntnisstandes hat zur Einführung der BK’en 4113 und 4114 geführt, welche jedoch im vor-liegenden Verfahren nicht Streitgegenstand der Berufung sind, da die Berufung ausschließlich von Beklagtenseite eingelegt worden ist und gegen die Feststellung (allein) der Berufskrankhei-ten Nr. 4104 und 4110 sowie die Verurteilung zur Gewährung von Hinterbliebenenleistungen aufgrund dessen gerichtet ist.

In den Kontext der grundsätzlichen Erforderlichkeit "intensiver langjähriger Exposition" ist der Hinweis zu stellen, dass bei einer Expositionsdauer unter 2 Jahren an die Intensität der Expositi-on besonders hohe Anforderungen zu stellen sind (Merkblatt, Abschnitt IV).

Die Voraussetzung einer Mehrjährigkeit der stattgehabten Exposition ist im Falle des Versicher-ten bei 13 Monaten Berufstätigkeit im Gaswerk nicht erfüllt. Eine Umrechnung dieser 13 Monate in fiktive "Arbeitsjahre", indem man die dem BK-Report "BaP-Jahre" zugrunde liegende Schichtdauer mit der im Falle des Versicherten angenommenen Arbeitszeit ins Verhältnis setzt (hieraus hat der TAD 1,75 Jahre errechnet und der Sachverständige Prof. M. 1,94 Arbeitsjahre) ist bei der BK 4110 nicht zulässig, sondern kann nur als ein Indiz dafür herangezogen werden, ob der Versicherte in den von ihm abgeleisteten 13 Monaten Arbeitstätigkeit im Gaswerk einer so intensiven Exposition gegenüber Kokereirohgasen ausgesetzt gewesen ist wie ein "Standard-Arbeitnehmer" in einer heutigen Kokerei erst nach langjähriger Tätigkeit.

Dies ist im Ergebnis nicht nachgewiesen. Bereits die Umrechnung der für den Versicherten an-genommenen Arbeitszeiten in 8-Stunden-Schichten greift zu kurz, denn dadurch, dass konkret für den Fall des verstorbenen Versicherten eine zeitliche Aufteilung der Arbeitstätigkeiten, wel-che von ihm jeweils vorgenommen worden sind, aufgrund der insoweit nur fragmentarisch vor-liegenden Angaben aus dem Schreiben vom 05.07.2004 nicht erfolgen kann, und daher nicht nachgewiesen ist, dass eine Exposition gegenüber Kokereirohgasen während der gesamten Ar-beitstätigkeit (etwa auch bei Sanierungsarbeiten als Ofenmaurer am "kalten Ofen") vorgelegen hat, können aus der Arbeitszeitdauer allein auf eine Exposition gegenüber Kokereirohgasen bzw. deren Intensität keine tragfähigen Rückschlüsse gezogen werden. Hinzu kommt, dass aufgrund dessen, dass weder alle Einzeltätigkeiten noch deren zeitliche Aufteilung im Falle des Versicher-ten aufgeklärt werden konnten, auch nicht nachgewiesen werden konnte, ob überhaupt und ggf. wie lange der Versicherte Tätigkeiten an gegenüber Kokereirohgasen besonders exponierten Arbeitsorten wie der Ofendecke (vgl. hierzu die auch vom Kläger Ziff. 1 mit Schriftsatz vom 13.11.2009 in Bezug genommenen Ausführungen in Mehrtens/Brandenburg, M 4110, Anmer-kung 3: PAK- bzw. PAH-Exposition mit Spitzenwerten von 33-158 µg/m³) ausgeübt hat. Ob der Versicherte in erheblichem Ausmaß Tätigkeiten als sog. Einkehrer auszuüben gehabt hat, ist nicht nachgewiesen. Ebenfalls Spekulation ist, ob der Versicherte, wie von Prof. M. angenommen, während der gesamten Arbeitszeit in der Vertikalofenbatterie, erbaut in den 30er Jahren, tätig gewesen ist (s.o.), und wie der bauliche Zustand der Anlage in den 50er Jahren gewesen ist, nachdem ein Fliegerangriff im Jahr 1943 offensichtlich keine schweren Schäden verursacht hat.

Insgesamt ist ein Nachweis von Tätigkeiten, die mit einer derart intensiven Exposition gegenüber Kokereirohgasen verbunden sind, dass die nur 13monatige Einwirkzeit dadurch kompensiert wird, nicht erbracht.

Hinzu kommt, dass mit dem jahrzehntelangen inhalativen Nikotinkonsum, welchen der Kläger Ziff. 1 mit Schreiben vom 05.07.2004 jedenfalls für den Zeitraum der Nachkriegszeit bis 1976 mit 1-2 Zigaretten täglich eingeräumt hat, eine wesentliche Konkurrenzursache aus dem privaten, unversicherten Bereich des Verstorbenen zu berücksichtigen gewesen ist.

Die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer berufsbedingten, wesentlich durch Exposition ge-genüber Kokereirohgasen verursachten, Krebserkrankung der Atemwege und Lunge hat der Se-nat hiernach nicht erkennen können.

III.

Hiernach war der Berufung der Beklagten in vollem Umfang stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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