Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 4 KN 169/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 1015/09
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Verweisbarkeit einer Immobilienmaklerin
I. Auf die Berufung der Klägerin hin wird die Beklagte unter Abänderung
des Urteils des Sozialgerichts München vom 27. Oktober 2009 sowie des Bescheids der Beklagten vom 10. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. März 2007 verurteilt, der Klägerin aufgrund ihres Anerkenntnisses vom 13. Juli 2011 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab 1. Mai 2011 sowie Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Dauer ab 1. Januar 2005 entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu
zahlen.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat 5/6 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1952 in der ehemaligen CSSR geborene Klägerin ist als Vertriebene anerkannt (Ausweis A) und hat ihren ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet seit 3. April 1985. Die Klägerin hat in der ehemaligen Tschechoslowakei am 17. Juni 1971 nach vierjährigem Studium die Abschlussprüfung der mittleren Gewerbeschule für Bauwesen im Fach Transportbauten erfolgreich abgelegt. Ihr wurde vom Bayerischen Staatsminister für Unterricht und Kultus am 17. Februar 1986 die Bezeichnung Diplom-Ingenieur (FH) verliehen. Die Klägerin war von September 1971 bis Dezember 1984 in der ehemaligen CSSR als Baukalkulatorin/-konstrukteurin und Projektantin beschäftigt und hierbei von November 1972 bis August 1974 in einem knappschaftlichen Betrieb. Nach Zeiten der Vertreibung/Flucht vom 3. April 1985 bis 13. März 1988 war die Klägerin von März bis Juni 1989 und von September 1991 bis Dezember 1995 als Angestellte in einem Architekturbüro versicherungspflichtig beschäftigt. In den daran anschließenden Zeiten der Arbeitslosigkeit nahm sie an einer von der Arbeitsverwaltung finanzierten Maßnahme der beruflichen Weiterbildung zur Fachfrau für Gebäudebewirtschaftung mit Erfolg teil. Die Ausbildung fand zunächst vom 17. November 1997 bis 23. Oktober 1998 statt. Nach krankheitsbedingter Unterbrechung begann die Klägerin am 30. November 1998 erneut mit der Weiterbildungsmaßnahme und schloss sie am 26. November 1999 ab. Im Anschluss daran war sie von März 2000 bis Dezember 2004 als pflichtversicherte selbstständige Maklerin tätig. Seit Januar 2005 ist die Klägerin arbeitslos.
Die Klägerin nahm vom 9. bis 30. April 2003 an einer Maßnahme zur stationären Rehabilitation in der Fachklinik E. teil. Hier wurden eine Coxarthrose rechts und eine initiale Coxarthrose links sowie ein pseudoradikuläres lumbales Schmerzsyndrom bei Bandscheibenprolaps und Osteochondrose L 4/5 festgestellt. Sie wurde als leistungsfähig für Tätigkeiten als Immobilienmaklerin sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden und mehr entlassen.
Mit Antrag vom 13. Dezember 2004 begehrte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminde-rung von der Beklagten. Zur Begründung verwies sie auf Gesundheitsstörungen an der Wirbelsäule (Wurzelreizsyndrom bei Bandscheibenvorfall), eine Coxarthrose beidseits, Osteoporose, Arthrose an Oberarmen und Daumen rechts sowie Depressionen.
Die Beklagte holte ein psychiatrisches Gutachten von Dr. H. vom 6. Juni 2005 und ein chirurgisches Gutachten von Dr. P. vom 10. Juni 2005 ein.
Dr. H. diagnostizierte bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung, eine Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik, einen Zustand nach Bandscheibenprolaps L 4/5 mit rezidivierenden Lumboischialgien sowie eine Coxarthrose. Die Klägerin könne noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und als Immobilienmaklerin über 6 Stunden täglich leichte Tätigkeiten ohne Schichtarbeit, Zeitdruck sowie Zwangshaltungen verrichten. Dr. P. stellte darüber hinaus eine geringe Fehlhaltung der Wirbelsäule und degenerative Veränderungen an der Halswirbelsäule mit Schmerzsymptomatik und geringer Funktionseinschränkung, degenerative Veränderungen an der Brust- und Lendenwirbelsäule bei zusätzlichem Bandscheibenvorfall LW 4/5 mit Schmerzsymptomatik und rezidivierender Wurzelirritation, eine Schulterarthralgie rechts nach früherer Humeruskopffraktur (operativ versorgt) sowie Fingergelenksarthrosen fest. Auch er bescheinigte der Klägerin noch ein Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr für leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus, betont im Sitzen, ohne häufiges Klettern, Steigen oder Bücken, ohne Schichtarbeit und ohne Zeitdruck. Auch als Immobilienmaklerin bestehe eine über sechsstündige Leistungsfähigkeit.
Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag mit angefochtenem Bescheid vom 10. August 2005 ab. Die Klägerin sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt etwa als Pförtnerin, Telefonistin, Vervielfältigerin sowie als selbstständige Maklerin mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und legte zur Begründung ein Attest des behandelnden Allgemeinmediziners Dr. W. vor, wonach die Summe der Erkrankungen, deren Ausprägung und Wirkung im psychischen und somatischen Bereich volle Erwerbsminderung bedingten. Übersandt wurde auch ein Entlassungsbericht der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie am H. vom 19. Oktober 2005 über eine Maßnahme der stationären Rehabilitation vom 22. September 2005 bis 19. Oktober 2005. Hierin wurde neben den bereits vorgenannten Gesundheitsstörungen auch eine mittelgradige depressive Episode mit somatischem Syndrom diagnostiziert. Als Immobilienmaklerin sei die Klägerin auch nach Abklingen der depressiven Symptomatik wegen der eingeschränkten körperlichen Belastbarkeit und der herabgesetzten Stressbelastbarkeit nur noch unter 3 Stunden täglich einsetzbar. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe hingegen noch eine Belastbarkeit für mehr als 6 Stunden am Tag für leichte körperliche Tätigkeiten.
Die Beklagte holte daraufhin nach Beiziehung weiterer Befundberichte ein weiteres neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. B. vom 15. Mai 2006 ein. Dr. B. stellte eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine länger andauernde depressive Störung sowie derzeit keine Hinweise für eine akute radikuläre Symptomatik bei degenerativen Veränderungen im Bereich der HWS und LWS mit einem Bandscheibenvorfall in Höhe LWK 4/5 fest. Die Sachverständige kam zu dem Ergebnis, die Klägerin könne noch als Immobilienmaklerin sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr Arbeiten verrichten.
Die Klägerin übersandte daraufhin einen Entlassungsbericht des orthopädisch-schmerz-therapeutisch ausgerichteten Krankenhauses L. vom 31. Juli 2006. Hier wurde von einer stark schmerzgeplagten Patientin mit watschelndem Gangbild und Schonhaltung der rechten Seite berichtet, der differenzierte Gangarten nicht gelangen. Bei massiver Schmerzhaftigkeit beider Hüften sei eine invasive Schmerztherapie durchgeführt worden, die zu einer deutlichen Besserung des Krankheitsbildes geführt habe. Die Klägerin sei mittels Unterarmgehstützen mobilisiert worden.
Die Beklagte beauftragte daraufhin den Chirurgen Dr. P. mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens. Der Sachverständige stellte am 3. Januar 2007 bei der Klägerin neben der Coxarthrose rechts mehr als links und der Fehlhaltung der Wirbelsäule mit degenerativen Veränderungen eine Omarthrose rechts nach früherer Humeroskopffraktur (operativ versorgt) fest. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus, betont im Sitzen, über 6 Stunden täglich verrichten. Klettern oder Steigen, häufiges Bücken, Schichtarbeit und Zeitdruck seien zu vermeiden. Die Tätigkeit als Immobilienmaklerin sei nur noch 3 bis unter 6 Stunden zumutbar.
Der Widerspruch wurde daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2007 zurückgewiesen. Die Klägerin sei noch in der Lage, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie Tätigkeiten als Diplomingenieurin in der Fachrichtung Bauingenieurwesen wie zum Beispiel als Planungs-, Entwicklungs-, Berechnungs- und Konstruktionsingenieurin bei Bauunternehmen, Ingenieurbüros und dem öffentlichen Dienst mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten.
Zur Begründung der hiergegen zum Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin darauf verwiesen, sie sei nicht in der Lage, mehrere Meter ohne Gehhilfe zu gehen oder länger als 2 Stunden zu sitzen. Manchmal sei Sitzen überhaupt nicht möglich. Alle Bewegungen seien nur unter Schmerzmitteleinnahme durchführbar. Die subjektiven Beurteilungen der begutachtenden Ärzte stünden im Widerspruch zu den gestellten Diagnosen.
Das SG hat Befundberichte des Orthopäden Dr. S. und der Ärztin und Psychotherapeutin Dr. S. beigezogen. Es hat gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz - SGG - Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Dr. B. vom 13. September 2007 und eines orthopädischen Gutachtens vom 4. Oktober 2007 von Dr. S ...
Dr. B. hat bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen diagnostiziert (Untersuchung am 11. September 2007):
1. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung
2. Dysthymie
3. Lendenwirbelsäulenwurzelreizsyndrom
4. Ohrgeräusche links
5. Degenerative Veränderungen an den Hüftgelenken und anderen Gelenken
6. Allergische Disposition.
Die Klägerin sei in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Arbeiten vorwiegend im Sitzen 6 Stunden täglich mit den arbeitsüblichen Unterbrechungen zu verrichten. Stresshafte Arbeitsbedingungen wie Akkord- oder Schichtarbeit und Arbeiten, die mit Absturzgefahr verbunden seien, sowie Tätigkeiten unter Lärmexposition könnten nicht mehr abverlangt werden. Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte bestünden aus rein neurologischer Sicht nicht. Die Tätigkeit als selbstständige Immobilienmaklerin sei zumutbar.
Dr. S. hat bei der Klägerin folgende Diagnosen gestellt (Untersuchung am 2. Oktober 2007):
1. Fortgeschrittene, aktivierte Coxarthrosen beidseits mit deutlich ausgeprägter schmerzhafter Funktionseinschränkung mit Ruhe- und Belastungsschmerz
2. Chronisches lumbales Facettensyndrom bei radiologisch nachweisbarer Bandscheibenerniedrigung L 4/5, Spondylarthrosen an den kleinen Wirbelgelenken und kernspintomographisch nachweisbarem Bandscheibenvorfall ohne klinisches Korrelat mit mäßiger Funktionsstörung
3. Ossäres Impingementsyndrom rechte Schulter mit beginnender Omarthrose mit deutlicher Funktionsstörung der rechten Schulter
4. Beginnende Kniegelenksarthrosen, derzeit ohne klinische Funktionsstörung
5. Somatoforme Schmerzstörung.
Die Klägerin sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten in Wechselpositionen, jedoch überwiegend im Sitzen, in geschlossenen Räumen 6 bis unter 8 Stunden täglich zu verrichten. Besondere Unterbrechungen seien nicht erforderlich, die Möglichkeit eines Positionswechsels sollte allerdings gegeben sein. Das Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken, Arbeiten an Maschinen und am Fließband seien nicht zumutbar. Die Tätigkeit als Immobilienmaklerin könne von der Klägerin nicht verrichtet werden. Ein Anmarschweg von 500 m innerhalb von 30 min zweimal täglich sei derzeit nicht möglich. Die Klägerin könne ein öffentliches Verkehrsmittel benutzen. Sie sei auch in der Lage, mit ihren Gesundheitsstörungen für kurze Strecken ein Kfz ohne Hilfseinrichtungen zu fahren.
Die Klägerin hat mitgeteilt, sie besitze einen Führerschein. Der vorhandene PKW werde aber ausschließlich vom Ehemann genutzt. Darüberhinaus hat sie mit Schreiben vom 17. November 2007 geltend gemacht, das Gutachten von Dr. B. sei unbrauchbar. Es basiere nicht auf eigenen Feststellungen und Befunden, sondern vorwiegend auf den Vorgutachten. Dr. B. hätte diese Vorgutachten nicht zur Kenntnis bekommen dürfen. Es sei daher nicht verwunderlich, dass Dr. B. befangen gewesen sei. Das Gutachten enthalte falsche Daten (zum Beispiel falsches Geburtsdatum), unkorrekte Angaben (zum Beispiel Ohrgeräusche anstatt Tinnitus links), verwende mehrfach das Wort "angeblich", was die Aussagekraft des Gutachtens manipulativ in eine bestimmte Richtung dränge. Auch die Verwendung des Wortes Klägerin zeuge von dessen konträrer Haltung gegenüber der Patientin. Der Befund sei größtenteils nicht belegt und beinhalte vorwiegend widersprüchliche Aussagen sowie unverhältnismäßige Generalisierungen (z.B. sei die Behauptung, die Klägerin habe von der Persönlichkeitsstruktur infantil-histrionische Züge geboten, nicht belegt und stehe im Widerspruch zu der Behauptung, die Klägerin habe einen etwas passiven Eindruck hinterlassen mit wohl gemindertem Antrieb).
Die Beklagte hat in ihrer Stellungnahme hierzu erklärt, die Beurteilung von Dr. S. in Bezug auf die qualitativen Leistungseinschränkungen und die Einschränkung der Wegefähigkeit sei zutreffend. Diese Einschränkungen bestünden seit Rentenantragstellung. Eine Besserung sei nur zu erwarten, wenn ein Hüftgelenkersatz erfolge. Es sei aber zu klären, wie viel Meter die jeweils zumutbare Gehstrecke für die Klägerin betrage (viermal täglich) und wie lange ein Pkw von der Klägerin zweimal täglich gefahren werden könne.
Auf Nachfrage hat die Klägerin mitgeteilt, ihr Schreiben vom 17. November 2007 sei als Befangenheitsantrag gegenüber Dr. B. anzusehen. Sie hat zugleich einen Befangenheitsantrag gegenüber Dr. S. übersandt. Die sozialepikritische Zusammenfassung sei von subjektiv einseitigen Äußerungen geprägt, die in keiner Weise belegt seien. Aussagen wie "Eine Aggravationstendenz sei nicht zu übersehen" seien rein subjektive und fehlgedeutete Interpretationen, die einerseits im Widerspruch zu den fachmedizinisch festgestellten Symptomen stünden und andererseits ohne weitere Belege geäußert würden. Woher Dr. S. einige seiner Resultate hernehme, sei äußerst fraglich. Einige der beschriebenen Tests seien nicht durchgeführt worden. Sämtliche Vorbefunde würden ohne nähere Belege bagatellisiert, die körperlichen Beeinträchtigungen und Beschwerden verharmlost. So könne aus dem Umstand, die Klägerin sei während der Anamneseerhebung 40 Minuten gesessen (dies sei nur unter Schmerzen und unter Schmerzmedikation möglich gewesen), nicht geschlossen werden, aufgrund der nicht erkennbaren sitzbedingten Unruhe sei eine Tätigkeit von 6 bis 8 Stunden zumutbar. Ein Befundbericht von Dr. S. ist vorgelegt worden.
Dr. B. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 18. Januar 2008 ausgeführt, es sei versehentlich ein falscher Geburtsmonat verzeichnet worden. Der Begriff "histrionische Züge" sei in tiefenpsychologischem Sinn zu verstehen. Eine moralische Wertung sei damit nicht verbunden. Die von ihm erhobenen psychopathologischen Befunde wichen im Wesentlichen nicht erheblich von den Feststellungen der Vorgutachter ab. Dr. S. hat unter dem 28. Januar 2008 mitgeteilt, der Befangenheitsantrag sei nicht nachvollziehbar, die Unparteilichkeit sei gewahrt gewesen. Die auffallende Schonung des rechten Armes ergebe sich aus dem festgestellten schmerzhaften Bogen zwischen dem 70. Grad und dem 120. Grad. Auch war das Impingementzeichen rechts positiv bei röntgenologisch erkennbaren Kalkeinlagerungen und einem Hochstand des Oberarmkopfes. Diese Funktionsstörung lasse sich klinisch und radiologisch nachweisen. Bei einer Aggravation handele es sich nicht um eine bewusste Falschaussage, sondern diese könne Ausdruck des Bemühens sein, dem fremden Untersucher die eigenen Beschwerden möglichst eindrücklich zu vermitteln. Hierzu hat die Klägerin erneut ausführlich Stellung genommen. Die Aussagen von Dr. S. stünden im Widerspruch zu den Befunden der bildgebenden Verfahren. Vorhandene Diagnosen würden unbegründet degradiert, da sie angeblich gutachterlich nicht relevant seien. Bestimmte Testungen seien nicht durchgeführt worden wie zum Beispiel der Nystagmus-Schwindel-Test. Außerdem werde nicht beachtet, dass der Klägerin körperliche Bewegungen nur unter starken Schmerzmitteln möglich seien. Auch die Untersuchung sei unter starken Schmerzmitteln durchgeführt worden. Die Testbefunde sowie deren Interpretation seien damit unbrauchbar.
Das SG hat die Befangenheitsanträge gegen die Gutachter Dr. B. und Dr. S. mit Beschluss vom 2. Juli 2008 als verspätet abgelehnt. Die hiergegen zum Bayerischen Landessozialgericht erhobene Beschwerde ist mit Beschluss vom 29. September 2008 zurückgewiesen worden. Es könne dahingestellt bleiben, ob bei der Ablehnung Anträge fristgerecht gestellt worden seien. Die Anträge seien jedenfalls unbegründet. Die von der Klägerin vorgetragenen Gründe könnten die Ablehnung der Sachverständigen Dr. B. und Dr. S. wegen Besorgnis der Befangenheit nicht rechtfertigen. Gegen diesen Beschluss erhob die Klägerin mit Schreiben vom 20. Oktober 2008 Einwendungen. Das Bayerische Landessozialgericht hat dies als Anhörungsrüge gewertet und die Anhörungsrüge mit Beschluss vom 1. September 2009 zurückgewiesen. Hierzu hat die Klägerin erklärt, der Beschluss über die Anhörungsrüge sei als nichtig zu betrachten, da sie zu keinem Zeitpunkt eine Anhörungsrüge eingereicht habe.
In der mündlichen Verhandlung am 27. Oktober 2009 hat der uneidlich als Zeuge einvernommene Ehemann der Klägerin erklärt, er sei seit 3 Jahren in Rente. Sie besäßen zwei Autos. Seine Frau fahre, wenn sie ärztliche Termine habe, im Umkreis von 5 bis 10 km zu den Praxen. Mit Urteil vom gleichen Tag hat das SG die Klage abgewiesen. Nach den Gutachten von Dr. B. und Dr. S. sei das Leistungsvermögen der Klägerin quantitativ nicht eingeschränkt. Die Gutachten seien verwertbar, da die Befangenheitsanträge rechtskräftig zurückgewiesen worden seien. Der Arbeitsmarkt sei für die Klägerin trotz der eingeschränkten Wegefähigkeit nicht verschlossen, da sie einen Führerschein und ein privates Kfz besitze. Deren Nutzung stünden medizinische Gründe nicht entgegen. Der Klägerin stehe auch keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu. Maßgeblicher Hauptberuf sei die Tätigkeit als selbstständige Immobilienmaklerin. Diese Tätigkeit könne sie zwar nicht mehr ausüben. Sie könne jedoch auf die Tätigkeit einer Bauingenieurin im Büro verwiesen werden.
Mit der hiergegen erhobenen Berufung hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Die Gutachten von Dr. B. und Dr. S. seien aufgrund Befangenheit nicht verwertbar. Das Landessozialgericht habe die Befangenheitsanträge mit haltloser und unzulänglicher Begründung abgewiesen. Eine bloße Mitteilung sei unsachgerecht und widerrechtlich als Anhörungsrüge ausgelegt worden. Ihre Gesundheitsstörungen seien so gravierend, dass weder das Gehen von einigen Metern noch ein längeres Sitzen bewältigbar seien. Aufgrund der Einnahme starker Schmerzmittel sei sie aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht in der Lage, ein Fahrzeug zu bedienen.
Eine vom Senat angeforderte Einverständniserklärung zur Offenbarung personenbezogener Daten und Entbindung der behandelnden Ärzte von der ärztlichen Schweigepflicht wurde von der Klägerin nicht unterzeichnet. Für jede benötigte Einholung der ärztlichen Unterlagen würde eine Einwilligung jeweils gesondert erteilt werden. Eine General-Entbindung der Ärzte von der Schweigepflicht werde nicht erteilt.
Auf Anfrage entband sie daraufhin die behandelnden Ärzte Dr. D. und Dr. C. von der ärztlichen Schweigepflicht. Mit einer erneuten Begutachtung sei sie nur einverstanden, wenn der vom Gericht ernannte Gutachter keine Einsicht in die Gerichtsunterlagen erhalte und auch keine Einsicht in andere medizinische Unterlagen, außer die von Dr. D. und Dr. C ... Nur dadurch könne eine gewisse Objektivität des neuen Gutachters gewährleistet werden. Der Senat hat daraufhin Befundberichte von Dr. D. und Dr. C. eingeholt.
Neuerliche Anträge der Klägerin auf Ablehnung der Gutachter Dr. B. und Dr. S. wegen der Besorgnis der Befangenheit vom 14. Dezember 2010 und 22. Januar 2011 hat der Senat mit Beschluss vom 20. Februar 2011 als unzulässig verworfen.
Der Senat hat ein orthopädisches Gutachten von Dr. B. vom 14. April 2011 eingeholt. Dem Sachverständigen standen dabei die Gutachten von Dr. S. und Dr. B. nicht zur Verfügung, da diese vorher vom Gericht aus den Akten entnommen worden sind. Dr. B. hat bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen diagnostiziert:
1. Ausgeprägte einsteifende Coxarthrose beidseits mit erheblicher funktionell stark behindernder Gelenkkontraktur im Sinne einer Beugekontraktur, Adduktionskontraktur und Aufhebung der Rotationsfähigkeit
2. Lokales und pseudoradikuläres degeneratives LWS- und HWS-Syndrom bei Osteochondrosen und Spondylarthrosen sowie Wirbelsäulenfehlstatik
3. Chronische Schmerzkrankheit im Chronifizierungsstadium III nach Gerbershagen mit erheblichen somatischen und psychischen Faktoren
4. Initiale Fingerpolyarthrose
5. Gelenkskontraktur rechte Schulter bei sekundärem Impingementsyndrom nach subkapitaler Humerusfraktur und Aussprengung des Tuberculum majus mit Omarthrose
6. Knick-Senkfuß mit Hallux valgus
Neu hinzugekommen seien ein Karpaltunnel-Syndrom rechts, ein Ganglion rechtes Handgelenk, ein chronischer Spannungskopfschmerz, ein myofascialer Gesichtsschmerz bei Kiefergelenksdysfunktion, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei depressiver und Anpassungsstörung, Angststörung sowie eine Meralgia paraesthetica rechts.
Die Klägerin könne nur noch leichte Arbeiten unter Wechselbelastung in geschlossenen Räumen weniger als 3 Stunden verrichten. Die Tätigkeit als Immobilienmaklerin sei nicht mehr in nennenswertem Umfang möglich. Die Klägerin könne nur noch geringfügige Wegstrecken von etwa 50-100 m ohne größere Probleme zurücklegen. Die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln sei nicht mehr möglich. Kurze Strecken könnten von der Klägerin mit einem Kfz bewältigt werden. Die Angabe, die Klägerin könne nicht mehr lange Autofahren, da sie nicht mehr lange sitzen könne, sei nachvollziehbar. Aufgrund der Verminderung der kognitiven Leistungsfähigkeit durch chronische Schmerzen leide auch die Reaktionsfähigkeit im Straßenverkehr. Die Umstellungsfähigkeit der Klägerin sei u.a. aufgrund der verminderten Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit herabgesetzt. Das Leistungsbild bestehe zumindest seit 2007.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 13. Juli 2011 ein Teilanerkenntnis abgegeben, worin sie am 14. April 2011 (Untersuchung durch Dr. B.) volle Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI annimmt und dementsprechend Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere unter der Anwendung der Regelungen über das Zusammentreffen von Renten und Einkommen nach den §§ 89 ff. SGB VI, 31 FRG bei Kostenübernahme dem Grunde nach zu 4/5 gewährt.
Ausweislich des Schreibens der Beklagten vom 4. August 2011 sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bei einem angenommenen Leistungsfall in der Zeit vom 13. Dezember 2004 bis 18. Juli 2011 erfüllt.
Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis der Beklagten nicht angenommen. Die chronisch erheblich progrediente beidseitige Coxarthrose und der Arthrose-Befall multipler Gelenke, das Asthma bronchiale, die multiplen Allergien und die psychische Störung bestünden bereits seit 2003. Es sei daher bereits Ende 2004 Antrag auf volle Erwerbsminderungsrente gestellt worden. Laut Dr. B. liege mindestens seit 2007 und keinesfalls erst seit Erstellung des Gutachtens am 14. April 2011 Erwerbsminderung vor. Es bestünde Bereitschaft, die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. Januar 2005 und eine volle Erwerbsminderungsrente ab dem 1. Januar 2007 zu akzeptieren.
Der Senat hat eine berufskundliche Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit vom 9. September 2011 zu Tätigkeiten von Bauingenieuren im Büro eingeholt. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2011 hierzu erklärt, sie gehe nach wie vor davon aus, dass es sich bei der Tätigkeit einer Bauingenieurin im Büro um eine angepasste Tätigkeit handele, die der Annahme eines Leistungsfalls der teilweisen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit entgegenstehe.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 27. Oktober 2009 sowie des Bescheids der Beklagten vom 10. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. März 2007 zu verurteilen, der Klägerin auf ihren Antrag vom 13. Dezember 2004 ab 1. Januar 2005 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und ab 1. Januar 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, soweit sie über das Teilanerkenntnis vom 13. Juli 2011 hinausgeht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der vom Senat beigezogenen Akten des SG sowie der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Der Klägerin steht - entsprechend dem Teilanerkenntnis der Beklagten - ausgehend von einem Leistungsfall am 14. April 2011 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab 1. Mai 2011 zu. Vor diesem Zeitpunkt ist volle Erwerbsminderung nach Auffassung des Senats nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen; die Berufung war insoweit zurückzuweisen. Ab 1. Januar 2005 hat die Klägerin jedoch Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß §§ 43 Abs. 1, 240 Abs. 1, 2 SGB VI.
Gem. § 43 Abs. 1, 2 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs bzw. drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gem. § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Entsprechend ihrem von der Klägerin nicht angenommenen Teilanerkenntnis war die Beklagte zu der Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab 1. Mai 2011 zu verurteilen. Die Berufung war jedoch zurückzuweisen, soweit die Klägerin die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung vor dem 1. Mai 2011 begehrt. Erst mit der Untersuchung durch Dr. B. am 14. April 2011 steht für den Senat mit der hinreichenden Sicherheit fest, dass bei der Klägerin das quantitative Leistungsvermögen auch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter 6 Stunden abgesunken ist. Vor diesem Zeitpunkt ist eine quantitative oder rentenrelevante qualitative Leistungseinschränkung für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht nachgewiesen.
Bei der Klägerin stehen Gesundheitsstörungen auf orthopädischem und nervenärztlichen Fachgebiet im Vordergrund. Nach den für den Senat und auch die Beklagte nachvollziehbaren Ausführungen von Dr. B. beruht das Absinken der quantitativen Leistungsfähigkeit der Klägerin auch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zum einen auf der massiven Einschränkung der Hüftfunktion in allen drei Ebenen des Raumes mit einer entsprechenden Fehlbelastung auch der unteren Wirbelsäule und verminderten Belastbarkeit der unteren Extremitäten. Dies bedingt erhebliche Beeinträchtigungen beim Aufstehen vom Sitzen, Gehen, Stehen und auch Sitzen selbst. Hinzu kommen Funktionseinschränkungen der rechten Schulter aufgrund einer erheblichen Einsteifung im Sinne eines kombinierten Impingement-Syndroms und einer Omarthrose nach Humeruskopffraktur sowie ein Karpaltunnel-Syndrom. Zum anderen stützt Dr. B. seine Bewertung auf die in seinem Gutachten eingehend beschriebenen massiven psychischen Auffälligkeiten mit Anpassungsstörung, Somatisierungstendenz sowie depressiver Entwicklung und globaler Angststörung. Diese psychischen Auffälligkeiten würden eine Teilhabe am Erwerbsleben kaum möglich erscheinen lassen.
Aufgrund der Ausführungen von Dr. B. steht auch für den erkennenden Senat fest, dass die Klägerin nur noch weniger als 3 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeiten verrichten kann. Dies resultiert aus der ungünstigen Kombination von überwiegend arthrosebedingten körperlichen und psychischen Einschränkungen. Der für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung erforderliche Vollbeweis für ein Absinken des quantitativen Leistungsvermögens ist aber erst ab dem Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. B. erbracht.
Der nicht näher begründeten Einschätzung von Dr. B., dass diese Einschränkungen auch bereits ab 2007 vorliegen, vermag der Senat nicht zu folgen. Dieser Einschätzung stehen die - Dr. B. aufgrund des ausdrücklichen Wunsches der Klägerin nicht zur Verfügung stehenden - Gutachten von Dr. B. und Dr. S. entgegen. Diese beiden erfahrenen Gerichtssachverständigen haben in ihren Gutachten vom September bzw. Oktober 2007 und in ihren ergänzenden Stellungnahmen vom Dezember 2007 bzw. Januar 2008 überzeugend dargelegt, dass sich aus der Auswertung der bis dahin vorliegenden Befundberichte und Gutachten sowie aufgrund ihrer eigenen Untersuchungen eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin nicht ableiten lässt.
Dr. S. stellte bei der Klägerin ein Mischbild aus statischen Folgen einer Coxarthrose mit unzureichender Streckbarkeit der Hüftgelenke fest. An- und Abspreizbewegungen sowie Drehbewegungen in beiden Hüftgelenken waren deutlich reduziert. Aufgrund der vermehrten lordotischen Einstellung der Lendenwirbelsäule kommt es nach seinen Ausführungen zu einer vermehrten lumbalen Muskelverspannung und einer vermehrten Belastung der kleinen Wirbelgelenke im Sinne eines lumbalen Facettensyndroms. Eine Wurzelirritation der Lendenwirbelsäule konnte er jedoch nicht feststellen. An den Handgelenken und Händen zeigten sich keine wesentlichen Funktionsstörungen, auch keine nennenswerten Muskelumfangsdifferenzen an den oberen Extremitäten. Die Schulterkulissen waren beidseits unauffällig mit seitengleich kräftiger Muskulatur. Den Bewegungsablauf der Klägerin für An- und Auskleiden hat Dr. S. als nur geringfügig verzögert beschrieben. Die Klägerin war auch in der Lage, über einen längeren Zeitraum (Erhebung der Anamnese über ca. 40 min) eine sitzende Position einzunehmen, ohne dass Ausweichbewegungen mit dem Oberkörper oder eine sitzbedingte Unruhe erkennbar gewesen seien. Die grob- und feinmotorischen Bewegungen waren nicht beeinträchtigt. Beim Betreten des Untersuchungszimmers mit 2 Unterarmgehstützen fiel dem Gerichtssachverständigen eine leichte Aggravationstendenz auf. Schwerpunktmäßig sah Dr. S. daher für den Senat nachvollziehbar nur qualitative Einschränkungen, insbesondere auch in Bezug auf die Wegefähigkeit, jedoch keine quantitativen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit der Klägerin.
Auch Dr. B. hat nachvollziehbar noch ein Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei der Klägerin gesehen. Dr. B. schilderte die Klägerin als bewusstseinsklar und hinsichtlich aller Qualitäten vollständig orientiert ohne formale oder inhaltliche Denkstörungen. Wachheit und Konzentrationsvermögen waren nicht nennenswert eingeschränkt, Hinweise auf kognitive Einbußen zeigten sich nicht. Die Stimmungslage war depressiv, einmal kam es zu einem kürzeren Weinausbruch. Die Klägerin war aber dann wieder bald in der Lage, sich zu kontrollieren. Dr. B. stufte die bei der Klägerin vorliegende Depression als leicht bis allenfalls mittelgradig ein und bezeichnete sie als Dysthymie. Er stellte in Übereinstimmung mit dem Vorgutachtern der Beklagten fest, dass die psychiatrischen Symptome gegenwärtig nicht sehr ausgeprägt seien. Es sei nachvollziehbar, dass die Klägerin unter Schmerzen leide, wenn auch nicht in dem von ihr dargebotenen Ausmaß.
Aufgrund der überzeugenden Gutachten von Dr. B. und Dr. S., die für den Senat nach rechtskräftiger Ablehnung der Befangenheitsanträge verwertbar sind, steht damit fest, dass die Klägerin jedenfalls im Oktober 2007 noch in der Lage war, mindestens sechs Stunden täglich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten.
Ein Rentenanspruch ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin unter den üblichen Bedingungen des für sie in Betracht kommenden allgemeinen Arbeitsmarktes keine Tätigkeit finden würde. Denn bei ihr liegen zu diesem Zeitpunkt weder ein nur eine Teilzeit erlaubendes Erwerbsvermögen noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, die ausnahmsweise die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich machen würde. Zwar lag laut Dr. B. und Dr. S. eine relevante Einschränkungen der Wegefähigkeit der Klägerin vor, da diese aufgrund der Hüfterkrankung nicht mehr in der Lage war, viermal täglich mehr als 500 m in weniger als 20 Min zurückzulegen. Nach den Feststellungen von Dr. B. und Dr. S. war die Klägerin aber zu diesem Zeitpunkt in der Lage, ein Kfz zu führen. Nach den Aussagen des Zeugen A. in der mündlichen Verhandlung vor dem SG stand der Klägerin auch ein Kfz zur Verfügung. Dies ist nach den Ausführungen von Dr. B. auch heute noch der Fall. Damit war die Klägerin in der Lage, einen Arbeitsplatz zu erreichen, so dass ihr der Arbeitsmarkt nicht versperrt war.
Seit der letzten Untersuchung durch einen Gerichtsachverständigen im Verfahren vor dem SG im Oktober 2007 hat sich der Gesundheitszustand der Klägerin schleichend verschlechtert. Dies gilt sowohl für die arthrotischen Veränderungen, denen die Klägerin nach wie vor nicht durch die medizinisch indizierte Einsetzung von Hüftgelenks-TEP entgegengetreten ist, als auch für die psychischen Alterationen. Erst zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. B. ist mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen, dass diese Verschlechterung ein rentenrelevantes Ausmaß angenommen hat. Auch aus den vom Senat beigezogenen Befundberichten, in denen die bekannten Gesundheitsstörungen der Klägerin geschildert werden, lässt sich eine augenfällige Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin nicht entnehmen. Die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung zu einem früheren Zeitpunkt kommt daher nicht in Betracht.
Der Klägerin steht nach Auffassung des Senats jedoch ab Antragstellung Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß §§ 43 Abs. 1, 240 Abs. 1, 2 SGB VI zu.
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben auch vor dem 2. Januar 1961 geborene Versicherte, die berufsunfähig sind (§ 240 Abs. 1 SGB VI).
Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden verrichten kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Ausgangspunkt für die Beurteilung des "vergleichbaren Versicherten" ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf". Dieser ergibt sich in der Regel aus der letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit in Deutschland. Es ist die Berufstätigkeit zugrunde zu legen, die bei im Wesentlichen ungeschwächter Arbeitskraft nicht nur vorübergehend eine nennenswerte Zeit ausgeübt wurde (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 130, 164). Dabei unterscheidet die Rechtsprechung nach dem sogenannten Vier-Stufen-Schema im Bereich der Angestellten die Leitberufe des Angestellten mit hoher beruflicher Qualität, Angestellte mit längerer Ausbildung, regelmäßig von 3 Jahren (Ausgebildete), Angestellte mit einer Ausbildung bis zu 2 Jahren (Angelernte) und Angestellte ohne Ausbildung (Ungelernte). Für versicherungspflichtige Selbstständige sind für die qualitative Einstufung die erforderliche Ausbildung, die besonderen Anforderungen der Tätigkeit und die sonstigen im Arbeits- und Berufsleben qualifizierenden Merkmale maßgeblich.
Zuletzt war die Klägerin versicherungspflichtig als selbständige Immobilienmaklerin tätig. Hierbei handelt es sich nach den Ausführungen des berufskundlichen Sachverständigen für das SG Berlin (zitiert in LSG Berlin, Urteil vom 9. Juni 2011, Az. L 3 R 169/09, in juris) um einen Beruf, für deren Ausübung es keiner Ausbildung bedarf, sondern nur einer Berufszulassung gemäß § 34 c Gewerbeordnung. Der Zugang zur Tätigkeit wird jedoch durch Aus- und Fortbildungen wie Immobilienkaufmann, Betriebswirt für Grundstücks- und Wohnungswesen oder Kaufmann der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft erleichtert. Bei der Tätigkeit als Immobilienmakler handelt es sich ausgehend von den auszuübenden Tätigkeiten sowie den als Zugang dienlichen Berufen um eine besonders hoch qualifizierte Tätigkeit. Auch die Klägerin hat einen Diplom-Abschluss im Bereich des Bauwesens sowie zusätzlich eine einjährige Fortbildung absolviert. Der Senat geht daher jedenfalls von dem Leitberuf des Angestellten mit längerer Ausbildung aus. Die Klägerin ist damit nur auf Tätigkeiten derselben Stufe oder der von Angelernten verweisbar.
Die Beklagte hat als Verweisungstätigkeit ausschließlich die von der Klägerin erlernte und hochqualifizierte Tätigkeit als Bauingenieurin benannt, wobei unzweifelhaft feststeht, dass die Klägerin aufgrund ihrer Gehbehinderung im Wesentlichen nur noch Tätigkeiten im Büro ausüben kann. Ein Einsatz auf Baustellen scheidet ersichtlich aus. Nach den Ausführungen des in diesem Verfahren vom Senat beauftragten berufskundlichen Sachverständigen planen und berechnen Bauingenieure Bauwerke im Hoch- und Tiefbau sowie Verkehrs- oder Versorgungsanlagen. Hinzu kommen Bereiche wie Bauleitung, Materialprüfung, Begutachtung oder Instandhaltung sowie Projektsteuerung. Arbeitsplätze finden sich in Architektur- und Ingenieurbüros, Betrieben des Hoch- und Tiefbaus, in der Immobilienwirtschaft, im öffentlichen Dienst, in der Baustoffindustrie, bei Instituten, Hochschulen, Berufsverbänden, Verlagen und Versicherungen. Es gibt dabei eine hinreichende Anzahl von Stellen für Bauingenieure, die nur im Büro tätig werden. Die Tätigkeiten finden überwiegend in sitzender Haltung an Bildschirmarbeitsplätzen statt. Vereinzelt gibt es noch Konstruktionsbüros, die an großen Zeichentischen teilweise im Stehen arbeiteten. Kooperation und Kommunikation im Team sind sehr wichtig. Von Bauingenieuren wird ein hohes Maß an zeitlicher Flexibilität verlangt. Gerade wenn Fertigstellungstermine drängen oder Fristen für Ausschreibungen eingehalten werden müssen, arbeiten sie unter Zeitdruck. Die Einhaltung bautechnischer und sicherheitstechnischer Maßgaben (Verantwortung für Personen und Sachwerte) im Zusammenhang mit Zeit- und Kostendruck erfordern die Fähigkeit, teilweise unter hohem Druck konzentriert arbeiten zu können. Darüber hinaus sind Kommunikationskompetenz und Verhandlungsgeschick im Rahmen von Teamarbeit und Gesprächsführung mit Bauherrn und Auftragnehmern gefordert. Als gesundheitliche Leistungseinschränkungen, die einer Tätigkeit als Bauingenieur im Büro entgegenstehen, wurden vom Sachverständigen genannt die Gehbehinderung bzw. Rollstuhlnutzung, Rückenbeschwerden bzw. Bewegungseinschränkungen durch dauerhafte Sitz- oder auch Stehtätigkeit, Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten, Sinnesbeeinträchtigungen
sowie psychische Beeinträchtigungen aufgrund des Umstands, dass Tätigkeiten eines Bauingenieurs im Büro unter Zeitdruck und Stressbedingungen ausgeübt werden müssen.
Der Senat ist davon überzeugt, dass die Klägerin seit Antragstellung diesen Anforderungen nicht mehr gerecht geworden ist. Bereits der von der Beklagten beauftragte Sachverständige Dr. H. hat Zeitdruckarbeiten für nicht mehr zumutbar erachtet. Diese sind jedoch mit Tätigkeiten als Bauingenieur typischerweise verbunden. Dr. P. hat darüber hinaus festgestellt, dass die Klägerin Arbeiten nur noch im Wechselrhythmus verrichten könne. Bauingenieure verrichten ihre Tätigkeiten jedoch ganz überwiegend im Sitzen oder - in einzelnen Konstruktionsbüros - überwiegend im Stehen. Schon bei der Begutachtung durch die Beklagte war die Klägerin aufgrund der bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen also nicht in der Lage, die von der Beklagten benannte Tätigkeit als Bauingenieurin zu verrichten.
Für den Senat steht auch fest, dass die Klägerin ab Antragstellung auch nicht mehr in der Lage war, die zuletzt verrichtete Tätigkeit als Immobilienmaklerin zu verrichten. Dies ergibt sich aus den Ausführungen von Dr. S., der in Kenntnis des berufskundlichen Anforderungsprofils dieser Tätigkeit ausgeführt hat, dass die Klägerin zu dieser Tätigkeit nicht mehr in der Lage sei. Wie Dr. S. zutreffend dargelegt hat, setzt der Beruf der Immobilienmaklerin eine gewisse Mobilität voraus. Es müssen häufig Autofahrten mit Ein- und Aussteigen unternommen werden. Die Annahme von Aufträgen erfordert die Besichtigung und das Ausmessen von unbebauten Grundstücken. Bei Wohnungsvermittlungen müssen Objekte, ggf. auch ohne Aufzug, besichtigt und Grundflächen ausgemessen werden, gelegentlich auch Spitzböden. Die für diese Tätigkeit erforderliche Mobilität war bei der Klägerin nicht mehr vorhanden. Dies entspricht auch der Einschätzung des Gutachters Dr. P. im Widerspruchsverfahren.
Da die Klägerin bereits seit Antragstellung nicht mehr in der Lage ist, ihren Hauptberuf sowie den von der Beklagten benannten Verweisungsberuf zu verrichten, steht ihr Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu. Der Senat geht dabei davon aus, dass bereits im Zeitpunkt der Rentenantragstellung eine Behebung der Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin unwahrscheinlich war. Dies entspricht auch der Einschätzung von Dr. S ... Dr. P. hat zwar in seinem Gutachten vom 18. Dezember 2006 ausgeführt, eine Befundbesserung sei durch operative Maßnahmen möglich. Er begrenzte deshalb das eingeschränkte Leistungsvermögen der Klägerin für Tätigkeiten als Immobilienmaklerin auf den Zeitraum Dezember 2006 bis Ende 2008. Dies überzeugt jedoch deshalb nicht, weil die Implantierung einer Hüftgelenks-TEP keine duldungspflichtige Operation ist und die Klägerin von Anfang an klargestellt hatte, dass ein Hüftgelenkersatz für sie nicht in Betracht kommt. Damit ist die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit unbefristet entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren (§ 102 Abs. 2 S. 5 SGB VI). Der Senat folgt bezüglich des Eintritts des Leistungsfalls den Ausführung von Dr. S., wonach das Leistungsbild seit Rentenantrag (13. Dezember 2004) besteht. Rentenbeginn ist damit der 1. Januar 2005 (§ 99 Abs. 1 S. 1 SGB VI).
Die Kostenentscheidung (§§ 183,193 SGG) berücksichtigt, dass die Klägerin im Berufungsverfahren teilweise erfolgreich war.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
des Urteils des Sozialgerichts München vom 27. Oktober 2009 sowie des Bescheids der Beklagten vom 10. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. März 2007 verurteilt, der Klägerin aufgrund ihres Anerkenntnisses vom 13. Juli 2011 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab 1. Mai 2011 sowie Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Dauer ab 1. Januar 2005 entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu
zahlen.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat 5/6 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1952 in der ehemaligen CSSR geborene Klägerin ist als Vertriebene anerkannt (Ausweis A) und hat ihren ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet seit 3. April 1985. Die Klägerin hat in der ehemaligen Tschechoslowakei am 17. Juni 1971 nach vierjährigem Studium die Abschlussprüfung der mittleren Gewerbeschule für Bauwesen im Fach Transportbauten erfolgreich abgelegt. Ihr wurde vom Bayerischen Staatsminister für Unterricht und Kultus am 17. Februar 1986 die Bezeichnung Diplom-Ingenieur (FH) verliehen. Die Klägerin war von September 1971 bis Dezember 1984 in der ehemaligen CSSR als Baukalkulatorin/-konstrukteurin und Projektantin beschäftigt und hierbei von November 1972 bis August 1974 in einem knappschaftlichen Betrieb. Nach Zeiten der Vertreibung/Flucht vom 3. April 1985 bis 13. März 1988 war die Klägerin von März bis Juni 1989 und von September 1991 bis Dezember 1995 als Angestellte in einem Architekturbüro versicherungspflichtig beschäftigt. In den daran anschließenden Zeiten der Arbeitslosigkeit nahm sie an einer von der Arbeitsverwaltung finanzierten Maßnahme der beruflichen Weiterbildung zur Fachfrau für Gebäudebewirtschaftung mit Erfolg teil. Die Ausbildung fand zunächst vom 17. November 1997 bis 23. Oktober 1998 statt. Nach krankheitsbedingter Unterbrechung begann die Klägerin am 30. November 1998 erneut mit der Weiterbildungsmaßnahme und schloss sie am 26. November 1999 ab. Im Anschluss daran war sie von März 2000 bis Dezember 2004 als pflichtversicherte selbstständige Maklerin tätig. Seit Januar 2005 ist die Klägerin arbeitslos.
Die Klägerin nahm vom 9. bis 30. April 2003 an einer Maßnahme zur stationären Rehabilitation in der Fachklinik E. teil. Hier wurden eine Coxarthrose rechts und eine initiale Coxarthrose links sowie ein pseudoradikuläres lumbales Schmerzsyndrom bei Bandscheibenprolaps und Osteochondrose L 4/5 festgestellt. Sie wurde als leistungsfähig für Tätigkeiten als Immobilienmaklerin sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden und mehr entlassen.
Mit Antrag vom 13. Dezember 2004 begehrte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminde-rung von der Beklagten. Zur Begründung verwies sie auf Gesundheitsstörungen an der Wirbelsäule (Wurzelreizsyndrom bei Bandscheibenvorfall), eine Coxarthrose beidseits, Osteoporose, Arthrose an Oberarmen und Daumen rechts sowie Depressionen.
Die Beklagte holte ein psychiatrisches Gutachten von Dr. H. vom 6. Juni 2005 und ein chirurgisches Gutachten von Dr. P. vom 10. Juni 2005 ein.
Dr. H. diagnostizierte bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung, eine Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik, einen Zustand nach Bandscheibenprolaps L 4/5 mit rezidivierenden Lumboischialgien sowie eine Coxarthrose. Die Klägerin könne noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und als Immobilienmaklerin über 6 Stunden täglich leichte Tätigkeiten ohne Schichtarbeit, Zeitdruck sowie Zwangshaltungen verrichten. Dr. P. stellte darüber hinaus eine geringe Fehlhaltung der Wirbelsäule und degenerative Veränderungen an der Halswirbelsäule mit Schmerzsymptomatik und geringer Funktionseinschränkung, degenerative Veränderungen an der Brust- und Lendenwirbelsäule bei zusätzlichem Bandscheibenvorfall LW 4/5 mit Schmerzsymptomatik und rezidivierender Wurzelirritation, eine Schulterarthralgie rechts nach früherer Humeruskopffraktur (operativ versorgt) sowie Fingergelenksarthrosen fest. Auch er bescheinigte der Klägerin noch ein Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr für leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus, betont im Sitzen, ohne häufiges Klettern, Steigen oder Bücken, ohne Schichtarbeit und ohne Zeitdruck. Auch als Immobilienmaklerin bestehe eine über sechsstündige Leistungsfähigkeit.
Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag mit angefochtenem Bescheid vom 10. August 2005 ab. Die Klägerin sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt etwa als Pförtnerin, Telefonistin, Vervielfältigerin sowie als selbstständige Maklerin mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und legte zur Begründung ein Attest des behandelnden Allgemeinmediziners Dr. W. vor, wonach die Summe der Erkrankungen, deren Ausprägung und Wirkung im psychischen und somatischen Bereich volle Erwerbsminderung bedingten. Übersandt wurde auch ein Entlassungsbericht der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie am H. vom 19. Oktober 2005 über eine Maßnahme der stationären Rehabilitation vom 22. September 2005 bis 19. Oktober 2005. Hierin wurde neben den bereits vorgenannten Gesundheitsstörungen auch eine mittelgradige depressive Episode mit somatischem Syndrom diagnostiziert. Als Immobilienmaklerin sei die Klägerin auch nach Abklingen der depressiven Symptomatik wegen der eingeschränkten körperlichen Belastbarkeit und der herabgesetzten Stressbelastbarkeit nur noch unter 3 Stunden täglich einsetzbar. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe hingegen noch eine Belastbarkeit für mehr als 6 Stunden am Tag für leichte körperliche Tätigkeiten.
Die Beklagte holte daraufhin nach Beiziehung weiterer Befundberichte ein weiteres neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. B. vom 15. Mai 2006 ein. Dr. B. stellte eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine länger andauernde depressive Störung sowie derzeit keine Hinweise für eine akute radikuläre Symptomatik bei degenerativen Veränderungen im Bereich der HWS und LWS mit einem Bandscheibenvorfall in Höhe LWK 4/5 fest. Die Sachverständige kam zu dem Ergebnis, die Klägerin könne noch als Immobilienmaklerin sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr Arbeiten verrichten.
Die Klägerin übersandte daraufhin einen Entlassungsbericht des orthopädisch-schmerz-therapeutisch ausgerichteten Krankenhauses L. vom 31. Juli 2006. Hier wurde von einer stark schmerzgeplagten Patientin mit watschelndem Gangbild und Schonhaltung der rechten Seite berichtet, der differenzierte Gangarten nicht gelangen. Bei massiver Schmerzhaftigkeit beider Hüften sei eine invasive Schmerztherapie durchgeführt worden, die zu einer deutlichen Besserung des Krankheitsbildes geführt habe. Die Klägerin sei mittels Unterarmgehstützen mobilisiert worden.
Die Beklagte beauftragte daraufhin den Chirurgen Dr. P. mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens. Der Sachverständige stellte am 3. Januar 2007 bei der Klägerin neben der Coxarthrose rechts mehr als links und der Fehlhaltung der Wirbelsäule mit degenerativen Veränderungen eine Omarthrose rechts nach früherer Humeroskopffraktur (operativ versorgt) fest. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus, betont im Sitzen, über 6 Stunden täglich verrichten. Klettern oder Steigen, häufiges Bücken, Schichtarbeit und Zeitdruck seien zu vermeiden. Die Tätigkeit als Immobilienmaklerin sei nur noch 3 bis unter 6 Stunden zumutbar.
Der Widerspruch wurde daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2007 zurückgewiesen. Die Klägerin sei noch in der Lage, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie Tätigkeiten als Diplomingenieurin in der Fachrichtung Bauingenieurwesen wie zum Beispiel als Planungs-, Entwicklungs-, Berechnungs- und Konstruktionsingenieurin bei Bauunternehmen, Ingenieurbüros und dem öffentlichen Dienst mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten.
Zur Begründung der hiergegen zum Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin darauf verwiesen, sie sei nicht in der Lage, mehrere Meter ohne Gehhilfe zu gehen oder länger als 2 Stunden zu sitzen. Manchmal sei Sitzen überhaupt nicht möglich. Alle Bewegungen seien nur unter Schmerzmitteleinnahme durchführbar. Die subjektiven Beurteilungen der begutachtenden Ärzte stünden im Widerspruch zu den gestellten Diagnosen.
Das SG hat Befundberichte des Orthopäden Dr. S. und der Ärztin und Psychotherapeutin Dr. S. beigezogen. Es hat gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz - SGG - Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Dr. B. vom 13. September 2007 und eines orthopädischen Gutachtens vom 4. Oktober 2007 von Dr. S ...
Dr. B. hat bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen diagnostiziert (Untersuchung am 11. September 2007):
1. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung
2. Dysthymie
3. Lendenwirbelsäulenwurzelreizsyndrom
4. Ohrgeräusche links
5. Degenerative Veränderungen an den Hüftgelenken und anderen Gelenken
6. Allergische Disposition.
Die Klägerin sei in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Arbeiten vorwiegend im Sitzen 6 Stunden täglich mit den arbeitsüblichen Unterbrechungen zu verrichten. Stresshafte Arbeitsbedingungen wie Akkord- oder Schichtarbeit und Arbeiten, die mit Absturzgefahr verbunden seien, sowie Tätigkeiten unter Lärmexposition könnten nicht mehr abverlangt werden. Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte bestünden aus rein neurologischer Sicht nicht. Die Tätigkeit als selbstständige Immobilienmaklerin sei zumutbar.
Dr. S. hat bei der Klägerin folgende Diagnosen gestellt (Untersuchung am 2. Oktober 2007):
1. Fortgeschrittene, aktivierte Coxarthrosen beidseits mit deutlich ausgeprägter schmerzhafter Funktionseinschränkung mit Ruhe- und Belastungsschmerz
2. Chronisches lumbales Facettensyndrom bei radiologisch nachweisbarer Bandscheibenerniedrigung L 4/5, Spondylarthrosen an den kleinen Wirbelgelenken und kernspintomographisch nachweisbarem Bandscheibenvorfall ohne klinisches Korrelat mit mäßiger Funktionsstörung
3. Ossäres Impingementsyndrom rechte Schulter mit beginnender Omarthrose mit deutlicher Funktionsstörung der rechten Schulter
4. Beginnende Kniegelenksarthrosen, derzeit ohne klinische Funktionsstörung
5. Somatoforme Schmerzstörung.
Die Klägerin sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten in Wechselpositionen, jedoch überwiegend im Sitzen, in geschlossenen Räumen 6 bis unter 8 Stunden täglich zu verrichten. Besondere Unterbrechungen seien nicht erforderlich, die Möglichkeit eines Positionswechsels sollte allerdings gegeben sein. Das Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken, Arbeiten an Maschinen und am Fließband seien nicht zumutbar. Die Tätigkeit als Immobilienmaklerin könne von der Klägerin nicht verrichtet werden. Ein Anmarschweg von 500 m innerhalb von 30 min zweimal täglich sei derzeit nicht möglich. Die Klägerin könne ein öffentliches Verkehrsmittel benutzen. Sie sei auch in der Lage, mit ihren Gesundheitsstörungen für kurze Strecken ein Kfz ohne Hilfseinrichtungen zu fahren.
Die Klägerin hat mitgeteilt, sie besitze einen Führerschein. Der vorhandene PKW werde aber ausschließlich vom Ehemann genutzt. Darüberhinaus hat sie mit Schreiben vom 17. November 2007 geltend gemacht, das Gutachten von Dr. B. sei unbrauchbar. Es basiere nicht auf eigenen Feststellungen und Befunden, sondern vorwiegend auf den Vorgutachten. Dr. B. hätte diese Vorgutachten nicht zur Kenntnis bekommen dürfen. Es sei daher nicht verwunderlich, dass Dr. B. befangen gewesen sei. Das Gutachten enthalte falsche Daten (zum Beispiel falsches Geburtsdatum), unkorrekte Angaben (zum Beispiel Ohrgeräusche anstatt Tinnitus links), verwende mehrfach das Wort "angeblich", was die Aussagekraft des Gutachtens manipulativ in eine bestimmte Richtung dränge. Auch die Verwendung des Wortes Klägerin zeuge von dessen konträrer Haltung gegenüber der Patientin. Der Befund sei größtenteils nicht belegt und beinhalte vorwiegend widersprüchliche Aussagen sowie unverhältnismäßige Generalisierungen (z.B. sei die Behauptung, die Klägerin habe von der Persönlichkeitsstruktur infantil-histrionische Züge geboten, nicht belegt und stehe im Widerspruch zu der Behauptung, die Klägerin habe einen etwas passiven Eindruck hinterlassen mit wohl gemindertem Antrieb).
Die Beklagte hat in ihrer Stellungnahme hierzu erklärt, die Beurteilung von Dr. S. in Bezug auf die qualitativen Leistungseinschränkungen und die Einschränkung der Wegefähigkeit sei zutreffend. Diese Einschränkungen bestünden seit Rentenantragstellung. Eine Besserung sei nur zu erwarten, wenn ein Hüftgelenkersatz erfolge. Es sei aber zu klären, wie viel Meter die jeweils zumutbare Gehstrecke für die Klägerin betrage (viermal täglich) und wie lange ein Pkw von der Klägerin zweimal täglich gefahren werden könne.
Auf Nachfrage hat die Klägerin mitgeteilt, ihr Schreiben vom 17. November 2007 sei als Befangenheitsantrag gegenüber Dr. B. anzusehen. Sie hat zugleich einen Befangenheitsantrag gegenüber Dr. S. übersandt. Die sozialepikritische Zusammenfassung sei von subjektiv einseitigen Äußerungen geprägt, die in keiner Weise belegt seien. Aussagen wie "Eine Aggravationstendenz sei nicht zu übersehen" seien rein subjektive und fehlgedeutete Interpretationen, die einerseits im Widerspruch zu den fachmedizinisch festgestellten Symptomen stünden und andererseits ohne weitere Belege geäußert würden. Woher Dr. S. einige seiner Resultate hernehme, sei äußerst fraglich. Einige der beschriebenen Tests seien nicht durchgeführt worden. Sämtliche Vorbefunde würden ohne nähere Belege bagatellisiert, die körperlichen Beeinträchtigungen und Beschwerden verharmlost. So könne aus dem Umstand, die Klägerin sei während der Anamneseerhebung 40 Minuten gesessen (dies sei nur unter Schmerzen und unter Schmerzmedikation möglich gewesen), nicht geschlossen werden, aufgrund der nicht erkennbaren sitzbedingten Unruhe sei eine Tätigkeit von 6 bis 8 Stunden zumutbar. Ein Befundbericht von Dr. S. ist vorgelegt worden.
Dr. B. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 18. Januar 2008 ausgeführt, es sei versehentlich ein falscher Geburtsmonat verzeichnet worden. Der Begriff "histrionische Züge" sei in tiefenpsychologischem Sinn zu verstehen. Eine moralische Wertung sei damit nicht verbunden. Die von ihm erhobenen psychopathologischen Befunde wichen im Wesentlichen nicht erheblich von den Feststellungen der Vorgutachter ab. Dr. S. hat unter dem 28. Januar 2008 mitgeteilt, der Befangenheitsantrag sei nicht nachvollziehbar, die Unparteilichkeit sei gewahrt gewesen. Die auffallende Schonung des rechten Armes ergebe sich aus dem festgestellten schmerzhaften Bogen zwischen dem 70. Grad und dem 120. Grad. Auch war das Impingementzeichen rechts positiv bei röntgenologisch erkennbaren Kalkeinlagerungen und einem Hochstand des Oberarmkopfes. Diese Funktionsstörung lasse sich klinisch und radiologisch nachweisen. Bei einer Aggravation handele es sich nicht um eine bewusste Falschaussage, sondern diese könne Ausdruck des Bemühens sein, dem fremden Untersucher die eigenen Beschwerden möglichst eindrücklich zu vermitteln. Hierzu hat die Klägerin erneut ausführlich Stellung genommen. Die Aussagen von Dr. S. stünden im Widerspruch zu den Befunden der bildgebenden Verfahren. Vorhandene Diagnosen würden unbegründet degradiert, da sie angeblich gutachterlich nicht relevant seien. Bestimmte Testungen seien nicht durchgeführt worden wie zum Beispiel der Nystagmus-Schwindel-Test. Außerdem werde nicht beachtet, dass der Klägerin körperliche Bewegungen nur unter starken Schmerzmitteln möglich seien. Auch die Untersuchung sei unter starken Schmerzmitteln durchgeführt worden. Die Testbefunde sowie deren Interpretation seien damit unbrauchbar.
Das SG hat die Befangenheitsanträge gegen die Gutachter Dr. B. und Dr. S. mit Beschluss vom 2. Juli 2008 als verspätet abgelehnt. Die hiergegen zum Bayerischen Landessozialgericht erhobene Beschwerde ist mit Beschluss vom 29. September 2008 zurückgewiesen worden. Es könne dahingestellt bleiben, ob bei der Ablehnung Anträge fristgerecht gestellt worden seien. Die Anträge seien jedenfalls unbegründet. Die von der Klägerin vorgetragenen Gründe könnten die Ablehnung der Sachverständigen Dr. B. und Dr. S. wegen Besorgnis der Befangenheit nicht rechtfertigen. Gegen diesen Beschluss erhob die Klägerin mit Schreiben vom 20. Oktober 2008 Einwendungen. Das Bayerische Landessozialgericht hat dies als Anhörungsrüge gewertet und die Anhörungsrüge mit Beschluss vom 1. September 2009 zurückgewiesen. Hierzu hat die Klägerin erklärt, der Beschluss über die Anhörungsrüge sei als nichtig zu betrachten, da sie zu keinem Zeitpunkt eine Anhörungsrüge eingereicht habe.
In der mündlichen Verhandlung am 27. Oktober 2009 hat der uneidlich als Zeuge einvernommene Ehemann der Klägerin erklärt, er sei seit 3 Jahren in Rente. Sie besäßen zwei Autos. Seine Frau fahre, wenn sie ärztliche Termine habe, im Umkreis von 5 bis 10 km zu den Praxen. Mit Urteil vom gleichen Tag hat das SG die Klage abgewiesen. Nach den Gutachten von Dr. B. und Dr. S. sei das Leistungsvermögen der Klägerin quantitativ nicht eingeschränkt. Die Gutachten seien verwertbar, da die Befangenheitsanträge rechtskräftig zurückgewiesen worden seien. Der Arbeitsmarkt sei für die Klägerin trotz der eingeschränkten Wegefähigkeit nicht verschlossen, da sie einen Führerschein und ein privates Kfz besitze. Deren Nutzung stünden medizinische Gründe nicht entgegen. Der Klägerin stehe auch keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu. Maßgeblicher Hauptberuf sei die Tätigkeit als selbstständige Immobilienmaklerin. Diese Tätigkeit könne sie zwar nicht mehr ausüben. Sie könne jedoch auf die Tätigkeit einer Bauingenieurin im Büro verwiesen werden.
Mit der hiergegen erhobenen Berufung hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Die Gutachten von Dr. B. und Dr. S. seien aufgrund Befangenheit nicht verwertbar. Das Landessozialgericht habe die Befangenheitsanträge mit haltloser und unzulänglicher Begründung abgewiesen. Eine bloße Mitteilung sei unsachgerecht und widerrechtlich als Anhörungsrüge ausgelegt worden. Ihre Gesundheitsstörungen seien so gravierend, dass weder das Gehen von einigen Metern noch ein längeres Sitzen bewältigbar seien. Aufgrund der Einnahme starker Schmerzmittel sei sie aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht in der Lage, ein Fahrzeug zu bedienen.
Eine vom Senat angeforderte Einverständniserklärung zur Offenbarung personenbezogener Daten und Entbindung der behandelnden Ärzte von der ärztlichen Schweigepflicht wurde von der Klägerin nicht unterzeichnet. Für jede benötigte Einholung der ärztlichen Unterlagen würde eine Einwilligung jeweils gesondert erteilt werden. Eine General-Entbindung der Ärzte von der Schweigepflicht werde nicht erteilt.
Auf Anfrage entband sie daraufhin die behandelnden Ärzte Dr. D. und Dr. C. von der ärztlichen Schweigepflicht. Mit einer erneuten Begutachtung sei sie nur einverstanden, wenn der vom Gericht ernannte Gutachter keine Einsicht in die Gerichtsunterlagen erhalte und auch keine Einsicht in andere medizinische Unterlagen, außer die von Dr. D. und Dr. C ... Nur dadurch könne eine gewisse Objektivität des neuen Gutachters gewährleistet werden. Der Senat hat daraufhin Befundberichte von Dr. D. und Dr. C. eingeholt.
Neuerliche Anträge der Klägerin auf Ablehnung der Gutachter Dr. B. und Dr. S. wegen der Besorgnis der Befangenheit vom 14. Dezember 2010 und 22. Januar 2011 hat der Senat mit Beschluss vom 20. Februar 2011 als unzulässig verworfen.
Der Senat hat ein orthopädisches Gutachten von Dr. B. vom 14. April 2011 eingeholt. Dem Sachverständigen standen dabei die Gutachten von Dr. S. und Dr. B. nicht zur Verfügung, da diese vorher vom Gericht aus den Akten entnommen worden sind. Dr. B. hat bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen diagnostiziert:
1. Ausgeprägte einsteifende Coxarthrose beidseits mit erheblicher funktionell stark behindernder Gelenkkontraktur im Sinne einer Beugekontraktur, Adduktionskontraktur und Aufhebung der Rotationsfähigkeit
2. Lokales und pseudoradikuläres degeneratives LWS- und HWS-Syndrom bei Osteochondrosen und Spondylarthrosen sowie Wirbelsäulenfehlstatik
3. Chronische Schmerzkrankheit im Chronifizierungsstadium III nach Gerbershagen mit erheblichen somatischen und psychischen Faktoren
4. Initiale Fingerpolyarthrose
5. Gelenkskontraktur rechte Schulter bei sekundärem Impingementsyndrom nach subkapitaler Humerusfraktur und Aussprengung des Tuberculum majus mit Omarthrose
6. Knick-Senkfuß mit Hallux valgus
Neu hinzugekommen seien ein Karpaltunnel-Syndrom rechts, ein Ganglion rechtes Handgelenk, ein chronischer Spannungskopfschmerz, ein myofascialer Gesichtsschmerz bei Kiefergelenksdysfunktion, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei depressiver und Anpassungsstörung, Angststörung sowie eine Meralgia paraesthetica rechts.
Die Klägerin könne nur noch leichte Arbeiten unter Wechselbelastung in geschlossenen Räumen weniger als 3 Stunden verrichten. Die Tätigkeit als Immobilienmaklerin sei nicht mehr in nennenswertem Umfang möglich. Die Klägerin könne nur noch geringfügige Wegstrecken von etwa 50-100 m ohne größere Probleme zurücklegen. Die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln sei nicht mehr möglich. Kurze Strecken könnten von der Klägerin mit einem Kfz bewältigt werden. Die Angabe, die Klägerin könne nicht mehr lange Autofahren, da sie nicht mehr lange sitzen könne, sei nachvollziehbar. Aufgrund der Verminderung der kognitiven Leistungsfähigkeit durch chronische Schmerzen leide auch die Reaktionsfähigkeit im Straßenverkehr. Die Umstellungsfähigkeit der Klägerin sei u.a. aufgrund der verminderten Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit herabgesetzt. Das Leistungsbild bestehe zumindest seit 2007.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 13. Juli 2011 ein Teilanerkenntnis abgegeben, worin sie am 14. April 2011 (Untersuchung durch Dr. B.) volle Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI annimmt und dementsprechend Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere unter der Anwendung der Regelungen über das Zusammentreffen von Renten und Einkommen nach den §§ 89 ff. SGB VI, 31 FRG bei Kostenübernahme dem Grunde nach zu 4/5 gewährt.
Ausweislich des Schreibens der Beklagten vom 4. August 2011 sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bei einem angenommenen Leistungsfall in der Zeit vom 13. Dezember 2004 bis 18. Juli 2011 erfüllt.
Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis der Beklagten nicht angenommen. Die chronisch erheblich progrediente beidseitige Coxarthrose und der Arthrose-Befall multipler Gelenke, das Asthma bronchiale, die multiplen Allergien und die psychische Störung bestünden bereits seit 2003. Es sei daher bereits Ende 2004 Antrag auf volle Erwerbsminderungsrente gestellt worden. Laut Dr. B. liege mindestens seit 2007 und keinesfalls erst seit Erstellung des Gutachtens am 14. April 2011 Erwerbsminderung vor. Es bestünde Bereitschaft, die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. Januar 2005 und eine volle Erwerbsminderungsrente ab dem 1. Januar 2007 zu akzeptieren.
Der Senat hat eine berufskundliche Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit vom 9. September 2011 zu Tätigkeiten von Bauingenieuren im Büro eingeholt. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2011 hierzu erklärt, sie gehe nach wie vor davon aus, dass es sich bei der Tätigkeit einer Bauingenieurin im Büro um eine angepasste Tätigkeit handele, die der Annahme eines Leistungsfalls der teilweisen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit entgegenstehe.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 27. Oktober 2009 sowie des Bescheids der Beklagten vom 10. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. März 2007 zu verurteilen, der Klägerin auf ihren Antrag vom 13. Dezember 2004 ab 1. Januar 2005 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und ab 1. Januar 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, soweit sie über das Teilanerkenntnis vom 13. Juli 2011 hinausgeht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der vom Senat beigezogenen Akten des SG sowie der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Der Klägerin steht - entsprechend dem Teilanerkenntnis der Beklagten - ausgehend von einem Leistungsfall am 14. April 2011 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab 1. Mai 2011 zu. Vor diesem Zeitpunkt ist volle Erwerbsminderung nach Auffassung des Senats nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen; die Berufung war insoweit zurückzuweisen. Ab 1. Januar 2005 hat die Klägerin jedoch Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß §§ 43 Abs. 1, 240 Abs. 1, 2 SGB VI.
Gem. § 43 Abs. 1, 2 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs bzw. drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gem. § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Entsprechend ihrem von der Klägerin nicht angenommenen Teilanerkenntnis war die Beklagte zu der Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab 1. Mai 2011 zu verurteilen. Die Berufung war jedoch zurückzuweisen, soweit die Klägerin die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung vor dem 1. Mai 2011 begehrt. Erst mit der Untersuchung durch Dr. B. am 14. April 2011 steht für den Senat mit der hinreichenden Sicherheit fest, dass bei der Klägerin das quantitative Leistungsvermögen auch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter 6 Stunden abgesunken ist. Vor diesem Zeitpunkt ist eine quantitative oder rentenrelevante qualitative Leistungseinschränkung für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht nachgewiesen.
Bei der Klägerin stehen Gesundheitsstörungen auf orthopädischem und nervenärztlichen Fachgebiet im Vordergrund. Nach den für den Senat und auch die Beklagte nachvollziehbaren Ausführungen von Dr. B. beruht das Absinken der quantitativen Leistungsfähigkeit der Klägerin auch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zum einen auf der massiven Einschränkung der Hüftfunktion in allen drei Ebenen des Raumes mit einer entsprechenden Fehlbelastung auch der unteren Wirbelsäule und verminderten Belastbarkeit der unteren Extremitäten. Dies bedingt erhebliche Beeinträchtigungen beim Aufstehen vom Sitzen, Gehen, Stehen und auch Sitzen selbst. Hinzu kommen Funktionseinschränkungen der rechten Schulter aufgrund einer erheblichen Einsteifung im Sinne eines kombinierten Impingement-Syndroms und einer Omarthrose nach Humeruskopffraktur sowie ein Karpaltunnel-Syndrom. Zum anderen stützt Dr. B. seine Bewertung auf die in seinem Gutachten eingehend beschriebenen massiven psychischen Auffälligkeiten mit Anpassungsstörung, Somatisierungstendenz sowie depressiver Entwicklung und globaler Angststörung. Diese psychischen Auffälligkeiten würden eine Teilhabe am Erwerbsleben kaum möglich erscheinen lassen.
Aufgrund der Ausführungen von Dr. B. steht auch für den erkennenden Senat fest, dass die Klägerin nur noch weniger als 3 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeiten verrichten kann. Dies resultiert aus der ungünstigen Kombination von überwiegend arthrosebedingten körperlichen und psychischen Einschränkungen. Der für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung erforderliche Vollbeweis für ein Absinken des quantitativen Leistungsvermögens ist aber erst ab dem Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. B. erbracht.
Der nicht näher begründeten Einschätzung von Dr. B., dass diese Einschränkungen auch bereits ab 2007 vorliegen, vermag der Senat nicht zu folgen. Dieser Einschätzung stehen die - Dr. B. aufgrund des ausdrücklichen Wunsches der Klägerin nicht zur Verfügung stehenden - Gutachten von Dr. B. und Dr. S. entgegen. Diese beiden erfahrenen Gerichtssachverständigen haben in ihren Gutachten vom September bzw. Oktober 2007 und in ihren ergänzenden Stellungnahmen vom Dezember 2007 bzw. Januar 2008 überzeugend dargelegt, dass sich aus der Auswertung der bis dahin vorliegenden Befundberichte und Gutachten sowie aufgrund ihrer eigenen Untersuchungen eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin nicht ableiten lässt.
Dr. S. stellte bei der Klägerin ein Mischbild aus statischen Folgen einer Coxarthrose mit unzureichender Streckbarkeit der Hüftgelenke fest. An- und Abspreizbewegungen sowie Drehbewegungen in beiden Hüftgelenken waren deutlich reduziert. Aufgrund der vermehrten lordotischen Einstellung der Lendenwirbelsäule kommt es nach seinen Ausführungen zu einer vermehrten lumbalen Muskelverspannung und einer vermehrten Belastung der kleinen Wirbelgelenke im Sinne eines lumbalen Facettensyndroms. Eine Wurzelirritation der Lendenwirbelsäule konnte er jedoch nicht feststellen. An den Handgelenken und Händen zeigten sich keine wesentlichen Funktionsstörungen, auch keine nennenswerten Muskelumfangsdifferenzen an den oberen Extremitäten. Die Schulterkulissen waren beidseits unauffällig mit seitengleich kräftiger Muskulatur. Den Bewegungsablauf der Klägerin für An- und Auskleiden hat Dr. S. als nur geringfügig verzögert beschrieben. Die Klägerin war auch in der Lage, über einen längeren Zeitraum (Erhebung der Anamnese über ca. 40 min) eine sitzende Position einzunehmen, ohne dass Ausweichbewegungen mit dem Oberkörper oder eine sitzbedingte Unruhe erkennbar gewesen seien. Die grob- und feinmotorischen Bewegungen waren nicht beeinträchtigt. Beim Betreten des Untersuchungszimmers mit 2 Unterarmgehstützen fiel dem Gerichtssachverständigen eine leichte Aggravationstendenz auf. Schwerpunktmäßig sah Dr. S. daher für den Senat nachvollziehbar nur qualitative Einschränkungen, insbesondere auch in Bezug auf die Wegefähigkeit, jedoch keine quantitativen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit der Klägerin.
Auch Dr. B. hat nachvollziehbar noch ein Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei der Klägerin gesehen. Dr. B. schilderte die Klägerin als bewusstseinsklar und hinsichtlich aller Qualitäten vollständig orientiert ohne formale oder inhaltliche Denkstörungen. Wachheit und Konzentrationsvermögen waren nicht nennenswert eingeschränkt, Hinweise auf kognitive Einbußen zeigten sich nicht. Die Stimmungslage war depressiv, einmal kam es zu einem kürzeren Weinausbruch. Die Klägerin war aber dann wieder bald in der Lage, sich zu kontrollieren. Dr. B. stufte die bei der Klägerin vorliegende Depression als leicht bis allenfalls mittelgradig ein und bezeichnete sie als Dysthymie. Er stellte in Übereinstimmung mit dem Vorgutachtern der Beklagten fest, dass die psychiatrischen Symptome gegenwärtig nicht sehr ausgeprägt seien. Es sei nachvollziehbar, dass die Klägerin unter Schmerzen leide, wenn auch nicht in dem von ihr dargebotenen Ausmaß.
Aufgrund der überzeugenden Gutachten von Dr. B. und Dr. S., die für den Senat nach rechtskräftiger Ablehnung der Befangenheitsanträge verwertbar sind, steht damit fest, dass die Klägerin jedenfalls im Oktober 2007 noch in der Lage war, mindestens sechs Stunden täglich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten.
Ein Rentenanspruch ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin unter den üblichen Bedingungen des für sie in Betracht kommenden allgemeinen Arbeitsmarktes keine Tätigkeit finden würde. Denn bei ihr liegen zu diesem Zeitpunkt weder ein nur eine Teilzeit erlaubendes Erwerbsvermögen noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, die ausnahmsweise die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich machen würde. Zwar lag laut Dr. B. und Dr. S. eine relevante Einschränkungen der Wegefähigkeit der Klägerin vor, da diese aufgrund der Hüfterkrankung nicht mehr in der Lage war, viermal täglich mehr als 500 m in weniger als 20 Min zurückzulegen. Nach den Feststellungen von Dr. B. und Dr. S. war die Klägerin aber zu diesem Zeitpunkt in der Lage, ein Kfz zu führen. Nach den Aussagen des Zeugen A. in der mündlichen Verhandlung vor dem SG stand der Klägerin auch ein Kfz zur Verfügung. Dies ist nach den Ausführungen von Dr. B. auch heute noch der Fall. Damit war die Klägerin in der Lage, einen Arbeitsplatz zu erreichen, so dass ihr der Arbeitsmarkt nicht versperrt war.
Seit der letzten Untersuchung durch einen Gerichtsachverständigen im Verfahren vor dem SG im Oktober 2007 hat sich der Gesundheitszustand der Klägerin schleichend verschlechtert. Dies gilt sowohl für die arthrotischen Veränderungen, denen die Klägerin nach wie vor nicht durch die medizinisch indizierte Einsetzung von Hüftgelenks-TEP entgegengetreten ist, als auch für die psychischen Alterationen. Erst zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. B. ist mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen, dass diese Verschlechterung ein rentenrelevantes Ausmaß angenommen hat. Auch aus den vom Senat beigezogenen Befundberichten, in denen die bekannten Gesundheitsstörungen der Klägerin geschildert werden, lässt sich eine augenfällige Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin nicht entnehmen. Die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung zu einem früheren Zeitpunkt kommt daher nicht in Betracht.
Der Klägerin steht nach Auffassung des Senats jedoch ab Antragstellung Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß §§ 43 Abs. 1, 240 Abs. 1, 2 SGB VI zu.
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben auch vor dem 2. Januar 1961 geborene Versicherte, die berufsunfähig sind (§ 240 Abs. 1 SGB VI).
Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden verrichten kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Ausgangspunkt für die Beurteilung des "vergleichbaren Versicherten" ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf". Dieser ergibt sich in der Regel aus der letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit in Deutschland. Es ist die Berufstätigkeit zugrunde zu legen, die bei im Wesentlichen ungeschwächter Arbeitskraft nicht nur vorübergehend eine nennenswerte Zeit ausgeübt wurde (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 130, 164). Dabei unterscheidet die Rechtsprechung nach dem sogenannten Vier-Stufen-Schema im Bereich der Angestellten die Leitberufe des Angestellten mit hoher beruflicher Qualität, Angestellte mit längerer Ausbildung, regelmäßig von 3 Jahren (Ausgebildete), Angestellte mit einer Ausbildung bis zu 2 Jahren (Angelernte) und Angestellte ohne Ausbildung (Ungelernte). Für versicherungspflichtige Selbstständige sind für die qualitative Einstufung die erforderliche Ausbildung, die besonderen Anforderungen der Tätigkeit und die sonstigen im Arbeits- und Berufsleben qualifizierenden Merkmale maßgeblich.
Zuletzt war die Klägerin versicherungspflichtig als selbständige Immobilienmaklerin tätig. Hierbei handelt es sich nach den Ausführungen des berufskundlichen Sachverständigen für das SG Berlin (zitiert in LSG Berlin, Urteil vom 9. Juni 2011, Az. L 3 R 169/09, in juris) um einen Beruf, für deren Ausübung es keiner Ausbildung bedarf, sondern nur einer Berufszulassung gemäß § 34 c Gewerbeordnung. Der Zugang zur Tätigkeit wird jedoch durch Aus- und Fortbildungen wie Immobilienkaufmann, Betriebswirt für Grundstücks- und Wohnungswesen oder Kaufmann der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft erleichtert. Bei der Tätigkeit als Immobilienmakler handelt es sich ausgehend von den auszuübenden Tätigkeiten sowie den als Zugang dienlichen Berufen um eine besonders hoch qualifizierte Tätigkeit. Auch die Klägerin hat einen Diplom-Abschluss im Bereich des Bauwesens sowie zusätzlich eine einjährige Fortbildung absolviert. Der Senat geht daher jedenfalls von dem Leitberuf des Angestellten mit längerer Ausbildung aus. Die Klägerin ist damit nur auf Tätigkeiten derselben Stufe oder der von Angelernten verweisbar.
Die Beklagte hat als Verweisungstätigkeit ausschließlich die von der Klägerin erlernte und hochqualifizierte Tätigkeit als Bauingenieurin benannt, wobei unzweifelhaft feststeht, dass die Klägerin aufgrund ihrer Gehbehinderung im Wesentlichen nur noch Tätigkeiten im Büro ausüben kann. Ein Einsatz auf Baustellen scheidet ersichtlich aus. Nach den Ausführungen des in diesem Verfahren vom Senat beauftragten berufskundlichen Sachverständigen planen und berechnen Bauingenieure Bauwerke im Hoch- und Tiefbau sowie Verkehrs- oder Versorgungsanlagen. Hinzu kommen Bereiche wie Bauleitung, Materialprüfung, Begutachtung oder Instandhaltung sowie Projektsteuerung. Arbeitsplätze finden sich in Architektur- und Ingenieurbüros, Betrieben des Hoch- und Tiefbaus, in der Immobilienwirtschaft, im öffentlichen Dienst, in der Baustoffindustrie, bei Instituten, Hochschulen, Berufsverbänden, Verlagen und Versicherungen. Es gibt dabei eine hinreichende Anzahl von Stellen für Bauingenieure, die nur im Büro tätig werden. Die Tätigkeiten finden überwiegend in sitzender Haltung an Bildschirmarbeitsplätzen statt. Vereinzelt gibt es noch Konstruktionsbüros, die an großen Zeichentischen teilweise im Stehen arbeiteten. Kooperation und Kommunikation im Team sind sehr wichtig. Von Bauingenieuren wird ein hohes Maß an zeitlicher Flexibilität verlangt. Gerade wenn Fertigstellungstermine drängen oder Fristen für Ausschreibungen eingehalten werden müssen, arbeiten sie unter Zeitdruck. Die Einhaltung bautechnischer und sicherheitstechnischer Maßgaben (Verantwortung für Personen und Sachwerte) im Zusammenhang mit Zeit- und Kostendruck erfordern die Fähigkeit, teilweise unter hohem Druck konzentriert arbeiten zu können. Darüber hinaus sind Kommunikationskompetenz und Verhandlungsgeschick im Rahmen von Teamarbeit und Gesprächsführung mit Bauherrn und Auftragnehmern gefordert. Als gesundheitliche Leistungseinschränkungen, die einer Tätigkeit als Bauingenieur im Büro entgegenstehen, wurden vom Sachverständigen genannt die Gehbehinderung bzw. Rollstuhlnutzung, Rückenbeschwerden bzw. Bewegungseinschränkungen durch dauerhafte Sitz- oder auch Stehtätigkeit, Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten, Sinnesbeeinträchtigungen
sowie psychische Beeinträchtigungen aufgrund des Umstands, dass Tätigkeiten eines Bauingenieurs im Büro unter Zeitdruck und Stressbedingungen ausgeübt werden müssen.
Der Senat ist davon überzeugt, dass die Klägerin seit Antragstellung diesen Anforderungen nicht mehr gerecht geworden ist. Bereits der von der Beklagten beauftragte Sachverständige Dr. H. hat Zeitdruckarbeiten für nicht mehr zumutbar erachtet. Diese sind jedoch mit Tätigkeiten als Bauingenieur typischerweise verbunden. Dr. P. hat darüber hinaus festgestellt, dass die Klägerin Arbeiten nur noch im Wechselrhythmus verrichten könne. Bauingenieure verrichten ihre Tätigkeiten jedoch ganz überwiegend im Sitzen oder - in einzelnen Konstruktionsbüros - überwiegend im Stehen. Schon bei der Begutachtung durch die Beklagte war die Klägerin aufgrund der bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen also nicht in der Lage, die von der Beklagten benannte Tätigkeit als Bauingenieurin zu verrichten.
Für den Senat steht auch fest, dass die Klägerin ab Antragstellung auch nicht mehr in der Lage war, die zuletzt verrichtete Tätigkeit als Immobilienmaklerin zu verrichten. Dies ergibt sich aus den Ausführungen von Dr. S., der in Kenntnis des berufskundlichen Anforderungsprofils dieser Tätigkeit ausgeführt hat, dass die Klägerin zu dieser Tätigkeit nicht mehr in der Lage sei. Wie Dr. S. zutreffend dargelegt hat, setzt der Beruf der Immobilienmaklerin eine gewisse Mobilität voraus. Es müssen häufig Autofahrten mit Ein- und Aussteigen unternommen werden. Die Annahme von Aufträgen erfordert die Besichtigung und das Ausmessen von unbebauten Grundstücken. Bei Wohnungsvermittlungen müssen Objekte, ggf. auch ohne Aufzug, besichtigt und Grundflächen ausgemessen werden, gelegentlich auch Spitzböden. Die für diese Tätigkeit erforderliche Mobilität war bei der Klägerin nicht mehr vorhanden. Dies entspricht auch der Einschätzung des Gutachters Dr. P. im Widerspruchsverfahren.
Da die Klägerin bereits seit Antragstellung nicht mehr in der Lage ist, ihren Hauptberuf sowie den von der Beklagten benannten Verweisungsberuf zu verrichten, steht ihr Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu. Der Senat geht dabei davon aus, dass bereits im Zeitpunkt der Rentenantragstellung eine Behebung der Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin unwahrscheinlich war. Dies entspricht auch der Einschätzung von Dr. S ... Dr. P. hat zwar in seinem Gutachten vom 18. Dezember 2006 ausgeführt, eine Befundbesserung sei durch operative Maßnahmen möglich. Er begrenzte deshalb das eingeschränkte Leistungsvermögen der Klägerin für Tätigkeiten als Immobilienmaklerin auf den Zeitraum Dezember 2006 bis Ende 2008. Dies überzeugt jedoch deshalb nicht, weil die Implantierung einer Hüftgelenks-TEP keine duldungspflichtige Operation ist und die Klägerin von Anfang an klargestellt hatte, dass ein Hüftgelenkersatz für sie nicht in Betracht kommt. Damit ist die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit unbefristet entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren (§ 102 Abs. 2 S. 5 SGB VI). Der Senat folgt bezüglich des Eintritts des Leistungsfalls den Ausführung von Dr. S., wonach das Leistungsbild seit Rentenantrag (13. Dezember 2004) besteht. Rentenbeginn ist damit der 1. Januar 2005 (§ 99 Abs. 1 S. 1 SGB VI).
Die Kostenentscheidung (§§ 183,193 SGG) berücksichtigt, dass die Klägerin im Berufungsverfahren teilweise erfolgreich war.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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